L 13 R 3103/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 3493/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3103/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. September 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung zusätzlicher Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten.

Die 1955 in B geborene Klägerin heiratete ihren Mann L am 6. Februar 1973. Dieser arbeitete ab dem 8. November 1973 als Gastarbeiter in Deutschland und war seitdem in U polizeilich gemeldet. Nach dem Zuzug der Klägerin von B nach Deutschland waren die Eheleute ab dem 15. Mai 1974 in S polizeilich gemeldet. Am 27. September 1974 wurde ihre Tochter S1 geboren. Vom 1. Oktober 1974 bis 15. Februar 1975 hielt sich die Klägerin bei ihren Eltern in B auf. Am 25. April 1978 wurde das zweite Kind E geboren. Seit dem 12. September 1989 ist die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Auf Antrag vom 28. September 1993 wurde sie zusammen mit ihrem Ehemann zum 9. November 1995 eingebürgert (vgl. Schreiben des Landratsamts K vom 23. November 2016).
Mit Bescheid vom 11. November 2016 stellte die Beklagte die Kindererziehungszeiten für die Tochter S1 ab dem 12. Oktober 1980 fest, da erst ab diesem Zeitpunkt ein zukunftsoffener Aufenthaltstitel unterstellt werden könne. Die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis 15. Februar 1975 könne nicht als Kindererziehungszeit vorgemerkt werden, weil das Kind S1 in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei.
Am 14. Februar 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Überprüfung der Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten. Wegen der Kinder hätte sie zunächst nicht gearbeitet. Sie hätten schon immer in S gewohnt. Einen Aufenthaltstitel habe ihr Mann ab dem Zuzug in Deutschland gehabt. Da sie 1995 eingebürgert worden seien, habe die Ausländerbehörde keine Unterlagen über die Aufenthaltstitel aufgehoben. Alte Pässe aus dieser Zeit habe sie nicht mehr.
Mit Bescheid vom 20. November 2018 verblieb die Beklagte bei ihrer der Entscheidung mit Feststellungsbescheid vom 11. November 2011, wonach Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten erst vom 12. Oktober 1980 (bis zum 24. April 1988) festgestellt werden könnten.
In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch vom 7. Dezember 2018 brachte die Klägerin vor, sie habe seit 1975 nur in S gelebt und gearbeitet.
Mit (Teil-)Abhilfebescheid vom 22. April 2020 hob die Beklagte den Bescheid vom 20. November 2018 teilweise auf und merkte nunmehr zusätzliche Kindererziehungszeiten für das Kind E in der Zeit vom 28. September 1978 bis 31. Oktober 1980 vor.
Die Zeit vom 1. Oktober 1976 bis 31. März 1977 (für das Kind S1) könne nicht als Kindererziehungszeit anerkannt werden, weil während der Erziehung der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht auf einem zukunftsoffenen Aufenthaltstitel beruht habe und deshalb kein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorgelegen habe. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2020 zurück.
Eine Vormerkung von Erziehungszeiten vor dem 28. September 1978 für die Kinder S1 und E sei nicht möglich. Durch das Schreiben des Landratsamtes K sei der zur Anerkennung notwendige zukunftsoffene Aufenthaltstitel erst ab dem 12. September 1989 nachgewiesen. Da bei einer Einbürgerung nach dem vollendeten 23. Lebensjahr in der Zeit bis zum 31. Dezember 1999 ein gewöhnlicher Aufenthalt bzw. das Vorliegen eines zukunftsoffenen Aufenthaltstitels von 15 Jahren vor der Antragstellung unterstellt werde, sei zugunsten der Klägerin ein gewöhnlicher Aufenthalt ab dem 28. September 1978 anzunehmen. Nach den vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Leitlinien könnten Ausländer nur dann ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, wenn ihnen ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, der ihren Aufenthalt materiell-rechtlich billige und nicht nur vorübergehend und damit rechtlich beständig gestatte. Das Vorliegen einer Arbeitserlaubnis genüge hierfür nicht. Der gewöhnliche Aufenthalt sei nicht zu verwechseln mit dem tatsächlichen Aufenthalt in der gemeinsamen Familienwohnung in S. Die Klägerin trage die objektive Beweislast für die anspruchsbegründende Tatsache, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt vor dem 28. September 1978 vorgelegen habe.

Dagegen hat die Klägerin am 23. November 2020 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und weiterhin die Vormerkung von Erziehungszeiten für ihre Tochter S1 schon für die Zeit ab deren Geburt (bzw. ab dem tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland nach der Geburt [ab 16.02.1975] bis zum 27. September 1977 begehrt. Wäre sie von Anfang an Deutsche gewesen, hätten die Kindererziehungszeiten nie zur Diskussion gestanden. Die Verweigerung der Vormerkung der angestrebten Kindererziehungszeiten verletze die grundgesetzlich geschützte Ehe und Familie und den Gleichheitsgrundsatz. B, ihr Heimat- und Herkunftsland, habe im Übrigen am 15. Februar 2016 einen Antrag auf Aufnahme in die Europäische Union gestellt, was Folgen für den gegenständlichen Streit nach sich ziehen könnte.
Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2020 Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 30. November 2020 hat die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 23. Oktober 2020 Regelaltersrente ab dem 1. Dezember 2020 in Höhe von 367,57 € (monatlicher Zahlbetrag 327,88 €) bewilligt. Aus dem beigefügten Versicherungsverlauf geht hervor, dass ab 28. September 1978 Beitragszeit mit Pflichtbeiträgen wegen Kindererziehung vermerkt ist.

Mit Urteil vom 21. September 2021 hat das SG die Klage abgewiesen.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für den Zeitraum vom 16. Februar 1975 bis 27. September 1977 für das Kind S1.
Rechtsgrundlage für die rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten seien die §§ 56 und 57 des Sechsten Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Gemäß § 56 Abs. 3 SGB VI sei eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten habe. Bei einem Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1999 könne nach §§ 85 und 86 Ausländergesetz (AuslG [in der Fassung bis 31.Dezember 1999]) ein gewöhnlicher Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bei einem Antrag auf Einbürgerung ab Vollendung des 23. Lebensjahres 15 Jahre vor der Antragstellung unterstellt werden. Bei Ausländern, die im Rahmen der Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer vor November 1973 (Anwerbestopp) in das Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet eingereist seien, könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ihnen ein zukunftsoffener Aufenthaltstitel erteilt worden sei und deshalb ab der Einreise eine materiell-rechtlich bestätigte Grundlage für den gewöhnlichen Aufenthalt vorgelegen habe. Gemessen daran sei die Ansicht der Beklagten zutreffend, dass Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung frühestens ab dem 28. September1978 im Versicherungskonto der Klägerin vorgemerkt werden könnten, da erst ab diesem Zeitpunkt ein gewöhnlicher Aufenthalt der Klägerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland unterstellt werden könne.
Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I habe jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Nach den vom 4. Senat des BSG entwickelten Leitlinien (sog. Einfärbungslehre) sei ein Aufenthalt dauerhaft, wenn und solange er nicht von vornherein auf Beendigung ausgelegt, also zukunftsoffen sei; darüber hinaus müsse der Aufenthalt rechtmäßig sein. Ausländer dürften danach nur dann ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, wenn ihnen ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, der ihren Aufenthalt materiell-rechtlich billige und nicht nur vorübergehend bzw. rechtlich unbeständig gestatte. Das Vorliegen einer Arbeitserlaubnis genüge hierfür nicht. Das SG hat insofern auf die umfassende Auflistung unterschiedlicher Aufenthaltsberechtigungen im Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2020 verwiesen. Keine von diesen sei zugunsten der Klägerin erteilt worden. Im Verwaltungsverfahren sei klägerseits vorgetragen worden, die Ausländerbehörde hätte keine Unterlagen über Aufenthaltstitel aufgehoben, da die Klägerin 1995 eingebürgert worden sei. Alte Pässe aus dieser Zeit seien auch nicht weiter vorhanden.
Der rechtlich notwendige gewöhnliche Aufenthalt sei von dem klägerseits angeführten tatsächlichen Aufenthalt (ohne Nachweis einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung) zu trennen, worauf die Beklagte bereits zu Recht hingewiesen habe. Für EU-Ausländer rechtlich brisant seit die Frage, ob es verfassungsgemäß sei, die Berücksichtigungsfähigkeit von Kindererziehungszeiten von einem zukunftsoffenen Aufenthaltstitel abhängig zu machen. Das Bundesverfassungsgericht habe z.B. mit Urteil vom 6. Juli 2004 (Az.: 1 BvL 4/97) insoweit einen Verstoß des BKGG gegen Art. 3 Abs. 1 GG angenommen, woraufhin eine Gesetzesänderung erfolgt sei. Da die Klägerin jedoch keine EU-Bürgerin sei, stellten sich Fragen einer europarechtsrelevanten Diskriminierung nicht.
Ein rechtmäßiger bzw. ausländerrechtlich geduldeter Aufenthalt werde tatbestandlich bei Ausländern weiterhin z.B. in folgenden Fällen ausdrücklich verlangt: Leistungen nach dem SGB VIII auf Jugendhilfe (vgl. § 6 Abs. 2 SGB VIII), Kindergeld für Ausländer nach dem BKGG (vgl. § 1 Abs. 3 BKGG), Opferentschädigung (§ 1 Abs. 6 OEG). Dagegen habe sich der 4. Senat des BSG zwischenzeitlich für den Bereich des SGB II von der Einfärbungslehre mit der Begründung abgewendet, dass dem SGB II „ein zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU 2004 bzw. eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG 2004“ fremd sei.
Für den Bereich der Kindererziehungszeiten habe der Gesetzgeber gerade keine Regel getroffen; insoweit verlange die Rechtsprechung weiterhin neben dem faktisch dauerhaften Inlandsaufenthalt die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl. Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGB I, 3. Aufl. – Stand: 13. August 2018, zu § 30 SGB I, Rn. 55). Für Nicht-EU-Ausländer gelte damit weiterhin die vom BSG aufgestellte und im Bereich des SGB VI aufrechterhaltene „Einfärbungslehre“. Danach sollten die Begriffe Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt ihre konkrete rechtliche Bedeutung jeweils erst aus dem Zusammenhang der Normen erhalten, die den Begriff verwenden. Der 4. Senat des BSG hat insofern z.B. im Zusammenhang mit der Anerkennung von Kindererziehungszeiten die Ansicht vertreten, ein Asylbewerber habe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unabhängig von der voraussichtlichen und beabsichtigten Dauer seines Aufenthalts nur dann, wenn sein Aufenthalt ausländerrechtlich hinreichend beständig sei (vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2001, Az.: B 4 RA 90/00 R; ähnlich BSG, Urteil vom 27.01.1994, Az.: 5 RJ 16/93).
Teilweise werde vertreten, die Einfärbungslehre sei abzulehnen (vgl. Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. – Stand: 13.08.2018, zu § 30 SGB I, Rn. 57). Das erkennende Gericht sei jedoch der Überzeugung, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung des § 30 SGB I hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts für Ausländer weiterhin der Rechtsprechung überlasse. Trotz Kenntnis der Rechtsprechungslinie zur Einfärbungslehre habe über Jahre hinweg keine gesetzliche Präzisierung wie in den oben genannten anderen Rechtsgebieten stattgefunden. Auch wenn die Einfärbungslehre über eine Wortlautinterpretation des § 30 SGB I hinausgehen und dem Gesetz nicht zu entnehmende Tatbestandserfordernisse aufstellen möge, schließe dies jedoch nicht aus, bei der Auslegung der Begriffe „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“ auch rechtliche Gesichtspunkte, z.B. in die Prognose über die Dauer des Aufenthalts und damit die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts miteinfließen zu lassen. Stehe z.B. fest, dass ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet sei und seiner Abschiebung weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse und auch die Verwaltungspraxis entgegenstünden, könne ein gewöhnlicher, d.h. voraussichtlich dauerhafter Aufenthalt im Inland nicht begründet werden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1989, Az.: 10 RKg 19/88). In diesem Sinne habe die Klägerin bis zu ihrer Einbürgerung keine gesicherte Rechtsposition im Sinne eines zukunftsoffenen Aufenthaltstitels erlangt, aufgrund dessen man einen dauerhaften Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland annehmen hätte können.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 24. September 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. September 2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Bei feststehenden Tatsachen könne keine Fiktion angewendet werden. Es sei unstreitig, dass die Klägerin und ihr Ehemann ab 15. April 1974 in S polizeilich gemeldet gewesen seien und sich dort ununterbrochen als Familie aufgehalten hätten. Lediglich in der Zeit vom 1. Oktober 1974 bis 15. Februar 1975 habe sich die Klägerin mit der kurz zuvor geborenen Tochter S1 bei ihren Eltern in B aufgehalten, da sie dort insgesamt besser hätte versorgt werden können. Seit dem 16. Februar 1975 hätten sich die Klägerin und ihre Tochter S1 ohne Unterbrechung oder behördlicher Beanstandung bei Bezug von Kindergeld in S aufgehalten. Am 9. November 1995 sei sie zusammen mit ihrem Ehemann eingebürgert worden. Seitdem sei die Klägerin Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Seit dem 16. Februar 1975 habe sie mit ihrer Familie in S gelebt und gearbeitet, was nur als dauerhaft im Sinne des Gesetzes angesehen werden könne. Zu keinem Zeitpunkt habe die Familie die Absicht gehabt, wieder nach B zurückzukehren. Die Ansicht des SG, dass das Vorliegen einer Arbeitserlaubnis nicht ausreiche und der Aufenthalt materiell-rechtlich nicht zu billigen, nur vorübergehend und damit rechtlich unbeständig gewesen sei, werde nicht hingenommen.
Das SG weise zwar darauf hin, dass die Einfärbungslehre z. T. streitig sei, habe aber im Ergebnis abgelehnt, dass eine Situation vorliege, aufgrund derer ein dauerhafter Aufenthalt der Klägerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzunehmen sei. Das angefochtene Urteil sei nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Die angefochtene Entscheidung widerspreche Art. 3 Abs. 3 GG. Wäre die Klägerin in Deutschland geboren und hätte bereits von Geburt an die deutsche Staatsbürgerschaft, wären die begehrten Kindererziehungszeiten ohne weiteres anzuerkennen gewesen. Die Klägerin könne Art. 3 Abs. 3 GG für sich in Anspruch nehmen, da es jetzt um die Anerkennung der Kindererziehungszeiten gehe. Sie sei durch die angefochtenen Entscheidungen, welche auf ihre Heimat bzw. Herkunft beruhten, gegenüber deutsch-geborenen Bürgerinnen benachteiligt. Auch sei Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG verletzt bzw. berührt. Die Leistungen der Klägerin im Rahmen der Erziehung der Tochter S1 unterfielen dem Schutz der Familie und Ehe, weshalb sie auch anzuerkennen seien. Aus Art. 6 Abs. 4 ergebe sich ohne weiteres, dass „jede Mutter Anspruch auf Fürsorge der Gemeinschaft“ habe, was auch in der Anerkennung der Kindererziehungszeiten bestehe. Hierzu hat die Klägerin auf die aktuelle politische Diskussion zur Mütterrente verwiesen. Die auch vom SG erkannte Gesetzeslücke sei auch im Licht der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ zu sehen. Art. 21 Abs. 1 verbiete Diskriminierungen aufgrund der Geburt. Dieser Grundsatz sei jetzt verletzt, denn wäre die Klägerin in Deutschland geboren und schon anfänglich deutsche Staatsbürgerin gewesen, wäre der vorliegende Rechtsstreit nicht entstanden.
Art. 33 Abs. 1 der Charta gebiete den „wirtschaftlichen und sozialen Schutz der Familie“, weshalb die Versagung der Kindererziehungszeiten auch diesen Grundsatz verletzt. In Art. 34 Abs. 1 anerkenne die Union die Charta und „achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschaft … Schutz gewährleisten …“. In Art. 34 Abs. 2 werde der Grundsatz formuliert, dass „jede Person die in der Union ihren rechtmäßigen Wohnsitz hat … einen Anspruch auf Leistung der sozialen Sicherheit und sozialen Vergünstigungen …habe“. Es sei offensichtlich, dass der Klägerin hinsichtlich der hier streitigen Kindererziehungszeiten diese Leistungen verweigert würden. Selbst Art. 14 der „Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ enthalte schon seit 1950 ein Diskriminierungsverbot wegen des „Geschlechts, … der nationalen oder sozialen Herkunft“.
Die Rechte und Ansprüche der Klägerin richteten sich nach den jetzt geltenden Gesetzen und nicht nach den Regelungen der 1970-Jahre. Die Klägerin sei gegenüber schon anfänglich deutschen Bürgerinnen benachteiligt und diskriminiert, weshalb die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben seien und der Klägerin die beantragten Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zuzuerkennen seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. September 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 30. November 2020 zu verurteilen, ihr eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für das Kind S1, geboren am 27. September 1974 für den Zeitraum vom 16. Februar 1975 bis 27. September 1977 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist nicht begründet.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Rentenbescheid vom 30. November 2020, mit dem die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente ab 1. Dezember 2020 bewilligt hat. Zwar hatte sich die Klägerin mit ihrer ursprünglichen zum SG erhobenen Klage gegen den Vormerkungsbescheid nach § 149 Abs. 5 SGB VI vom 20. November 2018 in der Fassung des Bescheids vom 22. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2020 gewandt, jedoch hat der nach Klageerhebung erlassene Rentenbescheid vom 30. November 2020 den genannten Bescheid vom 20. November 2018 in der Fassung des Bescheids vom 22. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2020 ersetzt. Auf diese Ersetzung findet § 96 Abs. 1 SGG unmittelbar Anwendung mit der Folge, dass der Bescheid über die Rentenhöhe als unmittelbar kraft Gesetzes angegriffen gilt, soweit die Höhe der Rente ihrerseits auf den bereits ursprünglich streitigen Feststellungen beruht (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - juris Rn. 12; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juli 2016 – L 7 R 686/15; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juni 2015 - L 9 R 4225/11 - juris Rn. 24 ff.).
Aufgrund des ausdrücklich formulierten Antrags der anwaltlich vertretenen Klägerin wird die höhere Altersrente nur unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten für das am 27. September 1974 geborene Kind S1 im Zeitraum vom 16. Februar 1975 bis 27. September 1977 geltend gemacht. Auch wenn im Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2020 ausdrücklich nur die Vormerkung weiterer Erziehungszeiten angesprochen wird, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass gleichzeitig auch über die Berücksichtigungszeiten entschieden wurde.
Nicht streitgegenständlich - aufgrund des ausdrücklichen Antrags der Klägerin - sind aber Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten hinsichtlich des Kindes S1 in der Zeit vom 28. September 1977 bis 27. September 1978 sowie Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten hinsichtlich des Kindes E (geboren am 25. April 1978).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für das am 27. September 1974 geborene Kind S1 für den Zeitraum vom 16. Februar 1975 bis 27. September 1977.

Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,

2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und

3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat.

Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat (§ 56 Abs. 3 S. 1 SGB VI).
Gemäß § 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war (§ 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI).


Nach § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach § 56 SGB VI auch in dieser Zeit vorliegen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids unter Zugrundelegung der vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im streitigen Zeitraum nicht vorlagen, weil die Voraussetzungen der §§ 56 Abs. 3 Satz 1, 57 SGB VI nicht erfüllt waren. Denn es ist nicht nachgewiesen, dass sich die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum mit dem Kind S1 in der Bundesrepublik Deutschland gewöhnlich aufgehalten hat.
Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
Das SG hat ausführlich unter Angabe einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (Einfärbungslehre des BSG) dargelegt, dass ein Aufenthalt (im Zusammenhang mit der Anrechnung von Kindererziehungszeiten) dauerhaft ist, wenn und solange er nicht von vornherein auf Beendigung ausgelegt, also zukunftsoffen ist und der Aufenthalt darüber hinaus rechtmäßig sein muss. Das SG hat richtig darauf hingewiesen, dass der rechtlich notwendige gewöhnliche Aufenthalt von dem klägerseits angeführten tatsächlichen Aufenthalt (ohne Nachweis einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung) zu trennen ist. Das SG hat auch ausführlich dargelegt, dass ein rechtmäßiger bzw. ausländerrechtlich geduldeter Aufenthalt tatbestandlich bei Ausländern weiterhin bei bestimmten Leistungen (z.B. bei Leistungen nach dem SGB VIII auf Jugendhilfe [vgl. § 6 Abs. 2 SGB VIII], Kindergeld für Ausländer nach dem BKGG [ § 1 Abs. 3 BKGG] und Opferentschädigung [§ 1 Abs. 6 OEG]) verlangt wird (anders als für den Bereich des SGB II, wo sich der 4. Senat des BSG zwischenzeitlich von der Einfärbungslehre abgewendet hat) und seine Auffassung in Abgrenzung zur teilweise in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht erläutert, dass die Einfärbungslehre für den Bereich der Kindererziehungszeiten, in dem der Gesetzgeber insoweit keine Regel getroffen hat, weiterhin für Nicht-EU-Bürger Anwendung findet.
Der Senat sieht insofern von einer (weiteren) Begründung seiner Entscheidung ab und verweist nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil vom 21. September 2021.

Ergänzend ist auszuführen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass ihr ein zukunftsoffener Aufenthaltstitel im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor dem 28. September 1978 erteilt worden ist. An der für den gewöhnlichen Aufenthalt erforderlichen Dauerhaftigkeit im Sinne der Zukunftsoffenheit fehlt es bei Ausländern nur, wenn der Aufenthalt des Ausländers im jeweils streitigen Zeitraum nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet (Aufenthaltserlaubnis für eine von vornherein bestimmte Zeit) oder auflösend bedingt (Aufenthaltserlaubnis für einen bestimmten Zweck) gestattet worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 – 5 RJ 16/93, Rn. 32).
Die Klägerin hat jedoch keine Dokumente vorlegen können, welche das Vorliegen eines solchen zukunftsoffenen Aufenthaltstitels vor dem 28. September 1978 belegen können. Sie hat auch selbst im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 14. Februar 2018 mitgeteilt, dass sie keine alten Pässe mehr habe und die Ausländerbehörde keine Unterlagen über die Aufenthaltstitel aufgehoben habe, weil sie 1995 eingebürgert worden sei. Es ist demnach nicht zu beanstanden, dass die Beklagte (zu Gunsten der Klägerin) unter Berücksichtigung der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechtslage fiktiv angenommen hat, dass bei einer Einbürgerung nach dem vollendeten 23. Lebensjahr (wie im Fall der Klägerin) jedenfalls 15 Jahre vor der Einbürgerung, mithin ab 28. September 1978, ein gewöhnlicher Aufenthalt bzw. ein zukunftsoffener Aufenthaltstitel vorgelegen hat.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf ihre zwischenzeitlich erlangte deutsche Staatsbürgerschaft oder auf eine Diskriminierung als EU-Bürgerin berufen. Denn im vorliegenden Fall geht es um die Anerkennung von Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung im Zeitraum vom 16. Februar 1975 bis 27. September 1978 und damit um einen Zeitraum, in dem die Klägerin weder EU-Bürgerin noch deutsche Staatsbürgerin war.
Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht ist nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 6 GG vor.
Im Hinblick auf den in Art. 6 GG geregelten Schutz von Ehe und Familie ist darauf hinzuweisen, dass die Rechte der Klägerin als Mutter im vorliegenden Fall nicht eingeschränkt sind. Die Regelungen der §§ 56, 57 SGB VI sind für sie – wie für jede andere Mutter – grundsätzlich gleichermaßen anwendbar. Es ergibt sich lediglich eine Differenzierung im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts als tatbestandliche Voraussetzung für die Vormerkung der Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>). Für den Gesetzgeber ergeben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 106, 166 <176> m.w.N.). Ob die angegriffene Regelung dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entspricht, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestanden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen konnten (vgl. BVerfGE 109, 96 <123>; stRspr).
Im vorliegenden Fall ist in der gesetzlichen Regelung der §§ 56, 57 SGB VI keine Konkretisierung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts erfolgt, sondern die Auslegung erfolgt unter Berücksichtigung der vom BSG entwickelten Einfärbungslehre.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Hinblick auf § 1 Abs. 1a Satz 1 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) in der Fassung des Gesetzes über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG) vom 23. Juni 1993 (Bundesgesetzblatt I Seite 944) als grundsätzlich legitim angesehen hat, das Erziehungsgeld nur denjenigen Ausländern zukommen zu lassen, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben und hat die Verfassungswidrigkeit der Regelung nur angenommen, weil das im BErzGG gewählte Differenzierungskriterium (Aufenthaltsberechtigung versus Aufenthaltsbefugnis) nicht geeignet sei, diesen Personenkreis adäquat zu erfassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2004 – 1 BVR 2515/95 – juris).
Damit bestehen auch nach Auffassung des BVerfG keine grundlegenden Bedenken dagegen, eine staatliche Leistung bzw. Begünstigung davon abhängig zu machen, dass ein auf Dauer angelegter Aufenthalt in Deutschland vorliegt.
Dies muss umso mehr für die hier streitige Anrechnung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gelten. Denn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten hat im Gegensatz etwa zu den Leistungen nach dem BKGG oder dem BErzGG keine unmittelbaren finanziellen Vorteile für den Begünstigten. Leistungen können erst beim Eintritt des Versicherungsfalles als Renten wegen Alters bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit, d.h. in der Regel erhebliche Zeit nach dem Anrechnungszeitraum gewährt werden. Die Kindererziehungszeiten dienen damit der langfristigen sozialen Absicherung der erziehenden Eltern. Die Gewährung dieser Sozialleistung ist damit – wie das BSG im Zusammenhang mit der Einfärbungslehre ausgeführt hat - in besonderem Maße nur dann gerechtfertigt, wenn der Aufenthalt eines Ausländers materiell-rechtlich gebilligt und nicht nur vorübergehend - und damit nicht rechtlich beständig - gestattet ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 – 5 RJ 16/93, Rn. 28). Diese höchstrichterliche Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts im Zusammenhang mit der Anrechnung von Kindererziehungszeiten steht daher in Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG, weil es für die Differenzierung nachvollziehbare sachliche Gründe gibt.

Selbst wenn man die Einfärbungslehre des BSG ablehnt, ist für die Bejahung eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I die über eine vorübergehende Verweildauer hinausgehende Dauerhaftigkeit des tatsächlichen Aufenthalts an bestimmten Orten entscheidend, die sich in bestimmten Umständen manifestieren muss, wobei auch rechtliche Gesichtspunkte z.B. in die Prognose über die Dauer des Aufenthalts und damit die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts einfließen können (vgl.
Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 30 SGB I [Stand: 13.08.2018], Rn. 35, 57). Im vorliegenden Fall ist aber aufgrund des Fehlens jeglicher Unterlagen zum Aufenthaltsstatus der Klägerin vor dem 28. September 1978 für den streitgegenständlichen Zeitraum auch keine zuverlässige Prognose zur Dauerhaftigkeit des tatsächlichen Aufenthalts möglich, zumal die Klägerin sich zunächst nur wenige Monate bis zur Geburt der ersten Tochter in Deutschland aufgehalten hatte und nach der Geburt für einige Monate – ebenso lang wie der bisherige Aufenthalt in Deutschland - in ihre Heimat zurückgekehrt ist.
Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 13. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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