L 11 KA 17/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KA 72/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 17/20
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 4. März 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch im Berufungsrechtszug die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 6), die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 60.000,00 € festsetzt.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens.

Die 1981 geborene Klägerin ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin (KJP) und nahm als solche seit dem 15. März 2011 in M an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teil. Der Beklagte erteilte der Klägerin u.a. die Genehmigung, Frau Psych. T (Beschluss vom 15. Juli 2015) und Frau Psych. R – KJP (Beschluss vom 22. Februar 2017) im Sonderbedarf mit jeweils dem Faktor 0,5 – letztere im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie – anzustellen. Auf den weiteren Inhalt der Beschlüsse wird Bezug genommen. Frau T nahm ihre Tätigkeit am 1. August 2015 und Frau R zum 1. März 2017 auf. Ferner genehmigte der Beklagte die Anstellung mit dem Faktor 0,5 für Frau Soz.-Arb. A und Frau S jeweils zum 25. Januar 2018, wobei für beide zum einen der Praxisaufnahmebogen nicht vorgelegt und zum anderen die Bestandskraftgebühr nicht eingezahlt wurde.

In der Praxis der Klägerin gab es in den Quartalen II/2017 bis II/2018 folgende Anzahl von Behandlungsfällen:

II/2017

III/2017

IV/2017

I/2018

II/2018

139

146

147

136

46

 

Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Dortmund eröffnete am 3. April 2018 über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren (Beschluss vom 3. April 2018 – 258 IN 121/17). Die Arbeitsverhältnisse u.a. der Damen T und R wurden durch den Insolvenzverwalter mit Wirkung zum 31. Juli 2018 gemäß § 113 Insolvenzordnung (InsO) gekündigt und die Arbeitnehmerinnen zum 1. April 2018 von der Arbeitsleistung freigestellt. Dies zeigte die Klägerin dem Beklagten gegenüber am 7. Mai 2018 an, woraufhin dieser – bestandskräftig – feststellte, dass die erteilten Anstellungsgenehmigungen mit Ablauf des 31. Juli 2018 endeten (Beschlüsse vom 16. Mai 2018 – ausgefertigt jeweils am 25. Mai 2018).

Bereits mit Beschluss vom 15. Mai 2018 hatte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Westfalen-Lippe (Landesausschuss) für den Planungsbereich M und die Bedarfsplanungsgruppe der Psychotherapeuten eine Vakanz von 2,0 Zulassungen/Anstellungen bis zur Überversorgung festgestellt.

Am 14. Juni 2018 beantragte die Klägerin (zuletzt noch), zwei Anstellungsgenehmigungen mit dem jeweiligen Faktor 0,5 als Zulassungen zur Nachbesetzung auszuschreiben. Dabei benannte sie in einem erläuternden Schriftsatz konkret u.a. die Anstellungen von Frau T (KJP Faktor 0,5) und Frau R (KJP Faktor 0,5). Sie habe einen Anspruch auf Durchführung, da für den Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien. Es bestehe im Planungsbereich M – nach wie vor – sowohl im Bereich der KJP als auch im Bereich der psychologischen Psychotherapie ein erhebliches Versorgungsdefizit, wobei dieses nicht einmal Voraussetzung für die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens sei. Insofern könne auf die Begründung der jeweiligen Anstellungsgenehmigungen Bezug genommen werden. In rechtlicher Hinsicht sei unerheblich, dass die fraglichen psychotherapeutischen Versorgungsaufträge im Wege der Sonderbedarfsfestellung geschaffen worden seien. In § 103 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei keine gesetzliche Grundlage enthalten, die das Nachbesetzungsrecht für Sonderbedarfszulassungen einschränke. Diesbezüglich könne sie sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) berufen, wonach Sonderbedarfszulassungen kein „aliud“ zu bedarfsunabhängigen Zulassungen darstellten (Verweis auf BSG, Urteil vom 11. September 2002 – B 6 KA 23/01 R; Senat, Urteil vom 10. Dezember 2008 – L 11 KA 47/08). Durch den Beschluss des Landessausschusses für den Bereich Psychotherapie im Planungsbereich M dürften ihr keine Nachteile entstehen. Bekanntlich würden zeitnah zwei neu geschaffene psychotherapeutische Versorgungsaufträge ausgeschrieben. Es sei aber – ungeachtet des Entscheidungsdatum des Beklagten – zu berücksichtigen, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt – dem Zeitpunkt der Antragstellung – ein nachbesetzungsfähiges Praxissubstrat noch vorhanden gewesen sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 49/12 R; BSG, Urteil vom 23. März 2016 – B 6 KA 9/15 R). Zu diesem Zeitpunkt sei die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit der beiden angestellten Dipl.-Psych. erst – nach Freistellung zum 1. April 2018 – ca. sechs Wochen beendet gewesen. Es sei auch nicht so, dass der Antrag rechtsmissbräuchlich verfrüht, das Zulassungsverfahren durch sie – die Klägerin– verzögert oder ein Ausschreibungsantrag zurückgenommen worden sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 23. März 2016 – a.a.O.). Die durch die Beigeladene zu 7) vertretene Rechtsansicht verstoße offensichtlich gegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Unzutreffend sei es auch, dass im Falle einer partiellen Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen die Durchführung eines Praxisnachfolgeverfahrens generell unzulässig sei. Dies möge zwar der Spruchpraxis der Zulassungsausschüsse entsprechen, dennoch liege auch in diesen Fällen ein generell „gesperrter“ Planungsbereich i.S.d. § 103 Abs. 3a, 4 SGB V vor, denn im Falle der hier durchgeführten Reaktivierung würden die Zulassungsbeschränkungen gerade nicht komplett aufgehoben, sondern nur eine Anzahl von Sitzen in die Ausschreibung gebracht, bis zu deren Belegung wieder formal Überversorgung eingetreten sei. Es sei mithin nicht so, dass in dieser Konstellation die Sitze „frei“ übertragen bzw. vergeben werden könnten.

Der Beklagte hörte daraufhin die Beigeladene zu 7) an und verwies darauf (Schreiben vom 15. Juni 2018), dass zunächst grundsätzlich zu klären sei, ob die Angestelltensitze im Rahmen eines Sonderbedarfs nach den §§ 36, 37 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie [BPRL]) überhaupt nachbesetzungs- und damit ausschreibungsfähig seien. Er – der Beklagte – habe im Zuge der Beschlüsse vom 16. Mai 2018 bewusst keine Nachbesetzungsfrist auf Grund der Reaktivierung des Planungsbereiches der kreisfreien Stadt M und der bestehenden Sonderbedarfssituation festgehalten.

Die Beigeladene zu 7) trat den Anträgen entgegen. Der Beschluss des Landesausschuss vom 15. Mai 2018 habe zur Reaktivierung des Planungsbereiches M für die Bedarfsplanungsgruppe der Psychotherapeuten geführt. Es sei zunächst noch nicht absehbar, welche Therapeuten sich in diesem Rahmen niederlassen würden und wie sich die Auslastung dort gestalten werde. Folglich sei die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a SGB V mit hälftigem Versorgungsanteil für Frau Psych. T und Frau Psych. R zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Ein Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V sei nur in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien, möglich. Im Zeitpunkt der Beantragung hätte diese Voraussetzung gerade nicht vorgelegen, so dass der Antrag als unzulässig, jedenfalls aber als schwebend unwirksam anzusehen sei; zulässig sei er erst mit erneuter Anordnung der Zulassungsbeschränkungen durch Beschluss des Landesausschuss vom 30. November 2018 geworden. Zudem verwies die Beigeladene zu 7) darauf, dass im Laufe des Verfahrens auch nicht mehr von einem noch vorhandenen Praxissubstrat auszugehen sei.

Der Beklagte erläuterte sodann, dass die Entscheidung über die streitrelevanten Anträge im Hinblick auf die aktuelle Öffnung des Planungsbereichs zunächst zurückgestellt werde.

Mit Beschlüssen vom 12. Oktober 2018 erteilte der Beklagten für den im Umfang von 2,0 Zulassungen bzw. Anstellungen der Fachgruppe der Psychotherapeuten reaktivierten Planungsbereich der kreisfreien Stadt M folgende Versorgungsaufträge:

  • ein Facharzt für Psychotherapeutische Medizin mit einem 0,5 Versorgungsauftrag im Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und analytischen Psychotherapie,
  • ein Psychologischer Psychotherapeut mit einem 0,5 Versorgungsauftrag im Richtlinienverfahren der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und der analytischen Psychotherapie sowie
  • eine Ärztliche Psychotherapeutin mit 1,0 Versorgungsauftrag im Richtlinienverfahren der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.

Die Niederlassungen erfolgten in den Postleitzahlenbereichen 01 und 02 M. Ein zunächst anhängiges Widerspruchsverfahren wurde durch Rücknahme des Widerspruchs in der Sitzung des Berufungsausschusses für Psychotherapie Westfalen-Lippe am 11. Februar 2019 beendet.

Mit Beschluss vom 30. November 2018 stellte der Landesausschuss sodann nach § 103 Abs. 1, 2 SGB V i.V.m. §§ 23, 24 BPRL fest, dass in dem Planungsbereich M für die Arztgruppe der Psychotherapeuten (erneut) eine Überversorgung eingetreten sei und Zulassungsbeschränkungen bestünden.

Der Beklagte lehnte in der Folge die Durchführung des Nachbesetzungsverfahren mit Beschlüssen vom 22. Mai 2019 – ausgefertigt jeweils am 29. Mai 2019 – mangels nachbesetzungsfähigen Praxissubstrats ab. Von dessen Wegfall sei grundsätzlich nach Ablauf von sechs Monaten auszugehen. Da die Anstellungen bereits zum 31. Juli 2018 beendet worden und sogar Freistellungen von der Beschäftigung seit dem 1. April 2018 erfolgt seien, gehe er – der Beklagte – nicht davon aus, dass nach über einem Jahr noch ein Praxissubstrat vorhanden sei und schließe sich der Stellungnahme der Beigeladenen zu 7) vom 4. April 2019 an. Die Zustellung erfolgte – nach unwidersprochenen Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin – am 31. Mai 2019.

Die Klägerin hat am 19. Juni 2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Sie hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertiefend vorgetragen, dass die Antragstellung von Beginn an zulässig gewesen sei, auch wenn der Planungsbereich durch Beschluss des Landesausschusses partiell entsperrt worden sei. Der Beschluss des Landesausschusses vom 15. Mai 2018 habe festgestellt, dass in dem Planungsbereich M für die Gruppe der Psychotherapeuten eine Überversorgung nicht mehr bestanden habe, und nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BPRL für diesen Planungsbereich die Auflage erteilt, dass Zulassungen nur im Umfang von 2,0 erfolgen dürften, bis Überversorgung eingetreten sei. Dies ändere nichts daran, dass der Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen unterlegen habe. Er sei lediglich partiell, nämlich im Umfang von 2,0 Zulassungen/Anstellungen, geöffnet worden, darüber hinaus aber nach wie vor gesperrt gewesen. Von dieser Sperrung sei auch die Verwertung der Praxis der Klägerin betroffen gewesen. Es handele sich wegen der verbleibenden Beschränkungen insoweit um ein Minus zur vollständigen Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen. Um einen Planungsbereich, der „keinen“ Zulassungsbeschränkungen unterliege, handele es sich nur dann, wenn alle Anträge zwischen der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen und der erneuten Anordnung einer Zulassungsbeschränkung positiv beschieden würden (Verweis auf BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 – B 6 KA 81/03 R zu der Vorgängervorschrift des § 23 BPRL).

Es habe auch im Zeitpunkt der Antragstellung ein fortführungsfähiges Praxissubstrat vorgelegen (Verweis auf BSG, Urteil vom 27. Juni 2018 – B 6 KA 46/17 R und vom 30. Oktober 2019 – B 6 KA 14/18 R). Die Rechtsansicht des Beklagten führe dazu, dass ihr – der Klägerin – jegliche Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Praxis genommen werde, ohne dass ihr diesbezügliche Einflussmöglichkeiten zur Verfügung stünden.

Hilfsweise sei davon auszugehen, dass § 103 Abs. 3a, 4 SGB V analog anzuwenden sei. Finde § 103 Abs. 3a SGB V im Fall der partiellen Entsperrung keine Anwendung, bestehe nämlich eine Regelungslücke betreffend der Verwertungsmöglichkeiten. Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese nicht gewollt habe, sodass sie planwidrig sei. Die Interessenlage von solchen Ärzten, die ihre Praxis abgeben wollten, während „zufällig“ zuvor ein – teilweise entsperrender – Beschluss des Landesausschusses gefasst worden sei, seien mit denjenigen eines Arztes, der seine Praxis aufgeben wolle, während der Planungsbereich noch gänzlich gesperrt sei, vergleichbar. In beiden Fallgestaltungen habe der Arzt nicht die Möglichkeit, seine Praxis „frei“ zu vergeben und zu verwerten. Eine Grundrechtsrelevanz in Bezug auf die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG bestehe gleichermaßen.

Äußerst hilfsweise werde darauf verwiesen, dass das erforderliche Praxissubstrat auch dann noch vorgelegen habe, als der Antrag – aus Sicht der Beigeladenen zu 7) – wirksam geworden sei. Zwischen der Freistellung der beiden angestellten Psychotherapeutinnen zum 1. April 2018 und dem Beschluss des Landesausschusses am 30. November 2018 lägen lediglich acht Monate, die die Annahme eines Wegfalls des Praxissubstrats nicht rechtfertigen würden. Nicht nachvollziehbar sei in diesem Kontext, weshalb der Beklagte in seinem Beschluss ausdrücklich von einem Zeitraum von mehr als einem Jahr ausgehe und aufgrund dieses Zeitraums zu einem fehlenden Praxissubstrat komme.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beschlüsse des Beklagten aus der Sitzung vom 22. Mai 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über die Nachbesetzungsanträge der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Beschlüsse für rechtmäßig gehalten. Nach § 103 Abs. 3a Satz 1 SGB V entscheide er – der Beklagte – auf Antrag des Vertragsarztes, ob ein Nachbesetzungsverfahren nach §103 Abs. 4 SGB V durchgeführt werden soll. Der Landesausschuss habe mit Beschluss vom 15. Mai 2018 festgestellt, dass für den Planungsbereich M eine Überversorgung für die Bedarfsplanungsgruppe der Psychotherapeuten nicht mehr bestehe. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätten damit die Voraussetzung des § 103 Abs. 3a i.V.m. Abs. 4 SGB V nicht vorgelegen.

§ 103 Abs. 4 SGB V sei ebenso wie die Vorschriften der §§ 101 bis 103 Abs. 1 und 2 SGB V durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 neu gefasst worden. Der Gesetzgeber habe mit dem GSG eine grundlegende Reform der Vorgaben für die Bedarfsplanung eingeführt und auch Regelungen zur Zulassung einer Praxisübernahme im Falle der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung getroffen. Das BSG (Verweis auf Urteil vom 25. November 1998 – B 6 KA 70/97 R) habe zu § 103 SGB V in seiner durch das GSG geschaffenen Fassung ausgeführt, dass mit § 103 Abs. 4 SGB V den Erfordernissen des Eigentumsschutzes Rechnung getragen werden solle, indem dem Inhaber einer Praxis deren wirtschaftliche Verwertung auch in einem für Neuzulassungen gesperrten Gebiet ermöglicht werde (Bericht des Ausschusses für Gesundheit Bundestags-Drucksache [BT-Drs.] 12/3937, S. 7). Normzweck der dargestellten Vorschriften sei damit die Gewährleistung des Eigentumsschutzes der Praxis des abgebenden Arztes in allen von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereichen. Davon ausgehend könne die Norm keine Anwendung in einem Planungsbereich finden, in welchem der Landesausschuss einen Beschluss nach § 26 Abs. 1 BPRL gefasst habe. Bei der in dem Beschluss gefassten Auflage handele es sich gerade nicht um eine Beschränkung im Sinne des § 103 Abs. 3a, 4 SGB V. Das folge zweifelsfrei aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen sowie der Rechtsprechung des BSG. Die Richtigkeit dieser Auffassung werde auch durch nachfolgenden Aspekt bestätigt: Voraussetzung der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens sei u.a. die Erforderlichkeit der Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus „Versorgungsgründen“. Ziel dessen sei, in dem gesperrten Planungsbereich Überversorgung abzubauen und dadurch langfristig eine ausgewogene räumliche Verteilung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzte zu erreichen sowie die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Aus dieser Gesetzesbegründung folge, dass die Vorschriften zu Nachbesetzungsverfahrens nur in einem Planungsbereich Anwendung finden könnten, in dem „Überversorgung“ (noch) bestehe.

Die Beigeladene zu 7) hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sowie die Beigeladenen zu 1) bis 5), letztgenannte im Termin vor dem SG nicht erschienen und ebenso wie die Beigeladene zu 7) durch das SG mit Beschluss vom 28. Juni 2019 am Verfahren beteiligt, haben sich im Verfahren nicht geäußert.

Das SG hat mit Urteil vom 4. März 2020 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 19. März 2020 zugestellte Urteil hat sich die Klägerin mit ihrer am 16. April 2020 eingelegten Berufung gewandt, zu deren Begründung sie ihren bisherigen Vortrag wiederholt. Ergänzend trägt sie vor, dass die Angestelltensitze im Sonderbedarf entgegen der Ansicht des SG nachbesetzungsfähig seien. § 36 Abs. 7 Satz 1 BPRL regele bereits keinen generellen Ausschluss der Nachbesetzungsfähigkeit. Dem Wortlaut der Regelung in Satz 1 und 2 sei eindeutig zu entnehmen, dass eine Nachbesetzung von Zulassungen und Einstellungen im Sonderbedarf grundsätzlich möglich seien. Für sie werde lediglich eine weitere Voraussetzung normiert. Dies bestätigte sich auch historisch. Soweit § 36 Abs. 7 BPRL entgegen der Regelung in § 103 Abs. 3a SGB V die Nachbesetzung von Zulassungen und Anstellungen im Sonderbedarf von dem Fortbestand der Sonderbedarfsfeststellung abhängig mache, verstoße die Vorschrift gegen höherrangiges Recht und sei damit nichtig. Es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage. Se kollidiere zudem mit Art. 14 Abs. 1 GG. Die Ermächtigung des GBA zum Erlass von Richtlinien zur Bedarfsplanung ergebe sich aus §§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9, 101 SGB V – hier insb. § 101 Abs. 1 Nr. 3a SGB V. Sie reiche soweit, wie nicht gesetzliche Regelungen entgegenstünden. Diesbezüglich sei § 103 Abs. 3a, 4 SGB V zu beachten. Dabei kenne das SGB V keine Unterscheidung von bedarfsunabhängigen Zulassungen und Sonderbedarfszulassungen, sondern beide stellten unterschiedslos – da kein „aliud“ – Zulassungen dar. Mithin fehle dem GBA als untergesetzlichem Normgeber die rechtliche Grundlage dafür, im Zusammenhang mit einer einmal erteilten Zulassung der einen Art (Sonderbedarfszulassung) oder der anderen Art (bedarfsunabhängige Zulassung) differenzierte Regelungen zu erlassen. Zudem unterfalle eine eingerichtete und ausgeübte Praxis dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Sie stelle – im Gegensatz zu der Zulassung selbst – insoweit eine vermögensrechtliche Rechtsposition dar, wobei Zulassung und Praxis wirtschaftlich betrachtet untrennbar zusammengehörten. Das habe auch der Gesetzgeber anerkannt (vgl. BT-Drs. 12/3937, S. 7) und habe das Nachbesetzungsverfahren in gesperrten Planungsbereichen mit § 103 Abs. 4 bis 6 SGB V geregelt (zudem Verweis auf BSG, Urteil vom 29. September 1999 – B 6 KA 1/99 R; BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 6 KA 19/12 R). Führe die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dazu, dass eine Nachbesetzung in einem gesperrten Planungsbereich grundsätzlich ermöglicht werden müsse, so müsse dies unterschiedslos für alle Zulassungen gelten und damit auch für solche im Sonderbedarf. Das gelte umso mehr, als der Schutz an die Praxis und nicht an die Zulassung anknüpfe, wobei die Sonderbedarfszulassung im Übrigen gerade in voller Kenntnis bestehender Überversorgung erteilt werde und insofern dem Grunde nach eigentlich schutzwürdiger sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 4. März 2020 zu ändern und unter Aufhebung der Beschlüsse des Beklagten vom 22. Mai 2019 den Beklagten zu verpflichten, die Nachbesetzungsanträge der Klägerin vom 14. Juni 2018 (Eingang) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 7) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Zur Begründung wiederholt er seinen bisherigen Vortrag. Vertiefend führt er aus, dass eine fortführungsfähige Praxis nach der Rechtsprechung des BSG den (Mit-)Besitz an Praxisräumen, die Ankündigung von Sprechzeiten, die tatsächliche Entfaltung einer psychotherapeutischen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen sowie das Bestehen der für die Ausübung erforderlichen Praxisinfrastruktur erfordere (Verweis auf BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 49/12 R; BSG, Urteil vom 27. Juni 2018 – B 6 KA 46/17 R). Vorliegend habe das Angestelltenverhältnis das Schicksal der Arbeitgeberin geteilt.

Die Zulassung bzw. Anstellung im Sonderbedarf sei an den Ort der Niederlassung gebunden (§ 36 Abs. 2 BPRL); die Nachfolgebesetzung nach § 103 Abs. 4 SGB V benötige eine erneute Anstellung und könne nur bei Fortbestand des Sonderbedarfs mit einer erneuten Beschränkung erteilt werden. § 103 Abs. 3a Satz 3 Halbsatz 2 und Satz 8 SGB V fänden keine Anwendung, § 36 Abs. 7 BPRL. Dementsprechend seien die ursprünglichen Anstellungsgenehmigungen im Sonderbedarf mit der Auflage „Bindung an den Praxisort und Richtlinienverfahren“ versehen worden. Der Klägerin sei damit bereits bei Beginn der Anstellung bewusst gewesen, dass – sofern der Sonderbedarf weiterhin Bestand habe – eine Nachbesetzung zur Fortführung der Angestelltenstelle nur innerhalb ihrer Praxistätigkeit möglich sei. Eine Herauslösung aus dem Praxisbetrieb – i.S. eines „Verkaufs“ der Angestelltensitze – sei analog den Regelungen des § 95 Abs. 9b SGB V nicht vorgesehen gewesen. Diese Beschlüsse hätten Bestandskraft erlangt. Letztlich sei bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob der Sonderbedarf noch hätte bestätigt werden können. Dagegen habe bereits gesprochen, dass keine Überversorgung mehr vorgelegen habe.

Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

Der Senat hat u.a. die Beschlüsse des Landesausschuss, einen Arztregisterauszug der Klägerin, ergänzende Verwaltungsvorgänge und die klägerischen Frequenztabellen beigezogen.

Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 2. Mai 2022). Der Beklagte und die Beigeladene zu 7) haben von dieser Gestattung Gebrauch gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten des ZA Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe:

A. Das Verfahren ist zunächst nicht gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 240 Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen. Dies setzt voraus, dass das Verfahren im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits rechtshängig gewesen ist (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 240 ZPO, Rn. 4). Das war vorliegend nicht der Fall. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin wurde bereits am 3. April 2018 eröffnet, während die Klage erst am 19. Juni 2019 bei dem zuständigen SG eingereicht worden ist.

B. Die Anträge im Berufungsverfahren sind wirksam im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellt. Soweit die Beteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal vertreten gewesen sind, sondern von ihren Behörden- oder Kanzleisitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, war dies gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 2. Mai 2022 zulässig.

C. Gegenstand des Verfahrens sind die Beschlüsse des Beklagten vom 22. Mai 2019, mit welchen er die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens abgelehnt hat.

D. Gegen das der Klägerin am 19. März 2020 zugestellte Urteil des SG Dortmund vom 4. März 2020 hat sich diese am 16. April 2020 mit der Berufung gewandt. Die insoweit schriftlich eingelegte Berufung der Klägerin gegen das genannte Urteil ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2, 63 SGG).

Die Klägerin ist zudem prozessführungsbefugt, denn ihr oblag weiterhin die prozessuale Berechtigung, ihren Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen. Diese ist insbesondere nicht nach § 80 Abs. 1 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter übergegangen (vgl. dazu z.B. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 29. Mai 2008 – V ZB 3/08WM 2008, 1789). Weder die vertragsärztliche Zulassung noch z.B. der hieraus abgeleitete Anspruch auf Verlegung des Vertragsarztsitzes (§ 24 Abs. 1 Ärzte-ZV) nach Maßgabe des § 24 Abs.7 Ärzte-ZV bzw. der Vertragsarztsitz selbst fällt in die Insolvenzmasse. Zwar kann der zivilrechtliche Vermögenswert einer Arztpraxis Teil der Insolvenzmasse werden. Der öffentlich-rechtliche Status der Zulassung als Vertragsarzt und der damit untrennbar verbundene Vertragsarztsitz (§ 24 Abs. 1 Ärzte-ZV) sind hingegen nicht pfändbar und nicht der Insolvenzmasse zurechenbar (Senat, Urteil vom 7. Oktober 1998 – L 11 KA 62/98; Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2016 – L 11 KA 71/16 B ER; BSG, Urteil vom 10. Mai 2000 – B 6 KA 67/98 RNZS 2001, 160; Bornheimer in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Handbuch zur Insolvenz, 102. Lieferung 2022, Kap.1 Rn. 93). Auch die Anstellungsgenehmigung fällt ebenso wenig wie die Zulassung selbst in die Insolvenzmasse (BSG, Urteil vom 11. Oktober 2017 – B 6 KA 27/16 RBSGE 124, 205, Rn. 31ff.; Pawlita in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage, § 95 Rn. 1346).

E. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, denn das SG hat ihre zulässige Klage letztlich zu Recht als unbegründet abgewiesen.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Der ZA ist der richtige Beklagte. Grundsätzlich ist in Zulassungssachen der Berufungsausschuss (BA) auf Beklagtenseite alleiniger Beteiligter eines sich anschließenden gerichtlichen Verfahrens (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 16. Mai 2018 – B 6 KA 1/17 RBSGE 126, 40, Rn. 20; BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 2/18 R – SozR 4-2500 § 95 Nr. 38, Rn. 23). Hier bestimmt das Gesetz in § 103 Abs. 3a Satz 1 i.V.m. Satz 11 und 12 SGB V jedoch abweichend von diesem Grundsatz ausdrücklich, dass nur der ZA über die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens entscheidet und dass diese Entscheidung nicht mit einem Widerspruch, sondern unmittelbar mit der Klage anfechtbar ist (BSG, Urteil vom 27. Juni 2018 – B 6 KA 46/17 RBSGE 126, 96, Rn. 20). Eine solche Klage muss sich zwangsläufig gegen den ZA richten, der den angefochtenen Beschluss erlassen hat und von dem eine andere Entscheidung begehrt wird (BSG, Urteil vom 27. Juni 2018 – B 6 KA 46/17 R – a.a.O.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – B 6 KA 14/18 R – SozR 4-2500 § 103 Nr. 28, Rn. 17).

2. Das Begehren der Klägerin, den Beklagten zu verpflichten, nach Umwandlung der Angestelltenstellen ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen, ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage statthaft (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 131 Abs. 3 SGG). Das nur auf Neubescheidung – und nicht auf Erlass eines die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens anordnenden Bescheids – gerichtete Klageziel trägt dem Umstand Rechnung, dass dem ZA bei seiner Entscheidung gemäß § 103 Abs. 3a Satz 3 und 7 SGB V in gewissem Umfang Ermessen eingeräumt ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2018 – B 6 KA 46/17 R – a.a.O., Rn. 43; Ladurner, Ärzte-ZV, 2017, § 103 Rn. 27; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – B 6 KA 14/18 R – a.a.O., Rn. 19).

3. Die Klagefrist des § 87 SGG ist im Rahmen der am 19. Juni 2019 eingelegten Klage gegen den am 31. Mai 2019 bekanntgegebenen Bescheid des Beklagten eingehalten.

4. Ein Vorverfahren vor dem BA (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 103 Abs. 3a Satz 10, 96 Abs. 4, 97 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 44 Ärzte-ZV) findet dann nicht statt, wenn der ZA seine Ablehnung – wie hier – nur darauf stützt, dass es an einer fortführungs-fähigen Praxis fehlt (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – a.a.O.). Denn die Sondervor-schrift in § 103 Abs 3a Satz 10 SGB V ist nicht nur in Fällen anzuwendent, in denen der ZA einen Antrag auf Nachbesetzung ablehnt, weil er diese aus Versorgungsgrün-den nicht für erforderlich hält, sondern generell in allen Fällen, in denen der ZA gemäß § 103 Abs 3a Satz 1 SGB V über einen Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungs-verfahrens entscheidet (BSG, Urteil vom 27. Juni 2018 – a.a.O.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – a.a.O.).

II. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist jedoch unbegründet, denn die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Die angefochtenen Beschlüsse sind rechtmäßig.

1. Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten über die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahren im Falle der beiden Anstellungsgenehmigungen mit dem Faktor 0,5 ist § 103 Abs. 3a Satz 1 und 2 SGB V i.V.m. § 95 Abs. 9b SGB V.

Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der ZA auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben, ob ein Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll, § 103 Abs. 3a Satz 1 SGB V. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind die Vorschriften auch auf Psychotherapeuten anzuwenden.

Maßgeblich für die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens in einer ausschließlich zweipoligen Konstellation ist demnach nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2016 – B 6 KA 9/15 RBSGE 121, 76, Rn. 12; BSG, Urteil vom 29. November 2017 – B 6 KA 31/16 RBSGE 124, 266, Rn. 21, 30; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 54 Rn. 34f) nicht die Fassung, die diese Vorschriften durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG vom 16. Juli 2015, BGBl I 1211 – Art. 1 Nr. 44 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GKV-VSG mit Geltung ab 23. Juli 2015) erhalten haben, sondern die noch vor dem Bescheiderlass – Bescheide des Beklagten vom 22. Mai 2019 – in Kraft getretene Fassung in der Gestalt des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG vom 6. Mai 2019, BGBl I 646, dort Art. 1 Nr. 55 Buchst b i.V.m. Art. 17 Abs. 1 TSVG mit Wirkung zum 11. Mai 2019). Die im Übrigen im Zeitpunkt der Antragstellung geltende Gesetzesfassung ist in den maßgeblichen Fassungen der Vorschrift identisch und vermittelt der Klägerin insofern keine günstigere Rechtsposition (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2016 – B 6 KA 9/15 R – a.a.O., Rn. 12).

2. Die streitigen Bescheide sind formell nicht zu beanstanden.

a) Zunächst ist der Beklagte für die Entscheidung sowohl über die Umwandlung nach § 95 Abs. 9b SGB V als auch der Nachbesetzung nach § 103 Abs. 3a SGB V zuständig. Das gilt ungeachtet dessen, dass der Wortlaut des § 95 Abs. 9b SGB V von einer Antragstellung an die Beigeladene zu 7) spricht und § 32b Abs. 5 Ärzte-ZV die Anpassung von § 95 Abs. 9b SGB V bisher noch nicht nachvollzogen hat.

Gemäß § 95 Abs. 9b SGB V ist eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom ZA in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung. Anders als § 95 Abs. 9b SGB V nimmt der im Übrigen inhaltsgleiche § 32b Abs. 5 Ärzte-ZV nicht auf § 103 Abs. 3a SGB V sondern (noch) auf § 103 Abs. 4 SGB V Bezug.

Soweit der Verordnungsgeber § 32b Abs. 5 Ärzte-ZV zwischenzeitlich insofern noch nicht an die Änderungen durch das TSVG vom 6. Mai 2019 (BGBl I 646) angepasst hat, handelt es sich offenkundig um ein redaktionelles Versehen. § 32b Abs. 5 Ärzte-ZV ist als Folgeänderung zu § 95 Abs. 9b SGB V durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz [GKV-VStG] vom 22. Dezember 2011, BGBl I 2011, 2983) eingeführt worden (BT-Drs. 17/6906, S. 105 zu Nr. 12). Anhaltspunkte dafür, dass dort eine Zuständigkeit der KV begründet werden sollte, die ggf. unabhängig von etwaigen weiteren gesetzlichen Änderungen bestehen sollte, sind dem Wortlaut, der lediglich auf eine Antragstellung bei der KV, nicht aber auf eine Entscheidung derselben abstellt, nicht zu entnehmen. Historisch betrachtet hat der Gesetzgeber der KV im Nachfolgeverfahren, d.h. ab Inkrafttreten des § 103 Abs. 4 SGB V aufgrund des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz [GSG] vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2266) außerhalb der Ausschreibung keine weiteren Aufgaben zugebilligt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Gesetzgeber des TSVG zwar die Ärzte-ZV punktuell geändert, § 32b Ärzte-ZV allerdings nicht in die Änderung einbezogen hat. Ein gesetzgeberischer Wille, § 32b Abs. 5 Ärzte-ZV dadurch als Zuständigkeitsnorm auszugestalten, lässt sich dem nicht entnehmen (so im Ergebnis wohl auch Rademacker in: Kasseler Kommentar, SGB V, Stand: Dezember 2021 § 95 Rn. 300; Kirchhoff in: BeckOK-SozR, Stand: Juni 2022, § 32 Ärzte-ZV Rn. 30).

b) Der nach § 95 Abs. 9b SGB V i.V.m. § 103 Abs. 3a SGB V erforderliche Antrag der Klägerin ist wirksam gestellt worden.

aa) Unerheblich ist diesbezüglich, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung – hier am 14. Juni 2018 – keine Zulassungsbeschränkungen – hier Entfall seit dem 15. Mai 2018 – für den Planungsbereich mehr bestanden haben. Diese Frage berührt nicht die Zulässigkeit des Antrages, sondern seine Begründetheit (dazu sogleich). Es liegt auch keine schwebende Unwirksamkeit des Antrages vor. Eine solche lässt sich rechtlich nicht begründen. Ob der Beklagte den Antrag während der Zeit der Entsperrung hätte ablehnen können, kann der Senat dahinstehen lassen, da von dieser Option kein Gebrauch gemacht worden ist.

bb) Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Antragsberechtigung der Klägerin. Das gilt auch eingedenk des eröffneten Insolvenzverfahrens, da dieses die Anstellung nicht erfasst (BSG, Urteil vom 11. Oktober 2017 – a.a.O., Rn. 31ff.).

3. Die streitrelevanten Entscheidungen des Beklagten vom 22. Mai 2019 sind auch materiell-rechtlich rechtmäßig. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch Anstellungen im Sonderbedarf umwandlungsfähig sind. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt, dem Inkrafttreten der erneuten Zulassungsbeschränkungen durch Beschluss des Landesausschusses vom 30. November 2018 [dazu unter a)], bestand keine nachbesetzungsfähige Anstellung mehr [dazu unter b)].

a) Auf den 30. November 2018 kommt es an, weil die Vorschrift des § 103 Abs. 3a SGB V zuvor nicht anwendbar ist. Sie setzt voraus, dass Zulassungsbeschränkungen bestehen. Das war jedoch bis zum 29. November 2018 nicht der Fall.

aa) Mit einer Aufhebung unter Auflagen gemäß § 26 Abs. 1 BPRL durch den Landesausschuss bestehen in einem Planungsbereich keine Zulassungsbeschränkungen i.S.d. § 103 Abs. 3a SGB V mehr.

(1) Zuvor angeordnete Zulassungsbeschränkungen (§ 103 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB V i.V.m. §§ 16 Abs. 7, 16b Abs. 2, 4 Ärzte-ZV) sind aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Überversorgung entfallen sind, § 103 Abs. 3 SGB V. Entfallen die Voraussetzungen, so hat der Landesausschuss mit verbindlicher Wirkung für die Zulassungsausschüsse die Zulassungsbeschränkungen unverzüglich aufzuheben, § 16b Abs. 3 Satz 1, 2 Ärzte-ZV. Der Aufhebungsbeschluss ist dabei stets mit der Auflage zu versehen, dass Zulassungen nur in einem solchen Umfang erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten ist (§ 26 Abs. 1 BPRL). Im Aufhebungsbeschluss ist anzugeben, für wie viele Arztsitze der betreffenden Arztgruppe im jeweiligen Planungsbereich die Beschränkungen aufgehoben werden. Die Aufhebung kann auch nur für eine hälftige Zulassung erfolgen. Im Hinblick auf die Prospektivität der Bedarfsplanung eines Planungsbereiches sollen Möglichkeiten der Befristung von Zulassungen nach § 19 Abs. 4 Ärzte-ZV geprüft werden (§ 26 Abs. 1 BPRL). Ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum kommt dem Landesausschuss nicht zu.

Eine generelle Aufhebung der Zulassungsbeschränkung (bezogen auf eine Arztgruppe und einen Planungsbereich) erfolgt hingegen nicht (vgl. § 103 Abs. 3 SGB V, § 16b Abs. 3 Ärzte-ZV, § 26 Abs. 1 Satz 1 BPRL) sondern allein eine partielle Öffnung des gesperrten Planungsbereichs (Tiedemann in: Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl. 2018, § 16b Rn. 27). Die Rechtmäßigkeit dieser Regelung ist höchstrichterlich bereits bestätigt. Es ist danach offenkundig, dass „nur die Verfahrensweise einer partiellen Entsperrung geeignet ist, die Ziele der Bedarfsplanung zu erreichen“ (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 – B 6 KA 81/03 RBSGE 94, 181, Rn. 17ff; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 20/11 R – SozR 4-2500 § 103 Nr. 10, Rn. 17; Hess in: Kasseler Kommentar, SGB V, Stand 12/2021, § 103 Rn. 16; Pawlita in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage, § 103 Rn. 52). Aus dem Zusammenspiel der Regelungen zur zwingenden Anordnung (§ 103 Abs. 1 SGB V) und Aufhebung (§ 103 Abs. 3 SGB V) der Zulassungsbeschränkungen ergibt sich notwendigerweise, dass das Instrument nur funktionstauglich sein kann, wenn die Aufhebung einer momentan nicht mehr erforderlichen Zulassungsbeschränkung kontrolliert und vorausschauend lediglich in dem Umfang vorgenommen wird, bis erneut die Schwelle zur Überversorgung erreicht ist. Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge können daher § 103 Abs. 3 SGB V und § 16b Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV nur so verstanden werden, dass der Landesausschuss in einem gesperrten Planungsbereich bei späterer Unterschreitung der Schwelle zur Überversorgung eine Aufhebung des Zulassungshindernisses nur "insoweit" für eine solche Zahl von Neuzulassungen anordnen darf, bis erneut Überversorgung eintreten würde (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 – B 6 KA 81/03 RBSGE 94, 181, Rn. 22).

(2) Vorliegend hat der Landesausschuss am 18. Mai 2018 (veröffentlicht in KVWLkompakt 6/2018) ausdrücklich zunächst die Feststellung getroffen, dass eine Überversorgung nicht mehr besteht und diese Aufhebung mit der Auflage versehen, dass Zulassungen im hier fraglichen Planungsbereich für die betroffene Gruppe nur in einem solchen Umfang – hier 2,0 – erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten ist, § 103 Abs. 3 SGB V, § 16b Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV, § 26 Abs. 1 Satz 1 BPRL. Diesen Beschluss hat der Landesausschuss erst mit Beschluss vom 30. November 2018 (veröffentlicht in KVWLkompakt 12/2018) wieder geändert und die partielle Entsperrung zurückgenommen.

bb) Mit dieser Auslegung des § 103 Abs. 3a SGB V werden die Rechte der anstellenden Vertragsärzte und damit auch die Rechte der Klägerin nicht verletzt. Entgegen ihrer Ansicht trifft es nicht zu, dass in einem lediglich partiell entsperrten Gebiet eine Anstellungsgenehmigung nicht verwertbar sei.

(1) Im Grundsatz gilt, dass wenn sich die Versorgungssituation im laufenden Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V derart ändert, dass der Planungsbereich in der Arztgruppe des abgegebenen Vertragsarztes partiell entsperrt wird, die Vertragsarztpraxis, ohne Fortgang des Nachbesetzungsverfahrens im Zeitraum der partiellen Entsperrung auf den gewünschten Praxisnachfolger übergehen kann (Gebhardt, GesR 2021, 205, 206). In einem partiell wie vollständig entsperrten Gebiet geht es mithin nicht um die Verwertung von Vertragsarztsitz und/oder Anstellungsgenehmigung, also die Verwertung eines behördlich bewilligten Rechts, dem dazu in einem besonderen Verfahren Verkehrsfähigkeit verliehen wird, sondern um die Veräußerungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Praxis im allgemeinen Wirtschaftsverkehr. Die Frage der Werthaltigkeit des (Praxis-)Betriebs und dessen Nachfrage durch Interessenten (potentielle Käufer/Bewerber auf die Anstellung, etc.) ist wie die der Werthaltigkeit im Rahmen anderer Unternehmensveräußerungen oder ausgeschriebener Anstellungen keine, die das Vertragsarztrecht zu klären hat.

(2) Mithin hätte in der Phase der Entsperrung im Rahmen des klägerischen Insolvenzverfahrens eine Verwertung durch Besetzung der Anstellung stattfinden können. Dies ist indes nicht geschehen. Es hätte auch die Möglichkeit der Umwandlung nach § 95 Abs. 9b SGB V mit der Folge bestanden, dass die Zulassung automatisch an den bisher angestellten Arzt fällt. Auch dies war offensichtlich nicht gewünscht. Ggf. wäre die Möglichkeit einer vertraglichen Einigung mit einem der nach Entsperrung neu zugelassenen Bewerber in Betracht gekommen. Da auch dies nicht erfolgt ist, kann der Senat diese Fragen offenlassen. Eine Grundrechtsverletzung durch die streitrelevanten Beschlüsse ist insofern jedenfalls nicht erkennbar.

b) Am 30. November 2018 haben keine nachbesetzungsfähigen genehmigten Anstellungen mehr bestanden.

aa) Als zu untersuchendes Substrat gilt im vorliegenden Fall allerdings nicht eine „Praxis“ der angestellten Psychotherapeutinnen. Dagegen spricht bereits, dass nach der gesetzlichen Konzeption mit der Umwandlung ein veräußerungsfähiger „fiktiver“ Vertragsarztsitz zur Nachbesetzung entsteht, der nicht dem angestellten, sondern dem anstellenden Arzt zuzuordnen ist. Nur wenn der anstellende Vertragsarzt über kein Praxissubstrat mehr verfügt, kann ein wirtschaftliches Interesse an ihrer (teilweisen) Verwertung nicht mehr anerkennungswürdig sein (vgl. zum MVZ: BSG, Urteil vom 11. Oktober 2016 – a.a.O., Rn. 40 m.w.N.). Im relevanten Zeitpunkt bestand die Praxis der Klägerin selbst fort. Richtiger Anknüpfungspunkt ist stattdessen die Dauer der Vakanz der Anstellung.

bb) Ursprünglich lagen genehmigte Anstellungen vor. Diese haben sich indes (spätestens) mit Ende der Arbeitsverhältnisse zum 31. Juli 2018 „auf andere Weise“ i.S.d. §39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch erledigt, denn sie sind streng personengebunden. Ein entsprechender Beschluss des ZA ist dazu nicht erforderlich und hat lediglich deklaratorischen Charakter (Schmidt, ZMGR 2021, 10, 12), gleichwohl sind solche ergangen (Beschlüsse vom 16. Mai 2018). Allerdings führt das Erlöschen einer Anstellungsgenehmigung nicht zum sofortigen Wegfall der Arztstelle. Dem Vertragsarzt steht vielmehr das Recht der Nachbesetzung zu.

(1) Grundsätzlich kann ein Vertragsarzt mit Genehmigung des ZA Ärzte nach § 95 Abs. 9 SGB V anstellen, soweit keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet worden sind. Zum Zeitpunkt des Wegfalls der Anstellungsgenehmigungen haben vorliegend keine Zulassungsbeschränkungen bestanden. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen Antrag auf Umwandlung und Nachbesetzung gemäß §§ 95 Abs. 9b, 103 Abs. 3a SGB V gestellt hat. Ungeachtet dessen, dass diesem bis zum (erneuten) Inkraftsetzen von Zulassungsbeschränkungen nicht entsprochen werden konnte, stand der Klägerin das Recht zu, den Umwandlungsantrag noch zurückzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2020 – B 6 KA 19/18 R – SozR 4-2500 § 103 Nr. 29 zum Nachbesetzungsantrag; so wohl auch Gerdts MedR 2021, 196f. zitiert nach Pawlita a.a.O., § 95 Rn. 1368.1).

(2) Allerdings besteht das Nachbesetzungsrecht nicht unbegrenzt.

Für Anstellungsverhältnisse in Medizinischen Versorgungszentren ist das BSG davon ausgegangen, dass das Nachbesetzungsrecht grundsätzlich für die Dauer von sechs Monaten besteht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 23/11 RBSGE 109, 182, Rn. 23ff.; BSG, Beschluss vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 67/13 B – juris, Rn. 9; BSG, Urteil vom 4. November 2021 – B 6 KA 13/20 R – juris, Rn. 33; damals kritisch, aber letztlich offengelassen: Senat, Beschluss vom 27. März 2013 – L 11 KA 96/12 B ER – juris, Rn. 44ff.). Dies folgt aus einer Anlehnung an die in § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V bestimmte Sechs-Monats-Frist. Nach dieser Vorschrift ist dem MVZ die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen länger als sechs Monate nicht bestehen. In Planungsbereichen, die überversorgt und für Neuzulassungen gesperrt sind, müssen freiwerdende Vertragsarztsitze grundsätzlich entweder für andere Bewerber zur Verfügung stehen, oder sie müssen wegfallen. Unverträglich wäre es, wenn das MVZ eine freiwerdende Arztstelle "auf Vorrat" vorhalten und nach seinem Belieben erst später (oder gar nicht) wiederbesetzen könnte (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – a.a.O., Rn. 23, 25).

Eine Zeitspanne von grundsätzlich sechs Monaten ist auch im Falle eines anstellenden Vertragsarztes anzuwenden (so auch Pawlita, a.a.O., § 95 Rn. 1378; Ladurner, Ärzte-ZV, § 32b Rn. 50). Auch auf diese Fälle sind die Überlegungen des BSG zur Bevorratung von Arztstellen übertragbar. Normativer Anknüpfungspunkt für die Frist ist in diesem Fall § 32b Abs. 6 Satz 2 Ärzte-ZV. Danach ist die Beschäftigung eines Vertreters für einen angestellten Arzt für die Dauer von sechs Monaten zulässig, wenn der angestellte Arzt freigestellt oder das Anstellungsverhältnisses durch Tod, Kündigung oder andere Gründe beendet ist. Demgemäß rechtfertigt allein das Vorhandensein der Arztstelle eine (befristete) Vertretung, auch wenn ein vertretungsfähiger angestellter Arzt in der Variante des § 32b Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 Ärzte-ZV eigentlich nicht existiert. Daraus folgt zudem im Umkehrschluss, dass nach Ablauf von sechs Monaten dort eine vertretungsfähige Angestelltenstelle im Grundsatz als nicht mehr existent angesehen wird.

(b) Die Sechs-Monats-Frist gilt sowohl, wenn sie vollständig in einen Zeitraum fällt, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, als auch, wenn der Planungsbereich in diesem Zeitraum (zeitweise) entsperrt wird. Im letztgenannten Fall verlängert sie sich nicht um Zeiten der Entsperrung.

Die Frist des § 32b Abs. 6 Satz 2 Ärzte-ZV gilt zunächst unabhängig davon, ob Zulassungsbeschränkungen bestehen. Zwar mag der in der Rechtsprechung des BSG mitschwingende Gedanke des Rechtsmissbrauchs durch ein überlanges Offenhalten von Arztstellen in einem nicht gesperrten Gebiet nicht in gleicher Weise wie in einem gesperrten Planungsbereich zum Tragen kommen. Jedoch strebt die Klägerin vorliegend eine Nachbesetzung i.S.d. § 103 Abs. 3a SGB V an. Hierbei handelt es sich um eine rechtliche Gestaltungsmöglichkeit, die der Gesetzgeber ausschließlich unter der Bedingung des Vorliegens von Zulassungsbeschränkungen ermöglicht hat. Zudem gilt auch hier die Überlegung, dass die Vorschrift dem anstellenden Arzt (auch) die wirtschaftliche Verwertung einer nicht mehr benötigten Anstellung ermöglichen soll (BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 6/18 B – juris, Rn.13). Je länger die Angestelltenstelle unbesetzt ist, desto mehr lässt dieses schützenswerte Interesse nach.

(3) In dem maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem die zwingende Voraussetzung (Zulassungsbeschränkung) wieder erfüllt gewesen ist, mithin am 30. November 2018, war die Sechs-Monats-Frist abgelaufen.

(a) Gemäß § 32b Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 Ärzte-ZV beginnt die Frist von sechs Monaten mit Beendigung des Anstellungsverhältnis. Die Beendigung kann durch Tod, Kündigung oder andere Gründe eingetreten sein. Ein anderer Grund i.S.d Norm ist u.a. auch die Freistellung von einem Arbeitsverhältnis (vgl. Ladurner a.a.O., § 32b Rn. 57), die für den Beginn der „Verwaisung“ der Arztstelle sorgt. Die Freistellung erfolgte hier jeweils zum 1. April 2018, weshalb die Frist von sechs Monaten am 30. November 2018 bereits verstrichen gewesen ist.

(b) Der Beklagte war auch nicht gehalten im Rahmen seines Ermessens eine Nachfrist zu setzen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – a.a.O., Rn. 26). Das BSG hat dem ZA dort nur eine entsprechende Befugnis eingeräumt und dies nicht mit einem Anspruch des Vertragsarztes auf ermessensfehlerfreie Entscheidung verknüpft. Unabhängig davon kann der Senat auch kein Bemühen der Klägerin erkennen, die Stelle zwischenzeitlich zu besetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beigeladene zu 7) einen Sachantrag gestellt und sich so einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre Kosten für erstattungsfähig zu erachten (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert bestimmt sich gemäß § 52 Abs. 1, 3 GKG nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden (wirtschaftlichen) Bedeutung. Da das Interesse vorliegend nicht gemessen werden kann und auch sonst keine anderen überzeugenden Anhaltspunkte für eine Schätzung vorliegen, ist von der zwölffachen Höhe des Auffangstreitwertes gemäß § 52 Abs. 2 GKG, d.h. von 60.000,00 € (vier Quartale x drei Jahre x 5.000,00 €) je voller Anstellungsgenehmigung auszugehen (BSG, Urteil vom 28. November 2007 – B 6 KA 26/07 R – juris, Rn. 36; BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – B 6 KA 36/15 B – juris, Rn. 20; Senat, Beschlüsse vom 3. Juni 2020 – L 11 KA 15/20 B und vom 5. Juni 2020 – L 11 KA 14/20 B).

 

Rechtskraft
Aus
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