S 3 P 26/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 P 26/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 P 27/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen für 2018 in Höhe eines täglichen Betrages von 12,43 €.

Am 29.10.2018 hat die Kanzlei B. & C. im Auftrag ihrer Mandantin, dem „Diakonie-Zentrum A. gGmbH“, A-Straße, A-Stadt, einen Antrag auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung von betriebsnotwenigen Investitionsaufwendungen für das Jahr 2018 gestellt. Als Investitionskostensatz wurden 26,05 € pflegetäglich für die vollstationäre Dauerpflege beantragt. Bereits im September 2019 wies der Kläger darauf hin, dass seiner Ansicht nach sämtliche nicht zuwendungsfähigen Kosten nicht in den Investitionskostenbeitrag eingerechnet werden könnten.

Durch Bescheid vom 31.01.2020 stimmte das beklagte Land durch das Regierungspräsidium Gießen der gesonderten Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen in Höhe von 22,92 € für die vollstationäre Dauerpflege für 2018 gegenüber dem Beigeladenen zu. Zur Begründung führte der Beklagte ua aus: „Rechtsgrundlage für die Zustimmung zur gesonderten Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen ist § 82 Abs. 3 SGB XI i V.m. der PFLEINRV HE in der bis 31.12.2018 geltenden Fassung.
Nach § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XI bedarf die gesonderte Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 2 Nr. 1SGB XI oder der Aufwendungen für Miete. Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach § 82 Abs. 2 Nr, 3 SGB XI, soweit diese durch öffentliche Förderung gemäß § 9 SGB XI nicht vollständig gedeckt sind, der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde. Ich bin nach § 12 der PFLEINRV HE für die Wahrnehmung dieser Aufgabe zuständig.
Ich habe Ihren Antrag geprüft und einen Investitionskostensatz in Höhe von
22,92 € täglich für die vollstationäre Dauerpflege ermittelt.
Meine Zustimmung erfolgt nur zur Berechnung von Investitionsaufwendungen in dieser Höhe.“

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 17.02.2020, den das beklagte Land durch Widerspruchsbescheid vom 12.03.2020 als unzulässig verwarf. Zur Begründung führte es ua aus: „Die Widerspruchsführerin ist als Sozialhilfekostenträger nicht widerspruchsbefugt. Eine Widerspruchsbefugnis wäre nur dann zu bejahen, wenn die Widerspruchsführerin durch den Erlass des streitgegenständlichen Bescheides beschwert wäre.

Die Widerspruchsführerin selbst ist nicht Adressat des Verwaltungsaktes. Aus diesem Grunde ist die Widerspruchsführerin auch nicht als Beteiligter im Sinne des § 12 Abs. 1 und 2 SGB X anzusehen. Nach § 7 Abs. 4 der Verordnung über die Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen, Seniorenbegegnungsstätten, Altenpflegeschulen und Modellprojekten vom 7. Dezember 2012 (PflEinrV HE) ist die Höhe der betriebsnotwendigen Aufwendungen durch mich nach Anhörung des örtlich zuständigen Trägers der Sozialhilfe festzustellen, in analoger Anwendung dieser Regelung wurde der Widerspruchsführer vorliegend als überörtlicher Sozialhilfeträger auch angehört. Hierdurch wird die Widerspruchsführerin jedoch gemäß § 12 Abs. 3 SGB X nicht zum Beteiligten des Sozialverwaltungsverfahrens.

Daher ist vorliegend zu prüfen, ob die Widerspruchsführerin durch meinen Zustimmungsbescheid möglicherweise in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Da die Widerspruchsführerin nicht Adressat des Bescheides ist, hängt die Beantwortung dieser Frage davon ob, ob den Rechtsnormen, die meinem Bescheid zugrunde liegen, eine drittschützende Wirkung zukommen und die Widerspruchsführerin durch meine Entscheidung unmittelbar tatsächlich in dieser geschützten Rechtsposition betroffen ist.
Ermächtigungsgrundlage für meinen Bescheid ist § 82 Abs. 3 Satz 3 1. Halbsatz SGB XI sowie § 7 Satz 1 Nr. 3 PflegeVGAG in Verbindung mit der PflEinrV HE. Diesen Vorschriften kommt keine unmittelbare drittschützende Wirkung zu.

Meine Entscheidung kann sich zwar auf die Rechtssphäre von Heimbewohnenden und Sozialhilfeträgem auswirken, allerdings führt diese nicht notwendig zu deren unmittelbarer Belastung.

Im Verhältnis zu den Heimbewohnenden ist meine Genehmigung nur eine von mehreren Voraussetzungen, die nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) an die Wirksamkeit entsprechender zivilrechtlicher Vereinbarungen gestellt werden.

Ein individueller Schutz des Sozialhilfeträgers als Kostenträger der Heimbewohnenden scheidet aus diesem Grund ebenso aus (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2016 - III ZR 279/15 - zit. n. juris, Rn. 38; BSG. Urteil vom 08.09.2011 - BSP 2/11 R-zit. n. juris, Rn.13; LSG Bayern, Urteil vom 04.05.2011 - L 2 P 20/09 - zit. h. juris, Rn.29: Weber in Kasseler Kommentar, 107. EL Dez. 2019, § 82 SGB XI. Rn.25; Hübsch, NZS 2004,462, 464).

Soweit hierzu lediglich vereinzelt eine andere Rechtsauffassung vertreten wird (bspw. zuletzt Lenge in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3, Auflage, § 76a SGB XII, Rn.39), überzeugt diese aus den oben genannten Gründen nicht.

Mangels Widerspruchsbefugnis ist der Widerspruch daher unzulässig und zurückzuweisen.“

Hiergegen richtet sich die Klage vom 08. April 2020. Zur Begründung führt der Kläger ua aus, ihm müsse ein eigenes Widerspruchs- und Klagerecht zur Seite stehen. Nach § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB Xll in der bis 31.12.2019 gültigen Fassung ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten nach § 82 Abs. 4 SGB XI nur verpflichtet, wenn hierüber entsprechende Vereinbarungen nach dem Zehnten Kapitel getroffen worden sind - diese Regelung kommt daher nach ihrem Wortlaut nicht zur Anwendung, wenn es sich (wie hier) um eine landesrechtlich geförderte Pflegeeinrichtung nach § 82 Abs. 3 SGB Xl handelt. Richtigerweise sind jedoch auch die dem sozialhilfebedürftigen Heimbewohner gesondert berechneten Investitionskosten nach § 82 Abs. 3 SGB XI vom Sozialhilfeträger (ohne normvertragliche Regelung) zu übernehmen, sodass es sich bei der Zustimmungsentscheidung um einen Verwaltungsakt handelt, der auch gegenüber dem Sozialhilfeträger Wirkung entfaltet. Diese Bindung des Sozialhilfeträgers an die Zustimmungsentscheidung gilt auch dann wenn die zuständige Landesbehörde die die Zustimmung erteilt hat, (wie hier) nicht mit dem zu ständigen Träger der Sozialhilfe identisch ist, weil von einer einheitlichen landesrechtlichen Finanzierungsverantwortung auszugehen ist und die Länder die Gesamtheit der ihnen obliegenden Aufgaben bei Entscheidungen und Regelungen finanzieller Belange beachten müssen. Der Sozialhilfeträger muss in den Fällen des § 82 Abs. 3 SGB XI daher die Möglichkeit haben, durch Widerspruch und Klage die Zustimmungsentscheidung dahingehend überprüfen zu lassen, ob diese Kosten in Anwendung der für das Zustimmungsverfahren maßgebenden landesrechtlichen Bestimmungen nach Art, Höhe und Laufzeit richtig festgesetzt worden sind und angemessen i.S.d Sozialhilferechts sind. Gesteht man hier hingegen dem Sozialhilfeträger kein Widerspruchs- und Klagerecht zu und hält der Sozialhilfeträger in Abweichung, von der Entscheidung der Landesbehörde dennoch geringere Investitionskosten für angemessen, müsste dies zur Folge haben, dass der bedürftige Hilfeempfänger diese Kosten selbst zu tragen hat. Es wäre daher widersprüchlich, einerseits bzgl. der Zustimmungsentscheidung nach § 82 Abs. 3 SGB XII von einer Kostenübernahmeverpflichtung des Sozialhilfeträgers hinsichtlich der den Heimbewohnern in Rechnung gestellten, nicht durch die öffentliche Förderung gedeckten Investitionskostenanteile auszugehen, andererseits dem Sozialhilfeträger aber keine Möglichkeit der direkten Einflussnahme durch Widerspruch und Klage hinsichtlich der Zustimmungsentscheidung nach § 82 Abs. 3 SGB XII zuzugestehen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 31.01.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2020 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Zustimmung zur gesonderten Berechnung Investitionsaufwendungen lediglich in Höhe von 12,43 € täglich für die vollstationäre Dauerpflege vom 01.01.2018 bis 31.12,2018 zu erteilen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt das beklagte Land ua aus, Eine drittschützende Wirkung der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Regelung des § 82 Abs. 3 SGB XI wird von der Rechtsprechung jedoch verneint. Der Zweck der Regelung des § 82 Abs. 3 SGB XI besteht darin, den Pflegeeinrichtungen eine kostendeckende Finanzierung zu ermöglichen; der Gesetzgeber wollte nicht den Interessen der Heimbewohner an einem möglichst günstigen Entgelt für die Leistungen der Pflegeeinrichtung entsprechen, wie dies auch das Interesse des Klägers als Träger der überörtlichen Sozialhilfe ist (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 04. Mai 2011, Az. L 2 P 20/09, Rn. 29, Juris). Bei den möglichen Auswirkungen auf den Kläger, den meine hier angegriffene Zustimmungsentscheidung haben könnte, handelt es sich vielmehr um einen mittelbaren Reflex im Hinblick auf die Position bzw. Rechtsstellung des Klägers, welcher keinesfalls dazu geeignet ist, eine die Klagebefugnis des Klägers hervorrufende drittschützende Wirkung zu begründen

Durch Beiladungsbeschluss vom 26. Mai 2021 hat das Gericht das Diakonie-Zentrum A. beigeladen. 

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.

Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann durch die Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein.

Da der Kläger vorliegend kein Adressat der angefochtenen Entscheidung des beklagten Landes ist, scheidet eine direkte rechtliche Betroffenheit aus. Aber auch eine sogenannte Drittbetroffenheit besteht nicht. Das Gericht weist die Klage aus den zutreffenden Gründen des Widerspruchsbescheides des beklagten Landes vom 12. März 2020 ab und sieht von einer weiteren Darstellung in den Entscheidungsgründen ab (§ 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend verweist das Gericht auf die zutreffende Ansicht des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 08. September 2011, B 3 P 2/11 R, in dem es ausführt, dass sich die Entscheidung des beklagten Landes zwar auch im weiteren Verlauf die Rechtssphäre des Sozialhilfeträges auswirken kann, jedoch die zu treffende Entscheidung nicht ohne Weiteres und notwendig zu dessen unmittelbarer Belastung führt. Vielmehr ist die Zustimmung des Landes schon im Verhältnis zu den Heimbewohnern lediglich eine von mehreren Voraussetzungen, die der zwischen Pflegeeinrichtung und ihnen bestehende privatrechtliche Vertrag an die Erhöhung des Entgeltes wegen betriebsnotwendiger Investitionen knüpft. Dies gelte umso mehr für den Sozialhilfeträger und die von ihm unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen zu treffenden Entscheidung (BSG, ebenda Rz. 13).

Aus diesem Grunde war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt den §§ 197a, 183 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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