L 10 BA 2/18

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 33 KR 83/17
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 BA 2/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1.
Bei Rechtsschutz gegen einen Prüfbescheid nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV ist die reine Anfechtungsklage die richtige Klageart.

2.
Wird ein Auftragnehmer dauerhaft beschäftigt, um Tätigkeiten zu erbringen, die der Erfüllung des originären Hauptbetriebszwecks des Unternehmens des Auftraggebers dienen, stellt das ein sehr gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Eingliederung des Auftragnehmers in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers dar.

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 1. September 2017 wird zurückgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 24.356 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die im Rahmen einer Betriebsprüfung ergangene Entscheidung der Beklagten, nach welcher der Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 in einem Beschäftigungsverhältnis zu ihm, dem Kläger, stand und deshalb der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag und mit welcher die Beklagte im Hinblick auf das dem Beigeladenen zu 1. gewährte Arbeitsentgelt Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 24.356,63 EUR für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2012 nacherhoben hat.

 

Der Kläger betrieb im streitigen Zeitraum unter der Firma „R____ K______“ als alleiniger Inhaber einen Reitbetrieb in S_______, der über Stallungen zum Einstellen von Pferden, über – zumindest – eine Reithalle, Reitparcours und Weideflächen verfügte und in dem Kunden des Betriebes circa 150 Reitpferde eingestellt hatten. Mittlerweile wird der Betrieb von der H____ & C_____ GmbH betrieben, an welcher der Kläger beteiligt ist.

 

Im streitbefangenen Zeitraum waren bei dem Kläger festangestellte Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt; bei diesen handelte es sich überwiegend um ausgebildete Pferdewirtinnen und -wirte. Zudem waren in dem Betrieb eine Vielzahl von polnischen Arbeitskräften tätig, denen die Fütterung der Pferde, das Ausmisten der Ställe, die Sauberhaltung und Pflege der gesamten Reitanlage und ggf die Ausführung von erforderlichen Instandsetzungsarbeiten an Außenanlagen des Betriebs oblag. Nach eigenen Angaben des Klägers hatte dieser das „System der polnischen Reinigungskräfte“ im Jahr 2009, in dem er den Reitbetrieb erwarb, mit übernommen. Schriftliche Dienstverträge lagen den Tätigkeiten der polnischen Arbeitskräfte nicht zugrunde. Teile dieser Arbeitskräfte waren in zwei dafür vorgesehenen Wohnungen einquartiert, die sich auf dem Betriebsgelände befanden und jeweils über drei Zimmer verfügten. Miete entrichteten die aus Polen stammenden Arbeitskräfte dafür nicht. Nach Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht handelte es sich bei der kostenlosen Unterbringung um einen Teil der Vergütung.

 

Der Beigeladene zu 1. ist einer dieser polnischen Arbeitskräfte. Er hatte bereits für den Rechtsvorgänger des Klägers auf dem Reitbetrieb gearbeitet und – wie die übrigen polnischen Hilfskräfte – ein selbständiges Gewerbe angemeldet und zur Ausübung der Tätigkeiten Gerätschaften genutzt, die – von dem Kläger gestellt – auf dem Reiterhof vorhanden waren (insbesondere Besen und Schaufeln sowie Kleinwerkzeug, Rasenmäher und erforderlichenfalls auch einen Traktor). Lediglich die Arbeitskleidung, im Hinblick auf deren Äußeres und deren Beschaffenheit von dem Kläger keine Vorgaben gemacht wurden, beschaffte sich der Beigeladene zu 1. selbst – wiederum wie die übrigen Hilfsarbeiter. Ob der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum auch in einer der Betriebswohnungen wohnte, ist unklar.

 

Aus den Rechnungen des Beigeladenen zu 1., die über „Stallarbeit“ oder „Stall- und Außenanlagenarbeiten“ lauteten und mit denen monatliche Gesamtarbeitszeiten abgerechnet wurden, die zwischen 75,5 und 297 Stunden variierten (im Durchschnitt lag die monatliche Arbeitszeit bei knapp oberhalb von 200 Stunden), ergab sich, dass er in der Regel einen Stundenlohn von 6,50 EUR abrechnete (bis einschließlich Dezember 2009 regelmäßig 6,40 EUR). Die monatlichen Rechnungsbeträge lagen zwischen 540,00 EUR als niedrigstem Wert (abgerechnet für Juli 2009) und 1.930,50 EUR als höchstem Wert (abgerechnet für Juni 2010). Die durchschnittliche monatliche Vergütung betrug 1.362,13 EUR. Bis einschließlich November 2010 berechnete der Beigeladene zu 1. dabei keine Umsatzsteuer; erst im Dezember 2010 begann er damit, zusätzlich zu dem ausgewiesenen Stundenlohn eine 19-prozentige Umsatzsteuer in Ansatz zu bringen.

 

Im Juni 2013 führte das Finanzamt P_____ im Betrieb des Klägers eine Lohnsteueraußenprüfung durch, in deren Rahmen bei den prüfenden Beamten der Verdacht erwuchs, dass es sich bei den – vermeintlich – selbständig tätigen polnischen Hilfsarbeitern tatsächlich um Arbeitnehmer handeln könnte, weil diese
– jedenfalls in Teilen – in den auf dem Betriebsgelände vorhandenen Wohnungen einquartiert waren (vgl Lohnsteueraußenbericht vom 9. August 2013). Daraufhin leitete die Beklagte im Oktober 2013 das streitbefangene Betriebsprüfungsverfahren ein und übersandte dem Kläger und sämtlichen bekannten dreizehn polnischen Hilfsarbeitskräften Fragebögen zu Inhalt und Umfang der für den Kläger erbrachten Tätigkeiten. Die übersandten Fragebögen erhielt die Beklagte nur von einem der polnischen Hilfskräfte (A____ K1_____) ausgefüllt zurück, für die übrigen meldeten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. Februar 2014, dem die von drei weiteren Hilfsarbeitern (G_______, F____ und S1____) ausgefüllten Fragebögen beilagen (der Beigeladene zu 1. reichte den Fragebogen nicht zurück an die Beklagte). In diesem Schreiben brachten die klägerischen Prozessbevollmächtigten – ausdrücklich für alle auf dem Reiterhof beschäftigten polnischen Arbeitskräfte – vor, dass diese Reinigungsarbeiten zu erbringen hätten. Dabei sei lediglich ein entsprechender Erfolg in Gestalt der Sauberkeit des Betriebsgeländes und insbesondere der Pferdeboxen vereinbart. Vorgaben zu Arbeitszeiten und der konkreten Durchführung der geschuldeten Tätigkeiten habe der Kläger nicht erteilt. Dienstpläne seien ebenfalls nicht erstellt worden. Eine Eingliederung in den klägerischen Betrieb habe mithin nicht vorgelegen. Die jeweils in Rechnung gestellten Preise seien von den jeweiligen Reinigungskräften selbst kalkuliert worden. Zwar seien diesen keine hohen Investitionen zur Anschaffung von Betriebsmitteln erwachsen, aber sie hätten ihr eigenes wirtschaftliches Risiko getragen. Zudem habe es ihnen freigestanden, sich bei anderen Auftraggebern um weitere Aufträge zu bemühen.

 

Mit Schreiben vom 15. Mai 2014 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass beabsichtigt sei, die Versicherungspflicht der dreizehn auf dem Betriebsgelände des Klägers angetroffenen polnischen Hilfskräfte in der Sozialversicherung festzustellen, da man davon ausgehe, dass diese im Rechtssinne bei dem Kläger beschäftigt seien. Zudem wurde in Aussicht gestellt, deshalb für die Jahre 2009 bis 2012 Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe nachzufordern, in der es mit dem streitgegenständlichen Ausgangsbescheid dann auch geschah. Nachdem der Kläger darauf nicht reagiert und die Beklagte mit Schreiben vom 10. Juli 2014 erinnert hatte, begehrte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 18. Juli 2014 Fristverlängerung bis zum 15. August 2014.

 

Mit Bescheid vom 4. August 2014 stellte die Beklagte fest, dass die vorgenannten dreizehn Hilfskräfte im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 die von ihnen geschuldeten Dienstleistungen auf dem Reiterhof im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erbracht hätten und deshalb in allen Zweigen der Sozialversicherung und in der Unfallversicherung versicherungspflichtig seien. Es sei von einer Eingliederung dieser Arbeitskräfte in den klägerischen Betrieb auszugehen, weil es sich angesichts der Vielzahl der mit Stall- und Hofarbeiten beauftragten Hilfskräfte als unumgänglich darstelle, deren jeweilige Arbeitseinsätze zu koordinieren. Zudem fehle es an unternehmerischen Risiken der Hilfsarbeitskräfte. Diese hätten einen festen Stundenlohn erhalten, keine nennenswerten Investitionen für Betriebsmittel tätigen müssen und keine Chancen besessen, ihre Gewinnmarge durch wirtschaftlich geschicktes Verhalten zu erhöhen. Zudem habe der Kläger die ordnungsgemäße Ausführung der Arbeiten auch kontrolliert. Dass es den Hilfskräften freigestanden habe, weitere Auftragsverhältnisse mit anderen Auftraggebern zu begründen, spreche nicht entscheidend für deren Selbständigkeit, weil diese regelmäßig monatlich über 200 Arbeitsstunden für den Kläger – in manchen Fällen sogar über 300 Arbeitsstunden – geleistet hätten, so dass ihnen tatsächlich kaum noch Kapazitäten verblieben seien, um zusätzliche Arbeiten für andere Auftraggeber zu erbringen. Gegenüber den für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmalen der Beschäftigung der Hilfskräfte aus Polen falle der Umstand, dass diese nicht über Ansprüche auf Erholungsurlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verfügt hätten, nicht entscheidend ins Gewicht. Irrelevant sei schließlich, dass die Hilfskräfte eigene Gewerbe angemeldet hätten, weil das Gewerbeamt in diesem Zusammenhang nicht prüfe, ob tatsächlich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Daher sei der Kläger verpflichtet, für den vorgenannten Prüfzeitraum Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 107.781,75 EUR an die Einzugsstellen nachzuzahlen. Für die nicht nur geringfügig Beschäftigten sei dies unter Zugrundelegung der letzten zwei Ziffern der Betriebsnummer des Klägers die Beigeladene zu 2. Aus den dem Bescheid beigefügten Berechnungsbögen ergibt sich ferner, dass die Beklagte auch Nachforderungen zu den Umlageverfahren U1 (Ausgleich für Arbeitgeberaufwendungen wegen EFZ im Krankheitsfall) und U2 (Ausgleich für arbeitgeberseitige Mutterschutzaufwendungen) sowie zur Insolvenzgeldumlage festsetzte und zudem Nachforderungen ausschließlich für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2009 erhob (nicht aber für das erste Halbjahr 2009). Allein für den geringfügig Beschäftigten G_______ sei die Beigeladene zu 4. die zuständige Einzugsstelle. Von dem nachgeforderten Gesamtbetrag entfallen Beiträge in Höhe von insgesamt 24.356,63 EUR auf das dem Beigeladenen zu 1. gezahlte Arbeitsentgelt.

 

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 15. August 2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Prüfbescheid. Dieser sei mangels ordnungsgemäßer Anhörung schon formell rechtswidrig, weil sich die Beklagte auf den klägerischen Fristverlängerungsantrag vom 18. Juli 2014 nicht gemeldet und schlicht ihre angekündigte Sachentscheidung getroffen habe. Auch materiell sei die Entscheidung falsch. Ein Beschäftigungsverhältnis habe zwischen ihm, dem Kläger, und den polnischen Reinigungskräften nicht bestanden. Die von der Beklagten angesprochene Koordinierung der Arbeitsleistungen sei von den Hilfskräften eigenständig und untereinander erfolgt, ohne dass er – der Kläger – damit irgendetwas zu tun gehabt hätte. Die Reinigungskräfte hätten vollkommen frei gearbeitet; weder hätten Vorgaben zur Arbeitszeit bestanden (weshalb es ihnen beispielsweise freigestanden habe, ob sie die Pferdeställe morgens, mittags oder abends ausmisteten), noch im Hinblick auf die konkrete Ausführung der Tätigkeiten. Es fehle damit sowohl an einem ihm, dem Kläger, zustehenden Direktionsrecht als auch an einer Eingliederung der Reinigungskräfte in den Betrieb des Reiterhofes. Lediglich das Ergebnis der Arbeiten sei im Sinne des § 640 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von ihm abgenommen worden, was ein weiteres Indiz dafür darstelle, dass die Hilfskräfte als selbständige Werkunternehmer tätig geworden seien. Dass die Hilfsarbeiter keine hohen Investitionen in Betriebsmittel hätten tätigen müssen, sei unerheblich, weil es sich um eine betriebsmittelarme Arbeit gehandelt habe. Im Übrigen seien für die Beschaffung der von den Hilfskräften selbst zu besorgenden Arbeitskleidung höhere Kosten entstanden als für die von dem Kläger beschafften Geräte wie Schaufeln. Auch dass die Hilfskräfte ihre Stundenlöhne – gruppenweise (der Kläger spricht insoweit von Bietergemeinschaften) – selbst ausgehandelt hätten, entspreche nicht der klassischen Entlohnung von Arbeitnehmern, bei welcher der Arbeitgeber die Lohnhöhe vorgebe. Schließlich seien die Nachforderungen zu dem Umlageverfahren falsch berechnet worden, weil die Beklagte unberücksichtigt gelassen habe, dass einige Krankenkassen die diesbezüglichen Beiträge gesenkt hätten.

 

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei von einer Eingliederung der polnischen Hilfsarbeiter in den klägerischen Betrieb auszugehen. Dass der Kläger den Hilfs- und Reinigungskräften keine detaillierten Weisungen erteilt habe, spreche nicht gegen eine solche Eingliederung, weil sich die hinsichtlich der Erbringung der geschuldeten Leistungen zu beachtenden Anforderungen aus dem Charakter dieser Leistungen selbst ergeben hätten. So hätten die Pferde zwangsläufig an jedem Tag gepflegt bzw betreut werden müssen. Bestimmte Tätigkeiten wie zB die Reparatur der Wände der Reithalle seien indes gesondert vom Kläger zugewiesen worden. Im Übrigen spreche auch der Umstand, dass nach außen kein Unterschied zwischen den vom Kläger zur Sozialversicherung angemeldeten, fest angestellten Arbeitnehmern und den angeblich selbständigen polnischen Hilfskräften feststellbar sei, für die Integration letzterer in den Reitbetrieb. Es sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den in Rede stehenden Stall- und Hofarbeiten um einfache, geringqualifizierte Tätigkeiten handele, bei denen regelmäßig schon die Erteilung rein organisatorischer Anweisungen zu einer Einbindung in den Betrieb unter Annahme einer arbeitgeberartigen Weisungsbefugnis führe. Gegen eine selbständige Tätigkeit der interessierenden Hilfskräfte spreche zudem, dass diese über keine eigene Betriebsstätte verfügt hätten, in der Öffentlichkeit nicht als Unternehmer aufgetreten seien und keine Werbemaßnahmen durchgeführt hätten. Die Beiträge zum Umlageverfahren seien schließlich unter Zugrundelegung der im Dezember der geprüften Kalenderjahre jeweils gültig gewesenen Sätze berechnet worden, was rechtmäßig sei.

 

Am 26. Februar 2015 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Itzehoe beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner dort am 22. Dezember 2014 gegen die Entscheidung der Beklagten erhobenen Klage anzuordnen (Aktenzeichen des Sozialgerichts: S 25 KR 10/15 ER). Im Rahmen jenes Verfahrens hat der Kläger ua vorgebracht, dass er noch nicht einmal die Anwesenheitszeiten einzelner Aushilfs- und Reinigungskräfte überwacht habe; so hätten diese sich auch nicht im Falle der Erkrankung bei ihm abmelden müssen. Er bestreite zudem, dass die Mehrzahl der aus Polen stammenden Arbeitskräfte in den dafür auf dem Betriebsgelände zur Verfügung stehenden Wohnungen gewohnt hätten. Dies sei indes rechtlich ohnehin unerheblich, da es sich insoweit um eine rein private Angelegenheit der Arbeiter gehandelt habe. Schließlich hat der Kläger im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erneut bemängelt, dass die nachgeforderten Beiträge zu den Umlageverfahren falsch berechnet worden seien und hat konkret die von der Beigeladenen zu 2. zum 1. Oktober 2010 gesenkten Beitragssätze vorgetragen. Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. März 2015 eingeräumt, dass sie tatsächlich eine um insgesamt 69,70 EUR zu hohe Nachforderung berechnet habe; der klägerische Vortrag zu den geringeren Beiträgen zu den Umlageverfahren sei zutreffend. Ebenfalls am 30. März 2015 hat die Beklagte einen entsprechenden Änderungsbescheid erlassen, mit dem der Nachforderungsbetrag auf 107.712,05 EUR reduziert wurde.

 

Mit Beschluss vom 15. Juni 2015 hat das Sozialgericht antragsgemäß die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die streitgegenständlichen Bescheide vom 4. August und 1. Dezember 2014 (der Änderungsbescheid vom 30. März 2015 ist dort nicht benannt) angeordnet. Es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten, weil im Hinblick auf die Frage, ob die in Rede stehenden Hilfskräfte im Prüfzeitraum nur für den Kläger oder aber daneben auch noch für weitere Auftraggeber tätig gewesen seien, Ermittlungsdefizite auf Seiten der Beklagten bestünden. Die Frage betreffe eine für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit zu abhängiger Beschäftigung bei – hier vorliegenden – betriebsmittelarmen Tätigkeiten maßgeblich relevante Feststellung. Gerade weil viele der Hilfsarbeiter angegeben hätten, für mehrere Auftraggeber tätig gewesen zu sein und sich aus den aufgefundenen Rechnungen auch Monate ersehen ließen, in denen lediglich eine vergleichsweise geringe Zahl an Arbeitsstunden für den Kläger abgeleistet worden sei, hätte die Beklagte dem weiter nachgehen müssen.

 

Bereits am 22. Dezember 2014 hatte der Kläger gegen den Prüfbescheid vom 4. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben. Zur Begründung der Klage hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass er die Koordination der Tätigkeiten der polnischen Arbeitskräfte gar nicht habe vornehmen können, weil er der polnischen Sprache nicht mächtig sei. Es sei vielmehr so gewesen, dass schlichtweg bestimmte Reinigungstätigkeiten in Auftrag gegeben worden seien, die dann nach freier Einteilung der Helfer untereinander von diesen abgearbeitet worden seien. Lediglich bei vereinzelt angefallenen Aufgaben wie der Fütterung der Pferde habe es Vorgaben gegeben, dies aber von den Eigentümern der Pferde selbst. Dies sei mit der Einhaltung von technischen Normen bei Bauarbeiten vergleichbar, es werde lediglich der ordnungsgemäße Erfolg des Werkvertrages geschuldet. Zudem bestreite er, dass die Helfer überwiegend auf dem Hof ihren Wohnsitz gehabt hätten; dies sei indes rechtlich ohnehin irrelevant, da Wohnen eine private Angelegenheit sei. Des Weiteren sei das einzig teure Arbeitsmittel, das die polnischen Arbeitskräfte benötigt hätten, ihre Arbeitskleidung gewesen; diese bedürfe regelmäßiger Pflege, für die er gerade nicht aufgekommen sei, sondern für diese seien die Hilfsarbeiter selbst verantwortlich gewesen. Schließlich habe für diese ein unternehmerisches Risiko darin bestanden, bei mangelhafter Leistung keine Folgeaufträge mehr zu erhalten.

 

Mit Beschluss vom 15. März 2017 hat das Sozialgericht den Rechtsstreit in insgesamt dreizehn prozessual eigenständige Verfahren getrennt – aufgeteilt nach den dreizehn verschiedenen polnischen Hilfskräften, um deren sozialversicherungsrechtlichen Status zwischen den Beteiligten gestritten wird –, die dann jeweils als Beigeladene zu 1. in den getrennten Verfahren am Prozess beteiligt worden sind.

 

 

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt,

 

den Bescheid vom 4. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. März 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. Im Prüfzeitraum seine Tätigkeit auf dem Reiterhof nicht sozialversicherungspflichtig nach dem Recht der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ausgeübt hat.

 

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

 

                     die Klage abzuweisen.

 

Sie hat an der von ihr vertretenen Wertung in den angefochtenen Bescheiden festgehalten.

 

Das Sozialgericht hat am 1. September 2017 in sämtlichen dreizehn Parallelverfahren mündliche Verhandlungen durchgeführt und dabei den Kläger und die jeweiligen Beigeladenen zu 1. – die polnischen Hilfskräfte – ausführlich befragt. Der Kläger hat dabei angegeben, dass er einerseits bei Erwerb des Betriebes im Jahr 2009 dort bereits das – ausdrücklich so bezeichnete – System polnischer Hilfsarbeitskräfte vorgefunden und es dann gleichsam habe weiterlaufen lassen. Weiter hat der Kläger angegeben, nicht einmal über Abwesenheitszeiten einzelner Hilfsarbeiter informiert gewesen zu sein („Urlaub musste nicht gewährt werden, denn die Auftragnehmer waren einfach irgendwann weg, vermutlich zurück nach Polen.“). Gleichzeitig hat der Kläger erklärt, selbst einen sog. Weideplan aufzustellen, aus dem hervorgeht, welche Tiere wann und wo auf die Weide dürfen. Dann, so der Kläger weiter, habe es den Kunden, dh den Eigentümern der Tiere, oblegen, ihre Pferde gemäß dem Plan entweder selbst aus den Stallungen auf die Weide zu bringen oder dies von einem der polnischen Auftragnehmer erledigen zu lassen. In letztgenanntem Fall hätten die Kunden dies unmittelbar mit dem jeweiligen Hilfsarbeiter absprechen müssen und hätten diesem auch unmittelbar eine Vergütung für diese Dienstleistung gezahlt.

 

Der Beigeladene zu 1. hat im Rahmen seiner Befragung vor dem Sozialgericht angegeben, noch drei weitere Auftraggeber gehabt zu haben, bei denen es sich wohl ebenfalls um Pferde- bzw Reitbetriebe gehandelt hat. Auch der Beigeladene zu 1. hat angegeben, dass für die Fütterung der einzelnen Tiere eine sog. und an der jeweiligen Einstellbox angebrachte Futtertafel zu beachten gewesen ist, und auf der das dem Tier zu gebende Futter bzw die Futterzusammensetzung individuell bezeichnet gewesen ist. Schließlich hat der Beigeladene zu 1. auch erklärt, keine Werbemaßnahmen für seine Dienstleistungen ergriffen zu haben; weitere Auftraggeber habe er allein dadurch akquiriert, dass sich die Qualität seiner Arbeit herumgesprochen habe.

 

Mit Urteil vom 1. September 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Feststellung, dass der Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2012 abhängig beschäftigt und deshalb sozialversicherungspflichtig gewesen sei, sei rechtmäßig erfolgt. Daher habe die Beklagte bezogen auf den Beigeladenen zu 1. für den Prüfzeitraum auch zu Recht Sozialversicherungsbeiträge und Beiträge zu den og Umlageverfahren in Höhe von 24.356,63 EUR nachgefordert. Dass zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. ein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, ergebe sich daraus, dass die für eine Beschäftigung streitenden Merkmale diejenigen, die für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprächen, überwögen. Dabei ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass im Rahmen eines Dienstvertrages im Sinne der §§ 611 ff BGB Tätige regelmäßig abhängig beschäftigt seien, wohingegen Werkunternehmer im Sinne der werkvertraglichen Vorschriften der §§ 631 ff BGB regelmäßig selbständig tätig seien; letztere seien typischerweise eigenverantwortlich und weisungsfrei tätig und verfügten hinsichtlich der konkreten Leistungserbringung, aber auch hinsichtlich der Arbeitszeit über freie Gestaltungsmöglichkeiten. Vorliegend sprächen sowohl die unspezifische Bezeichnung der erbrachten Tätigkeiten in den Rechnungen des Beigeladenen zu 1. als auch das von dem Kläger behauptete Desinteresse an den Einzelheiten der Tätigkeitsausübung dagegen, dass der Beigeladene zu 1. zur Erreichung eines bestimmten Tätigkeitserfolges als Werkleistung verpflichtet gewesen wäre. Vielmehr sei allein die Erbringung von Fütterungs- und Reinigungsarbeiten an sich – mithin als Dienstleistung – geschuldet gewesen. Dem entspreche es auch, dass nicht erkennbar sei, dass der Kläger nach Erbringung der Tätigkeiten eine – ggf auch nur konkludente – Abnahme des Werks im Sinne des § 640 BGB vorgenommen habe. Zudem habe der Beigeladene zu 1. einen Stundenlohn erhalten, der zumindest nicht deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liege, so dass er von seinem bei dem Kläger erzielten Verdienst keine Eigenvorsorge habe betreiben können. Dabei könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene zu 1. neben den in Rechnung gestellten Geldzahlungen noch Sachbezüge in Gestalt von kostenfreier Unterkunft und Verpflegung erhalten habe. Dass der Beigeladene zu 1. unter Zugrundelegung des Preisniveaus in Deutschland von den Rechnungsentgelten keine Eigenvorsorge habe betreiben können, spreche ebenfalls für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1. sei auch in die betrieblichen Abläufe eingegliedert gewesen. Dass er keine konkreten Anweisungen des Klägers dazu erhalten habe, wann er welche Arbeiten an welchem genauen Ort auf dem Reiterhof auszuführen habe, spreche nicht gegen eine solche Eingliederung, weil sich diese Daten zwangsläufig aus der Natur der Sache heraus ergeben hätten. Denn jedes Pferd müsse täglich gefüttert und es müsse auch täglich dessen Einstellbox ausgemistet werden. Zudem sprächen folgende Umstände für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung: Sämtliche zur Verrichtung der geschuldeten Tätigkeiten erforderliche Gerätschaften seien von dem Kläger gestellt worden, der Beigeladene zu 1. habe nicht über eigene Betriebsräume verfügt, keine von ihm selbst angestellten Mitarbeiter beschäftigt und habe keine ernsthafte Werbungstätigkeit – zB in Form von Visitenkarten/Flyern, Folienwerbung auf einem Kfz, der Vorhaltung einer eigenen Homepage oder einem Eintrag in den Gelben Seiten oä – entfaltet; ein rein passives Vertrauen auf günstige Mund-zu-Mund-Propaganda reiche dafür nicht aus. Für die Annahme einer durch den Beigeladenen zu 1. ausgeübten selbständigen Tätigkeit spreche lediglich, dass es diesem gestattet war, Arbeitsleistungen auch für andere Auftraggeber zu erbringen, und dass zugunsten des Beigeladenen zu 1. auch unterstellt werden müsse, dass es weitere Auftragsverhältnisse gab. Auch habe der Umstand, dass es dem Kläger offenbar gleichgültig gewesen sei, welche der polnischen Hilfskräfte welche der anfallenden Arbeiten erbracht habe, unternehmerische Risiken für die jeweiligen Beigeladenen zu 1. eröffnet, weil diese die anderen ausländischen Arbeitskräfte hätten verdrängen können aber auch ihrerseits von den in Konkurrenz stehenden Landsleuten hätten verdrängt werden können. Dass dem Beigeladenen zu 1. keine Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eingeräumt gewesen seien, gebe für die Abwägung zur Statusbestimmung nichts her, weil dies auch die bloße Rechtsfolge von einer unzutreffenden Qualifizierung des Vertragsverhältnisses durch die Vertragsparteien darstellen könne. Aus der mithin festzustellenden Beschäftigung ergebe sich für den Beigeladenen zu 1. dessen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

 

Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 4. Dezember 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 4. Januar 2018 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers.

 

Zur Begründung des Rechtsmittels macht der Kläger geltend, dass das Sozialgericht in seiner Ansicht, dass ein konkreter Tätigkeitserfolg nicht geschuldet gewesen sei und deshalb kein Werk-, sondern ein Dienstvertrag vorgelegen habe, fehlgehe. Schon aus dem Umstand, dass es tierschutzrechtlich unabdingbar sei, dass die Pferde regelmäßig und ausreichend gefüttert und in möglichst sauberen Stallungen untergebracht werden, folge, dass insoweit ein bestimmter Erfolg der Tätigkeit durch den Beigeladenen zu 1. geschuldet gewesen sei; dessen bloßes Bemühen reiche dabei nicht aus. Es habe auch eine Kontrolle stattgefunden, ob der Beigeladene zu 1. die von ihm geschuldete Werkleistung ordnungsgemäß erbracht habe; diese Kontrolle sei durch die Eigentümer der Pferde erfolgt, die ihre Tiere regelmäßig besucht hätten. Dass der Kläger die Arbeiten des Beigeladenen zu 1. nicht im werkvertragsrechtlichen Sinne abgenommen habe, stehe der Qualifizierung des Vertragsverhältnisses als Werkvertrag nicht entgegen, weil eine Abnahme nach § 640 BGB nur dann zu erfolgen habe, wenn sie nach der Beschaffenheit des Werkes nicht ohnehin ausgeschlossen sei. Dies aber sei beim Ausmisten von Pferdeställen der Fall, weil die Tiere unkontrolliert ständig neuen Kot produzierten. Gleiches gelte auch für die ordnungsgemäße Fütterung der Pferde, weil eine Abnahme als vertragsgemäß nicht mehr möglich sei, nachdem das Futter in das Innere der Tiere gelangt sei. Dass die für deutsche Verhältnisse vergleichsweise geringe Entlohnung der Tätigkeiten als Indiz für eine abhängige Beschäftigung herangezogen würden, sei europarechtswidrig; tatsächlich müsse insoweit auf das Lohn- und Preisniveau in Polen abgestellt werden. Alles andere diskriminiere die polnischen Hilfskräfte. Von entscheidender Bedeutung sei allerdings, dass der Beigeladene zu 1. – wie auch alle anderen polnischen Hilfsarbeiter – nicht in den Betrieb des Reiterhofes eingegliedert gewesen sei. Dies werde durch das umfassende Fehlen irgendwelcher Anweisungen durch den Kläger an den Beigeladenen zu 1. (und seine auf dem Reitbetrieb tätigen Landsleute) belegt. Hinzu komme die dem Beigeladenen zu 1. zugestandene vollständige Freiheit bei der Einteilung der Arbeitszeiten über den Lauf des Arbeitstages hinweg. Auch dass die Hilfsarbeiter bestimmte Abreden mit den Eigentümern der eingestellten Pferde zusätzlich zu dem mit dem Kläger bestehenden Auftragsverhältnis über gesonderte Leistungen (zB die Gabe eines bestimmten Futters oder das Verbringen des Pferdes auf die Weide) treffen konnten, unterstreiche die Freiheit und Eigenständigkeit des Beigeladenen zu 1., der mithin als selbständig tätig anzusehen sei. Auch dass der Beigeladene zu 1. sich seine Arbeitskleidung, für deren Beschaffung im Vergleich zu den genutzten und von dem Kläger zur Verfügung gestellten Gerätschaften und Werkzeugen höhere Kosten entstanden seien, selbst habe besorgen müssen – dies wegen des hohen Verschleißes in der Regel jährlich von neuem – zeige ein unternehmerisches Risiko auf Seiten des Beigeladenen zu 1. Schließlich spreche auch das gleichzeitige Tätigwerden des Beigeladenen zu 1. für mehrere Auftraggeber stark für dessen Stellung als Selbständiger.

 

Der Kläger beantragt,

 

  1. das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 1. September 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 4. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014 und der Änderungsbescheide vom 30. März 2015 sowie vom 14. Dezember 2017 aufzuheben;

 

  1. festzustellen, dass die Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1. auf dem Reiterhof des Klägers vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2012 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt worden sind und dafür keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                     die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Begründung dieses Antrags macht sie geltend, dass der Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2012 als Helfer auf dem Reiterhof des Klägers sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Der Beigeladene zu 1. sei in den klägerischen Betrieb eingegliedert gewesen, habe keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt und kein Unternehmerrisiko getragen. Die Eingliederung sei gerade vor dem Hintergrund der Einfachheit der von dem Beigeladenen zu 1. auszuübenden Tätigkeiten anzunehmen. Bei solchen simplen Tätigkeiten genüge es für eine betriebliche Eingliederung bereits, wenn der Beschäftigte organisatorische Abläufe betreffende Weisungen erhalte, die ihn in der Ausübung seiner Arbeit festlegten. Solche organisatorischen Weisungen seien dem Beigeladenen zu 1. durch den Kläger zumindest dadurch im Rechtssinne erteilt worden, dass die zu erledigenden Tätigkeiten insgesamt bezeichnet worden seien – zB das Ausmisten von Ställen und das Füttern von Pferden. Dass keine weitergehenden, detaillierteren Weisungen des Klägers erfolgt seien, sei rechtlich deshalb unerheblich, weil dieser gleichwohl über die abstrakte Rechtsmacht verfügt habe, dem Beigeladenen zu 1. entsprechende kleinteiligere Weisungen zu erteilen. Dass der Kläger den polnischen Hilfskräften überhaupt keine Weisungen erteilt habe, sei unglaubhaft, weil ohne solche Anweisungen keine Koordination der einzelnen Arbeitseinsätze hätte erfolgen können und daher chaotische Zustände hätten eintreten müssen. Die Aufwendungen, die der Beigeladene zu 1. zur Anschaffung der Arbeitskleidung habe tätigen müssen, fielen rechtlich nicht ins Gewicht, weil sie keine hohen Kosten verursacht hätten. Im Wesentlichen habe der Beigeladene zu 1. allein seine Arbeitskraft eingesetzt. Dass der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei, unterstreiche schließlich nur die fehlende Auskömmlichkeit der von dem Kläger gezahlten geringen Stundenvergütung. Der Beigeladene zu 1. sei aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen gewesen, weitere Auftragsverhältnisse zu begründen. 

 

Die Beigeladenen haben – wie auch schon im Klagverfahren vor dem Sozialgericht – keinen schriftlichen Vortrag getätigt und keine Anträge gestellt.

 

In zwei vor dem Sozialgericht geführten Parallelverfahren betreffend die polnischen Hilfsarbeiter M______ und R1____ als dortige Beigeladene zu 1. hat das Sozialgericht die streitgegenständlichen Bescheide teilweise aufgehoben, und zwar insoweit, wie die Beklagte mit den Bescheiden für die vorgenannten Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert hatte, die über für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse anfallende Pauschalbeträge hinausgingen. In Umsetzung dieser Entscheidungen hat die Beklagte am 14. Dezember 2017 einen Bescheid erlassen, mit dem die Gesamt-Beitragsnachforderung auf 106.596,88 EUR reduziert worden ist.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichts zum Verfahren S 25 KR 10/15 ER sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte, die allesamt Gegenstand der Berufungsverhandlung geworden sind, Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

I.

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige
– insbesondere gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte – Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die gegen die auf den Beigeladenen zu 1. bezogene Feststellung des Bestehens von Versicherungspflicht im streitgegenständlichen Zeitraum sowie die Nachforderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen gerichtete Klage abgewiesen. Die der Entscheidung der Beklagten zugrunde liegenden Bescheide halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

 

1.

Streitgegenständlich sind neben dem Ausgangs-Prüfbescheid der Beklagten vom 4. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014 auch die Änderungsbescheide vom 30. März 2015 und vom 14. Dezember 2017, mit denen die Beklagte jeweils eine Reduzierung des (Gesamt-) Beitragsnachforderungsbetrages vorgenommen hat. Die darin liegende Verminderung der (Gesamt-) Beschwer des Klägers stellt den typischen Fall eines den ursprünglichen Bescheid abändernden Bescheides im Sinne des § 96 Abs 1 SGG dar (vgl dazu B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 96 Rn 4b, 5 mwN), weshalb die Änderungsbescheide vom 30. März 2015 und vom 14. Dezember 2017 nach vorgenannter Vorschrift in den vorliegenden Rechtsstreit einbezogen worden sind. Der Bescheid vom 14. Dezember 2017 ist nach Erlass der instanzbeendenden Entscheidung des Sozialgerichts, aber vor Erhebung der Berufung gemäß § 39 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wirksam geworden. Über § 96 Abs 1 SGG ist der Bescheid deshalb noch Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahren geworden (vgl dazu BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, B 10 EG 12/10 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 17). Der Senat entscheidet mithin auch über diesen letzten Änderungsbescheid auf Berufung und nicht auf Klage (vgl BSG, Urteil vom 6. Oktober 1977, 7 RAr 82/76, zitiert nach juris, s. dort Rn 29; anders bei Erlass eines abändernden Bescheides während des Laufs des Berufungsverfahrens: BSG, Urteil vom 25. Februar 2010, B 13 R 61/09 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 15).

 

Ausweislich des insoweit eindeutigen Wortlauts des Prüfbescheides vom 4. August 2014 bezieht sich die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung auf den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012. Dass die Beklagte im Berufungsverfahren davon abgerückt ist und nunmehr offenbar nur noch von einer auf den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2012 beschränkten Feststellung der Versicherungspflicht ausgeht, vermag daran nach Ansicht des Senats nichts zu ändern. Insbesondere ist in dem diesbezüglichen, in der Berufungserwiderung vom 12. Juni 2018 enthaltenen Vortrag kein weiterer Änderungsbescheid der Beklagten zu sehen, da es an jedwedem Anhaltspunkt dafür fehlt, dass die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung eine rechtliche Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X gegenüber dem Kläger erlassen wollte. Dagegen ist die Nacherhebung von Beiträgen schon mit der Ausgangsbescheidung der Beklagten lediglich für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2012 getroffen worden. Weshalb zwischen den Regelungszeiträumen eine Diskrepanz zwischen der auf die Versicherungspflicht bezogenen Feststellung einerseits und der Beitragsnachforderung andererseits besteht, ist nicht erkennbar aber auch rechtlich unerheblich.

 

Das Sozialgericht ist in seinem angefochtenen Urteil indes fälschlich davon ausgegangen, das Bestehen von Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. sei ebenfalls allein für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2012 streitig und hat deshalb eine Entscheidung über das insoweit zusätzlich streitbefangene erste Halbjahr 2009 nicht getroffen. Der Senat macht daher hinsichtlich dieses Teils des Streitgegenstandes aus Gründen der Prozessökonomie von der ihm höchstrichterlich eingeräumten Möglichkeit des Heraufholens von Prozessresten Gebrauch. Danach ist es dem Berufungsgericht in Fällen, in denen das Sozialgericht über einen Teil des Streitgegenstandes versehentlich keine Entscheidung getroffen hat, unabhängig von einer Zustimmung des Prozessgegners möglich, den erstinstanzlich nicht erledigten Streitgegenstand (in der ersten Instanz verharrender „Prozessrest“) in das Berufungsverfahren „heraufzuholen“ und dort über ihn zu entscheiden (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 ff; Urteil vom 10. Dezember 2013, B 13 R 91/11 R, SGb 2015, 35 ff; Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 57/04 R, Breith 2006, 792 ff). Die nachfolgenden Ausführungen zu der streitgegenständlichen Feststellungsentscheidung der Beklagten beziehen sich mithin stets auf den insoweit insgesamt streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012. Tatsächlich relevante Unterschiede sind im Hinblick auf die zu beurteilende Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. zwischen dem ersten Halbjahr 2009 und dem nachfolgenden, bis zum 31. Dezember 2012 reichenden Zeitraum auch nicht auszumachen.

 

Schließlich legt der Senat die Entscheidung der Beklagten zum Bestehen von Versicherungspflicht dahin aus, dass hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für den Kläger eine Versicherungspflicht allein in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt worden ist. Zwar spricht der Ausgangsbescheid vom 4. August 2014 im letzten Absatz auf Seite 1 und im zweiten Absatz auf Seite 5 ausdrücklich davon, dass der Beigeladene zu 1. auch in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert sei. Beiträge zur Unfallversicherung wurden mit dem Bescheid jedoch nicht nacherhoben, aus der Anlage „Berechnung der Beiträge“ sind allein Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie Beiträge zu den Umlageverfahren nach § 1 Abs 1 und 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) sowie zur Insolvenzgeldumlage ersichtlich. Zudem hat die Beklagte auf Seite 2 des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014 (dort in den ersten vier Absätzen) im einzelnen Ausführungen zu den gesetzlichen Grundlagen der Beschäftigtenversicherung in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung getätigt; Ausführungen zum Eintritt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung finden sich dort nicht. Der Kläger konnte den Sinngehalt der Ausführungen der Beklagten in dem Bescheid vom 4. August 2014 daher bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv dahin verstehen, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. lediglich in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung festgestellt werden sollte (vgl zur Auslegung von Verwaltungsakten: Engelmann, in von Wulffen, SGB X, 9. Aufl 2020, § 31 Rn 26). Es fehlt dem Senat allerdings an Verständnis dafür, dass sich die Beklagte bei ihren Äußerungen im Ausgangsbescheid nicht innerhalb der durch den unmissverständlichen Wortlaut des § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV gezogenen Grenzen hält. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung infolge der Betriebsprüfung „Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide“. Ausführungen zu einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung in einem Prüfbescheid nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV zu tätigen, ist demnach nicht nachvollziehbar. 

 

2.

Zu Recht und mit im wesentlichen zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Anfechtungsklage gegen den Prüfbescheid vom 4. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. März 2015, abgewiesen. Denn die Bescheide sind formell und materiell rechtmäßig ergangen.

 

a)

Trotz der polnischen Staatsangehörigkeit des Beigeladenen zu 1. findet auf dessen im streitigen Zeitraum bestanden habendes Vertragsverhältnis mit dem Kläger deutsches Sozialrecht Anwendung. Aus Art. 11 Abs 1 VO (EG) 883/2004 folgt der Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften, wonach Personen, für welche die Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen (vgl zur grundsätzlichen Einschlägigkeit der Verordnung Art. 3 Abs 1 lit. a), c), d) und h) VO [EG] 883/2004). Da es hier an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Beigeladene zu 1. im streitbefangenen Zeitraum neben seiner Tätigkeit für den Kläger einer weiteren Tätigkeit für einen anderen Auftraggeber in seinem Herkunftsstaat (oder sonst irgendeinem anderen Staat) nachgegangen sein könnte (vgl dazu Art. 13 VO [EG] 883/2004), finden nach Art. 11 Abs 3 lit. a) VO (EG) 883/2004 die Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland Anwendung.  

 

b)

Durchgreifende Fehler im Hinblick auf Zuständigkeit und Verfahren liegen im Hinblick auf den streitigen Prüfbescheid nicht vor.

 

Die Beklagte war zuständig für den Erlass des Bescheides. Zwischen der DRV Bund und den Regionalträgern der DRV richtet sich die sachliche Zuständigkeit nach der letzten Ziffer der Betriebsnummer des Arbeitgebers, die jeder Betrieb von der Bundesagentur für Arbeit erhält. Bei Betrieben mit der Endziffer 0 ‑ 4 führt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Betriebsprüfung durch. Für die Betriebe mit den Endziffern 5 - 9 ist der jeweilige Regionalträger zuständig (Scheer, in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 28p Rn 120). Die letzte Ziffer der für den Betrieb des Klägers vergebenen Betriebsnummer ist die 1, weshalb die DRV Bund hier zur Prüfung befugt war.

 

Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 15. Mai 2014 zu dem Erlass des beabsichtigten Prüfbescheides im Sinne des § 24 Abs 1 SGB X angehört (zur Erforderlichkeit einer solchen Anhörung im Rahmen des Prüfverfahrens nach § 28p SGB IV vgl Scheer, aaO, § 28p Rn 188 f). Der Umstand, dass die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 18. Juli 2014, die Äußerungsfrist bis zum 15. August 2014 zu verlängern, nicht reagiert, sondern am 4. August 2014 den streitgegenständlichen Ausgangsbescheid erlassen hat, führt letztlich nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides. Zwar ist schon zweifelhaft, ob die dem Kläger mit Schreiben vom 15. Mai 2014 gesetzte Frist, die bis zum 31. Mai 2014 lief, überhaupt angemessen lang bemessen war, da im Regelfall eine Frist von zwei Wochen zuzüglich der zu erwartenden Postlaufzeiten einzuräumen ist (vgl BSG, Urteil vom 23. August 2005, B 4 RA 29/04 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 25; BSG, Beschluss vom 12. Februar 2009, B 5 R 386/07 B, NZS 2009, 701 ff). Ein längeres Zuwarten – wie es hier auf Seiten der Beklagten zu beobachten ist, weil diese nach Verstreichen der Frist den Kläger zunächst mit weiterem Schreiben vom 10. Juli 2014 an die Rückäußerung erinnert hatte – nach Setzen einer unangemessen kurzen ursprünglichen Anhörungsfrist heilt den Anhörungsmangel grundsätzlich nicht (BSG, Urteil vom 6. August 1992, 8/5a RKnU 1/87, BSGE 71, 104 ff). Auch dürfte die Beklagte verpflichtet gewesen sein, dem klägerischen Fristverlängerungsantrag vom 18. Juli 2014 zu entsprechen (vgl zu einem ähnlich gelagerten Fall: BSG, Urteil vom 5. Oktober 1995, 2 RU 11/94, zitiert nach juris, s. dort Rn 20 f) und wäre demnach daran gehindert gewesen, ihre Entscheidung bereits vor Ablauf der klägerseits begehrten Fristverlängerung zu treffen.

 

Dies führt indes nicht zu einer formellen Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beklagten wegen eines Anhörungsmangels, weil ein solcher Mangel jedenfalls nach § 41 Abs 2 SGB X geheilt worden ist. Für eine Nachholung einer unterbliebenen Anhörung gemäß § 41 Nr 3 SGB X im Widerspruchsverfahren ist erforderlich, dass der Adressat des Verwaltungsakts der Begründung desselben entnehmen kann, welche Tatsachen entscheidungserheblich sind, wenn er durch die Rechtsbehelfsbelehrung auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen wurde und wenn sein Vorbringen im Widerspruchsbescheid auch gewürdigt wird (Schneider-Danwitz, in jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 41 Rn 31; vgl auch BSG, Urteil vom 30. April 1997, 12 RK 34/96, zitiert nach juris, s. dort Rn 14). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere hat sich der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 15. August 2014 umfangreich zu den für die Prüfentscheidung (und aus dem Ausgangsbescheid auch ersichtlichen) maßgeblichen Umständen geäußert und die Beklagte hat sich im streitbefangenen Widerspruchsbescheid ausdrücklich mit diesen Einwendungen auseinandergesetzt.

 

c)

Hinsichtlich der Anforderungen an die materielle Rechtmäßigkeit von Prüfbescheiden enthält die Rechtsgrundlage für den Erlass solcher Bescheide, § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV, keine inhaltlichen Bestimmungen. Nach dem 1. Halbsatz der Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und im Recht der Arbeitsförderung besteht nach § 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und § 25 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für Personen, die gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) beschäftigt sind. Da die Entgeltlichkeit der von dem Beigeladenen zu 1. für den Kläger ausgeübten Tätigkeit hier weder einem Zweifel unterliegt noch in Streit steht, ist allein zu prüfen, ob zwischen den genannten Auftragsparteien ein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vorgelegen hat.

 

Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV). Diese gesetzlichen Kautelen sind durch die Rechtsprechung weiter ausdifferenziert worden: Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur „dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein (dazu BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, Breith 2002, 474 ff). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben und in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urteil vom 19. Juni 2001, B 12 KR 44/00 R, NZS 2002, 199 ff). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 KR 25/10 R, BSGE 111, 257 ff). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen. Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Denn ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung regelmäßig nicht wesentlich bestimmen (BSG, Beschluss vom 16. August 2010, B 12 KR 100/09 B, zitiert nach juris). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 10/14 R, Breith 2016, 903 ff; Urteil vom 25. April 2012, B 12 KR 24/10 R, SGb 2013, 364 ff).

 

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich zudem aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – form-lose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, NZS 1995, 373 ff). Die tatsächlichen Verhältnisse geben den Ausschlag, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (vgl BSG, Urteil vom 4. Juni 1998, B 12 KR 5/97 R, Breith 1999, 363 ff; Urteil vom 10. August 2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, NZS 2007, 648 ff).

 

Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als nichtselbständige Arbeit nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert nach der Rechtsprechung des BSG eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw selbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, dh für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht (ebenso die Behörde) insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016, L 5 R 606/14, zitiert nach juris). Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb – der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend – voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (so BSG, Urteil vom 25. April 2012, B 12 KR 24/10 R, aaO). Diese Abwägung ist gerichtlich voll kontrollierbar.

 

Gemessen an diesen Maßstäben trifft die Wertung des Sozialgerichts, wonach die für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. bei dem Kläger sprechenden Umstände überwiegen und deshalb von dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses auszugehen ist, zu. Mangels Vorliegens irgendwelcher zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. geschlossener schriftlicher Vereinbarungen im Hinblick auf die streitbefangenen Tätigkeiten muss zur statusrechtlichen Bewertung derselben auf die tatsächlichen Gegebenheiten abgestellt werden, unter denen sie ausgeübt worden sind – so wie sich diese aus den Einlassungen der Parteien des Auftragsverhältnisses darstellen.

 

Für eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb des Klägers spricht zuvorderst, dass dieser einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung des Betriebszwecks des Klägers unter nahezu ausschließlicher Nutzung von im Eigentum des Klägers stehender Betriebsmittel erbracht hat. Bei dem hier interessierenden Betrieb des Klägers handelt es sich um einen durchaus groß dimensionierten Reitstall, der den Kunden nicht nur 150 Boxen zum Einstellen ihrer Pferde bot, sondern darüber hinaus eine Reithalle, einen Reitparcours, Weideflächen und nicht zuletzt ein zum Betrieb gehörendes Restaurant. Der Primärzweck des Betriebes besteht indes darin, die Tiere der Kunden des Klägers sicher und unter hygienischen Bedingungen unterzubringen und dabei die regelmäßige – richtige – Fütterung der Pferde zu gewährleisten. Dass die Erfüllung genau dieser Kardinalaufgaben, zu denen sich der Kläger gegenüber seinen Kunden (den Pferdehaltern) verpflichtet hatte, sichergestellt war, oblag dem Beigeladenen zu 1. und den mit ihm im Betrieb des Klägers tätigen weiteren polnischen Hilfskräften. Schon aus diesem Umstand wird die bestimmungsgemäße Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in die betrieblichen Abläufe bzw die Arbeitsorganisation des Reitstalls deutlich: Der Beigeladene zu 1. hat durch seine Fütterungs-, Ausmist- und Reparaturtätigkeiten nicht primär eine eigene – auf die Verfolgung eigener Vergütungsinteressen gerichtete und auf eigenem persönlichen, kreativen Einsatz beruhende – Erwerbstätigkeit ausgeübt, sondern dabei mitgetan, den Betriebszweck des Auftraggebers/Klägers zu erfüllen. Dies indiziert nach Einschätzung des Senats eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in einen fremden Betrieb – nämlich den des Klägers, der nur durch die Unterstützung der polnischen Hilfskräfte die gegenüber den Pferdehaltern übernommenen vertraglichen Verpflichtungen hat erfüllen können.

 

Daneben lag im streitgegenständlichen Zeitraum auch eine Weisungsbefugnis des Klägers gegenüber dem Beigeladenen zu 1. vor. Dabei ist zu konzedieren, dass der Kläger dem Beigeladenen zu 1. keine detaillierten, auf einen einzelnen Fütterungs- oder Ausmistvorgang bezogene Weisungen zum konkreten Vorgehen im Einzelfall erteilt haben wird. Dies ist indes für die Annahme einer Weisungsbefugnis im Rechtssinne auch nicht erforderlich. Handelt es sich – wie hier – um einfache Tätigkeiten, genügt für eine Weisungsgebundenheit des Auftragnehmers, dass es zur ordnungsgemäßen Arbeitserbringung lediglich einer einmaligen Einweisung bedarf und keinen sich anschließenden weiteren Einzelweisungen des Auftraggebers (vgl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015, L 11 R 5195/13, zitiert nach juris, s. dort Rn 30). Im Übrigen hat der Kläger hinsichtlich bestimmter betrieblicher Gegebenheiten auch nach eigenen Angaben stets sein Direktionsrecht gegenüber dem Beigeladenen zu 1. und den übrigen aus Polen stammenden Arbeitskräften ausgeübt; dies betrifft zum einen das Aushängen der sog Futtertafeln an den Einstellboxen der Pferde, mit welchen den für die Fütterung zuständigen Mitarbeitern vorgegeben wurde, welches Futter den jeweiligen Pferden in welchen zeitlichen Intervallen zu verabreichen war, und zum anderen die Erstellung und betriebsinterne Bekanntmachung der Weidepläne, mit denen die Hilfskräfte im Hinblick darauf, wann welches Pferd auf welche Weideflächen verbracht werden durfte, instruiert wurden. Sowohl im Aushängen der Futtertafeln als auch in der Bekanntmachung der Weidepläne manifestiert sich das dem Kläger gegenüber dem Beigeladenen zu 1. zustehende Weisungsrecht.

 

Es kommt hinzu, dass der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht zu Protokoll gegeben hat, dass er mit dem Erwerb des Reiterhofs auch das dortige „System der polnischen Reinigungskräfte“ übernommen habe. Ein solches System ist im Hinblick auf seine Funktionsfähigkeit aber denknotwendig darauf angewiesen, dass die in ihm funktionsgerecht eingesetzten werktätigen Personen dem Weisungsrecht des Prinzipals unterliegen. Dass ein einzelner Werktätiger den ihm übertragenen Auftrag innerhalb eines solchen – wirtschaftlich arbeitenden und deshalb möglichst effizient organisierten – Systems frei und nach eigenem Gutdünken ausübt, ist schlichtweg nicht vorstellbar. An dieser Stelle berühren sich die Elemente der Weisungsgebundenheit und der betrieblichen Eingliederung, stellt die von dem Kläger selbst vorgetragene Praktizierung eines (rationellen) Reinigungssystems in seinem Betrieb doch auch ein gewichtiges Indiz für die Eingliederung der Reinigungskräfte in die betriebliche Arbeitsorganisation dar. Schließlich ist rechtlich erheblich, dass der Kläger stets betont hat, dass er den aus Polen stammenden Pferdepflegekräften nur wenige – punktuelle – Vorgaben gemacht hat, dass das von den polnischen Arbeitskräften gebildete System ansonsten in praxi aber weitgehend autonom funktionierte, so dass die Vertragsparteien insbesondere keinen Anlass dafür sahen, schriftliche (Arbeits-) Verträge abzuschließen, in denen die von den Fütterungs- und Reinigungskräften übernommenen Pflichten etwa näher konkretisiert worden wären. Ist ein Auftrag derart unbestimmt, dass dadurch die Erteilung konkretisierender Weisungen erforderlich wird (wie hier jedenfalls im Hinblick auf das jeweilige Pferdefutter und die jeweiligen Weidezeiten), indiziert das eine Weisungsgebundenheit des Auftragnehmers (Sächsisches LSG, Beschluss vom 12. Februar 2018, L 9 KR 496/17 B ER, zitiert nach juris).

 

Damit sind hier die vom Gesetz explizit genannten Hauptkriterien für das Vorliegen einer Beschäftigung – Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und Weisungsunterworfenheit des Auftragnehmers – im Hinblick auf den Beigeladenen zu 1. und seine Tätigkeit zur regelmäßigen Reinigung der Pferdeboxen, zur regelmäßigen Fütterung der Pferde und zur Reparatur etwa entstehender Schäden an den Außenanlagen des Reitbetriebs erfüllt. Diese Eingliederung und Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1. entfällt auch nicht dadurch wieder, dass dieser darin frei war, sich die von ihm zu erledigenden Arbeiten über den Arbeitstag hinweg betrachtet zeitlich nach eigenem Gutdünken einzuteilen. Denn trotz dieser im Hinblick auf die Arbeitszeiteinteilung gegebenen Freiheit war der Beigeladene zu 1. doch in das von dem Kläger verantwortete Fütterungs- und Reinigungssystem eingebunden und unterlag – neben der im Auftragsverhältnis bestehenden generellen Weisungsbefugnis, von der der Kläger aufgrund der Art der in Rede stehenden Tätigkeiten keinen Gebrauch machen musste – zudem den Weisungen des Klägers im Hinblick auf das den jeweiligen Pferden zu gebende Futter und den den jeweiligen Pferden zustehenden Weidezeiten. Dass es den Pferdehaltern daneben freistand, mit dem Beigeladenen zu 1. nähere Vereinbarungen über das zu verabreichende Futter oder darüber zu treffen, dass anstelle der Pferdehalter der Beigeladene zu 1. die Pferde auf die Weide und wieder zurück in den Stall führte, berührt das hier sozialversicherungsrechtlich zu beurteilende Auftragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. zudem nicht.

 

Dass nach den vorstehenden Ausführungen sowohl eine Weisungsunterworfenheit des Beigeladenen zu 1. gegenüber dem Kläger als auch die Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in die Arbeitsorganisation des Betriebs des Klägers im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV zu bejahen sind, macht ein näheres Eingehen auf die von dem Kläger im Berufungsverfahren aufgeworfene (und auch von dem Sozialgericht in seinem angefochtenen Urteil prominent behandelte) Rechtsfrage, ob das Auftragsverhältnis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und dem Kläger als Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff BGB oder aber als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB zu qualifizieren sei, obsolet. Hier geht es nicht um die zivilrechtlich korrekte Einordnung des Auftragsverhältnisses, sondern um dessen sozialversicherungsrechtliche Qualifizierung. Nach letzterer ist – wie dargelegt – von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV auszugehen.

 

Gegen ein selbständiges Auftragsverhältnis – und mithin für eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV – spricht auch die geringe Vergütungshöhe von 6,40 bzw 6,50 EUR/Stunde. Von einem solch niedrigen Stundenlohn lassen sich die typischerweise von Selbständigen zu tragenden Steuer-, Versicherungs- und Vorsorgelasten nicht bestreiten. Selbst wenn insoweit nicht die dafür in Deutschland üblichen Aufwendungen zugrunde gelegt würden, sondern – dem Kläger folgend – die mutmaßlich niedrigeren üblichen Aufwendungen, die für Steuer- und Vorsorgelasten in Polen zu tätigen sein mögen, änderte dies an der rechtlichen Bewertung nichts. Denn nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt selbst eine überdurchschnittlich hohe Stundenvergütung kein für eine Selbständigkeit sprechendes Indiz mehr dar. In seinem Urteil vom 7. Juni 2019 (B 12 R 6/18 R, SGb 2020, 115 ff) hat das BSG dazu ausgeführt:

 

„Diese Einschränkung der indiziellen Bedeutung der Honorarhöhe ergibt sich daraus, dass die Sozialversicherung auch dem Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungssystemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften verpflichtet ist. Den Beteiligten steht keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinbarung eines Zuschlages zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht "freikaufen" kann.“

 

Der Vergütungshöhe kommt danach kein für eine maßgebliche Beeinflussung der sozialversicherungsrechtlichen Abwägungsentscheidung erforderliches Gewicht mehr zu. Die von dem Kläger geltend gemachten vermeintlichen europarechtlichen Implikationen der diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts in seinem angefochtenen Urteil sind daher von vornherein rechtlich unerheblich.

 

Auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. sich – wie auch die anderen, auf dem Reiterhof des Klägers beschäftigten polnischen Arbeitskräfte – die zur Tätigkeitsausübung erforderliche Arbeitskleidung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, führt nicht zur Qualifizierung der in Rede stehenden Arbeiten als selbständige Tätigkeit. Insbesondere begründet die Anschaffung und Vorhaltung von kleineren und nicht übermäßig teuren Arbeitsmitteln wie Gummistiefeln und Schutzkleidung kein unternehmerisches Risiko auf Seiten des Beigeladenen zu 1., das im Falle seines Vorliegens ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit darstellt (Urteil des Senats vom 27. Juli 2021, L 10 KR 205/17, zitiert nach juris, s. dort Rn 73; vgl zum fehlenden Unternehmerrisiko bei Anschaffung und Nutzung von Kleinwerkzeug durch Auftragnehmer auch: Sächsisches LSG, Urteil vom 24. September 2019, L 9 KR 193/14; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2018, L 11 R 609/17; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1. November 2017, L 2 R 227/17; Hessisches LSG, Beschluss vom 8. November 2016, L 1 KR 386/16 B ER, alle zitiert nach juris). Der Annahme eines unternehmerischen Risikos auf Seiten des Beigeladenen zu 1. steht auch entgegen, dass dieser kein Kapitalrisiko getragen hat. Ein Unternehmerrisiko trifft den Auftragnehmer nicht schon dann, wenn bei Arbeitsmangel keine Vergütung erzielt wird, sondern es ist vielmehr zusätzlich erforderlich, dass Kosten für betriebliche Investitionen brachliegen oder betriebsbedingte Fixkosten fortlaufen (Sächsisches LSG, Beschluss vom 12. Februar 2018, L 9 KR 496/17 B ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2014, L 11 R 2387/13, beide zitiert nach juris). Ein solches Kapitalrisiko bestand für den Beigeladenen zu 1. hinsichtlich des Auftragsverhältnisses mit dem Kläger nicht.

 

Der Beigeladene zu 1. hat zur Gewinnerzielung vielmehr – wie ein Arbeitnehmer – im wesentlichen nur seine eigene Arbeitskraft eingesetzt. Da auch in betriebsmittelarmen Branchen grundsätzlich eine selbständige Tätigkeit ausgeübt werden kann, bedeutet das alleinige Einsetzen der eigenen Arbeitskraft zur Gewinnerzielung freilich noch nicht zwingend, dass eine abhängige Beschäftigung gegeben ist. Allerdings ist dann für die Annahme einer Selbständigkeit zu fordern, dass dem Auftragnehmer eine im Vergleich zu Arbeitnehmern größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft zukommt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015, L 11 R 5195/13, zitiert nach juris). Derartige Freiheiten sind hier auf Seiten des Beigeladenen zu 1. nicht auszumachen, insbesondere weil er nahezu ausschließlich fremde Betriebsmittel nutzte und in das von dem Kläger verantwortete und auf seinem Reiterhof praktizierte Fütterungs- und Reinhaltungssystem eingegliedert war.

 

Schließlich stellt auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. im streitbefangenen Zeitraum für mehrere Auftraggeber tätig war, kein Merkmal dar, das für eine Qualifizierung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. im Auftrag des Klägers als die eines selbständigen (Sub-) Unternehmers spricht. Das Tätigwerden für eine Mehrzahl von verschiedenen Auftraggebern entfaltet für sich genommen keine indizielle Wirkung für die Annahme einer selbständigen Beschäftigung. Eine solche Indizwirkung vermag das Aufrechterhalten von Geschäftsbeziehungen zu mehreren Auftraggebern nur unter der weiteren Voraussetzung zu entfalten, dass weitere typische Merkmale einer selbständigen Tätigkeit vorliegen, insbesondere ein werbendes Auftreten des Auftragnehmers am Markt, das in seiner Qualität und seinem Umfang über die Werbemaßnahmen hinausgeht, die heutzutage auch nach einer neuen Anstellung suchende Arbeitnehmer entfalten (Sächsisches LSG, Urteil vom 24. September 2019, L 9 KR 193/14, aaO; LSG Niedersachsen-Bremen, aaO). Der Beigeladene zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht indes ausdrücklich erklärt, dass er eine über bloße Mund-zu-Mund-Propaganda hinausgehende Eigenwerbung für seine Tätigkeit als Pferdepfleger nicht betrieben hat. Dies spricht indiziell sogar für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zum Kläger (vgl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2018, L 11 R 609/17, aaO).

 

Nach alledem war der Beigeladene zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigter dem Grunde nach versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Da der Kläger die angegriffene Beitragsforderung der Höhe nach nicht beanstandet hat und Fehler insoweit nicht (mehr) ersichtlich sind, erübrigen sich nähere Ausführungen dazu. 

 

3.

Die mit der Anfechtungsklage kombinierte Feststellungsklage hat das Sozialgericht zwar im Ergebnis, nicht aber mit zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Denn diese Klage war mangels Feststellungsinteresses (§ 55 Abs 1 SGG) bereits unzulässig. Zwar handelt es sich bei der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage um die richtige Klageart, wenn sich der Bescheidadressat gegen einen auf Grundlage des § 7a Abs 2 SGB IV ergangenen Statusfeststellungsbescheid wendet (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. August 2017, L 8 R 962/15, zitiert nach juris). Der Adressat eines Statusfeststellungsbescheides ist darauf angewiesen, neben der Aufhebung des Bescheides die Feststellung zu beantragen, dass der vermeintlich Beschäftigte nicht der Versicherungspflicht aus einem Beschäftigungsverhältnis unterliege, weil nur ein entsprechender gerichtlicher Feststellungstenor sicherstellt, dass aufgrund des streitbefangenen Auftragsverhältnisses nicht im Rahmen einer Entscheidung nach einer Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs 1 SGB IV nachgehend eine Versicherungspflicht festgestellt wird (Urteil des 5. Senats am LSG Schleswig-Holstein vom 15. Juni 2020, L 5 KR 16/17, zitiert nach juris; Pietrek, in juris-PK SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7a Rn 158). Daraus folgt bei einer Klage gegen einen auf Grundlage des § 7a Abs 2 SGB IV erlassenen Statusbescheid das Feststellungsinteresse für die (kombinierte) Feststellungsklage. Die Gefahr einer divergierenden Statusentscheidung besteht bei Erlass einer Statusfeststellungsentscheidung im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p SGB IV indes nicht, weil einer solchen Entscheidung zur Versicherungspflicht Vorrang gegenüber einer im Anfrageverfahren ergangenen Entscheidung zukommt (§ 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV; vgl auch BSG, Urteil vom 4. September 2018, B 12 KR 11/17 R, BSGE 126, 235 ff). Dementsprechend ist für Rechtsschutz gegen einen Prüfbescheid nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV die reine Anfechtungsklage die richtige Klageart (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2018, L 10 BA 537/18, zitiert nach juris, s. dort Rn 18; Urteil vom 23. November 2011, L 5 R 5703/09, zitiert nach juris, s. dort Rn 60). Die Feststellungsklage des Klägers wäre mithin bereits als unzulässig abzuweisen gewesen.

 

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Überwälzung der Kosten der Beigeladenen auf den Kläger entspricht nicht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs 3 VwGO, weil die Beigeladenen im Verfahren keine eigenen Anträge gestellt und das Verfahren auch nicht wesentlich befördert haben.

 

III.

Gründe, die nach § 160 Abs 2 SGG die Zulassung der Revision erforderten, liegen nicht vor (wobei der entsprechende Tenor vom Senat auch verkündet, später aber versehentlich nicht in das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2022 mit aufgenommen worden ist).

 

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die wertmäßige Bedeutung des vorliegenden Rechtsstreits beläuft sich für den Kläger auf die Höhe der von der Beklagten im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2012 nachgeforderten Beiträgen.             

Rechtskraft
Aus
Saved