S 4 P 14/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 P 14/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 P 10/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 4/22 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Zahlung des Entlastungsbeitrags für Angebote zur Unterstützung im Haushalt nach § 45a Abs. 1 SGB XI

Auf den Antrag des Klägers vom 29.03.2017 erfolgte am 01.08.2017 die Erstellung eines Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch die Firma E., medizinischer Dienst der privaten Pflegeversicherungen (Bl. 17-31 VA). Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Summe der gewichteten Punkte 18,75 beträgt (Seite 10 des Gutachtens, Bl. 27 VA). Mit Bescheid vom 12.09.2017 (Bl. 32 VA) gab die Beklagte eine Leistungszusage für die ambulante Pflege, beginnend am 24.03.2017 und bewilligte den Pflegegrad 1. 

Mit Schreiben vom 06.12.2017 (Bl. 34 VA) teilte die Beklagte dem Kläger mit, Kosten für die Leistungserbringung einer privaten Pflegeperson könnten nach § 45b SGB XI erstattet werden, wenn die private Pflegeperson Entlastungsleistungen, d.h., Leistungen, die der Entlastung im Alltag dienten, erbringe, wie Hilfen bei der Haushaltsführung (§ 45a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB XI), es sei dafür eine Anerkennung als Nachbarschaftshelfer nicht möglich, es sei denn, die landesrechtliche Verordnung regele etwas Anderes. Eine solche landesrechtliche Regelung für die Anerkennung einer privaten Pflegeperson läge jedoch nicht vor. Auf die von dem Kläger vorgelegten Abrechnungsquittungen seiner Putzhilfe D. (Bl. 35-40 VA) teilte die Beklagte dem Kläger in einer Abrechnung vom 19.03.2018 (Bl. 41 VA) mit, dass diese nicht erstattet werden könnten und stellte dies noch einmal im Schreiben vom 18.04.2018 (Bl. 4 d.A.) fest. 

Am 07.05.2018 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben (Bl. 1-2 d.A.). Zur Begründung trägt er vor, er möchte seine Nachbarin als hauswirtschaftliche Hilfskraft engagieren, für die ihm von der Beklagten zugebilligten 125,00 € monatlich. Er habe der Beklagten mitgeteilt, dass es in B-Stadt keinen Pflegedienst gebe, der im Rahmen des Pflegegrades 1 die hauswirtschaftliche Versorgung vornehme, da keine Kapazitäten vorhanden seien. Die Beklagte könne nicht Versicherungsbeiträge von dem Kläger kassieren, ihm den Pflegegrad 1 bewilligen und dann dem Kläger erklären, dass er die Leistungen nicht in Anspruch nehmen könne. 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich (Bl. 1 d.A.),
die Beklagte zu verurteilen, die Rechnungen der Haushaltshilfe des Klägers bis zu einer Höhe von 125,00 € monatlich zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, 
die Klage abzuweisen. 

In dem Bescheid vom 12.09.2017 habe die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass keine landesrechtliche Regelung für die Anerkennung einer privaten Pflegeperson hinsichtlich Betreuungsleistungen vorliege, dem Kläger aber mit Schreiben vom 06.12.2017 mitgeteilt, dass sie entgegenkommend eine private Pflegeperson anerkennen würde, sofern diese einen Kurs für pflegende Angehörige absolviert habe. 

Im weiteren Verlauf des Gerichtsverfahrens trug die Klägerseite mit Schreiben vom 29.06.2018 (Bl. 15 d.A.) vor, es sei richtig, dass dem Kläger die Schulung für die Reinigungskraft angeboten worden sei. Diese habe auch stattgefunden und danach habe er die Rechnungen an die Beklagte geschickt, weil er davon ausging, dass die Beklagte nach der absolvierten Schulung der Pflegekraft die Kosten für die Entlastungspflege erstatte. In mehreren Schriftsätzen ist von Beklagtenseite bestritten worden, dass eine solche Schulung stattgefunden hat. 

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten zu dem Rechtsstreit beigezogen. 

Bezüglich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist. 


Entscheidungsgründe

Die vorliegende Klage in der Form der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. 
Die vorliegende Entscheidung konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid ergehen, denn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür sind erfüllt und das Gericht hat die Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom 30.12.2019 (Bl. 36 d.A.) hierzu angehört. 

Nach § 45a Abs. 1 Satz 1 tragen Angebote zur Unterstützung im Alltag dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbstständig bewältigen zu können. 

Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind Angebote zur Unterstützung im Alltag, (Nr. 3) Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigte Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag). Nach Satz 3 von § 45a Abs. 1 SGB XI benötigen die Angebote eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Abs. 3 erlassenen Landesrechts. Die „zusätzlichen Betreuungsleistungen“ sollte ursprünglich bei ihrer Einführung eine Gerechtigkeitslücke der Pflegeversicherung schließen, die ihren Grund darin hatte, dass der alte Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI einseitig auf die Bedürfnisse körperlich beeinträchtigter Menschen ausgerichtet war. Der für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach altem Recht maßgebende Katalog von Verrichtungen (§ 14 Abs. 4 alter Fassung bis 31.12.2016) erfasste, vor allem den Bedarf von Menschen mit kognitiven und psychischen Störungen an Betreuung und Anleitung ohne Bezug zu einzelnen Verrichtungen nicht. Ohne Änderung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit hat der Gesetzgeber mit dem PflegeWEG zum 01.07.2008 zum Leistungsrecht eine Kompensation zu Gunsten dieser Gruppe von Hilfebedürftigen eingeführt, die auf ersten Ansätzen aufbaut, die bereits im Pflegeentlastungsgesetz enthalten, allerdings nur sehr bescheiden ausgestattet waren (vgl. Udsching/Schütze, Kommentar zum SGB XI, 5. Auflage 2018, § 45a Anm. 3). 

Abs. 1 von § 45a SGB XI definiert Angebote zur Unterstützung im Alltag, in dem diese in drei Fallgruppen näher beschrieben werden: Betreuungsangebote (Nr. 1), Angebote zur Entlastung von Pflegenden (Nr. 2) und Angebote zur Entlastung im Alltag (Nr. 3). Vorliegend ist strittig, ob dem Kläger der monatliche Entlastungsbetrag von monatlich 125,00 € für eine Putzhilfe (Reinigungskraft) zusteht. Diesbezüglich hat die Beklagte zu Recht darauf verwiesen, dass die von dem Kläger beschäftigte Reinigungskraft über keine Schulung verfügt, die zwingend erforderlich ist, um den Entlastungsbetrag erhalten zu können. Von Klägerseite ist zwar u.a. im Schriftsatz vom 08.01.2019 (Bl. 34 d. A.) vorgetragen worden, die Pflegekraft habe eine Schulung im Rahmen der Leistungen nach dem Pflegegrad 1 bekommen. Dies ist jedoch von Beklagtenseite bestritten und von Klägerseite nicht nachgewiesen worden. Daher sind die Voraussetzungen für die Auszahlung des monatlichen Entlastungsbetrages nicht gegeben und der Antrag ist von Beklagenseite zu Recht abgelehnt worden.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Rechtsmittelbelehrung auf §§ 143, 144 SGG

Rechtskraft
Aus
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