Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 23. April 2022 aufgehoben, soweit der Antragsgegner verpflichtet wird, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 12. Januar 2022 bis 8. März 2022 vorläufig und unter Vorbehalt der Rückforderungen Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Insoweit wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Instanzen zu 6/10.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten im gerichtlichen Eilverfahren um einen Anspruch des 1975 geborenen Antragstellers auf (aufstockende) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ergänzend zu dem von ihm im Januar noch bezogenen Arbeitsentgelt für eine Tätigkeit für die Firma G in N.
Der Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger, hält sich seit 2019 in Deutschland auf und lebt mit seiner Partnerin, mit der er seit dem 9. März 2022 verheiratet ist, sowie den beiden gemeinsamen Kindern H, 22 Jahre alt, und N, 29 Jahre alt, (den ehemaligen Antragstellern zu 2.-4.) in einer Wohnung. Die jetzige Ehefrau des Antragstellers arbeitet mit mindestens 15 Stunden wöchentlich in der Gebäudereinigung. H
war vom 17. August 2021 bis 31. Januar 2022 bei der Firma G in N als Küchenhilfe mit 46 Stunden im Monat (wöchentlich schwankend nach Bedarf, unregelmäßig) bei einem Bruttolohn von 9,60 EUR beschäftigt.
Von Mai 2020 bis Februar 2021 war der Antragsteller bei der Firma Y beschäftigt, bis er dort wegen Corona gekündigt wurde. Am 26. Oktober 2021 stellte er gemeinsam mit seinen Familienmitgliedern einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gegenüber dem Antragsgegner. Nachdem dieser nicht leistete, hat er am 12. Januar 2022 beim Sozialgericht Kiel einen Antrag auf vorläufige Leistungsgewährung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat er vorgetragen, vom 9. Dezember 2021 bis 31. Januar 2022 bei der Firma G in N beschäftigt gewesen zu sein. Dort sei ihm am 14. Januar 2022 zum Monatsende gekündigt worden. Vorgelegt hat er diesbezüglich einen Arbeitsvertrag, ausweislich dessen er für 20 Stunden im Monat (wöchentlich schwankend nach Bedarf, unregelmäßig) zu einem Bruttolohn von 9,60 EUR eingestellt worden ist.
Auf seinen Eilantrag hat das Sozialgericht Kiel mit Beschluss vom 23. April 2022 den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 12. Januar 2022 bis 31. Mai 2022 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, dass das vom Antragsteller für den Zeitraum vom 9. Dezember 2021 bis 31. Januar 2022 behauptete Arbeitsverhältnis – gerade noch – genüge, um seine Arbeitnehmereigenschaft zu begründen, so dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b) SGB II nicht greife, wobei es auf den vorgelegten Arbeitsvertrag und die dort vereinbarten 20 Stunden monatlich abgestellt hat. Seit dem 9. März 2022 leite er ein Aufenthaltsrecht von seiner Ehefrau ab, die unstreitig Arbeitnehmerin ist.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts richtet sich die am 13. Mai 2022 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners.
Der Antragsgegner macht geltend, dass der Antragsteller als bulgarischer Staatsangehöriger von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei, da sich sein Aufenthaltsrecht jedenfalls bis zum 8. März 2022 allein aus dem Zwecke der Arbeitssuche ergebe. Bei dem vorgetragenen Arbeitsverhältnis mit der Firma G handele es sich mutmaßlich um ein Scheinarbeitsverhältnis. Unabhängig davon sei es als völlig untergeordnet zu qualifizieren, so dass es nicht genüge, um ein eigenes Aufenthaltsrechts des Antragstellers aus Arbeitnehmereigenschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU zu begründen.
Er beantragt,
den Beschluss vom 23. April 2022 aufzuheben und den Antrag abzulehnen,
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und beruft sich auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakten des erst-und zweitinstanzlichen Verfahrens sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners, alle vorliegend in elektronischer Form, Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und betreffend den Zeitraum vom 12. Januar 2022 bis 8. März 2022 auch begründet; im Übrigen ist sie nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Entscheidungserhebliche Angaben sind dabei von den Beteiligten glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Zusammengefasst müssen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig mithin zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss es im Ergebnis einer Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird (Anordnungsanspruch). Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Dabei hat das Gericht die Belange der Öffentlichkeit und des Antragstellers miteinander abzuwägen.
Vorliegend ist ein Anordnungsanspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 12. Januar bis 8. März 2022 nicht glaubhaft gemacht worden. Zwar kann der Antragsteller seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern und erhält auch nicht die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, so dass er hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II ist. Allerdings ist er gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen (hierzu unter 1.). Für den Zeitraum ab dem 9. März 2022 greift dieser Leistungsausschluss nicht mehr (hierzu unter 2.).
1.
Im Zeitraum vom 12. Januar 2022 bis 8. März 2022 greift für den Antragsteller der Leistungsausschluss betreffend Leistungen nach dem SGB II aus § 7 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 lit. b) SGB II. Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt oder die gar kein Aufenthaltsrecht haben von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit oder der Europarechtskonformität dieses Leistungsausschlusses hegt der Senat nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 4. Mai 2018, Az.: L 6 AS 59/18 B ER, Rn. 26 m.w.N.). Der Antragsteller leitet sein Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum allein aus dem Zweck der Arbeitssuche her (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU), was nicht genügt, um Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen zu können.
Ein anderes Aufenthaltsrecht, das einen Leistungsanspruch nach dem SGB II begründen könnte, besteht nicht. Insbesondere sind die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts durch bestehende Arbeitnehmereigenschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU (betreffend den Zeitraum vom 12. bis 31. Januar 2022) bzw. eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU (betreffend den Zeitraum vom 1. Februar bis 8. März 2022) nicht erfüllt.
Der Antragsteller hat bereits nicht glaubhaft gemacht, dass er durch das nach eigenem Vortrag vom 9. Dezember 2021 bis 31. Januar 2022 bestehende Arbeitsverhältnis Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gewesen ist. Zwar bezeichnet der vorgelegte Arbeitsvertrag vom 9. Dezember 2021 noch eine Verpflichtung zur Leistung von 20 Stunden monatlich, die das Sozialgericht zur Grundlage seiner Entscheidung genommen und diese Verpflichtung als – gerade noch – ausreichend erachtet hat, um vor dem Hintergrund der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung auf dem Boden der unionsrechtlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 25/20 R –, juris) die Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen.
Die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Rechts der Europäischen Union beurteilt sich dabei allein nach objektiven Kriterien, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf Rechte und Pflichten kennzeichnen. Arbeitnehmer in diesem Sinne ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Der Umstand, dass eine Person im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden leistet, kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübte Tätigkeit untergeordnet und unwesentlich ist. Unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit ist indes nicht auszuschließen, dass eine Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmerstatus dennoch begründen kann. Auch die Dauer der von dem Betroffenen ausgeübten Tätigkeit ist ein Gesichtspunkt, der dabei Berücksichtigung finden kann. Für die Gesamtbewertung der Ausübung einer Tätigkeit als Beschäftigung und damit die Zuweisung des Arbeitnehmerstatus ist Bezug zu nehmen insbesondere auf die Arbeitszeit, den Inhalt der Tätigkeit, eine Weisungsgebundenheit, den wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung, die Vergütung als Gegenleistung für die Tätigkeit, den Arbeitsvertrag und dessen Regelungen sowie die Beschäftigungsdauer. Nicht alle einzelnen dieser Merkmale müssen schon je für sich genügen, um die Arbeitnehmereigenschaft zu begründen. Der maßgeblichen Gesamtbewertung ist mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des EuGH ein weites Verständnis zugrunde zu legen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R–, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Damit kommt grundsätzlich auch eine in Teilzeit ausgeübte und deutlich unterhalbschichtige Tätigkeit in Betracht, um eine nicht völlig untergeordnete Arbeitnehmereigenschaft zu begründen (vgl. Beschluss des Senats vom 11. November 2015 – L 6 AS 197/15 B ER –, juris).
Der EuGH hat mit Urteil vom 4. Februar 2010 im Verfahren C 14/09 (Genc) entschieden, dass eine Verpflichtung zur Erbringung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 5,5 Stunden einer Qualifizierung als Arbeitnehmerin nicht entgegensteht, wobei das dort zu beurteilende Arbeitsverhältnis bereits seit vier Jahren fortlaufend bestand. Angesichts der Vorgaben des EuGH hat sich in der nationalen Rechtsprechung ein kasuistischer Rahmen entwickelt. Das BSG hat einer Wochenarbeitszeit von 7,5 Stunden und einem Monatsverdienst von lediglich 100 € bei einer knapp fünfmonatigen Beschäftigung die Arbeitnehmereigenschaft bejaht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R –, juris; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 2 FreizügG/EU Rn. 49). Das BSG hat weiter bei einem knapp einjährig bestehenden Arbeitsverhältnis und arbeitsvertraglich vereinbarten 30 Stunden im Monat mit einer Vergütung von 100-250 EUR Arbeitnehmereigenschaft (BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R –, juris) ebenso bejaht wie im Falle einer zweimonatigen Beschäftigung mit einer monatlichen Vergütung von 500 EUR (BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 42/19 R –, juris). Zuletzt hat das BSG eine Tätigkeit für zehn Stunden monatlich bei einem Monatsbruttoverdienst von 100 EUR nicht genügen lassen, um Arbeitnehmereigenschaft anzunehmen; dabei bestand das Arbeitsverhältnis seit etwa drei Jahren, wobei eine zwischenzeitliche Aufstockung in jenem Verfahren zu einem Vergleichsabschluss ab jenem Zeitpunkt geführt hatte (BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R –, juris). Unter Bezugnahme auf die unionsrechtlich und höchstrichterlich aufgezeigten Maßstäbe hat das hiesige Landessozialgericht mit Beschluss vom 5. September 2019 im Verfahren zum Az.: L 3 AS 74/19 B ER bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 2-3 Stunden eine tatsächliche reale Tätigkeit und damit die Arbeitnehmereigenschaft im unionsrechtlichen Sinne verneint.
Vor diesem Hintergrund lässt sich nach Auffassung des Senats jedenfalls im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers im unionsrechtlichen Sinne nicht begründen. Die tatsächlich geleistete Gesamtstundenzahl pro Woche stellt sich als sehr gering dar, wobei dies auf autonomen Entscheidungen des Antragstellers beruht. Es ist weder erkennbar noch vorgetragen, dass den Antragsteller vorrangige Verpflichtungen, deren Berücksichtigung im Rahmen der verlangten Gesamtbetrachtung vom EuGH jedenfalls nicht ausgeschlossen wurde, an einem zeitlich umfangreicheren Arbeitsverhältnis gehindert haben könnten. Ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen hat der Antragsteller im Dezember 2021 tatsächlich 20 Stunden gearbeitet und 192,00 EUR brutto verdient sowie im Januar 14 Stunden bei einem Bruttoverdienst von 137,00 EUR gearbeitet. Über den gesamten Zeitraum des vorgetragenen Arbeitsverhältnisses von 7,5 Wochen vom 9. Dezember 2021 bis 31. Januar 2022 belief sich die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit auf lediglich 4,5 Stunden. Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit stellt sich so mit etwa 11% gemessen an der Arbeitszeit eines Vollerwerbstätigen (38,5 Wochenstunden) als sehr gering dar; sie entspricht letztlich einer etwas mehr als halbtägigen Tätigkeit an einem Tag in der Woche. So bezeichnet bereits der Arbeitsvertrag die Arbeitszeit als „wöchentlich schwankend“ und „nach Bedarf“; die vertraglich genannte Arbeitszeit von 20 Stunden im Monat stellt sich mit Blick auf diese Einschränkungen und vor dem Hintergrund des tatsächlichen Ablaufs nicht als vertraglich vereinbarte Mindestarbeitszeit dar. Es ist offensichtlich, dass die vertraglichen Regelungen der Verwendung eines allgemeinen Arbeitsvertragsformulars geschuldet sind. Neben der nicht umgesetzten vereinbarten Wochenarbeitszeit enthält der vorgelegte Arbeitsvertrag so auch Regelungen zur Gewährung von Urlaub – unter Bezugnahme auf einen Tarifvertrag – und auch zur Entgeltfortzahlung in Krankheitsfällen. Ebenso wie die offenbar als Richtwert zu verstehende wöchentliche Arbeitszeit wurde indes auch die Urlaubsregelung nicht umgesetzt: aus den Lohnabrechnungen ist nicht erkennbar, dass Urlaub in Anspruch genommen wurde oder jedenfalls nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage ausgezahlt wurden. Darüber hinaus bestand das Arbeitsverhältnis zum Antragszeitpunkt gerade seit einem Monat und wurde zudem zwei Tage nach Antragstellung zu Ende Januar 2022, also nach 7,5 Wochen Tätigkeit, gekündigt, wobei auch die vertraglich genannte Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vom Arbeitgeber nicht eingehalten wurde. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte kommt auch eine (nachwirkende) Freizügigkeitsberechtigung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU bereits ausgehend vom Vortrag des Antragstellers mangels relevanter Beschäftigung nicht in Betracht. Deswegen bedurfte es auch keiner näheren Betrachtung der vom Antragsgegner aufgeworfenen Fragen, die aus dessen Sicht Anlass geben, von einem Scheinarbeitsvertrag des Antragstellers auszugehen.
Auch die zeitlich davorliegende Tätigkeit des Antragstellers von Mai 2020 bis Februar 2021 begründet in der Zusammenschau mit dem vorgetragenen Arbeitsverhältnis vom 9. Dezember 2021 bis 31. Januar 2022 kein Aufenthaltsrecht im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU. Zwar setzt diese Norm keine ununterbrochene Tätigkeit von mehr als einem Jahr voraus. Kurzfristige Unterbrechungen sind insoweit unschädlich (BSG, Urteil vom 13. Juli 2017, Az.: B 4 AS 17/16 R). Allerdings bedarf es einer Tätigkeit von mehr als einem Jahr Dauer innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte zu Art. 7 Abs. 3 Unionsbürger-Richtlinie (LSG NRW, Beschluss vom 14. März 2016 – L 2 AS 225/16 B ER –, juris; LSG Bayern, Beschluss vom 20. Juni 2016 – L 16 AS 284/16 B ER –, juris; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, FreizügG/EU, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 143). Daran gemessen scheitert eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung vorliegend bereits daran, dass der Antragsteller in den letzten zwei Jahren weniger als elf Monate tätig gewesen ist.
Anders als der Antragsteller meint, folgt eine Freizügigkeitsberechtigung auch nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU i.V.m. 1 Abs. 2 Nr. 3 lit. d) FreizügG/ EU mit der Begründung, dass er Familienangehöriger im Sinne einer generationenübergreifenden Bedarfsgemeinschaft sei und hieraus sein Aufenthaltsrecht herleiten könne. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 lit. d) FreizügG/EU gilt der Antragsteller als Familienangehöriger seiner Kinder (die erstinstanzlich ehemaligen Antragsteller zu 2. und 4.) im Sinne des FreizügG/EU, sofern ihm von diesen (einzeln oder gemeinschaftlich) Unterhalt gewährt wird; im streitigen Zeitraum kam eine Ableitung seines Aufenthaltsrechts vom Aufenthaltsrecht seiner nunmehrigen Ehefrau nicht in Betracht, da er damals mit ihr noch nicht verheiratet war (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) FreizügG/EU). Eine Gewährung von Unterhalt durch eines der Kinder oder beide gemeinschaftlich an den Antragsteller – in Abgrenzung zu einer etwaigen Unterhaltsgewährung durch die nunmehrige Ehefrau des Antragstellers – ist im streitigen Zeitraum nicht nachgewiesen. Denn eine Unterhaltsgewährung im Sinne der Regelung liegt nach allgemeiner Auffassung jedenfalls nur dann vor, wenn dem bedürftigen Verwandten tatsächlich fortgesetzt materielle Mittel zugewandt werden, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts dienen. Der Familienangehörige muss vom Freizügigkeitsberechtigten mithin eine regelmäßige Unterstützung in einem Umfang erfahren, mit dem er zumindest einen Teil seines Lebensunterhalts regelmäßig decken kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris, unter Verweis auf: EUGH, Urteil vom 8. November 2012 – Rs C-40/11 –, juris). Der Nachweis der Unterhaltsgewährung obliegt dem Familienangehörigen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Januar 2007 – C 1/05 –, NVwZ 2007, S. 432, [435]).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da eine tatsächliche Unterhaltsgewährung durch eines seiner Kinder oder beide gemeinschaftlich gegenüber dem Antragsteller bereits nicht vorgetragen ist; vorgetragen wurde vielmehr mit Schriftsatz vom 4. Februar 2022, auf den wiederholt Bezug genommen wird, dass umgekehrt die Eltern – also der Antragsteller selbst und seine nunmehrige Ehefrau – ihrem Sohn, dem ehemaligen Antragsteller zu 2., (Natural-)Unterhalt gewähren. Vor diesem Hintergrund kann dahingestehen, inwieweit den in der vom Prozessbevollmächtigten zitierten Rechtsprechung des Nordrheinwestfälischen Landessozialgerichts (LSG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2019 – L 7 AS 2006/18 B ER – juris) benannten Grundsätzen an eine Unterhaltsgewährung gefolgt werden kann.
2.
Für den Zeitraum ab 9. März 2022 hat die – auch insoweit erhobene Beschwerde des Antragsgegners – keinen Erfolg. Denn seither besteht – letztlich unstreitig – kein Leistungsausschluss mehr, da der Antragsteller seither verheiratet ist und seine Ehefrau Arbeitnehmerin ist, er somit sein Aufenthaltsrecht auch aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU i.V.m. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) FreizügG/EU herleitet.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).