L 5 KR 4038/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2429/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4038/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.12.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Streitig ist die Erstattung von Kosten für eine vollstationäre Behandlung in einer Privatklinik.

Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Mit einem undatierten Schreiben, eingegangen bei der Beklagten am 17.04.2020, beantragte der W1 für den Kläger die Übernahme der Kosten einer vollstationären Behandlung in der C-Klinik in M1. Zur Begründung führte er aus, der Kläger leide an psychischen Problemen, insbesondere einer Zwangserkrankung. Seine Beschwerden hätten sich aktuell verstärkt. Angesichts dessen könne der Kläger kaum noch seinen Alltag bewältigen; auch die Arbeitsfähigkeit sei gefährdet. Eine ambulante Behandlung bei einem Psychologen reiche nicht aus. Erforderlich sei vielmehr eine vollstationäre Behandlung in einer spezialisierten Klinik. Die C-Klinik habe sich auf diese Thematiken spezialisiert. Es werde gebeten, diesen Klinikaufenthalt zu unterstützen.

Mit Bescheid vom 22.4.2020 lehnte die Beklagte die beantragte Leistung ab. Zur Begründung gab sie an, grundsätzlich hätten gesetzlich Versicherte einen Anspruch nur auf Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus. Nur wenn im Einzelfall ein zugelassenes Krankenhaus nicht zur Verfügung stehe, könne die Krankenkasse auch die Kosten für eine Behandlung in einer Privatklinik übernehmen. Die C-Klinik sei nicht für die vollstationäre Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen. Eine Behandlung des Klägers könne auch in einem Vertragskrankenhaus erfolgen, z.B. in der Fachklinik W, in den S Kliniken P, B oder A, im C1 G, in der H-Klinik H1 oder in der Kklinik M. Gerne helfe sie dem Kläger bei der Suche nach einem zugelassenen Krankenhaus.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 14.05.2020 Widerspruch ein und übersandte einen Kostenvoranschlag der C-Klinik vom 05.05.2020. Er machte geltend, keine der Kliniken, die die Beklagte vorgeschlagen habe, sei für ihn geeignet. Er habe mit ihnen Kontakt aufgenommen. Teilweise nähmen sie wegen der Corona-Pandemie aktuell keine gesetzlich versicherten Patienten auf, teilweise betrage die Wartezeit mehrere Monate. Außerdem fände in allen diesen Kliniken pro Woche nur eine einzige Einzelpsychotherapiesitzung statt. Das sei in der C-Klinik anders – dort erfolgten wöchentlich zehn Einheiten mit Einzelpsychotherapie. Keine andere Klinik in Deutschland biete eine ähnlich hohe Behandlungsfrequenz. Außerdem erhielten die Patienten dort einen Bezugstherapeuten, der die Therapie koordiniere. Insgesamt sei die Behandlung in der C-Klinik individuell gestaltet und äußerst intensiv. Eine solche Behandlung benötige er, und zwar so schnell wie möglich. Dieser Auffassung seien auch seine behandelnden Ärzte. Er bitte daher die Beklagte, eine Einzelfallentscheidung nach § 13 Abs. 2 Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu treffen. Seinem Widerspruch fügte der Kläger Atteste des W1 (vom 11.05.2020) und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Endres (vom 12.05.2020) bei.

In einem Telefonat des Klägers mit einem Sachbearbeiter der Beklagten am 28.05.2020 bot die Beklagte an, die Kosten in Höhe der Vertragskosten einer Vergleichsklinik für eine Behandlung in der (ebenfalls nicht zugelassenen) E Klinik M1, welche an das zugelassene A1 Krankenhaus angeschlossen ist, zu übernehmen. Im Telefonat vom 03.06.2020 lehnte der Kläger dies ab und bestand auf einer Behandlung in der C-Klinik.

Vom 14.06. bis 25.07.2020 ließ sich der Kläger vollstationär in der C-Klinik behandeln. Hierfür stellte ihm die Klinik insgesamt 17.220,00 € in Rechnung. Der Behandlungsvertrag wurde am 03.06.2020 unterschrieben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2020 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V habe der Kläger nur einen Anspruch auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen, die das Maß des Notwendigen nicht überschritten. Eine Krankenhausbehandlung, die diesen Anforderungen genüge, wäre hier auch in einer Vertragsklinik möglich gewesen. Aus den vom Kläger vorgelegten Attesten ergebe sich nichts Gegenteiliges: Seine behandelnden Ärzte hätten nicht behauptet, die Therapie müsse zwingend in der C-Klinik erfolgen; ebenso wenig hätten sie angegeben, die stationäre Behandlung müsse umgehend, ohne Wartezeit beginnen.

Hiergegen hat der Kläger am 19.08.2020 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.

Das SG hat die behandelnden E1 und W1 schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen.

Der E1 hat mit Schreiben vom 01.10.2020 ausgeführt, der Kläger sei einmalig am 12.05.2020 in seiner Sprechstunde gewesen. Aufgrund der Schwere der Symptomatik habe er zu einer stationären Behandlung in einer spezialisierten Einrichtung geraten, wie dies die C-Klinik sein könne. Er habe auch die Kostenübernahme durch die Beklagte empfohlen.

Der W1 hat mit am 13.10.2020 beim SG eingegangenen Schreiben ausgeführt, dass sich der Kläger im April 2020 bei ihm vorgestellt habe und von einer Verschlimmerung seiner psychischen Krankheiten zwischen Januar 2020 und Mitte Februar 2020 berichtet habe. Er habe geschildert, dass er am Tag über sieben Stunden mit seiner Zwangserkrankung und seinen Depressionen kämpfe und nur noch sehr eingeschränkt und wenige Minuten seinen Lebensalltag leben könne. Er habe dem Kläger dringend eine intensive Behandlung in einer spezialisierten Klinik empfohlen. Mitte April 2020 sei der Kläger dann zu ihm gekommen, und habe berichtet, dass er mit der C-Klinik eine spezialisierte Klinik gefunden habe, zu der er ein Vertrauensverhältnis aufbauen könne. Der Kläger habe ihn gebeten, ein Schreiben an die Beklagte zu schicken, um eventuell auch von ihr Unterstützung zu erhalten.

Die Klägerbevollmächtigte hat eine persönliche Stellungnahme des Klägers zu den Telefonaten mit dem Sachbearbeiter der Beklagten vorgelegt. Er habe am 29.05.2020 bei der E Klinik M1 angerufen. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass frühestens Anfang August 2020 eine Behandlung starten könne. In einem dringenden und kurzfristigen Fall wäre eventuell ein Start auch Mitte Juli, eher Ende Juli, möglich. In der Woche gebe es dort fünf Einzeltherapiesitzungen. Ein kurzfristiger Beginn der Behandlung sei auch wegen des Coronavirus schwierig. Im Telefonat vom 03.06.2020 habe er dem Sachbearbeiter mitgeteilt, dass er sich gegen eine Behandlung in der E Klinik M1 entschieden habe. Zum einen sei entgegen der Zusage des Sachbearbeiters im ersten Telefonat kein unmittelbarer Behandlungsbeginn möglich gewesen. Zum anderen sei die Behandlung nicht intensiv genug.

Der Kläger hat die Rechnungen der C-Klinik samt Zahlungsnachweisen für den Aufenthalt und den Entlassungsbericht vom 29.07.2020 übersandt.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.12.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, als Anspruchsgrundlage komme nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Beide Alternativen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V setzten voraus, dass der Versicherte einen Anspruch auf die selbstbeschaffte Leistung gehabt habe. Dies sei hier nicht der Fall. Die C-Klinik sei nicht zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassen, sodass schon deshalb ein Anspruch ausscheide. Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V scheide aus, weil der Kläger offenkundig nicht generell Kostenerstattung gewählt habe. Ohne Erfolg berufe sich der Kläger schließlich darauf, es habe eine Versorgungslücke bestanden, die er durch Rückgriff auf die C-Klinik habe schließen müssen. Es habe schon keine Versorgungslücke bestanden. Vielmehr wäre eine ausreichende Behandlung auch in einem zugelassenen Krankenhaus möglich gewesen. So hätte z.B. schon nach der eigenen Aussage des Klägers im Widerspruchsverfahren bei der zugelassenen Kklinik in M keine Wartezeit bestanden, ebenso wenig möglicherweise bei der H-Klinik in H1. Offenkundig habe der Kläger diese Krankenhäuser allein deshalb nicht in Anspruch nehmen wollen, weil ihm die dortige Frequenz der Psychotherapie-Einzelsitzungen zu gering erschien. Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass die Behandlung der Erkrankung des Klägers neben den weiteren Therapieleistungen eines Krankenhauses (z.B. Gruppentherapie) zwingend mehr als eine Psychotherapieeinzelsitzung pro Woche erfordert habe. Eine Versorgungslücke ergebe sich nicht schon daraus, dass das Behandlungsangebot hinter einer optimalen Versorgung zurückbleibe. Denn die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung müssten nur ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

Gegen den der Klägerbevollmächtigten am 08.12.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 18.12.2020 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben.

Der Kläger trägt unter Vorlage von Attesten der behandelnden Ärzte vor, es habe eine schwere Zwangskrankheit vorgelegen. Entgegen der Annahme des SG habe unmittelbarer Handlungsbedarf bestanden. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, noch Wochen auf eine stationäre Behandlung zu warten. Er sei grundsätzlich offen gewesen für Kliniken, welche gleichartige Leistungen wie die C-Klinik für Zwangserkrankungen erbringen. Wäre es ihm möglich gewesen, zeitnah von der angebotenen E Klinik aufgenommen zu werden, hätte er sich selbstverständlich in dieser Klinik behandeln lassen. Eine Aufnahme dort sei jedoch erst Ende Juli 2020/Anfang August 2020 in Aussicht gestellt worden. Es liege der Fall einer unaufschiebbaren Leistung und einer Versorgungslücke vor.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.12.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die stationäre Behandlung in der C-Klinik 16.940,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.08.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass vorliegend kein Notfall vorgelegen habe. Bei Antritt der Maßnahme am 14.06.2020, d. h. mehr als zwei Monate nach der Antragstellung, könne nach ihrer Auffassung keinesfalls mehr vom Vorliegen einer notfallmäßigen Behandlung ausgegangen werden. Dem Kläger seien mehrere zugelassene Krankenhäuser genannt worden, welche für die Behandlung von Zwangserkrankungen geeignet seien. In diesen habe sich der Kläger ausschließlich wegen des aus seiner Sicht nicht ausreichenden Therapieangebots nicht behandeln lassen. Keiner der Ärzte habe aufgezeigt, in welcher Zeitspanne eine Aufnahme des Klägers habe erfolgen müssen. Von einem Systemversagen sei nicht auszugehen.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 08.11.2021 die Sach- und Rechtslage erörtert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands von 16.940 € den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderlichen Wert von 750 € übersteigt, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 22.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2020, mit dem der Antrag des Klägers auf Kostenübernahme einer vollstationären Behandlung in der C-Klinik abgelehnt worden ist.

Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die vom 14.06. bis 25.07.2020 erfolgte vollstationäre Behandlung in der nicht zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen C-Klinik.

Ein Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung ergibt sich weder aus § 13 Abs. 2 SGB V (dazu 1) noch aus § 13 Abs. 3 SGB V (dazu 2) oder aufgrund der geltend gemachten Versorgungslücke (dazu 3).

Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V scheidet von vorneherein aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine wirksame Wahlerklärung nach §13 Abs. 2 Satz 1 SGB V abgegeben hat.

Gemäß § 13 Abs. 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) dies vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt hierzu, dass Versicherte anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen können. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Versicherten steht es nach § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V frei, eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen vorzunehmen. Die Möglichkeit, eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V nur für die begehrte stationäre Behandlung in der nicht zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen C-Klinik zu wählen – wie es der Kläger wünscht und beantragt hat –, besteht demgegenüber nicht. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger tatsächlich für die gesamte stationäre Versorgung für mindestens ein Vierteljahr (§ 13 Abs. 2 Satz 12 SGB V) die Kostenerstattung gewählt hat. Dies ergibt sich auch aus keinem Vortrag im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren.

Da es schon an einer wirksamen Wahlerklärung mangelt, kommt es nicht darauf an, ob durch den Senat die Zustimmung der Beklagten für die stationäre Behandlung ersetzt werden kann. Auch die Voraussetzungen für eine Ersetzung liegen aber nicht vor. Nach § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V kann eine Zustimmung erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe für eine Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers sprechen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Von einer solchen Situation kann ausgegangen werden, wenn beispielsweise ein zugelassener Leistungserbringer mit der konkret erforderlichen indikationsbezogenen Qualifikation in angemessener Nähe nicht zur Verfügung steht (BT-Drs. 15/1525 S. 80; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 13 Rn. 35b). Es ist jedenfalls nicht nachgewiesen, dass kein anderer zugelassener Leistungserbringer mit der konkret erforderlichen indikationsbezogenen Qualifikation in angemessener Nähe zur Verfügung stand. Vielmehr wurden dem Kläger im Ablehnungsbescheid der Beklagten mehrere Kliniken zur Behandlung der Zwangskrankheit genannt. Unabhängig davon, dass grundsätzlich – außer bei Unaufschiebbarkeit oder in einem Notfall – auch mehrwöchige Wartezeiten zumutbar sind, hat der Kläger nicht dargelegt, dass jedenfalls in der Kklinik in M eine auch unmittelbare Behandlung nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr hat der Kläger die Behandlung in dieser Klinik wegen des aus seiner Sicht zu geringen Angebots von Einzelpsychotherapiesitzungen abgelehnt. Es ist jedoch nicht ersichtlich und ärztlich im konkreten Fall an keiner Stelle begründet, dass eine erforderliche und ausreichende Therapie der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen zwingend mehr Einzelpsychotherapiesitzungen benötigt hätte. Vielmehr muss das gesamte Behandlungsspektrum und –konzept des jeweiligen Krankenhauses berücksichtigt werden.

Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (2. Alt.).

Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw. soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten. Vorliegend hat der Kläger die durch die vorgelegten Rechnungen nachgewiesenen Kosten für die Behandlung in der C-Klinik von insgesamt 17.220,00 € bereits beglichen, so dass ein Kostenerstattungsanspruch im Raum steht.

Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 24.09.1996 - 1 RK 33/95 -; BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R -; alle in juris).

Der Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V ist zudem nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, in juris). Der Versicherte darf sich insbesondere nicht – unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt – von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt haben (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R -, in juris). Mögliche Anhaltspunkte für eine solche Festlegung können etwa die Vereinbarung eines Behandlungs- oder Operationstermins oder das Verhalten des Versicherten bei der Antragstellung sein (Brandts in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB V Rn. 89 ff. mwN).

Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall aufgrund der Einlassungen von W1 gegenüber dem SG Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger bereits vor der Entscheidung der Beklagten über seinen Antrag auf Kostenübernahme u.a. wegen der aus seiner Sicht erforderlichen zehn wöchentlichen Einzelpsychotherapiesitzungen auf die Behandlung in der C-Klinik festgelegt war und der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V schon deshalb scheitert, war der Versicherte vorliegend nicht berechtigt gewesen, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung die stationäre Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus in Anspruch zu nehmen.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V) durch zugelassene Krankenhäuser (§§ 39 Abs. 1 Satz 2, 108 SGB V). Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Kostenerstattung wegen der Inanspruchnahme einer Leistung eines krankenversicherungsrechtlich nicht zugelassenen Leistungserbringers grundsätzlich ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 15.04.1997 - 1 RK 4/96 -; BSG, Urteil vom 02.11.2007 - B 1 KR 14/07 R -; beide in juris). Die C-Klinik ist unstreitig kein zugelassenes Krankenhaus im Sinne von § 108 SGB V. Schon allein aus diesem Grund kommt die Kostenerstattung mangels eines entsprechenden Primärleistungsanspruchs nicht in Betracht.

Im Übrigen lag eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V zur Überzeugung des Senats zu keinem Zeitpunkt vor. Eine unaufschiebbare Leistung verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015 - B 1 KR 14/14 R -, in juris). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der Kläger hat sich erst nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten in die stationäre Behandlung begeben.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er nicht von einer notfallmäßigen Behandlung ausgeht. In Notfällen im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V darf die stationäre Behandlung als Naturalleistung auch durch nicht zugelassene Krankenhäuser erbracht werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 24/05 R -, in juris, Rn. 30). Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V liegt jedoch wegen mangelnder Unaufschiebbarkeit der Behandlung nicht vor. Zwar geht auch der Senat mit dem Kläger von einer schwerwiegenden Erkrankung aus. Aus den ärztlichen Befunden vor der stationären Behandlung und insbesondere dem Entlassungsbrief der C-Klinik lässt sich aber nicht entnehmen, dass dem Kläger ein weiteres Abwarten von wenigen Wochen bis zur Behandlung in einer zugelassenen Klinik (z.B. Mitte/Ende Juli 2020/Anfang August 2020 in der E-Klinik M1) nicht zumutbar gewesen wäre. Vielmehr lagen zwischen der Erkenntnis des Klägers und dem ärztlichen Rat im April 2020, dass eine stationäre Behandlung erforderlich sei (vgl. sachverständige Zeugenaussage von W1 gegenüber dem SG), und dem tatsächlichen Beginn der stationären Behandlung Mitte Juni 2020 auch schon über zwei Monate. Zur Überbrückung der Zeit bis zur spezialisierten Behandlung wurde der Kläger medikamentös behandelt. Eine engmaschige ambulante Betreuung erfolgte nicht, vielmehr hatte sich der Kläger nur sehr wenige Male bei den Ärzten vorgestellt. Aus diesem Grund sind die neuerlichen Ausführungen von W1 im Attest vom 01.03.2021 nicht nachvollziehbar.

Von einem Notfall ging ersichtlich auch die C-Klinik nicht aus, denn in Notfällen werden von zugelassenen Leistungserbringern erbrachte Leistungen im Rahmen der zugelassenen Versorgung durchgeführt und im System der gesetzlichen Krankenversicherung vergütet. Auch die psychiatrische Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus ist eine Naturalleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Vergütungsanspruch richtet sich dann nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015 - B 1 KR 14/14 R-, in juris, Rn. 11). Dass die Klinik nicht von einem Notfall ausging, ergibt sich auch daraus, dass die Rechnungsstellung an den Kläger, nicht hingegen an die Beklagte erfolgte.

Dem Kläger steht schließlich der Kostenerstattungsanspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Versorgungslücke zu. Die Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V will Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will (zum Ganzen BSG, Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 6/11 R -, in juris). Nur wenn die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstbeschaffung durch den Versicherten erzwingt, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.2012 - B 1 KR 3/12 R -, in juris); der Leistungserbringer muss jedoch die entsprechende Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde besitzen (BSG, Beschluss vom 20.02.2004 - B 1 KR 10/03 B -, in juris).

So liegt der Fall hier indes nicht. Der Senat ist davon überzeugt, dass im konkreten Fall des Klägers keine Versorgungslücke bestanden hat. Er hätte sich in einem zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen Krankenhaus hinsichtlich seiner Zwangserkrankung behandeln lassen können (vgl. oben). Zudem hat die Beklagte auch eine Behandlung in der nicht zugelassenen E Klinik M1 angeboten. Dieses Angebot hat der Kläger wegen der aus seiner Sicht zu langen Wartezeit und der nicht ausreichenden Behandlungsintensität hinsichtlich der Anzahl der Einzelpsychotherapiesitzungen abgelehnt. Ein Abwarten bis zur Beginn der Behandlung in der E Klinik Mitte/Ende Juli 2020/Anfang August 2020 und eine Behandlung auch mit weniger Einzeltherapiesitzungen (im konkreten Fall fünf statt zehn) wäre dem Kläger aber zumutbar gewesen (vgl. oben).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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