L 10 KR 82/20

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 19 KR 1259/18
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 KR 82/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1.
Ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V setzt neben dem Vorliegen einer medizinisch unaufschiebbaren Leistung voraus, dass die KK nicht in der Lage gewesen ist, die Leistung rechtzeitig zu erbringen. Ein solches erstattungsanspruchsauslösendes Unvermögen der KK hat seinerseits zur Voraussetzung, dass der Versicherte alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan hat, um die fragliche Leistung im Rahmen des GKV-Versorgungsweges - rechtzeitig - zu erhalten.

2.
Die den Versicherten insoweit treffende Obliegenheit erfordert im Falle einer - ggf. auch nur vermeintlich - besonders dringlichen Behandlung, dass der Versicherte die KK auf diese zeitliche Dringlichkeit hinweist.

3.
Ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V erfordert eine Kausalität zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung durch die KK und der Entstehung einer Kostenlast auf Seiten des Versicherten. An dieser Kausalität fehlt es regelmäßig, wenn der Versicherte die Ausgangsentscheidung der KK nicht abwartet, bevor er sich die Leistung selbst beschafft. Dies gilt insbesondere dann, wenn die KK innerhalb der gesetzlichen Fristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V entscheidet.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 25. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

 

I.

Der Kläger begehrt die Erstattung von für die Durchführung einer Upright-Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes und der Halswirbelsäule in einer privatärztlichen Praxis entstandenen Kosten in Höhe von 1.343,97 EUR.

 

Der _________1967 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet unter einem Morbus Bechterew und stellte am 30. November 2017 bei der Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme für eine MRT-Untersuchung seines Kopfes und Halsbereiches. In diesem Zusammenhang reichte er Kostenvoranschläge einer Dr. med S___ E____ als Inhaberin der Privatpraxis für Kernspintomographie in Hamburg und einen Überweisungsschein seines behandelnden Hausarztes Dr. med U__ K___ ein, wonach bei dem Kläger eine Upright-MRT aufgrund von Nacken- und Rückenschmerzen und des Morbus Bechterew notwendig sei. Bei einer solchen Upright-MRT werden die Untersuchungen – anders als bei einer herkömmlichen MRT– in aufrechter Körperposition, im Stehen oder Sitzen unter natürlicher Gewichtsbelastung durchgeführt.

 

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2017 informierte die Beklagte den Kläger über die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). Dieser kam in dem sozialmedizinischen Kurzgutachten vom 20. Dezember 2017 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt seien.

 

Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die beantragte Untersuchung mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht erfüllt seien, da die Privatpraxis der Frau Dr. E___ keine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Abrechnung vorweisen könne und die Geräte nicht den Anforderungen der Kernspintomographie-Vereinbarung entsprächen.

 

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger mit Schreiben vom 29. Dezember 2017 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass die ablehnende Entscheidung für ihn unverständlich sei, da die Beklagte die Kosten der Untersuchungen in dieser Praxis in der Vergangenheit bereits zweimal übernommen habe. Im Übrigen könne er aufgrund seines Morbus Bechterew und der dadurch bedingten starken Verkrümmung der Wirbelsäule keine konventionellen MRT-Geräte nutzen.

 

Daraufhin schaltete die Beklagte erneut den MDK ein, der in seinem sozialmedizinischen Kurzgutachten vom 18. Juli 2018 und der sozialmedizinischen Fallberatung vom 3. August 2018 wiederum zu dem Ergebnis kam, dass die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt seien.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter Verweis auf die Ausführungen des MDK aus, dass eine Leistungspflicht der Beklagten für eine Upright-MRT nur bestehe, wenn sie von einem Vertragsarzt durchgeführt werde, die Anforderungen der Kernspintomographie-Verordnung erfüllt seien und eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung vorliege. Diese Voraussetzungen erfülle die vom Kläger ausgewählte Praxis nicht, insbesondere handele es sich bei den dort tätigen Ärzten nicht um Vertragsärzte.

 

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 12. November 2018 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben und seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Ergänzend hat er vorgetragen, dass bereits am 7. und 8. Dezember 2017 in der Privatpraxis der Frau Dr. E___ MRT-Untersuchungen durchgeführt worden seien und reichte entsprechende Rechnungen über Behandlungskosten in einer Gesamthöhe von 1.343,97 EUR zur Akte. Zudem habe ihm die Beklagte keinen zugelassenen Leistungserbringer benennen können. Im Übrigen habe er die Genehmigung der Krankenkasse infolge eines akuten Tumorverdachts nicht abwarten können.

 

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt,

 

den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23. Oktober 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für zwei Upright-MRT-Unter-suchungen am 7. und 8. Dezember 2017 in Höhe von 709,30 Euro und 634,67 EUR zu erstatten.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

                     die Klage abzuweisen.

 

Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten und ergänzend darauf hingewiesen, dass der vorgeschriebene Beschaffungsweg nicht eingehalten worden sei. Auch die in der Vergangenheit erfolgten Genehmigungen führten zu keinem anderen Ergebnis, da diese zu Unrecht erfolgt seien und sich daraus insofern kein Anspruch ergeben könne.

 

Mit Urteil vom 25. Februar 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der von dem Kläger gegenüber der Beklagten verfolgte Kostenerstattungsanspruch finde im Gesetz keine Stütze und folge insbesondere nicht aus § 13 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Ein Anspruch auf Grundlage des § 13 Abs 3 Satz 1 1. Alt SGB V scheitere daran, dass es sich bei den durchgeführten MRT-Untersuchungen nicht um unaufschiebbare Leistungen gehandelt habe. Weder sei eine besondere Dringlichkeit der Behandlungen aus den aktenkundigen Befundunterlagen ersichtlich, noch hätten die den Kläger behandelnden Ärzte zu irgendeinem Zeitpunkt erklärt, dass die Untersuchungen keinen Aufschub mehr duldeten. Auch habe der Kläger die Beklagte bei Antragstellung nicht auf eine medizinische Dringlichkeit der diagnostischen Maßnahmen hingewiesen; auch einen Hinweis darauf, dass die Untersuchungstermine bereits für den 7. und 8. Dezember 2017 vereinbart gewesen seien, habe er unterlassen. Ein Erstattungsanspruch folge auch nicht aus § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB V, weil es an der Kausalität zwischen der Ablehnung des Leistungsantrags durch die Beklagte und der Entstehung der Kostenlast auf Seiten des Klägers mangele. Denn der Kläger habe nicht die – am 21. Dezember 2017 erfolgte – Entscheidung der Beklagten über seinen am 30. November 2017 gestellten Antrag abgewartet, sondern sich die magnetresonanztomographischen Untersuchungen bereits am 7. und 8. Dezember 2017 selbst beschafft. An dieser Wertung ändere sich nichts durch den klägerischen Vortrag, wonach die Beklagte ihm keinen zugelassenen Leistungserbringer habe benennen können, der die verordneten Untersuchungen angeboten hätte. Denn tatsächlich habe sich der Kläger gar nicht bei der Beklagten nach vertragsärztlichen Untersuchungsmöglichkeiten erkundigt. Vielmehr sei er offenbar bereits im Zeitpunkt der Leistungsbeantragung entschlossen gewesen, die Untersuchungen in der Privatpraxis der Dr. E___ durchführen zu lassen. Auch diese Vorfestlegung stehe einem Kostenerstattungsanspruch entgegen. Schließlich folge ein Erstattungsanspruch nicht aus § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V, denn im Falle einer dort geregelten Notfallbehandlung entstehe allein ein ärztlicher Vergütungsanspruch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung.

 

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16. April 2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. April 2020 für den Kläger zum Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhobene Berufung.

 

Zur Begründung der Berufung führt der Kläger aus, dass es sich bei den Upright-MRT-Untersuchungen sehr wohl um unaufschiebbare Leistungen gehandelt habe, die aus medizinischer Sicht keinen nennenswerten Aufschub mehr zugelassen hätten. Denn es habe den Untersuchungen wegen unklarer Cephalgien der Verdacht einer inkraniellen Raumforderung aufgrund eines Gehirntumors zugrunde gelegen. In diesem Zusammenhang legt der Kläger eine entsprechende Bescheinigung des verordnenden Internisten Dr. K___ vom 21. April 2020 vor. Dass sich die medizinische Dringlichkeit nicht aus der ursprünglichen Verordnung habe ersehen lassen, dürfe ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. An die Privatpraxis der Dr. E___ habe er sich gewandt, weil ortsnahe vertragsärztliche Leistungserbringer nicht zur Verfügung gestanden hätten. Insoweit verweist der Kläger auf von ihm vorgelegte Schreiben dreier radiologischer bzw Röntgenpraxen aus Hamburg, in denen diese darlegen, dass MRT-Untersuchungen bei ihnen im Jahre 2017 in Röhren-Tomographen durchgeführt worden seien. Diese habe er wegen des bei ihm gegebenen Morbus Bechterew jedoch nicht nutzen können. Dass vertragsärztliche Leistungserbringer die für ihn allein geeignete Form von MRT-Unter-suchungen in nicht liegender Position im wohnortnahen Umfeld nicht anbieten würden, sei ihm selbst und auch der Beklagten bekannt gewesen. Deshalb habe die Beklagte im Jahre 2016 bereits zweimal die Kosten für in der Praxis der Dr. E___ durchgeführte Untersuchungen des Klägers in dem dortigen Upright-MRT übernommen.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 25. Februar 2020 sowie den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kosten in Höhe von insgesamt 1.343,97 EUR für die Durchführung der Upright-MRT-Unter-suchungen am 7. und 8. Dezember 2017 zu erstatten.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                     die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Begründung dieses Antrags verweist sie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, das sie für zutreffend hält.

 

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben des Berichterstatters vom 15. November 2021 darauf hingewiesen, dass und weshalb die Berufung nicht erfolgreich sein können dürfte. Zugleich ist in dem Schreiben erklärt worden, dass im Falle der Aufrechterhaltung der Berufung beabsichtigt sei, die Berufung im Beschlusswege zurückzuweisen.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte, die dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.

 

 

 

 

 

 

II.

 

1.

Die Berufung ist zwar zulässig – insbesondere ist sie form- und fristgerecht im Sinne des § 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden –, sie ist jedoch unbegründet. Da dies die einstimmige Ansicht der Berufsrichter des Senats darstellt, ist dieser nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG befugt, die Berufung im Beschlusswege zurückzuweisen. Von dieser Möglichkeit macht der Senat nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch, weil der Rechtsstreit weder im Tatsächlichen noch im Rechtlichen eine besondere Komplexität aufweist; vielmehr ist der Sachverhalt hinreichend geklärt und die Rechtslage eindeutig, weshalb eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Der Kläger ist zudem mit Schreiben des Berichterstatters vom 15. November 2021 gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG darauf hingewiesen worden, dass in Aussicht genommen war, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Weil der Senat den zurückweisenden Beschluss ohne mündliche Verhandlung (vgl zur Zulässigkeit §§ 133 Satz 2, 142 Abs 1 SGG) trifft, wirken ehrenamtliche Richter an der Beschlussfassung nicht mit (§ 12 Abs 1 Satz 2 SGG).

 

2.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der ihm – dem Kläger – durch die Inanspruchnahme der Untersuchungen mittels Upright-MRT in der Privatpraxis der Dr. Ebert am 7. und 8. Dezember 2017 entstandenen Kosten zu.

 

Insbesondere folgt ein solcher Kostenerstattungsanspruch nicht aus § 13 Abs 3 Satz 1 1. Alt SGB V, auf den der Kläger den von ihm verfolgten Anspruch im Rahmen des Berufungsverfahrens erkennbar nur noch stützt. Danach hat die Krankenkasse einem Versicherten die Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, wenn diese Kosten dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte, und wenn bzw soweit die Leistung notwendig war.

 

Hier erscheint bereits das Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne des Gesetzes äußerst zweifelhaft. Eine Leistung ist unaufschiebbar im Sinne des § 13 Abs 3 Satz 1 1. Alt SGB V, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischen Gründen keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand, wobei auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung unaufschiebbar werden kann, wenn mit der Ausführung so lange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreichbar ist (vgl zu alledem BSG, Urteil vom 8. September 2015, B 1 KR 14/14 R, zitiert nach juris, s dort Rn 15). Die bei dem Kläger am 7. und 8. Dezember 2017 durchgeführten Magnetresonanztomopraphien erscheinen als diagnostische Maßnahmen (im Sinne einer Krankenbehandlung zum Zwecke der Erkennung einer Krankheit gemäß § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V), denen gesundheitliche Beeinträchtigungen zugrundelagen, die keine derartige Schwere aufwiesen, dass die Untersuchungen keinen Aufschub bis zum Abschluss des mit dem Leistungsantrag des Klägers vom 30. November 2017 in Gang gesetzten Verwaltungsverfahrens duldeten. Denn ausweislich der Verordnung der Internisten Dres. med K­­­___, W____ und J____ vom 29. November 2017 erfolgte die MRT-Untersuchung wegen der (Verdachts-) Diagnosen Kopf-, Halswirbelsäulen- und Schulter-Nacken-Schmerzen. Ein Verdacht auf das Bestehen eines Hirntumors wird in der Verordnung gerade nicht benannt. Zwar hat Dr. K___ mit der im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigung vom 21. April 2020
– erstmalig – erklärt, dass die MRT-Untersuchung dem Ausschluss einer durch einen Tumor hervorgerufenen intrakraniellen Raumforderung zu dienen bestimmt gewesen sei. Dies erscheint dem Senat indes unglaubhaft. Denn wäre dem so gewesen, hätte nichts näher gelegen, als dass der Kläger bereits im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom

21. Dezember 2017 auf die Verdachtsdiagnose eines Gehirntumors hingewiesen hätte. Stattdessen hat der Kläger seinen Widerspruch ausschließlich damit begründet, dass die Beklagte in der Vergangenheit bereits zweimal die Kosten von in der Privatpraxis der Dr. E____ durchgeführten Upright-MRT-Untersuchungen übernommen habe und dass er – der Kläger – aufgrund der durch die Morbus Bechterew-Erkrankung hervorgerufenen Wirbelsäulenverkrümmung auf die Durchführung von MRT-Untersuchungen in aufrechter bzw sitzender Position angewiesen sei. Erstmals hat der Kläger im Klagverfahren vor dem Sozialgericht vorgebracht, dass er die Entscheidung der Beklagten nicht habe abwarten können, weil ein akuter Tumorverdacht bestanden habe. Gleichwohl hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren kein diesbezügliches Attest des verordnenden Arztes beigebracht – obgleich dies wiederum nahe gelegen hätte. Erstmals im Berufungsverfahren ist die vom 21. April 2020 datierende Bescheinigung des Dr. K___ als Anlage zu der klägerischen Berufungsbegründung vorgelegt worden – nachdem das Sozialgericht in seinem angefochtenen Urteil festgestellt hatte, dass sich ärztliche Unterlagen, aus denen sich eine besondere Dringlichkeit der streitbefangenen Diagnosemaßnahmen ersehen ließen, nicht bei den Akten befänden. Angesichts dieses Verlaufs des Vor-, Klage- und Berufungsverfahrens sowie des im Zuge dieser Verfahren zutage getretenen Verhaltens des Klägers kann der nunmehr vorgelegten Bescheinigung des Dr. K___ nach Ansicht des Senats kein überzeugender Aussagegehalt beigemessen werden.

 

Letztlich kann aber auch dahinstehen, ob es sich bei den fraglichen MRT-Untersuchungen um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt hat. Denn jedenfalls mangelt es vorliegend an einem Unvermögen zur rechtzeitigen Leistungserbringung im Sinne des § 13 Abs 3 Satz 1 1. Alt SGB V auf Seiten der Beklagten. Ein erstattungsanspruchsauslösendes Unvermögen einer Krankenkasse zur rechtzeitigen Leistung setzt voraus, dass der Versicherte seinerseits alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan hat, um die fragliche Leistung im Rahmen des GKV-Versorgungsweges zu erhalten (Noftz, in Hauck/Noftz, SGB V, Werksstand: 11. Ergänzungslieferung 2021, § 13 Rn 50). Diese Pflicht reicht so weit, dass einen Versicherten in dem Fall, dass er unsicher darüber ist, ob ein Vertragsarzt vorhanden ist, der die erforderliche Behandlung anbietet, die Obliegenheit trifft, sich bei seiner Kasse nach einem zur Verfügung stehenden zugelassenen Leistungserbringer zu erkundigen (Noftz, aaO, § 13 Rn 50a, unter Verweis auf BSG, Urteil vom 24. September 1996, 1 RK 33/95, NJW 1997, 1661 f).

 

Dass der Kläger hier alles ihm Zumutbare getan hat, um eine raschere Entscheidung der Beklagten zu erhalten (wobei die Entscheidung der Beklagten über den Antrag vom 30. November 2017 bereits zeitnah – nämlich am 21. Dezember 2017 und mithin deutlich vor Ablauf der gesetzlichen Entscheidungsfrist von fünf Wochen nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V – erfolgt ist), ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger gegenüber der Beklagten eine besondere Dringlichkeit seines Begehrens zu keinem Zeitpunkt deutlich gemacht. Gerade in Reaktion auf das Mitteilungsschreiben der Beklagten vom 5. Dezember 2017, mit dem diese über die Beauftragung des MDK informierte, wäre vor dem Hintergrund, dass der Kläger offenbar bereits Termine in der Privatpraxis für den 7. und 8. Dezember 2017 vereinbart hatte, eine unverzügliche Kontaktaufnahme zu der Beklagten und ein Hinweis auf die unmittelbar bevorstehende Inanspruchnahme der MRT-Diagnostik zu erwarten gewesen (vgl zum Erfordernis eines Hinweises auf eine medizinische Dringlichkeit durch den Versicherten im Rahmen des § 13 Abs 3 Satz 1 1. Alt SGB V auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2016, L 11 KR 3930/15, zitiert nach juris, s dort Rn 26). Dass der Kläger einen entsprechenden Hinweis sowie einen Verweis gegenüber der Beklagten über die – angebliche – besondere Dringlichkeit der Durchführung der MRT-Untersuchung unterließ, geht aufgrund des im Rahmen des § 13 Abs 3 Satz 1 1. Alt SGB V für den Versicherten geltenden Erfordernisses, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um die Leistung rechtzeitig – und mithin innerhalb des GKV-Versorgungssystems – zu erhalten, zu seinen Lasten.

 

Dass der Kläger den von ihm reklamierten Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB V herleiten könne, macht er im Berufungsverfahren – zu Recht – nicht mehr geltend. Zutreffend hat das Sozialgericht in seinem angefochtenen Urteil dargelegt, dass und weshalb ein solcher Anspruch nicht besteht. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB V besteht ein Anspruch des Versicherten auf Erstattung der für die Selbstbeschaffung einer notwendigen Leistung entstandenen Kosten, wenn die Krankenkasse die Erbringung der Leistung zuvor zu Unrecht abgelehnt und den Versicherten dadurch veranlasst hat, sich die Leistung selbst bzw auf eigene Kosten zu beschaffen. Die nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift erforderliche Kausalität zwischen der unrechtmäßigen Leistungsablehnung durch die Krankenkasse und der Selbstbeschaffung der Leistung durch den Versicherten (vgl dazu BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 ff, mwN) liegt hier ersichtlich nicht vor. Denn der Kläger hat sich die streitbefangenen ärztlichen Behandlungs-/Untersuchungsleistungen selbst beschafft, ohne die (tatsächlich zügig erfolgte) Entscheidung der Beklagten über seinen Leistungsantrag vom 30. November 2017 abzuwarten – und mithin ohne der Beklagten die Möglichkeit zu gewähren, über den Antrag befinden zu können (vgl exemplarisch zur grundsätzlichen Pflicht des Versicherten, die Entscheidung der Krankenkasse über einen Leistungsantrag abzuwarten: BSG, Beschluss vom 15. April 1997, 1 BK 31/96, NZS 1997, 569 f). Von der Pflicht, die Entscheidung der Beklagten vor einer Selbstbeschaffung der Leistung abzuwarten, war der Kläger hier auch nicht deshalb dispensiert, weil die Beklagte – den diesbezüglichen klägerischen Vortrag als wahr unterstellt – im Jahr 2016 bereits die Kosten für in der Privatpraxis der Dr. E___ durchgeführte MRT-Untersuchungen übernommen hatte. Bei der Vorbefassung der Krankenkasse, die deren Entscheidung über den Leistungsantrag umfasst, handelt es sich um ein zwingendes Tatbestandsmerkmal für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V. Daher entfällt die den Versicherten treffende Pflicht, den (Erst- oder Ausgangs-) Bescheid der Krankenkasse über das jeweilige Leistungsbegehren abzuwarten, selbst dann nicht, wenn die Entscheidung bereits von vornherein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht (vgl für den Fall der sicheren Leistungsablehnung: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006, B 1 KR 8/06 R, aaO), und auch nicht dann, wenn es um Leistungen geht, die vermeintlich durch Gesetz oder untergesetzliche Regelwerke ausgeschlossen sind (vgl BSG, Urteil vom 17. Juni 2008, B 1 KR 31/07 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 16). Auch wenn der Kläger hier sicher davon ausgegangen sein sollte, dass die Beklagte die Durchführung der am 29. November 2017 verordneten MRT-Untersuchungen in der Privatpraxis der Dr. E___ bewilligen würde, enthob ihn dies mithin nicht von der Rechtspflicht, die förmliche Entscheidung der Beklagten über seinen Antrag vom 30. November 2017 abzuwarten, bevor er sich die begehrte Leistung selbst beschaffte.    

 

Die mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 erfolgte Leistungsablehnung konnte mithin – und auch bereits denklogisch – für die von dem Kläger am 7. und 8. Dezember 2017 vorgenommene Selbstbeschaffung nicht kausal im Sinne des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V sein. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob der Kläger – wie das Sozialgericht in seinem angefochtenen Urteil festgestellt hat – tatsächlich von vornherein auf die Inanspruchnahme der Dr. E___ zum Zwecke der Durchführung der MRT-Untersuchungen festgelegt war, weshalb diese Frage dahinstehen kann.

 

Weitere Anspruchsgrundlagen als die – wie vorstehend dargelegt hier nicht einschlägigen – Alternativen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V sind für das klägerische Begehren nicht vorhanden. Der von dem Sozialgericht benannte § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V scheidet von vornherein als Anspruchsgrundlage aus, weil er lediglich eine Bestimmung dazu trifft, dass Versicherte in (medizinischen) Notfällen auch nicht zugelassene ärztliche Leistungserbringer in Anspruch nehmen dürfen. In einem solchen Fall entsteht aber kein Vergütungsanspruch des Arztes gegen den Versicherten, den wiederum dieser gegenüber der Krankenkasse zur Erstattung anmelden könnte. Denn vielmehr nimmt im Fall der notfallmäßigen Inanspruchnahme auch der Nichtvertragsarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil und hat – allein – einen einzelfallbezogenen Anspruch auf Vergütung seiner Leistung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (vgl Klückmann, in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 03/2017, § 76 Rn 13a).

 

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 Satz 1 SGG. Sie folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache und entspricht daher billigem Ermessen.

 

4.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben.

Rechtskraft
Aus
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