Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. Dezember 2019 geändert. Der Beigeladene wird verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015 Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu erbringen.
Der Beigeladene hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Ansonsten sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung (SGB II aF), hilfsweise auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch in der bis zum 05. August 2016 geltenden Fassung (SGB XII) für die Zeit vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015.
Die am 07. Mai 1967 geborene Klägerin ist italienische Staatsangehörige und hält sich seit September 2012 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zum 01. Juli 2014 mietete sie ein ca. 20 m² großes Zimmer zur Untermiete in der G Str. , B an. Als Untermiete waren monatlich insgesamt pauschal 400,00 € zu entrichten.
Die Klägerin meldete sich am 19. August 2014 bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitsuchend. Zudem sprach sie bei dem Beklagten vor und beantragte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, nachdem sie zuvor von Erspartem gelebt hatte.
Am 26. August 2014 nahm die Klägerin eine geringfügige Beschäftigung in der Trattoria D als Aushilfe auf, ohne dies dem Beklagten anzuzeigen. Zudem besuchte sie auf Veranlassung der Agentur für Arbeit ab dem 08. Oktober 2014 vormittags einen Integrationskurs „Deutsch als Fremdsprache“.
Mit Bescheid vom 23. September 2014 lehnte der Beklagte den Antrag unter Hinweis auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Hiergegen legte die Klägerin am 22. Oktober 2014 Widerspruch mit der Begründung ein, sie sei als Arbeitnehmerin zum ergänzenden Leistungsbezug berechtigt. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2015 zurück. Eine Beschäftigung seit der Einreise der Klägerin sei nicht nachgewiesen.
Am 26. Februar 2015 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) gegen den Bescheid des Beklagten vom 23. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2015 erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, auch wenn sie lediglich einer geringfügigen Beschäftigung nachgehe, verfüge sie über ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin und falle somit nicht unter den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
Zudem hat die Klägerin am 26. Februar 2015 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, welcher beim SG unter dem Aktenzeichen S 156 AS 4057/15 ER geführt wurde. Hierbei hat sie angegeben, sie arbeite seit dem 26. August 2014 neben dem Besuch der Sprachschule wöchentlich 3 Stunden in der Trattoria und verdiene monatlich 165,00 €. Sobald sie mehr Zeit habe, werde sie die Tätigkeit erweitern. Sie verfüge über keinen schriftlichen Arbeitsvertrag. Die Vergütung werde bar ausgezahlt. Quittungen gebe es nicht. Zum Nachweis hat sie die Meldebescheinigungen zur Sozialversicherung vom 26. und 27. August 2014 sowie Gehaltsabrechnungen für August 2014 über 20,00 € brutto gleich netto, für Oktober 2014 über 100,00 € brutto gleich netto und für die Monate November 2014 bis Januar 2015 über jeweils 165,00 € brutto gleich netto sowie eine vom Arbeitgeber am 05. Mai 2015 ausgefüllte Einkommensbescheinigung (letzter abgerechneter Monat April 2015, wöchentliche Arbeitszeit 4 Stunden, Vergütung 165,00 € brutto gleich netto, Auszahlung jeweils am 30. des laufenden Monats) eingereicht. Des Weiteren hat sie erklärt, bis Ende Juli 2012 habe sie in Italien in einem Labor gearbeitet und für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 20.000,00 € erhalten. Die habe sie verwendet, um in Berlin neue berufliche Perspektiven zu suchen. Auf Hinweis der Agentur für Arbeit habe sie Deutschkurse besucht und, als sie ihr Geld nahezu verbraucht hatte, Arbeitslosengeld II beantragt. Nachdem ihr vom Beklagten keine Leistungen gewährt worden waren, habe sie die Miete nicht mehr bezahlen können und von kleinen Darlehen ihrer Freunde bzw. ihres letzten Arbeitgebers gelebt. Sie hat Kontoauszüge ihrer Konten bei der B und der B S vorgelegt.
Das SG hat durch rechtskräftigen Beschluss vom 21. Mai 2015 den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 26. Februar 2015 bis zum 31. Juli 2015, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu bewilligen, und zwar für den Zeitraum vom 26. Februar 2015 bis zum 28. Februar 2015 in Höhe von 74,70 € und sodann monatlich in Höhe von 747,00 €. Vorliegend sei sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund zu bejahen. Die Klägerin übe zwar mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 3 Stunden eine Tätigkeit im zeitlich geringen Umfang aus, die auch unter den Arbeitsstunden der bereits entschiedenen Fälle liege. Gegen die Annahme der Unwesentlichkeit der Tätigkeit spreche hier jedoch die Höhe des erzielten Verdienstes. Sie erwirtschafte durch ihre Tätigkeit einen Betrag von 165,00 € netto monatlich, der etwa 22 % des Bedarfs nach dem SGB II entspreche. In einer Gesamtschau sei der von der Klägerin mit der Tätigkeit erwirtschaftete Lohn für deren Lebensbedarf in einem solchen Ausmaß relevant, dass hier von einer Wesentlichkeit der ausgeübten Tätigkeit und damit der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin auszugehen sei. Bei der Berechnung ist das SG von einem monatlichen Bedarf i.H.v. 399 € Regelleistung sowie 400 € Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) ausgegangen, bei dem der monatliche Verdienst i.H.v. 165,00 € anzurechnen sei. Der Beklagte hat den Beschluss ausgeführt.
Am 26. Mai 2015 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag, der nicht beschieden wurde. Hierbei legte sie u.a. die Gehaltsabrechnung für September 2014 über 100,00 € brutto gleich netto vor. Nachdem ihr Arbeitsverhältnis bei der Trattoria zum 31. Mai 2015 gekündigt worden war, nahm die Klägerin am 01. Juni 2015 eine geringfügige Beschäftigung bei der B G- und S GmbH als Servicekraft mit einem Stundenlohn von 8,50 € auf und erzielte hieraus ein monatliches Einkommen zwischen 365,00 € und 442,00 € brutto gleich netto. Zudem zog die Klägerin zum 01. Juni 2015 in den Zuständigkeitsbereich des Jobcenters B P, welches ihr ab August 2015 Leistungen bewilligte.
Im Erörterungstermin des SG vom 07. März 2019 hat die Klägerin erklärt, sie habe bis einschließlich April 2015 in der Trattoria gearbeitet, außer im März, und dann ab Juni 2015 bei der B G und S GmbH. Sie wisse nicht mehr ganz genau, wie oft sie gearbeitet habe. Sie glaube, dass es so ca. 3 bis 4 mal im Monat für ca. 4 Stunden gewesen sei. Den Job habe sie bekommen, weil der Wirt ein Bekannter ihrer Nachbarin gewesen sei. Nachdem sie kein Geld vom Beklagten erhalten habe, habe sie sich Geld von Freunden und Verwandten geliehen, die in Deutschland wohnten. Hiervon habe sie auch Miete gezahlt, allerdings seien auch Mietschulden aufgelaufen. Der Wirt der Trattoria habe meistens kurzfristig angerufen, wenn er sie gebraucht habe. Sie habe aber regelmäßig am Wochenende gearbeitet, meistens einen Tag davon. Trinkgelder habe sie nicht bekommen. Der Lohn sei in bar im laufenden Monat gezahlt worden. Quittungen gebe es nicht. Es sei immer ein Stundenzettel ausgefüllt worden. Sie hat Kontoauszüge für die Zeit vom 01. August 2014 bis zum 30. Oktober 2015, das Schreiben ihres Arbeitgebers vom 30. April 2015, in dem das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2015 gekündigt worden war, sowie die Meldebescheinigung zur Sozialversicherung vom 19. Januar 2015 zur Akte gereicht. Die Klägerin hat nach einem rechtlichen Hinweis des SG ihre Klage auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015 beschränkt.
Durch Beschluss vom 07. März 2019 ist das Bezirksamt S von B gemäß § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu dem Verfahren beigeladen worden.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 02. Dezember 2019 abgewiesen. Die Klage sei zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben worden. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Die Klägerin habe für den Zeitraum vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015 keinen Anspruch auf Leistungen gegenüber dem Beklagten. Die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Ihr habe insbesondere kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) zugestanden, denn sie sei keine Arbeitnehmerin im Sinne des unionsrechtlich auszulegenden Arbeitnehmerbegriffes gewesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestehe das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringe, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhalte. Dabei sei als Arbeitnehmer jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübe, wobei Tätigkeiten außer Betracht blieben, die einen so geringen Umfang hätten, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellten. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft sei eine Gesamtbewertung des Sachverhalts erforderlich. Dabei seien neben Arbeitszeit und Entlohnungshöhe auch Gesichtspunkte wie die Vereinbarung von Urlaubsansprüchen oder Regelungen zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu berücksichtigen. Für eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin spreche hier jedoch letztlich allein, dass das Arbeitsverhältnis zunächst unbefristet geschlossen worden sei. Dagegen spreche hingegen, dass die Klägerin in zeitlicher Hinsicht nur in sehr geringem Umfang einer Tätigkeit nachgegangen sei und zudem auch nur ein geringes Gehalt bezogen habe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag, der der Klägerin weitere Rechte, wie etwa einen Urlaubsanspruch oder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall garantiert habe, sei nicht aktenkundig. Zur Überzeugung der Kammer sei bei einer Tätigkeit, die nur 3-4mal im Monat und in einem Monat gar nicht ausgeübt worden sei und die darüber hinaus nur in 5 von insgesamt 9 Beschäftigungsmonaten zu einer nur geringfügigen Reduzierung der Hilfebedürftigkeit geführt habe, noch nicht von einer hinreichenden Verbindung zum Arbeitsmarkt auszugehen. Der Klägerin habe auch kein unabhängiges Daueraufenthaltsrecht zugestanden, da sie sich im streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht seit 5 Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung sei europarechtskonform, auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) stehe dem nicht entgegen. Die Klägerin habe schließlich keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII aF gegen den Beigeladenen. Die Kammer folge insoweit nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Gegen das ihr am 09. Dezember 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. Dezember 2019 bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführt. Sie trägt vor, der Arbeitgeber Herr A Ca sei bereits im November 2016 verstorben. Sein Sohn, Herr P C habe aber diverse kaufmännische Angelegenheiten für den Vater erledigt, u.a. ihr die Lohnabrechnungen ausgehändigt. Er habe ihr mitgeteilt, dass er sich nur wenig erinnern könne, zur Aussage nicht bereit sei und auch der Steuerberater keine Unterlagen mehr habe. Sie habe nur eine Mobilfunknummer von Herrn C
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. Dezember 2019 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 6.298,19 € zu bewilligen,
hilfsweise,
den Beigeladenen zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015 Hilfe zum Lebensunterhalt zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält sich ebenfalls für nicht leistungspflichtig.
Die Vorsitzende des Senats hat als Berichterstatterin am 01. August 2022 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt. Hierbei hat die Klägerin angegeben, die Abfindung sei zunächst auf ihrem Konto bei der B gutgeschrieben worden. Sie habe jedoch hohe Beträge abgehoben und mit dem Bargeld ihren Lebensunterhalt in Deutschland bestritten. Nach der letzten großen Barabhebung habe sie das Konto Ende Januar 2013 aufgelöst. In Italien sei es ganz normal, dass man große Geldbeträge abhebe und zuhause aufbewahre.
Die Klägerin und der Beklagte haben sich im Erörterungstermin des Senats vom 01. August 2022 und der Beigeladene mit Schriftsatz vom 08. August 2022 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten, der Akte zu dem Aktenzeichen S 156 AS 4057/15 ER und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben.
I. Die frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 143 SGG). Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für mehr als acht Monate, d. h. für Geldleistungen, deren Summe den Beschwerdewert von 750 € nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG mehrfach übersteigt.
II. Das SG hat in dem angefochtenen Urteil vom 02. Dezember 2019 zu Recht die gegen den Beklagten gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen.
Zwar steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass die Klägerin in Umsetzung des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlusses des SG Berlin vom 21. Mai 2015 (S 156 AS 4057/15 ER) bereits Leistungen erhalten hat. Zum einen war dies nur für einen Teil des hier streitigen Zeitraums und auch nur vorläufig der Fall. Zum anderen hat sich der Rechtsstreit auch nicht teilweise dadurch erledigt, dass für den Fall der nunmehr beantragten hilfsweisen Verurteilung des Beigeladenen die Leistungserbringung des Sozialhilfeträgers bereits (teilweise) als erfüllt im Sinne des § 107 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gilt (vgl. BSG, Urteile vom 03. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R -, Rn. 14, und vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R -, Rn. 15, jeweils in juris). Jedoch erweist sich der mit der Klage angefochtene Bescheid des Beklagten vom 23. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2015 als rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015.
Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beurteilt sich nach den Vorschriften des SGB II in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (Geltungszeitraumprinzip; vgl. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 53/15 R -, Rn. 14, und vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R -, Rn. 18, jeweils in juris), konkret den §§ 19 ff. SGB II aF i.V.m. §§ 7 ff. SGB II aF.
A. Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben nach § 19 Abs. 1 SGB II aF erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II aF Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).
Die 1967 geborene Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum unzweifelhaft die zuvor genannten Voraussetzungen. Sie war bzw. ist erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II aF, hat die Altersgrenze nach § 7a SGB II aF noch nicht erreicht und hat seit September 2012 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Ebenso war die Klägerin hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II aF i.V.m. § 9 SGB II aF.
Nach § 9 Abs. 1 SGB II aF ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Im streitigen Zeitraum verfügte die Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben und den vorgelegten Kontoauszügen nicht mehr über ein im Sinne von § 12 SGB II aF verwertbares Vermögen, da sie ihre Ersparnisse bzw. die für den Verlust des Arbeitsplatzes in Italien im Juli 2012 erhaltene Abfindung von 20.000 € zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes seit Sommer 2012 sukzessiv verbraucht hatte. Das im streitigen Zeitraum erzielte Einkommen aus ihrer Aushilfstätigkeit reichte zur Deckung ihres Lebensunterhaltes nicht aus. Zudem hat die Klägerin glaubhaft dargelegt, dass sie den Zeitraum bis zur Gewährung von Leistungen durch den Beklagten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durch Anhäufung von Mietschulden und kleinere, rückzahlbare Darlehen von Freunden und Verwandten überbrückt hatte. Die mit einer Rückzahlungspflicht verbundenen Zuwendungen Dritter sind jedoch nicht als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II zu berücksichtigen. Bei der Klägerin bestand daher - im Hinblick auf das anrechenbare Einkommen aus der Aushilfstätigkeit in monatlich unterschiedlicher Höhe - Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II aF i. V. m. § 9 Abs. 1 SGB II aF.
So setzte sich der Bedarf der Klägerin aus dem Regelbedarf nach § 20 Abs. 1, 4 und 5 SGB II aF nach der Regelbedarfsstufe 1 i.H.v. 391 € monatlich im Jahr 2014 bzw. 399 € monatlich im Jahr 2015 und den KdUH nach § 22 SGB II aF i.H.v. 400 € zusammen, d.h. es bestand ein Bedarf von insgesamt 791 € monatlich im Jahr 2014 bzw. 799 € monatlich im Jahr 2015.
Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II aF Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II aF abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II aF genannten Einnahmen. Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF).
Vorliegend verfügte die Klägerin über Einkommen aus Erwerbstätigkeit (§ 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 SGB II aF), welches ihr i.H.v. 20 € brutto gleich netto im Monat August 2014, i.H.v. 100 € brutto gleich netto in den Monaten September und Oktober 2014 sowie i.H.v. 165 € brutto gleich netto in den Monaten November 2014 bis Februar 2015 sowie im April 2015 zufloss.
Da nach § 11b Abs. 2 SGB II aF ein Grundfreibetrag bei Einkommenserzielung aus Erwerbstätigkeit i.H.v. 100 € in Abzug zu bringen ist, ist für die Monate August bis Oktober 2014 überhaupt kein Einkommen auf den Bedarf anzurechnen. Bei dem ab November erzielten Brutto-gleich-Netto-Einkommen ist, da das Bruttoeinkommen in diesen Monaten nicht mehr als 1.000 € beträgt, noch ein Freibetrag für Erwerbstätige nach § 11b Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II aF i.H.v. 20 v.H. vom 100 € übersteigenden Teil des Einkommens (65 €), dh. i.H.v. 13 € abzusetzen. Daraus ergibt sich ein bereinigtes - anrechenbares - Einkommen für die Zeit ab November 2014 i.H.v. 52 € monatlich. Demzufolge ist von einem ungedeckten Hilfebedarf der Klägerin für die Zeit vom 26. August bis zum 31. August 2014 i.H.v. 158,20 € (791 € : 30 x 6 Kalendertage; vgl. § 41 Abs. 1 SGB II aF), in den Monaten September und Oktober 2014 jeweils i.H.v. 791 €, in den Monaten November und Dezember 2014 i.H.v. jeweils 739 € (791 € abzgl. 52 €), im März 2015 i.H.v. 799 € sowie in den Monaten Januar, Februar und April 2015 i.H.v. jeweils 747 € (799 € abzgl. 52 €) auszugehen.
B. Die Klägerin, die sich 2012 zum Zwecke der beruflichen Neuorientierung nach Deutschland begeben und sich dann auch im August 2014 bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet hatte, war indes nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, von den leistungsberechtigten Personen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II aF und des § 7 Abs. 2 SGB II aF ausgenommen. Von diesem Leistungsausschluss umfasst sind erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer/-innen) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verfügen (vgl. BSG, Urteile vom 12. Mai 2021 – B 4 AS 34/20 R -, Rn. 15, 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R -, Rn. 22 ff, und 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R -, Rn. 19 ff, jeweils in juris; so seit dem 29. Dezember 2016 auch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II).
Die Ausschlussregelung erfordert bei Unionsbürgern regelmäßig eine fiktive Prüfung des Grundes bzw. der Gründe der Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitssuche hindert die Feststellung eines Aufenthaltsrechts „allein aus dem Zweck der Arbeitssuche“ im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R -, Rn. 23, 24, juris).
Die Klägerin konnte sich als Staatsangehörige der Italienischen Republik im streitigen Zeitraum weder auf eine unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung, die nicht von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen. Bei der Prüfung eines Aufenthaltsrechtes ist hier noch das FreizügG/EU in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 12. November 2020 (BGBl. I S. 2416) maßgeblichen Fassung (aF) bzw. das AufenthG in der im streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung (aF) anzuwenden.
1. Die Klägerin war in der Zeit vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015 nicht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU aF freizügigkeitsberechtigt.
Die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Rechts der Europäischen Union, d.h. im Sinne des Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Eur0päischen Union (AEUV) beurteilt sich allein nach objektiven Kriterien, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf Rechte und Pflichten kennzeichnen (EuGH, Urteile vom 06. November 2003 - C-413/01 - Ninni-Orasche, Rn. 24, und vom 21. Februar 2013 - C-46/12 -, Rn. 40, jeweils in juris). Arbeitnehmer in diesem Sinne ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (EuGH, Urteile vom 06. November 2003 - C-413/01 - Ninni-Orasche, Rn. 26 m.w.N., 14. Juni 2012 - C-542/09 - Kommission/Niederlande, Rn. 68, 26. März 2015 - C-316/13 – Fenoll, Rn. 27, und vom 16. Juli 2020 - C-658/18 – Governo della Repubblica italiana, Rn. 93, jeweils in juris; im Anschluss daran etwa BSG, Urteile vom 12. September 2018 - B 14 AS 18/17 R -, Rn. 19, 27. Januar 2021 - B 14 AS 42/19 R -, Rn. 17, und - B 14 AS 25/20 R -, Rn. 19, sowie vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R -, Rn. 19, jeweils in juris). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, Urteile vom 06. November 2003 - C-413/01 - Ninni-Orasche, Rn. 24, und vom 14. Juni 2012 - C-542/09 - Kommission/Niederlande, Rn. 68, jeweils in juris; BSG, Urteil vom 12. Mai 2021 - B 4 AS 34/20 R -, Rn. 18, juris). Die beschränkte Höhe dieser Vergütung und der Umstand, dass eine Person im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur eine geringe Anzahl an Wochenstunden arbeitet, schließen indes nicht aus, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmerstatus begründen kann (EuGH, Urteil vom 04. Februar 2010 - C-14/09 – Genc, Rn. 26, juris; BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 14 AS 18/17 R -, Rn. 19 m.w.N., juris). Auch die Dauer der von dem Betroffenen ausgeübten Tätigkeit ist ein Gesichtspunkt, den das innerstaatliche Gericht bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen hat, ob es sich hierbei um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt oder ob sie vielmehr einen so geringen Umfang hat, dass sie nur unwesentlich und untergeordnet ist (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Februar 1992 - C-357/89 - Raulin, Rn. 14, und vom 04. Februar 2010 - C-14/09 - Genc, Rn. 26, jeweils nach juris). Der bloße Umstand der kurzen Dauer der Beschäftigung führt als solcher aber nicht dazu, dass die Tätigkeit vom Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgeschlossen ist (EuGH, Urteile vom 06. November 2003 - C-413/01 - Ninni-Orasche, Rn. 25, und vom 04. Juni 2009 - C-22/08, C-23/08 - Vatsouras, Koupatantze, Rn. 29 m.w.N., jeweils in juris). Liegen die Voraussetzungen des Arbeitnehmerstatus vor, sind die Motive für den Abschluss von Arbeitsverträgen sowie der Suche von Arbeit in einem Mitgliedstaat unerheblich (EuGH, Urteile vom 23. März 1982 - C-53/81 – Levin, Rn. 22, und vom 21. Februar 2013 - C-46/12 -, Rn. 47 m.w.N., jeweils in juris).
Für die Gesamtbewertung der Ausübung einer Tätigkeit als Beschäftigung und damit die Zuweisung des Arbeitnehmerstatus ist mithin Bezug zu nehmen insbesondere auf die Arbeitszeit, den Inhalt der Tätigkeit, eine Weisungsgebundenheit, den wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung, die Vergütung als Gegenleistung für die Tätigkeit, den Arbeitsvertrag und dessen Regelungen sowie die Beschäftigungsdauer (BSG, Urteile vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R -, Rn. 20, sowie vom 27. Januar 2021 - B 14 AS 42/19 R -, Rn. 21 m.w.N., und - B 14 AS 25/20 R -, Rn. 24 m.w.N., jeweils in juris). Nicht alle einzelnen dieser Merkmale müssen schon je für sich die Arbeitnehmereigenschaft zu begründen genügen. Der maßgeblichen Gesamtbewertung ist mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des EuGH ein weites Verständnis zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 - B 14 AS 42/19 R -, Rn. 21 m.w.N., juris). Für die Beurteilung, ob eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, sind die nationalen Gerichte zuständig, denn sie allein verfügen über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und sind am besten in der Lage, die erforderlichen Prüfungen vorzunehmen (EuGH, Urteil vom 04. Februar 2010 - C-14/09 - Genc, Rn. 32, juris; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 19. April 2012 - 1 C 10/11 -, Rn. 15, juris).
Diese Maßstäbe konkretisierend hat der EuGH ausgeführt, dass die Vergütung in einem Arbeitsverhältnis nicht unterhaltssichernd sein muss (EuGH, Urteile vom 03. Juni 1986 - C-139/85 – Kempf, Rn. 14, und vom 04. Februar 2010 - C-14/09 – Genc, Rn. 25, jeweils in juris), sie darf aber nicht nur symbolischen Charakter haben. Ein langjähriger Bestand des Arbeitsverhältnisses ist ein Indiz für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft (EuGH, Urteil vom 04. Februar 2010 - C-14/09 – Genc, Rn. 27, juris: Raumpflegerin über einen Zeitraum von fast vier Jahren), aber auch Beschäftigungen von kurzer Dauer können dem Anwendungsbereich des Art. 45 AEUV unterfallen (vgl. EuGH, Urteil vom 04. Juni 2009 - C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras, Koupatantze, Rn. 17, 29, juris: sieben Wochen; EuGH, Urteil vom 06. November 2003 - C-413/01 - Ninni-Orasche, Rn. 32, juris: zweieinhalb Monate als Kellnerin; jeweils in juris). Ab einer Arbeitsstundenzahl von zehn Wochenstunden ist jedenfalls in aller Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - C-444/93 - Megner und Scheffel, Rn. 3, 21, juris: Raumpflegerin mit bis zu zwei Stunden je Werktag; Urteil vom 13. Juli 1989 - C-171/88 - Rinner-Kühn, Rn. 4, 16, juris: wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden; Urteil vom 03. Juni 1986 - C-139/85 – Kempf, Rn. 11, juris: Musiklehrer mit zwölf Wochenstunden; Urteil vom 03. Juli 1986 - C-66/85 - Lawrie-Blum, Rn. 5, 21, juris: Studienreferendarin mit bis zu elf Wochenstunden; jeweils in juris). "Sehr wenige Stunden" sind ein Anhaltspunkt für eine nur untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - C-357/89 – Raulin, Rn. 14, juris), wobei auch bei 5,5 Wochenstunden und einem Monatslohn von 175,00 € im Rahmen einer Gesamtbetrachtung es den nationalen Stellen möglich bleiben soll, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft zuzuerkennen (EuGH, Urteil vom 04. Februar 2010 - C-14/09 – Genc, Rn. 9, 25, juris). Demzufolge hat sich im Rahmen der jeweils anzustellenden Gesamtbewertung in der nationalen Rechtsprechung eine Bandbreite an Entscheidungen entwickelt, die von der Ablehnung der Arbeitnehmereigenschaft bei einer Wochenarbeitszeit von 7,5 Stunden und einem Monatsverdienst von lediglich 100 € (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R -, Rn. 3, 18, juris) bis zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 8 Stunden bei einem monatlichen Verdienst von 250 € (BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 25/20 R -, Rn. 26, juris) bzw. 4,5 Stunden bei einer stündlichen Vergütung von 8,50 € (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Juni 2016 – L 4 AS 249/16 B ER -, Rn. 31, juris) reicht (vgl. hierzu auch die Rechtsprechungsübersicht in: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06. Oktober 2021 – L 12 AS 1004/20 –, Rn. 65 ff, juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist das SG im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung zu Recht davon ausgegangen, dass die am 26. August 2014 aufgenommene Tätigkeit der Klägerin als Aushilfskraft in der Trattoria D S sich als eine nur unwesentliche und untergeordnete Tätigkeit darstellte und damit nicht den Arbeitnehmerstatus im Sinne von Art. 45 AEUV zu begründen vermochte. Die Tätigkeit der Klägerin als Aushilfskraft zu einer monatlichen Bruttovergütung von zunächst 100 € bzw. ab November 2014 von 165 € beschränkte sich auf Arbeitseinsätze an 3 bis 4 Tagen im Monat zu je 3 bis 4 Stunden (nach den zeitnäheren Angaben der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren: auf 3 Stunden wöchentlich!). Es liegt damit ein Fall vor, in dem die Betroffene "nur sehr wenige Stunden" (hierzu: EuGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - C-357/89 – Raulin, Rn. 14, juris) gearbeitet hat und in dem die Ausgestaltung der Tätigkeit noch nicht auf eine Eingliederung in den inländischen Arbeitsmarkt schließen lässt. Wie bereits das SG in seiner Entscheidung überzeugend dargelegt hat, führen auch die weiteren Umstände der Tätigkeit zu keiner anderen Beurteilung. So hatte die Klägerin in dem vom 26. August 2014 bis Ende Mai 2015 andauernden Beschäftigungsverhältnis nur kurzzeitig im August 2014 (20 € Vergütung) sowie in den Monaten September 2014 bis Februar 2015 und im April 2015 in der Trattoria gearbeitet, nicht jedoch in den Monaten März und Mai 2015. Hinzu kommt, dass die erzielte Vergütung in den Monaten August bis Oktober 2014 noch nicht mal den Freibetrag nach § 11b Abs. 2 SGB II aF i.H.v. 100 € überschritten hat bzw. in den Folgemonaten den Freibetrag nach § 11b Abs. 2 und Abs. 3 SGB II aF i.H.v. 113 € lediglich um 52 € überschritten hat und damit nicht bzw. nur in ganz geringfügigem Umfang zur Deckung des existenziellen Bedarfes nach dem SGB II in Höhe von 791 € bzw. 799 € monatlich beizutragen vermochte. Für das Vorliegen einer lediglich untergeordneten Tätigkeit spricht auch der Umstand, dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit ergänzenden Vereinbarungen zu Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Probezeit und Kündigungsfristen fehlt.
2. Mangels Arbeitnehmereigenschaft fällt die Klägerin auch nicht in den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union und kann sich daher nicht auf den Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung berufen.
3. Zudem hatte die Klägerin kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU aF, denn sie übte im streitigen Zeitraum keine selbstständige Erwerbstätigkeit aus. Anhaltspunkte für Aufenthaltsrechte nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU aF (als Erbringerin von Dienstleistungen) oder nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU aF (als Empfängerin von Dienstleistungen) bestehen nicht. Zudem scheidet ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU aF i.V.m. § 4 FreizügG/EU aF schon deswegen aus, weil die Klägerin nicht über ausreichende Existenzmittel verfügte, andernfalls hätte sie keinen Antrag auf Grundsicherungsleistungen stellen müssen.
4. Ebenso wenig verfügte die Klägerin im streitigen Zeitraum über ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU aF i.V.m. § 4a FreizügG/EU aF. Nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU aF haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU aF das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Die Klägerin hielt sich erst seit September 2012 und damit gerade mal zwei Jahre in der Bundesrepublik Deutschland auf. Dass die Klägerin von einer der weiteren in § 4a FreizügigG/EU aF geregelten Fallgruppen erfasst würde, ist nicht ersichtlich.
5. Die Vorschriften des AufenthG aF, welches im Rahmen der „Meistbegünstigungsklausel“ des § 11 Abs. 1 S.11 FreizügG/EU aF (jetzt § 11 Abs. 1 S.14 FreizügG/EU) Anwendung findet, vermitteln der Klägerin ebenfalls kein Aufenthaltsrecht. Ihr war weder ein Aufenthaltstitel erteilt worden noch lagen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vor. Letzteres setzt in der Regel unter anderem voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 9a Abs. 2 Nr. 2 AufenthG aF), was bei der Klägerin im streitigen Zeitraum gerade nicht gegeben war.
6. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA; BGBl. II 1956, 564) steht dem Leistungsausschluss der Klägerin als italienische Staatsangehörige ebenfalls nicht entgegen. Der von der Bundesregierung am 19. Dezember 2011 bezogen auf Leistungen nach dem SGB II erklärte Vorbehalt (nach Art. 16 Abs. b Satz 2 EFA; vgl. Anhang II zum EFA in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2012, BGBl. II 2012, 144, berichtigt durch die Bekanntmachung vom 03. April 2012, BGBl. II 2012, 470) bewirkte eine wirksame Einschränkung der Verpflichtung zur Gleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen (zur formellen und materiellen Wirksamkeit der Vorbehaltserklärung: BSG, Urteile vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R -, Rn.18 ff, und vom 09. August 2018 - B 14 AS 32/17 R -, Rn. 22, jeweils in juris; siehe auch Leopold in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl. Stand 29. November 2021, § 7 Rn. 117).
C. Die Regelungen in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF sind auch europarechtskonform. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Regelungen eines Mitgliedstaats, nach denen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Zugang zu beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausgeschlossen werden, wenn ihnen gar kein Aufenthaltsrecht zusteht (Rechtssache „Dano“, Urteil vom 11. November 2014 – C-333/13 -, juris) oder wenn sich ihr Aufenthaltsrecht nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Rechtssache „Alimanovic“, Urteil vom 15. September 2015 – C-67/14 -, juris), mit Unionsrecht vereinbar. Vor diesem Hintergrund bestehen für den Senat keine Zweifel an der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit europarechtlichen Vorschriften.
D. Schließlich ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BSG, Urteile vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, Rn. 29 ff. m. w. N.; und 12. Mai 2021 – B 4 AS 34/20 R -, Rn. 30, jeweils in juris).
Nach all dem hat die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
III. Auf den Hilfsantrag der Klägerin war jedoch der Beigeladene gemäß § 75 Abs. 5 SGG zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB XII aF für die hier streitige Zeit vom 26. August 2014 bis zum 30. April 2015 zu gewähren.
Der Anwendbarkeit des SGB XII aF auf die erwerbsfähige Klägerin steht nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa BSG, Urteile vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, Rn. 40 ff., 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, Rn. 32 ff., und vom 09. August 2018 – B 14 AS 32/17 R –, Rn. 24 ff., sämtlich in juris), der sich der Senat anschließt, § 21 Satz 1 SGB XII aF nicht entgegen.
Die Klägerin unterlag dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII aF. Insoweit gilt das oben zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF Gesagte sinngemäß auch hier. Beide Normen regelten bis zum 28. Dezember 2016 wortidentisch den Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.
Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII aF führt indes nicht zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF (vgl. dazu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, Rn. 44 ff., juris; Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde hiergegen durch Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 21. August 2018 – 1 BvR 2674/17 –, juris). Vielmehr kann auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dieser Vorschrift ein Anspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII aF, insbesondere war sie hilfebedürftig, da sie – wie im Rahmen der Anspruchsprüfung nach dem SGB II aF oben dargelegt - weder über ein existenzsicherndes Einkommen noch Vermögen verfügte. Das dem Beigeladenen durch § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF eingeräumte Ermessen ist in einem Fall wie dem vorliegenden dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert.
Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat auch insoweit folgt, kommt eine Ermessensreduktion auf Null im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF in Betracht, wenn sich der Aufenthalt von EU-Ausländern verfestigt hat, was regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland der Fall ist (vgl. etwa BSG, Urteile vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, Rn. 53 ff., und vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, Rn. 52 ff., jeweils in juris). Eine derartige Verfestigung des tatsächlichen Aufenthalts der Klägerin ist in Bezug auf den streitbefangenen Zeitraum (August 2014 bis April 2015) zu bejahen, da sie bereits im September 2012 zur Suche einer beruflichen Perspektive in die Bundesrepublik eingereist war, sich seitdem hier aufhielt und um eine dauerhafte, ihrer Ausbildung entsprechende Integration in den deutschen Arbeitsmarkt bemüht war bzw. ist. Bei einer solchen Sachlage ist das dem Beigeladenen durch § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.
V. Die Verurteilung des Beigeladenen hat der Senat im Wege eines Grundurteils (§ 130 SGG) ausgesprochen. Er hat daher davon abgesehen, die zu erbringenden Leistungen höhenmäßig zu beziffern oder auch nur die bei der Bestimmung der Anspruchshöhe zu berücksichtigenden Bedarfe im Einzelnen aufzuführen. Der Beigeladene wird daher bei der Umsetzung des vorliegenden Urteils die Bedarfe der Klägerin wie auch deren einzusetzendes Einkommen sowie eine sonstige Bedarfsdeckung (§§ 20, 39 SGB XII aF) nach Maßgabe der Vorschriften des SGB XII aF zu berücksichtigen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, insbesondere weicht der Senat nicht von der gefestigten Rechtsprechung des BSG ab, sondern folgt ihr.