L 13 AS 2798/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 230/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2798/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.


Die Beteiligten streiten für die Monate Oktober 2019 bis März 2020 um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Zuschuss statt als Darlehen, sowie um die Höhe der Leistungen.

Der im Jahr 1973 geborene Kläger Nr. 1 (nachfolgend: Kläger) ist mit der im Jahr 1967 geborenen Klägerin Nr. 2 (nachfolgend: Klägerin) verheiratet. Der im Jahr 2001 geborene Kläger Nr. 3 und der im Jahr 2005 geborene Kläger Nr. 4 sind ihre Kinder. Der Kläger Nr. 3 besucht ein Internat.

Der Kläger und die Klägerin haben mit notariellem Vertrag vom Dezember 2013 für 550.000 € das Eigentum an der aktuell von ihnen bewohnten Immobilie in M erworben. Gemäß der Berechnung der Flächen und Rauminhalte nach DIN 277 hat das Gebäude eine Nettogrundfläche von 515 m² (Erdgeschoss, Untergeschoss und Dachgeschoss). Die Grundstücksgröße beträgt nach Angabe des Klägers 1.187 m². Zum Erwerb dieser Immobilie nahmen der Kläger und die Klägerin bei der S-Bank ein Darlehen in Höhe von 616.000 € auf. Zur teilweisen Absicherung des Darlehens wurde auf das erworbene Grundstück eine Grundschuld in Höhe von 426.000 € eingetragen.

Ferner ist die Klägerin Eigentümerin einer Wohnung in Konstanz (Bl. 174ff VA). Zur weiteren Absicherung des oben genannten Darlehens wurde hierauf eine Grundschuld in Höhe von 190.000 € eingetragen. Des Weiteren wurde zu Gunsten der Mutter der Klägerin ein Nießbrauchrecht eingetragen.

Der Kläger bezog vom 11.10.2018 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 09.10.2019 Arbeitslosengeld I (AlgI) in Höhe von 2.693,70 € monatlich. Am 04.09.2019 floss ihm eine Steuerrückerstattung in Höhe von 5.307,25 € zu.

In den nachfolgend beim Beklagten eingegangen Unterlagen sind auf dem Formular „Hauptantrag“ als „Tag der Antragstellung“ der 27.09.2019 und unter „Handzeichen, Datum“ „Re“ und der 02.09.2019 vermerkt. Der Kläger beantragte Leistungen für sich, seine Ehefrau und die beiden Kinder. Neben dem Bezug des Alg I, gab der Kläger Einkommen aus Kindergeld sowie Einkommen der Klägerin aus einer selbstständigen Tätigkeit (Museumspädagogik) in geringer und unregelmäßiger Höhe und aus einer Aushilfstätigkeit in einem Callcenter in Höhe von 240,00 € monatlich an. Die Wohnfläche des bewohnten Hauses gab der Kläger mit 280 m², die noch bestehenden Belastungen mit 575.000 € an (Bl. 104 VA). Als Kosten der Unterkunft gab der Kläger Schuldzinsen in Höhe von 1.472,63 €, kalte Nebenkosten in Höhe von 205,38 €, Heizkosten in Höhe von 250,00 € und sonstige Wohnkosten in Höhe von 180,00 € an.

Mit Bescheid vom 02.12.2019 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers „vom 27.09.2019“ ab. Zur Begründung führte er aus, ein verwertbares Vermögen in Höhe von ca. 132.237,06 € (davon 131.961 € unbelasteter Wert der bewohnten, aus Sicht des Beklagten unangemessenen Immobilie, s. Bl. 180 VA) übersteige die Vermögensfreigrenze der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 17.700,00 €. Daher liege keine Hilfebedürftigkeit vor.

Hiergegen erhob der Kläger am 05.12.2019 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, es sei unklar, wie der Beklagte zu dem in Ansatz gebrachten Vermögenswert gekommen sei. Gleichzeitig begehrte der Kläger die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz beim Sozialgericht Reutlingen (S 10 AS 2717/19 ER).

Mit Beschluss vom 19.12.2019 verpflichtete das Sozialgericht den Beklagten den Klägern „seit Antragstellung und vorläufig längstens bis 31. März 2020 insgesamt Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 1.574,13 für Dezember 2019 und jeweils in Höhe von 1.594,15 € für die Monate Januar bis einschließlich März 2020 zu bewilligen.“ Zur Begründung führte das Gericht aus, die Wohnung in Konstanz sei trotz des Nießbrauchs verwertbar. Aus der Eintragung der Grundschuld von 190.000 € sei auf einen Wert von über 200.000 € zu schließen. Es sei zu vermuten, dass sich aus dem Verkauf der Wohnung ein die Vermögensfreigrenzen übersteigender Erlös ergeben würde. Allerdings müsste den Klägern noch eine Zeitspanne von drei Monaten für eine Verwertung eingeräumt und darlehensweise Leistungen bewilligt werden. Der Höhe der Leistungen sei korrekt errechnet. Die Kläger legten gegen diesen Beschluss Beschwerde ein.

Mit Bescheid vom 23.12.2019 (Bl. 246 VA) gewährte der Beklagte den Klägern für Dezember 2019 bis März 2020 unter Auflagen (u.a. Verwertungsbemühungen) ein zinsloses Darlehen (Dezember 1.574,13 €, Januar und Februar je 1.594,15 € und März 2.448,69 €).

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2020 (Bl. 260 VA) bewilligte der Beklagte den Klägern bezugnehmend auf den Bescheid vom 23.12.2019 Darlehen auch für Oktober 2019 in Höhe von 479,25 € und für November 2019. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.12.2019 zurück.

Deswegen hat der Kläger mit dem Begehren die Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum als Zuschuss statt eines Darlehens und höhere Leistungen zu bewilligen am 07.02.2020 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

Mit Beschluss vom 09.03.2020 hat der erkennende Senat (L 13 AS 323/20 ER-B) die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.12.2019 zurückgewiesen. Der Kläger verfüge über Vermögen, bezüglich dessen weder eine Unzumutbarkeit der Verwertung, noch eine Unverwertbarkeit trotz entsprechender Bemühungen glaubhaft gemacht sei. Bezüglich der Berechnung der darlehensweise vorläufig zu gewährenden Leistungen, stellte das Landessozialgericht fest, dass im Hauptantrag als Tag der Leistungsantragstellung der 29.09.2019 vermerkt sei und unter Ziffer 10 auf die Rückwirkung des Antrags auf den Ersten des Monats hingewiesen werde. Die Leistungen seien nicht zu einem späteren Zeitpunkt beantragt worden, vielmehr habe sich der Kläger gemäß dem Aktenvermerk vom 26.11.2019 beschwert, dass seit September 2019 keine Leistungen gewährt würden. Damit sei die zugeflossene Steuererstattung als Einkommen und nicht als Vermögen zu berücksichtigen und die Leistungsberechnung nicht zu beanstanden.

Den beim SG am 01.04.2020 wiederholt gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 4 AS 737/20 ER) lehnte das SG mit Beschluss vom 21.04.2020 ab. Ein Anordnungsgrund liege nicht vor, nachdem die Beklagte darlehensweise Leistungen für April bis September 2020 (ohne Anrechnung einer anteiligen Steuererstattung) bewilligt hatte.

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger vor, er sei aufgrund von Informationen der Bundesagentur für Arbeit über das Ende des Anspruchs auf Alg I veranlasst worden, am 27.09.2019 einen Antrag beim Beklagten zu stellen. Er habe jedoch deutlich gemacht, dass der Leistungszeitraum erst am 11.10.2019 beginnen solle. Der Zeitpunkt, ab dem Leistungen beantragt werden sollten, sei vom Beklagten in den Antragsformularen geändert worden. Dadurch sei es zur bedarfsmindernden Anrechnung der Steuererstattung gekommen. Ab Oktober 2019 bestünde ein Anspruch auf Leistungen als Zuschuss. In die Berechnung der monatlichen Leistungen seien trotz der vom Landkreis über das BAföG finanzierten Internatsunterbringung von Montag bis Freitag auch der Regelbedarf für den Kläger Nr. 3 einzustellen und Kosten der Unterkunft in Höhe von 1.820,00 € (statt 1.658,68 €). Bei einem Erstantrag seien die tatsächlichen Unterkunftskosten und nicht nur die angemessenen Kosten zu übernehmen. Dem Gesamtbedarf habe nur Einkommen in Form des Kindergelds und des Einkommens der Klägerin aus der Aushilfstätigkeit gegenübergestanden. Die beiden Immobilien seien keine bereiten Mittel. Abgesehen von den auf sie lastenden Grundschulden seien sie nicht verwertbar. Die Immobilie in M werde selbst genutzt. Die Wohnfläche betrag nur 234 m², sei aber nicht voll zur Verwertung geeignet. Im Untergeschoss würden zwei Zimmer als Arbeitszimmer genutzt. Ein Raum weise einen Schimmelbefall auf. Insgesamt verblieben 169,5 m² zum Wohnen, was 39,5 m² über dem Limit liege. Sie hätten mehrfach ihre Bereitschaft zur Vermietung erklärt. Im Ergebnis habe die Veräußerung der Immobilie auch deshalb nicht verlangt werden dürfen, da eine Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II prognostisch nicht für eine lange Dauer zu erwarten gewesen sei. Für die Immobilie in Konstanz habe bis zum Tod der Mutter ein Wertverlust von 50-60% durch den Nießbrauch bestanden. Eine Veräußerung sei daher wirtschaftlich nicht zumutbar gewesen. Zudem hätten sie (die Kläger) die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln nicht autonom herbeiführen können. Der Tod der Mutter (am 03.05.2020) sei aus der ex ante-Sicht unerheblich. Entgegen dem Beschluss vom 19.12.2019 wäre eine Beleihung der Immobilie in Konstanz aufgrund der Alg II-Berechtigung nicht möglich gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzt, er habe vor dem Beginn des Alg I-Bezugs über 100.000 € verdient und sich durch seine Steuerzahlungen einen Anspruch auf Alg II erworben. Zum 30.09.2020 habe er eine selbständige Tätigkeit als Unternehmensberater aufgenommen. Die Wohnung der verstorbenen Schwiegermutter, die er zusammen mit seiner Frau zuletzt palliativ gepflegt habe, werde derzeit als Ferienwohnung vermietet.

Der Beklagte hat an seiner Rechtsauffassung festgehalten.

Mit Urteil vom 21.07.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es unter anderem ausgeführt, den Klägern stünden Leistungen gemäß § 24 Abs. 5 SGB II lediglich als Darlehen zu. Soweit der Kläger auf seine Steuerzahlungen im Jahr 2018 hingewiesen habe, weshalb ein Anspruch auf Grundsicherung ohne Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu gewähren sei, sei dies unzutreffend und unbeachtlich. Es habe verwertbares Vermögen in Form des von den Klägern bewohnten Hausgrundstücks vorgelegen. Dieses Hausgrundstück falle nicht unter die Privilegierung des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, weil es unangemessen sei. Aufgrund der Angaben des Klägers legt die Kammer für das bewohnte Hausgrundstück eine Grundstücksfläche von 1.187 m² zugrunde. Hinsichtlich der Wohnfläche seien die Erstangaben des Klägers bei der Antragstellung heranzuziehen. Danach betrage die Wohnfläche 280 m². Die später vom Kläger vorgenommene Herunterrechnung der Wohnfläche auf 169,5 m² wirke künstlich und überzeuge nicht. Ihre Berechtigung könne aber letztlich dahingestellt bleiben, da auch eine Wohnfläche von 169,5 m² die Angemessenheitsgrenze von 143 m² übersteige. In dieser Grenze sei bereits ein „Verhältnismäßigkeitszuschlag“ von 10 % enthalten, so dass unerheblich sei, dass die Differenz zwischen 169,5 m² und 143 m² nur 26,5 m² betrage und damit nicht so eklatant sei, wie die Differenz zwischen 280 m² und 143 m² mit 137 m². Sowohl die Wohnfläche als auch die Grundstücksfläche seien grundsicherungsrechtlich nicht angemessen. Die Verwertung des bewohnten Hausgrundstücks stelle keine besondere Härte gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II dar. Für die Annahme einer besonderen Härte müssten außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangten als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen erfasst würden. Dies erfordere eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Interesse des Leistungsberechtigten an dem Erhalt des Vermögens und dem öffentlichen Interesse des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern. Selbstgenutzte Immobilien genössen grundsätzlich einen höheren Schutz, weil nicht nur das bloße Vermögen verwertet werden müsse, sondern der Wohnraum das Grundbedürfnis „Wohnen“ erfülle und bei einer Verwertung der Verlust des Lebensmittelpunktes drohe. Allein führe dies allerdings nicht zu einer besonderen Härte. Bei Zusammentreffen mit weiteren Umständen könne aber ein Härtefall eher angenommen werden als bei anderen Vermögensgegenständen. So stelle die Verwertung eines selbst bewohnten Hausgrundstücks oder einer Wohnung einen Härtefall dar, wenn das alsbaldige Ausscheiden aus dem Leistungsbezug zwar unsicher sei, nach den Umständen des Einzelfalls aber mindestens als ernsthaft möglich erscheinen müsse (juris-PK, s. eben, Rn. 220).
Für die Annahme einer besonderen Härte spreche, dass die Verwertung der Immobilie den Verlust des aktuellen Lebensmittelpunktes für eine vierköpfige Familie bedeutet hätte. Gegen die Annahme einer besonderen Härte sprächen mehrere und im Ergebnis die überwiegenden Gesichtspunkte. Die Immobilie sei von der Klägerin und dem Kläger erst im Jahr 2013 erworben worden. Es habe sich also nicht um einen jahrzehntelang schon inne gehabten Lebensmittelpunkt und erst Recht nicht um einen Familienbesitz gehandelt, der schon über mindestens eine Generation hinweg weitergeführt werde. Die in der aktenkundigen Berechnung angegebene Wohnfläche von 515 m², aber auch die anfänglich vom Kläger angegebene Wohnfläche von 280 m² belegten ein Entwicklungspotential des Hausgrundstücks, das fernab von der grundsicherungsrechtlichen Angemessenheitsgrenze (s. oben) liege. Im Herbst 2019 sei die Prognose hinsichtlich der weiteren Finanzierbarkeit des Hausgrundstücks als sehr ungünstig anzusehen gewesen, insbesondere habe nicht von einer ernsthaften Möglichkeit einer alsbaldigen Beendigung des Leistungsbezugs ausgegangen werden können. Dafür hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen. Bei dieser Prognose sei zu berücksichtigen, dass es dem Kläger nach dem Verlust seiner Arbeitsstelle im Jahr 2018 trotz seiner sich aus seinem ursprünglichen Verdienst ergebenden hohen Qualifikation innerhalb eines Jahres nicht gelungen sei, eine neue Arbeitsstelle zu finden - er sei damit langzeitarbeitslos gewesen (vgl. § 18 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III). Die Klägerin habe zwar verschiedene Einkünfte gehabt, die jedoch bei Weitem nicht bedarfsdeckend gewesen seien. Allein die Zinsbelastung für das bewohnte Hausgrundstück sei mit knapp 1.500 € monatlich sehr hoch gewesen. Der Kläger habe die laufenden Unterkunftskosten ohne Tilgung zuletzt mit 1.820 € angegeben. Somit habe eigentlich schon während des Bezugs des Alg I auf der Hand gelegen, dass das bewohnte Hausgrundstück, dessen Finanzierung auf das Jahreseinkommen des Klägers von über 100.000 € zugeschnitten gewesen sei, nach dem Arbeitsplatzverlust des Klägers nicht mehr zu halten gewesen sei. Dass der Verlust eines so gut bezahlten Arbeitsplatzes dazu führen könne, dass der bisherige Lebensstandard - auch was die Unterkunft anbelangt - nicht mehr aufrechterhalten werden könne, sei kein außergewöhnlicher Umstand.
Als Wert des Hausgrundstücks hat das SG den Kaufpreis von 550.000 € zugrunde gelegt. Dadurch würden die Kläger sicher nicht beschwert. Der Kaufpreis stamme aus dem Jahr 2013. Es sei allgemein bekannt, dass die Immobilienpreise in der Region seither - also auch bis in das Jahr 2019 - kräftig gestiegen seien. Zudem schließe die Kammer aus der Kreditaufnahme in Höhe von 616.000 €, dass nach dem Erwerb der Immobilie Verbesserungsmaßnahmen vorgenommen worden seien. Ungeachtet der Wertminderung durch das Bewohnen und auch unter Berücksichtigung des vorgetragenen Schimmelbefalls in einem Raum stehe für die Kammer fest, dass die Verwertung des Hausgrundstücks mindestens 550.000 € eingebracht hätte.
Von diesem Betrag seien jedenfalls nicht mehr als die dingliche Belastung des Hausgrundstücks von 426.000 € abzuziehen. Zutreffend habe der Beklagte darauf hingewiesen, dass nur dinglich gesicherte Schulden bei der Ermittlung des Werts des Vermögens zu berücksichtigen seien. Auch nach Abzug der vollen Grundschulden, die auf dem bewohnten Hausgrundstück lasten, verbleibe ein freier Verkaufserlös von 124.000 €, der den vom Beklagten angegebenen Vermögensfreibetrag von etwas über 25.000 €, der von den Klägern nicht in Zweifel gezogen worden sei und für den keine relevanten Anhaltspunkte für Fehler bei der Berechnung bestünden, deutlich übersteige.
Damit stehe fest, dass im Herbst 2019 Hilfebedürftigkeit nur vorgelegen habe, weil das Hausgrundstück nicht sofort verwertet werden konnte. Fest stehe, dass die Verwertung des Hausgrundstücks durch ein Handeln der Klägerin und des Klägers innerhalb von Monaten möglich gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 46/06 R, in juris Rn. 15). Der Immobilienmarkt in der hiesigen Region sei im Jahr 2019 und sei noch immer von steigenden Preisen und einer entsprechenden Nachfrage geprägt.
Es könne somit offengelassen werden, ob im Herbst 2019 die Immobilie in Konstanz als verwertbares Vermögen anzusehen gewesen sei. Den Klägern hätten Leistungen zu Recht nur als Darlehen und nicht als Zuschuss zugestanden. Auch ein höheres Darlehen habe den Kläger nicht zugestanden.

Gegen das am 29.07.2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.08.2021 eingelegte Berufung der Kläger. Trotz mehrfacher Erinnerung haben die Kläger die Berufung nicht begründet.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Juli 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 2. Dezember 2019 in der Fassung des Bescheids vom 23. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2020 zu verurteilen, ihnen für die Zeit von Oktober 2019 bis März 2020 höhere Leistungen als Zuschuss zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten des Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Beklagte hat den Klägern die Leistungen zu Recht als Darlehen gewährt, ein Anspruch auf höhere Leistungen hat das SG ebenso zutreffend abgelehnt. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

Die Kläger waren jedoch im streitbefangenen Zeitraum nicht hilfebedürftig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, § 12 SGB II, weshalb sie die zuschussweise Leistung von Alg II nicht beanspruchen können. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Die Kläger waren in dem genannten streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig, weil sie als Eigentümer des Hausgrundstücks über zu berücksichtigendes Vermögen nach § 12 SGB II verfügten, das Ihre Hilfebedürftigkeit ausschloss und einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss entgegenstand.

Vermögen ist i.S. des § 12 Abs. 1 SGB II verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Der Begriff "Verwertbarkeit" enthält eine tatsächliche Komponente, weil solche Vermögensgegenstände nicht verwertbar sind, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder sie, wie Grundstücke infolge sinkender Immobilienpreise, über den Marktwert hinaus belastet sind, und auch keine andere Verwertungsmöglichkeit ersichtlich ist. Ein Aspekt dieser tatsächlichen Verwertbarkeit ist die für sie benötigte Zeit, hinsichtlich der ggf. eine Prognose erforderlich und für die auf den bevorstehenden Bewilligungszeitraum abzustellen ist; eine Festlegung für darüber hinausgehende Zeiträume ist demgegenüber nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden sind, auch nicht geboten (sog. "Versilbern"; stRspr: vgl. BSG vom 18. September 2014 - B 14 AS 58/13 R - SozR 4-4200 § 12 Nr. 24 Rn.15; BSG vom 12.Oktober 2016 - B 4 AS 4/16 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 12 Nr. 27 Rn. 26). Rechtlich ist ein Vermögensgegenstand nicht verwertbar, wenn dessen Inhaber in der Verfügung über den Gegenstand beschränkt ist und er die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (vgl. BSG vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 42/07 R - SozR 4-4200 § 12 Nr. 12 Rn. 20; BSG vom 20. Februar 2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 23, Rn. 22).
Gemessen hieran ist der das Hausgrundstück der Kläger in M, wie vom SG zutreffend ausgeführt worden ist, verwertbar.
Ebenso zutreffend hat das SG den Kaufpreis als maßgebliches Vermögen berücksichtigt. Hierbei hat das SG zutreffend ausgeführt, dass durch die Preisentwicklung für Immobilien, dieser Ansatz eher zu niedrig sein dürfte, zumal gemäß § 12 Abs. 4 SGB II das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen ist, wobei für die Bewertung der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende gestellt wird.

Das SG hat somit zutreffend unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung dargelegt, dass die Kläger weder Anspruch auf Leistungen als Zuschuss noch Anspruch auf höhere Leistungen haben. Nachdem die Kläger die Berufung nicht weiter begründet haben, nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils nach nochmaliger Überprüfung ausdrücklich Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 13. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.       

Rechtskraft
Aus
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