Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30. September 2016 wird zurückgewiesen und die Klage gegen die Bescheide vom 26. März 2019 und 20. August 2020 abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu 1/5 zu erstatten.
Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger schloss mit Wirkung zum 1. November 1977 zwei Kapitallebensversicherungen bei der R Versicherungs-AG mit einer Laufzeit bis zum 1. November 2010 ab, deren Prämien er zunächst selbst zahlte. Mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 9. Juni 1986 übernahm sein damaliger Arbeitgeber (P GmbH & Co KG) mit Wirkung zum 1. Januar 1986 als Versicherungsnehmer den Vertrag, während der Kläger weiterhin Versicherter blieb. Das Laufzeitende wurde auf den 1. November 2014 festgesetzt. Die Prämien zahlte nunmehr der Arbeitgeber. Nach Ausscheiden des Klägers aus der Beschäftigung zum 31. Dezember 2012 wurden die Versicherungsverträge durch den Kläger fortgeführt.
Der Kläger bezog vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2014 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit. Seit dem 1. Januar 2015 erhält er eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und ist in der Krankenversicherung der Rentner versicherungspflichtig.
Am 1. November 2014 und 1. Dezember 2014 erhielt der Kläger von der O-Lebensversicherung AG (im Folgenden: O, Nachfolger der R Versicherungs-AG) zwei Kapitalleistungen ausgezahlt, die nach Meldung der Zahlstelle vom 14. November 2014 bzw. 22. Dezember 2014 in Höhe von 48.697,07 € und 41.563,28 € jeweils eine Kapitalleistung der betrieblichen Altersversorgung darstellten.
Mit Bescheiden vom 6. Januar 2015 machte die Beklagte mit Wirkung vom 1. Dezember 2014 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 71,22 € sowie ab dem 1. Januar 2015 in Höhe von monatlich 72,44 € unter Berücksichtigung von monatlichen Einnahmen in Höhe von 405,81 € geltend, wobei 1/120 des Zahlbetrages von 48.697,07 € als Ausgangswert für die Beitragsberechnung zugrunde gelegt wurde.
Mit einem weiteren Bescheid vom 6. Januar 2015 erhob die Beklagte mit Wirkung ab 1. Januar 2015 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 61,83 € unter Berücksichtigung von monatlichen Einnahmen in Höhe von 346,36 €, wobei 1/120 des Zahlbetrages von 41.563,28 € als Ausgangswert für die Beitragsberechnung zugrunde gelegt wurden.
Mit seinem am 13. Januar 2015 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Versicherungen seien nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses begründet worden. Es gebe keine Versorgungszusage des Arbeitgebers, und dieser sei nicht wirksam Versicherungsnehmer geworden. Im Gegensatz zu Pflichtversicherten habe er als freiwillig Versicherter in der Ansparphase keine Sozialversicherungsbeiträge gespart. Wenn er jetzt dennoch auf die Kapitalauszahlung Beiträge zu leisten habe, verstoße dies gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Außerdem sei in der Kapitalauszahlung eine Beitragsrückerstattung enthalten, die unter keinen Umständen zu verbeitragen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2015 zurück: Bei Beziehern von Arbeitslosengeld unterlägen gemäß § 232a i.V.m. §§ 226 und 229 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) neben dem Arbeitslosengeld auch rentenvergleichbare Einnahmen der Beitragspflicht zur Krankenversicherung. Zu diesen Versorgungsbezügen zählten Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- bzw. Hinterbliebenenversorgung erzielt würden, § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten sei, unterlägen auch kapitalisierte Leistungen der Beitragspflicht, wenn eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart oder zugesagt worden sei. Dabei gelte gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V 1/120 der Versicherungsleistung als monatlicher Zahlbetrag, längstens für 120 Monate. Die Beitragspflicht von Einmalzahlungen bewirke eine Gleichstellung mit den Versicherten, deren Betriebsrenten monatlich ausgezahlt würden. Bei versicherungspflichtigen Rentenantragstellern ergebe sich die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen aus §§ 239, 240 i.V.m. § 229 SGB V und bei krankenversicherungspflichtigen Rentnern aus § 237 i.V.m. § 229 SGB V. Das Gesetz differenziere nicht danach, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen die Lebensversicherungsverträge abgeschlossen worden seien. Das seit dem 1. Januar 2004 geltende Recht sei mithin auch auf Kapitalzahlungen aus Verträgen der betrieblichen Altersversorgung anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2004 abgeschlossen worden seien. Eine Übergangsregelung, welche die Beitragspflicht für zuvor abgeschlossene Lebensversicherungsverträge ausschließe, existiere nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in zahlreichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit dieser Regelungen geurteilt. Es habe u.a. mit Urteilen vom 13. September 2006 - B 12 KR 1/06 R und B 12 KR 17/06 R - sowie vom 25. April 2007 - B 12 KR 25/05 R und B 12 KR 26/05 R - entschieden, dass es sich immer dann um eine beitragspflichtige Rente der betrieblichen Altersversorgung handele, wenn ein formaler Bezug zum Arbeitsleben bestehe. Hierbei sei es ausreichend, dass der Arbeitgeber Versicherungsnehmer sei und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt seien. Unterschieden werde nicht, ob und in welchem Umfang die den Bezügen zugrunde liegenden Aufwendungen von den Versicherten selbst getragen worden seien. Auch habe das BSG keine Rücksicht darauf genommen, ob auf die dafür eingesetzten Beiträge bereits Krankenversicherungsbeiträge erhoben worden seien. Eine Einschränkung bestehe lediglich für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheide und der Versicherungsvertrag auf den Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer übertragen werde; dann gelte dieser Teil nicht als Rente der betrieblichen Altersversorgung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 - Az. 1 BvR 1660/08). Nach den vorliegenden Unterlagen seien die vom Kläger ursprünglich privat abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge vom ehemaligen Arbeitgeber am 1. Januar 1986 bis zum 1. Januar 2013 als Direktversicherung fortgeführt worden. Die jeweiligen Leistungen, die auf den Beitragsleistungen des Klägers während der Zeiten der Privatversicherungen beruhten, würden nicht als Renten der betrieblichen Altersversorgung gelten, und entsprechend seien darauf auch keine Beiträge erhoben worden. Der betriebliche Teil der beiden ausgezahlten Kapitalleistungen stehe in direktem Bezug zur früheren Erwerbstätigkeit und sei der betrieblichen Altersversorgung zuzuordnen: Entsprechend seien diese Betriebsrenten mit 1/120 des Zahlbetrages der Beitragspflicht unterworfen. Für die Bemessung der Beiträge gelte der allgemeine Beitragsgrundsatz gemäß § 248 SGB V. Der Widerspruchsbescheid ergehe auch im Namen der Pflegekasse. Beiträge zur Pflegeversicherung seien nach den näheren Bestimmungen der §§ 54 ff Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu zahlen.
Der Kläger hat am 30. März 2015 Klage erhoben und seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide vom 6.1.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2015 aufzuheben und die im Hinblick auf die ausgezahlten Kapitalleistungen bereits geleisteten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 30. September 2016 ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 21. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. November 2016 Berufung eingelegt und zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen Bezug genommen. Ergänzend trägt er vor, dass eine ungenügende Sachverhaltsaufklärung erfolgt sei, ob überhaupt ein Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge vorliege. Es habe keine Versorgungszusage, sondern nur eine „reine Beitragszusage“ vorgelegen. Bei seinem Arbeitgeber habe es eine Gruppenlebensversicherung gegeben, eine durch den Arbeitgeber finanzierte Direktversicherung (Auszahlungstermin 2019) und eine arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente als Direktzusage. Der Arbeitgeber habe seine bereits bestehenden Versicherungen als reine Beitragszusage übernommen, um ihm den Zugang zu den steuerlichen Vorteilen zu ermöglichen. Die private "Gehaltsumwandlungsversicherung" sei keine Direktversicherung im arbeitsrechtlichen Sinn. In den Auszahlungen seien Beitragsrückerstattungen für die nicht in Anspruch genommene Berufsunfähigkeitsversicherung enthalten, die keinen Versorgungsbezug darstellten. Die ursprünglich privat begründeten Versicherungen seien nie wirksam auf den Arbeitgeber übertragen worden. Es habe ein versteckter Dissens i.S.v. § 155 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgelegen. Ergänzend nimmt er auf ein zur Akte gereichtes Gutachten des Herrn Prof. Dr. Bieback ("Gutachten zur Beitragspflicht von Leistungen der Direktversicherung in der Krankenversicherung der Rentner <KVdR>") Bezug.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.9.2016 zu ändern und – bezogen auf Kapitalleistungen der O-Lebensversicherung AG und auf Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung – die Bescheide der Beklagten vom 6.1.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2015 und die Bescheide vom 26.3.2019 und 20.8.2020 aufzuheben, ihm die entrichteten Beiträge zu erstatten und diese nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen die Bescheide vom 26.3.2019 und 20.8.2020 abzuweisen.
Die Beklagte nimmt auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug und verweist auf das Urteil des BSG vom 20. Juli 2017 (B 12 KR 12/15 R). Dort habe der frühere Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab Erreichen des 55. Lebensjahrs eine monatliche Betriebsrente zugesagt. Vorliegend habe der frühere Arbeitgeber des Klägers die ursprünglich vom Kläger abgeschlossenen Verträge ab 1. Januar 1986 als betriebliche Direktversicherung übernommen. Der erneute Versicherungsnehmerwechsel sei zum 1. Januar 2013 erfolgt. Die Auszahlungen im November und Dezember 2014 hätten im zeitlichen Zusammenhang zum Renteneintritt (1. Januar 2015) stattgefunden. Es sei nicht erkennbar, dass durch den früheren Arbeitgeber Zahlungen als Überbrückungsleistungen geleistet geworden seien. Die Kapitalleistungen der O seien als beitragspflichtige Versorgungsbezüge anzusehen.
Im Erörterungstermin vom 16. August 2017 hat der Kläger erklärt, er sehe ein, dass er den versteckten Dissens auf dem Zivilrechtswege hätte geltend machen müssen. Er weise jedoch darauf hin, dass ihm die Versicherung im Jahr 2004 mitgeteilt habe, dass er (und nicht der Arbeitgeber) Versicherungsnehmer sei. Ergänzend nimmt er Bezug auf das Urteil des BSG vom 25. Juli 2017 - B 12 KR 12/15 R. Er erreiche die Regelaltersgrenze erst im November 2019. Seit 1. Januar 2015 beziehe er Rente für Schwerbehinderte. Ihm sei zum 31.Dezember 2012 betriebsbedingt gekündigt worden. Die Beitragsfestsetzung durch die Beklagte sei fünf Jahre zu früh erfolgt, da es sich um beitragsfreie Überbrückungsleistungen gehandelt habe. Wenn das BSG die Beitragspflicht vom Vorliegen der Voraussetzungen nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) löse und auf die Notwendigkeit einer Versorgungszusage verzichte, ignoriere es den Wortlaut „vereinbart oder zugesagt" in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Der Gesetzestext verliere so seinen Sinn. Damit verstoße das Urteil des BSG auch gegen die Vorgabe des BVerfG vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - Rn. 14, wonach die institutionelle Unterscheidung sich nur daran orientieren könne, ob die rechtlichen Vorgaben betrieblicher Altersversorgung erfüllt seien.
Der Senat hat von Amts wegen die O um Übersendung einer qualifizierten Bescheinigung über die Versorgungsbezüge gebeten. Ferner ist um Erläuterung gebeten worden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe in den ermittelten Werten Beitragsrückerstattungen in Bezug auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung enthalten sind. Die O hat hierauf mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 folgende Werte mitgeteilt:
Versicherungs- |
Beiträge durch Arbeitgeber gezahlt |
Gesamtbeiträge |
Gesamtablaufleistung |
Versorgungsbezug |
LV 01 |
11.747,99 € |
15.663,97 € |
52.763,04 € |
39.572,32 € |
LV 02 |
12.635,05 € |
13.709,58 € |
47.175,56 € |
43.478,03 € |
Im Erörterungstermin am 30. Oktober 2018 haben die Beteiligten einen Unterwerfungsvergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte sich verpflichtet hat, im Falle einer für den Kläger positiven Entscheidung in der vorliegenden Streitsache unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung den Widerspruch des Klägers vom 13. Januar 2015 hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung neu zu bescheiden und gegebenenfalls zu viel gezahlte Beiträge zurückzuerstatten. Dies gelte auch für Folgebescheide. Insoweit müsse nicht erneut vom Kläger Widerspruch erhoben werden. Die Beteiligten haben klarstellend mitgeteilt, dass sich die vorliegende Streitsache damit allein auf die Beiträge zur Krankenversicherung beziehe.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2019 hat die O ergänzend mitgeteilt, dass die mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 übermittelten Werte nicht korrekt seien. Bei der Berechnung seien lediglich die Beiträge bis zum 1. Dezember 2004 berücksichtigt worden. Die Beiträge seien nunmehr nach der prämienratierlichen Berechnungsmethode berechnet worden:
a. für die LV 01 ergebe sich folgender Versorgungsbezug:
17.146,08 € durch 23.496,48 € × 52.7 63,04 € (Gesamtablaufleistung) = 38.502,76 €
b. für die LV 02 ergebe sich folgender Versorgungsbezug:
25.106,51 € durch 29.374,59 € × 47.175,56 Euro (Gesamtablaufleistung) = 40.321,03 €.
Die Ablaufleistungen enthielten eine (nicht näher bezifferte) Beitragsrückgewähr aus der Berufsunfähigkeitsversicherung.
Der Kläger hat hierauf erwidert, dass die nunmehr durch die O mitgeteilten Werte schlüssig seien (Schreiben vom 14. Februar 2019).
Die Beklagte hat die im Schreiben der O vom 25. Januar 2019 enthaltenen Werte zum Anlass genommen, die Höhe der Beiträge des Klägers für den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2014 neu festzusetzen (Bescheide vom 26. März 2019). Das infolge der Änderung ausgewiesene Beitragsguthaben ist zum einen mit der fälligen Beitragsforderung für den Monat Februar 2019 aufgerechnet und im Übrigen in Höhe von 749,27 € an den Kläger erstattet worden (vgl. Schreiben der Beklagten vom 1. April 2019).
Der Kläger hat mit Schreiben vom 26. April 2019 eingewandt, dass die Beklagte weiterhin die Beitragsrückgewähr aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht berücksichtigt habe. Ferner sei die Beklagte verpflichtet, den erstatteten bzw. aufgerechneten Betrag zu verzinsen.
Der Senat hat sodann die O um gesonderten Ausweis der Rückgewährsumme aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gebeten, worauf die O mit Schreiben vom 22. August 2019 folgende Werte mitgeteilt hat:
Versicherungsnummer LV 01 8.698,44 €
Versicherungsnummer LV 02 11.927,76 €
Der Kläger hat eingewandt, dass die nunmehr mitgeteilten Zahlen der O wiederum falsch seien. Sie habe erneut bei der Darlegung der Beitragsrückgewähr nicht zwischen privater und betrieblicher Beitragszeit unterschieden. Ferner hat er auf die Auslegung des Wortlautes des § 229 SGB V durch die Gesellschaft für deutsche Sprachen e.V. (Schreiben vom 15. Januar 2019) hingewiesen.
Am 2. September 2019 hat die Z-Lebensversicherung AG dem Kläger eine Kapitalleistung i.H.v. 6.064,95 € ausgezahlt. Die Beklagte hat diesen Betrag unter Einbeziehung der mit Bescheiden vom 26. März 2019 festgesetzten Beiträge mit Bescheid vom 10. April 2019 monatlich verbeitragt.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 hat die O dem Senat ergänzend mitgeteilt, dass bezogen auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung eine Beitragsrückgewähr wie folgt zu berechnen sei:
Versicherungsnummer LV 01:
a. private Anteil der Beitragsrückgewährsumme von 8.698,44 € = 2.053,93 €
b. betriebliche Anteil der Beitragsrückgewährsumme von 8.698,44 € = 6.347,51 €
Versicherungsnummer LV02:
a. private Anteil der Beitragsrückgewährsumme von 11.927,76 € = 3.223,72 €
b. betriebliche Anteil der Beitragsrückgewährsumme von 11.927,76 € = 8.704,04 €
Der Kläger hat hierauf mitgeteilt, dass die nunmehr mitgeteilten Summen schlüssig seien (Schreiben des Klägers vom 30. Juni 2020).
Die Beklagte hat die betrieblichen Anteile der Beitragsrückgewährsumme von der zu verbeitragenden Kapitalzahlung in Abzug gebracht (vgl. Schreiben der Beklagten vom 7. Juli 2021) und mit Bescheiden vom 20. August 2020 für die Zeit ab dem 1. Dezember 2014 die Beiträge neu berechnet und festgesetzt.
Am 7. Oktober 2020 haben die Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Der Kläger hat erklärt, dass er in Bezug auf die in den Bescheiden vom 26. März 2019 und 20. August 2020 ausgewiesenen Erstattungsbeträge keine Zinsen mehr geltend mache. Die Beklagte habe die Zinsen zwischenzeitlich ausgekehrt. Ferner hat der Kläger ausgeführt, dass der Bescheid vom 10. April 2019 nur in Bezug auf die darin weiterhin erfolgte Verbeitragung der Kapitalleistung der O streitgegenständlich sei. In Bezug auf die ab dem 1. Oktober 2019 ebenfalls erfolgte Verbeitragung der zugeflossenen Kapitalleistung der Z Lebensversicherung AG sei ein separates Widerspruchsverfahren anhängig. Die Frage, ob die Kapitalleistung der Z Lebensversicherung AG der Beitragspflicht unterliege, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
A. Gegenstand der Berufung sind die Bescheide der Beklagten vom 6. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2015 - nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG - in der Fassung der Bescheide vom 26. März 2019 und 20. August 2020. Über die Bescheide vom 26. März 2019 und 20. August 2020 entscheidet der Senat auf Klage hin (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2010 - B 13 R 61/09 R - SozR 4-5050 § 22 Nr. 10 – Rn.15 m.w.N.).
Nicht streitgegenständlich sind - infolge des Unterwerfungsvergleichs im Erörterungstermin am 30. Oktober 2018 - die in den streitgegenständlichen Bescheiden festgesetzten Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung.
Ebenfalls nicht streitgegenständlich ist die Verbeitragung der Kapitalleistung der Z Lebensversicherung AG (6.064,95 €) (Bescheid vom 10. April 2019). Diesbezüglich ist ein separates Widerspruchsverfahren anhängig. Der Bescheid vom 10. April 2019 ist auch nicht in Bezug auf die Beitragspflicht der Leistungen der O in das Verfahren einzubeziehen. Die dort aufgeführten Werte entsprechen denen im Bescheid vom 26. März 2019 und enthalten keine selbstständige - über die Festsetzung im Bescheid vom 26. März 2019 hinausgehende - Regelung.
B. Die so ausgelegte Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da Beitragsforderungen von mehr als einem Jahr in Streit stehen ( § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
C. Die Berufung ist unbegründet. Die Klagen sind als Anfechtungsklagen zulässig, jedoch unbegründet. Die Bescheide vom 6. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2015 sowie die Bescheide vom 26. März 2019 und 20. August 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) (1.). Er hat keinen Anspruch auf Erstattung überzahlter Beiträge nebst Zinsen (2.).
1. Der Umfang der Beitragspflicht zur Krankenversicherung beurteilt sich nach dem Versichertenstatus in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden. Der Kläger war bis zum 31. Dezember 2014 als Bezieher von Arbeitslosengeld nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der Krankenversicherung versicherungspflichtig; seit dem 1. Januar 2015 schloss sich eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner an (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V).
a. Nach § 226 Abs. 1 Nr. 3 SGB V gehören zu den in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtigen Einnahmen des versicherungspflichtigen Beschäftigten nicht nur das Arbeitsentgelt, sondern auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen, sog. Versorgungsbezüge (§ 229 SGB V). Gleiches gilt nach § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V für gesetzlich versicherte Rentner und nach § 232a Abs. 3 SGB V für Bezieher von Arbeitslosengeld.
Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch die "Renten der betrieblichen Altersversorgung" soweit sie - entsprechend der Formulierung in der Einleitung des § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V - "wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden". Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist - wie hier - eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate.
Der Anwendungsbereich des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist nicht auf die im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) genannten Durchführungswege beschränkt. Das BSG hat den Begriff der betrieblichen Altersversorgung stets eigenständig nach Sinn und Zweck der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften angewandt (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 - B 12 KR 12/15 R – BSGE 124, 20 ff.; BSG, Urteil vom 30. März 2011 - B 12 KR 16/10 R – BSGE 108, 63 ff.). Zur betrieblichen Altersversorgung gehören Bezüge vom (früheren) Arbeitgeber, von bestimmten Institutionen oder Einrichtungen (z.B. Pensionskassen, Unterstützungskassen, Versicherungen), bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer solchen Sicherungsform und einer Erwerbstätigkeit besteht (sog. institutionelle Abgrenzung). Dabei ist es ausreichend, dass bei der jeweiligen Sicherungsinstitution typisierend von einem solchen Zusammenhang auszugehen ist. Auch Modalitäten der individuellen Beitragsgestaltung (z.B. teilweise oder volle Beitragstragung durch den Arbeitnehmer) in der betrieblichen Altersversorgung und des Leistungsrechts bleiben unberücksichtigt. Wird der Bezug einer Leistung - wie hier - nicht schon institutionell (Versicherungseinrichtung, Versicherungstyp) vom Betriebsrentenrecht erfasst, sind wesentliche Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts der GKV ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung sowie ihre Einkommens-(Lohn- bzw. Entgelt-)Ersatzfunktion. Leistungen sind u.a. dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers im Alter bezwecken, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen sollen. Durch diese Zwecksetzung unterscheidet sich die betriebliche Altersversorgung von sonstigen Zuwendungen des Arbeitgebers, etwa solchen zur Überbrückung erwarteter Arbeitslosigkeit oder Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes (BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 - B 12 KR 12/15 R – a.a.O.).
Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist auch dann gegeben, wenn der Versicherungsvertrag durch den Arbeitnehmer zunächst als private Lebensversicherung abgeschlossen wurde und erst später durch den Eintritt des Arbeitgebers als Versicherungsnehmer in den Versicherungsvertrag zu einer Direktversicherung wurde, selbst wenn später ein weiterer Versicherungsnehmerwechsel erfolgt und der Arbeitnehmer erneut Versicherungsnehmer wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2011 - B 12 KR 24/09 R - SozR 4-2500 § 229 Nr. 13).
Nach diesen Vorgaben sind die dem Kläger ausgezahlten Kapitalleistungen Versorgungsbezüge im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Die Leistungen der "Kapitalversicherung mit Gewinnbeteiligung im Rahmen einer betrieblichen Direktversicherung" stellen ausweislich der Nachträge zu den Versicherungsscheinen vom 9. Juni 1986 Einnahmen dar, die im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V "zur Altersversorgung erzielt" werden; sie verfolgen nicht lediglich einen Überbrückungszweck, weil sie nicht den Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis oder in den Ruhestand erleichtern sollen, sondern einen Versorgungszweck, da die Zusage dieser Einnahmen nach ihrem objektiven Inhalt die Versorgung der Berechtigten - und ihrer Familien - sicherstellen soll. Die Versicherungssumme wird mit Ablauf des 1. November 2014, d.h. nach Vollendung des 60. Lebensjahres gezahlt oder beim Tod des Versicherten an den überlebenden Ehegatten. Dass der Kläger tatsächlich erst später zum 1. Januar 2015 Rentner wurde, ist unerheblich. Es kommt für den Versorgungszweck einer Versicherungsleistung nicht darauf an, ob im Einzelfall die konkreten Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Alters nach dem Recht der GRV zum Laufzeitende (Auszahlungsdatum) erfüllt sind (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 KR 1/19 R). Damit steht die Zahlung gleichsam als zweite Säule neben der gesetzlichen Altersrente zur Altersversorgung zur Verfügung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. September 2020 – L 10 KR 4/20 – m.w.N.).
Unerheblich ist, ob die Beiträge zur Lebensversicherung aus dem Brutto- oder Nettoarbeitsentgelt aufgebracht worden sind. Ein Anspruch auf Erhalt der in der Ansparphase gegebenen Beitragsfreiheit bis in die Auszahlphase lässt sich aus dem Gesetz und der Verfassung nicht herleiten. Auch kommt es nicht darauf an, dass die Lebensversicherung gegebenenfalls aus einem Arbeitsentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze finanziert wird (BSG Urteil vom 26. Februar 2019 - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 m.w.N.). Zudem existiert kein Grundsatz, dass mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungsbezüge der Beitragspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem vollen Beitragssatz unterworfen werden dürfen (BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 - B 12 KR 2/19 R - SozR 4-2500 § 229 Nr. 28 – Rn. 19;R vgl. auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 6. September 2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr. 10 Rn. 10).
Kapitalleistungen verlieren ihren Charakter als Versorgungsbezug zudem nicht deshalb, weil sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten beruhen. Sie bleiben auch dann im vollen Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn die Beiträge allein vom Arbeitnehmer gezahlt werden (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr. 11; BSG, Urteil vom 4. September 2018 - B 12 KR 20/17 R - juris; Urteil vom 25. April 2007 - B 12 KR 25/05 R — juris; Urteil vom 13. September 2006 - B 12 KR 5/06 R - SozR 4-2500 § 229 Nr. 4). Selbst bei Beiträgen, die ein Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf eine Direktversicherung einzahlt, ist der Berufsbezug noch gewahrt, solange der Arbeitgeber die Direktversicherung als Versicherungsnehmer und damit innerhalb der institutionellen Vorgaben des Betriebsrentengesetzes fortführt (BVerfG, Beschluss vom 6. September 2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr. 10). Lediglich Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, dürfen nicht der Beitragspflicht nach § 229 SGB V unterworfen werden (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - a.a.O.).
Der Beitragspflicht steht auch nicht entgegen, dass der Kläger von der O keine laufenden Leistungen, sondern Einmalzahlungen erhalten hat. Tritt an die Stelle regelmäßiger Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung (Einmalzahlung) oder ist diese schon vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V ein 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, Kapitalleistungen, die die Kriterien einer betrieblichen Altersversorgung erfüllen, den Versorgungsbezügen nach § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V gleichzustellen. Die Gleichsetzung von laufenden Versorgungsbezügen und nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistungen wahrt das Gebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Es ist kein wesentlicher Unterschied bezüglich der beschäftigungsbezogenen Einnahmen zwischen laufend gezahlten Versorgungsbezügen und nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistungen gleichen Ursprungs und gleicher Zwecksetzung, insbesondere einmaligen Kapitalauszahlungen aus Versorgungszusagen, festzustellen (so in Bezug auf Direktversicherungen BVerfG, Beschluss vom 7. April 2008 - 1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr. 5; BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 12 KR 17/18 R - juris).
Die Unanwendbarkeit des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten "Erläuterungen zum Demonstrativpronomen solch" der Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. vom 17. Januar 2019. Deren Einschätzung, dass sich das Demonstrativpronomen "solche" auf die vorherige Nominalphrase "nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung" beziehe, entspricht dem Wortlautverständnis des Senats, wonach eine Einmalzahlung aus einer betrieblichen Altersversorgung zu einem 1/120 der Beitragsbemessung zugrunde zu legen ist, wenn sie entweder an die Stelle der regelmäßigen Versorgungsbezüge tritt (d.h. nach Beginn der laufenden Zahlung) oder vor Eintritt des Versicherungsfalls (Erreichens des Alters, zu dem die Auszahlung vereinbart ist) zugesagt worden ist. Mit dem Satzteil "vor Eintritt des Versicherungsfalls" wird damit eine Zeitspanne bezeichnet, die vom Vertragsabschluss bis zum vereinbarten Laufzeitende reicht. Dass es sich insoweit um eine Vereinbarung oder Zusage handeln muss, die eine zunächst vorgesehene Zahlung von Versorgungsbezügen abändert, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen (so BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 KR 1/19 R – Rn. 27).
Der Umstand, dass von den Lohnanteilen, aus denen die Versicherungsbeiträge gezahlt wurden, bereits Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt wurden, führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit. Ein Verbot der Doppelverbeitragung existiert nicht. Nach dem BVerfG ergibt sich kein Verstoß gegen Grundrechte, wenn der Versorgungsbezug aus bereits zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogenem Arbeitsentgelt finanziert worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. September 2010 - 1 BvR 739/08).
Gegen die Heranziehung von Versorgungsbezügen in der Form nicht wiederkehrender Leistung bestehen verfassungsrechtliche Bedenken auch dann nicht, wenn das entsprechende Rechtsverhältnis - wie hier - bereits vor dem 1. Januar 2004, vor Inkrafttreten des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V, abgeschlossen wurde (vgl. in Bezug auf Direktversicherungen BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 12 KR 17/18 R). Wie das BVerfG bereits entschieden hat, verstößt die zum 1. Januar 2004 erweiterte 1/120-Regelung nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen. Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Belastung auch von Einmalzahlungen mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz seit 1. Januar 2004 beurteilt sich nach den Grundsätzen über die unechte Rückwirkung von Gesetzen. Die Versicherten konnten aber, nachdem der Gesetzgeber bereits mit dem Rentenanpassungsgesetz (RAG) 1982 vom 1. Dezember 1981 (BGBl; I 1205) laufende Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht einbezogen hatte, nicht uneingeschränkt in den Fortbestand der ursprünglichen beitragsrechtlichen Privilegierung vertrauen (vgl. in Bezug auf Direktversicherungen BVerfG, Beschluss vom 6. September 2010 - 1 BvR 739/08 -, Beschluss vom 7. April 2008 — 1 BvR 1924/07; BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 12 KR 17/18 R).
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist auch durch die Teiländerung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V zum 1. Januar 2018 durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (vom 17. August 2017, BGBl I 3214), wonach Leistungen aus dem Altersvorsorgevermögen i.S.d. § 92 Einkommensteuergesetz (sog. Riesterrenten) bei der Beitragspflicht von Versorgungsbezügen außer Betracht bleiben, nicht bedingt. Die Neuregelung ist Teil eines arbeits-, steuer- und grundsicherungsrechtlichen Gesamtkonzepts, mit dem das Ziel der Bekämpfung von Altersarmut verfolgt wird (vgl. in Bezug auf Direktversicherungen BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 12 KR 17/18 R). Die Bekämpfung von Altersarmut ist ein legitimes Ziel, das mit der Privilegierung betrieblicher "Riesterrenten" im Beitragsrecht erreicht werden kann. Während demnach mit der Privilegierung von Leistungen nach § 92 EStG Betriebsrenten gestärkt und Altersarmut bekämpft werden soll, steht hier das die Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestimmende Solidaritätsprinzip im Vordergrund, wonach die Versicherten an den Kosten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beteiligen sind. Die Herausnahme der "Riesterrenten" aus der Beitragspflicht in der Auszahlungsphase begünstigt die betrieblichen "Riesterrentner" auch nicht unverhältnismäßig (vgl. BSG, Urteil vom 1. April 2019 – B 12 KR 19/18 R – m.w.N.). Soweit auch betriebliche "Riesterrenten" der nicht von Altersarmut bedrohten Personen von der Beitragspflicht ausgenommen sind, hält sich § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in den Grenzen zulässiger Typisierung. Dass betriebliche "Riesterrenten" generell außer Betracht bleiben, dient der Verwaltungsvereinfachung. Mit der Zertifizierung nach dem AltZertG steht den Krankenkassen im Rahmen der Massenverwaltung ein einfach zu prüfendes Kriterium zur Verfügung (vgl. BSG, Urteile vom 26. Februar 2019 - B 12 KR 13/18 R - und - B 12 KR 17/18 R, vom 1. April 2019 – B 12 KR 19/18 R und vom 8. Juli 2020 – B 12 KR 1/19 R – jeweils m.w.N.).
Die streitrelevanten Rechtsfragen sind im Übrigen jüngst durch das BSG und auch das BVerfG wiederholt bestätigt worden (zuletzt BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1134/15; BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 KR 1/19 R; Beschluss vom 20.August 2020 – B 12 KR 15/20 B; Beschluss vom 18. Juni 2020 – B 12 KR 18/20 B; Beschluss vom 3. Juni 2020 – B 12 KR 12/20 B; Urteil vom 12. Mai 2020 – B 12 KR 22/18R; Beschlüsse vom 8. April 2020 – B 12 KR 94/19 B, B 12 KR 90/19 B; Beschluss vom 3. April 2020 – B 12 KR 81/19 B; Beschluss vom 17. März 2020 – B 12 KR 91/19 B; Beschluss vom 13. Februar 2020 – B 12 KR 79/19 B; Beschluss vom 21. Januar 2020 – B 12 KR 64/19 B).
b. Die Beklagte hat auch die - vom Kläger nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V alleine zu tragenden - Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt.
Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V gilt bei einer als Einmalbezug gewährten Versorgungsleistung, dass 1/120 dieser Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge anzusehen ist und dementsprechend für längstens 120 Monate Beiträge zu entrichten sind. Der Beitragspflicht unterliegt grundsätzlich der gesamte Auszahlungsbetrag. Dies folgt aus dem im Sozialrecht grundsätzlich geltenden Bruttoprinzip (BSG, Urteil vom 4. September 2018 - B 12 KR 20/17 R).
Von der Beitragspflicht ausgenommen sind nur Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer vor Beginn oder nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat (BVerfG, Beschlüsse vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 sowie vom 14. April 2011 - 1 BvR 2123/08; BSG, Urteile vom 30. März 2011 - B 12 KR 16/10 R, - B 12 KR 24/09 R). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit der zum 15. Dezember 2018 erfolgten Einfügung in § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V durch Art. 1 Nr. 5a GKV-VEG nachvollzogen.
Die Beklagte hat diesen Vorgaben entsprochen und aus den von der O zuletzt gemeldeten Beträgen in Höhe von 32.155,25 € und 31.616,99 € beitragspflichtige monatliche Bezüge errechnet. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die zuletzt von der O mit Schreiben vom 15. Juni 2020 gemeldeten Beträge unzutreffend sind. Der Kläger behauptet dies auch nicht, sondern erachtet die mitgeteilten Summen als schlüssig (Schriftsatz vom 30. Juni 2020, Bl. 291 GA).
Zutreffend hat die Beklagte bei der Beitragsfestsetzung zuletzt mit Bescheiden vom 20. August 2020 die Beitragsrückgewährsumme aus der Berufshaftpflicht-Zusatzversicherung nicht (mehr) verbeitragt. Zahlungen aus einer freiwilligen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sind nicht nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HS. 1 SGB V beitragspflichtig. Sie sind nicht Erträge einer Lebensversicherung, die als Direktversicherung vom Arbeitgeber des Klägers abgeschlossen wurde (hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 10. Oktober 2017 – B 12 KR 2/16 R). Es handelt sich vielmehr um Erträge aus einer privaten Versicherung, die in der GKV bei Pflichtversicherten beitragsfrei sind (Klaus Peters in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 229 SGB V <Stand: 6.10.2020>, Rn. 72). Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheiden vom 20. August 2020 keine Beiträge auf die Beitragsrückgewährsummen der Berufshaftpflicht-Zusatzversicherung erhoben, die auf die Zeit entfallen, als der Arbeitgeber Versicherungsnehmer war; bereits geleistete Beiträge hierauf wurden an den Kläger erstattet und verzinst (so die klarstellende Mitteilung des Klägers vom 11. Juli 2021). Beiträge auf die Beitragsrückgewährsummen der Berufshaftpflicht-Zusatzversicherung, die auf die Zeit entfallen, als der Kläger Versicherungsnehmer war, sind von Beginn an nicht erhoben worden.
Unerheblich ist es, dass die Beklagte die - mit Wirkung zum 1. Januar 2020 getroffene - Freibetragsregelung des § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V in den streitigen Bescheiden nicht zur Anwendung gebracht hat. Beiträge aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen, das neben den Versorgungsbezügen erzielt wird, sind gemäß § 226 Abs. 2 SGB V (in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung) nur zu entrichten, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) übersteigen. Seit dem 1.1.2020 ist gemäß § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V (in der Fassung des GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetzes vom 21.12.2019, BGBl. I 2913) vorgesehen, dass von den monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (2020: 159,25 €; 2021: 164,50€) abzuziehen ist, wobei der abzuziehende Freibetrag der Höhe nach auf die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V begrenzt ist.
Diese Freibeträge kommen bei den hier streitigen Versorgungsbezügen nicht zur Anwendung, da diese - wie die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen haben (Schriftsatz des Klägers vom 11. Juli 2021, Schriftsatz der Beklagten vom 7. Juli 2021) - bereits bei einer - hier nicht streitigen - Direktversicherung der Firma A unmittelbar von der Zahlstelle (§§ 202, 256 SGB V) in Abzug gebracht werden.
Dass die Beklagte bei der konkreten Festsetzung der Beiträge fehlerhafte Beitragssätze zu Grunde gelegt hat oder sonstige Berechnungsfehler vorliegen, ist im Übrigen weder vorgetragen noch dem Senat anderweitig ersichtlich.
2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf rückwirkende Erstattung (§ 26 Abs. 2 SGB IV) der - berechnet aus seinen Versorgungsbezügen seit Dezember 2014 - geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nebst Zinsen zu, da die streitigen Beiträge nicht zu Unrecht, sondern zu Recht - aufgrund der rechtmäßigen Beitragsfestsetzung in den streitigen Bescheiden - entrichtet worden sind.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte dem Begehren des Klägers im laufenden Verfahren mit Bescheiden vom 26. März 2019 und 20. August 2020 teilweise abgeholfen hat.
E. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 SGG.