L 29 AS 620/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 206 AS 9460/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 620/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
B 4 AS 134/22 B
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

 

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

           

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten verfügte Aufrechnung mit der Rückforderung aus einem Mietkautionsdarlehen.

 

Der 1989 geborene, an diversen – wohl vornehmlich psychischen – Erkrankungen leidende Kläger steht seit geraumer Zeit beim Beklagten im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach den Vorschriften des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Mit Bescheid vom 11. Februar 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger zur Anmietung der von ihm bis heute inngehaltenen Mietwohnung ein Mietkautionsdarlehen i.H.v. 793,74 € und erklärte zugleich, dass das Darlehen ab dem 1. März 2016 in monatlichen Raten à 40,40 € gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet werde. Der Darlehensbetrag wurde im Februar 2016 an den Vermieter ausgezahlt. Der Kläger erhob gegen die Aufrechnungsverfügung Widerspruch, so dass der Beklagte wegen der aufschiebenden Wirkung von einer Vollziehung der Aufrechnung absah. Der Kläger führte u.a. zur Begründung aus, die Aufrechnung sei rechtswidrig, weil hierdurch über 20 Monate hinweg das Existenzminimum unterschritten werde, was verfassungswidrig sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2016 als unbegründet zurück.

 

Der Kläger erhob zunächst beim Sozialgericht Berlin (SG) eine Untätigkeitsklage, die unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S 93 AS 7520/16 geführt wurde, weil er seinen Angaben zufolge keinen Widerspruchsbescheid erhalten hatte. Im dortigen Verfahren führte der Beklagte im Schreiben vom 27. Juni 2016 aus, dass der Widerspruchsbescheid am 4. März 2016 übersandt worden sei, eine Fax-Übersendung leider nicht nachgewiesen werden könne. Der Widerspruchsbescheid werde dem Bevollmächtigten des Klägers umgehend erneut per Fax übersandt. Dieser erhielt den Widerspruchsbescheid am 29. Juni 2016. Der Kläger erklärte das Verfahren daraufhin unter dem 8. Juli 2016 für erledigt.

 

Der Kläger hat am 1. Juli 2016 die vorliegende Klage zum SG erhoben und sein Rechtsvorbringen vertieft. Auf Antrag der Beteiligten hat das SG mit Beschluss vom 16. Dezember 2016 im Hinblick auf das damals beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Revisionsverfahren B 4 AS 14/15 R das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Sodann hat das SG nach Aufnahme des Verfahrens – im Einverständnis der Beteiligten im Wege schriftlicher Entscheidung – die Klage mit Urteil vom 5. März 2018 abgewiesen und die Aufrechnung gemessen an der in § 42a SGB II enthaltenen gesetzlichen Regelung unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung für rechtens erachtet, zudem ausgeführt, dass eine Verfassungswidrigkeit von § 42a SGB II nicht zu erkennen sei. In der Annahme, dass sich die Aufrechnungsverfügung nur auf den damals bis März 2016 laufenden Bewilligungszeitraum bezogen habe und deshalb der für eine Berufung erforderliche Beschwerdegegenstandswert nicht erreicht werde, hat das SG die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und wegen Abweichung vom Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 17. Februar 2016 – L 32 AS 516/15 B PKH – (zum Bestehen eines Entschließungsermessens in § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II) zugelassen.

 

Der Kläger hat gegen das seinem Bevollmächtigten am 14. März 2016 zugestellte Urteil am 26. März 2018 Berufung eingelegt und bei der Aufrechnung einen Ermessensausfall geltend gemacht, ferner ausgeführt, er könne insbesondere nicht auf die Möglichkeit eines Erlasses verwiesen werden, auf den kein Anspruch bestehe. Aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse (Schwerbehinderung, behinderungsbedingte Mehraufwendungen) müsse eine Unterschreitung des Regelsatzes zu jeder Zeit verhindert werden. Die Aufrechnung erscheine auch deshalb rechtswidrig, weil sie unzulässigerweise zu einem Zeitpunkt erklärt worden sei, als die Gegenforderung nach gar nicht fällig gewesen sei. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, so dass die Revision ggf. zuzulassen sei. Der Kläger hat die Einrede der Verjährung erhoben.

 

Mit Verfügung des Berichterstatters vom 8./9. November 2021 ist der Kläger auf die wohl fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung bzw. das zwischenzeitlich ergangene Urteil des BSG vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R – hingewiesen und eine Rücknahme angeregt worden.

 

Zwischenzeitlich hat das SG mit Urteil vom 5. Juli 2022 im Verfahren S 54 AL 1274/20 den Beklagten als dortigen Beigeladenen u.a. zum Erlass der Forderung aus dem Darlehensbescheid vom 11. Februar 2016 verpflichtet und u.a. zur Begründung ausgeführt, die Forderung sei billigerweise zu erlassen, weil sie inzwischen verjährt sei. Hiergegen ist eine Berufung des Beklagten beim LSG Berlin-Brandenburg anhängig, welche unter dem Aktenzeichen L 14 AL 101/22 geführt wird. Der Kläger macht sich die Ausführungen des SG im dortigen erstinstanzlichen Urteil zu eigen.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 11. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2016 aufzuheben, soweit er eine monatliche Aufrechnung ab dem 1. März 2016 in Höhe von 40,40 € mit der laufenden Regelleistung verfügt.

 

Der Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG vom 5. März 2018 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

 

Gegenstand des Verfahrens ist – neben dem Urteil des SG – (nur) die vorgenannte Aufrechnung in Gestalt des Widerspruchsbescheides, die der Kläger – zutreffend – mit der reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angreift (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R -, zitiert nach juris Rn. 11). Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren sein Begehren auf die Aufhebung der Aufrechnung beschränkt. Die prozessuale Abtrennbarkeit der Aufrechnung als Streitgegenstand rechtfertigt sich aus der rechtlichen Eigenständigkeit des Verfügungssatzes der durch Verwaltungsakt zu erklärenden Aufrechnung (§ 42a Abs. 2 S. 2 SGB II; seit dem 1. August 2016: S. 3) (vgl. BSG a.a.O., Rn. 10). Nicht Gegenstand des Verfahrens ist dagegen die ebenfalls im Bescheid vom 11. Februar 2016 enthaltene Darlehensbewilligung als solche. Diesen – ohnehin längst bindenden – Verwaltungsakt hat der Kläger nicht angegriffen. Er ist von ihm, schon damals anwaltlich vertreten, nicht zum Gegenstand der erstinstanzlichen Klageanträge gemacht worden, so dass das SG folglich zu Recht darüber nicht entschieden hat. Auch die – wiederum anwaltlich formulierten – Berufungsanträge erstrecken sich – sinnvollerweise – nicht auf die Darlehensbewilligung. Umso weniger ist die Höhe der dem Kläger zuschussweise zustehenden Leistungen, sei es in den Zeiträumen, auf die sich die Darlehensbescheide beziehen, sei es aktuell, Gegenstand des Verfahrens (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 10. März 2021 – L 6 AS 609/19 -, zitiert nach juris Rn. 22).

 

Die Berufung ist zulässig, wobei es einer Zulassung im angefochtenen Urteil nicht bedurft hat; insbesondere ist sie nach §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGG von Gesetzes wegen statthaft, weil der erforderliche Beschwerdegegenstandswert von mehr als 750,00 € mit der verfahrensgegenständlichen Aufrechnung mit insgesamt 793,74 € erreicht ist und die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die angefochtene Aufrechnungsverfügung vom 11. Februar 2016 bezieht sich nicht nur auf den damals bis März 2016 laufenden Bewilligungszeitraum, sondern als sog. Grundlagenverwaltungsakt, d.h. ein Dauerverwaltungsakt, der als solcher vom Jobcenter unter Kontrolle zu halten ist, um eine überhöhte Darlehensrückzahlung durch Aufrechnung zu vermeiden und um während der Aufrechnung auf rechtlich relevante Änderungen reagieren zu können (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R –, zitiert nach juris Rn. 35), auch auf die nachfolgenden Bewilligungszeiträume (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August 2017 – L 19 AS 787/17 -, zitiert nach beck-online Rn. 47 f.). Dies ergibt sich jedenfalls hier aufgrund der gebotenen Auslegung nach einem verobjektivierten Empfängerhorizont allein schon aus der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Formulierung „Das Darlehen wird ab dem 01. März 2016 in monatlichen Raten… aufgerechnet“. Denn hier wird ein Anfangszeitpunkt für eine Mehrzahl von Raten bestimmt, was keinen Sinn ergäbe, wenn der Bezugszeitraum nach bereits einer Rate im März 2016 enden sollte. Im Übrigen ist die Berufung nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt.

 

Die Berufung ist unbegründet. Zwar ist die Klage zulässig, insbesondere gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids erhoben, weil nach dem klägerischen Vorbringen Zweifel an einem früheren als auf den im Klageverfahren S 93 AS 7520/16 am 29. Juni 2016 bewirkten Zugang beim Kläger bestehen und der Beklagte einen früheren Zugang nicht nachgewiesen hat, vgl. § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

 

Die Klage ist aber unbegründet. Die angefochtene Aufrechnungsverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2016 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, vgl. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.

 

Der angegriffene Bescheid ist im Ergebnis formell-rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die nach § 24 Abs. 1 SGB X vor dem Erlass belastender Verwaltungsakte erforderliche Anhörung unterblieb, holte der Beklagte diese gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 3 SGB X mit heilender Wirkung im Widerspruchsverfahren nach, indem er sich dort auf das Vorbringen des Klägers einließ. Weiter verfügte der Beklagte die Aufrechnung, wie von § 42a Abs. 2 S. 3 SGB II verlangt, durch schriftlichen Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger als Darlehensnehmer. Bedenken hinsichtlich der nach § 33 Abs. 1 SGB X erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung bestehen nicht. Sie ist mit der Darlehensbewilligung in einem Bescheid verbunden, regelt den Aufrechnungsbeginn ab dem 1. März 2016 und die monatlichen Raten von 40,40 €, mithin von 10 % des damals maßgebenden Regelbedarfs. Hierdurch ist klar und unzweideutig zu erkennen, mit welchem Darlehensrückzahlungsanspruch aufgerechnet wird, ab wann und in welcher Höhe die Aufrechnung greift. Hinreichend deutlich wird nach dem oben Gesagten auch, dass die Aufrechnung nicht allein auf die im Zeitpunkt ihrer Erklärung bereits bewilligten laufenden Leistungen Bezug nimmt und so nicht auf den laufenden Bewilligungszeitraum begrenzt ist, sondern eine hiervon abgelöste Aufrechnung im Sinne eines Grundlagenverwaltungsakts über den laufenden Bewilligungszeitraum hinaus regelt (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R –, zitiert nach juris Rn. 52).

 

Der Bescheid ist auch in der Sache selbst nicht zu beanstanden. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist der zum 1. April 2011 neu (Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl. I 453) ins SGB II eingefügte § 42a SGB II („Darlehen“), welcher  bestimmt (i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011, BGBl. I 850):

 

(1) Darlehen werden nur erbracht, wenn ein Bedarf weder durch Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 1a und 4 noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Darlehen können an einzelne Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften oder an mehrere gemeinsam vergeben werden. Die Rückzahlungsverpflichtung trifft die Darlehensnehmer.

 

(2) Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt. Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Satz 1 gilt nicht, soweit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 24 Absatz 5 oder § 27 Absatz 4 erbracht werden.

 

(3) Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 24 Absatz 5 sind nach erfolgter Verwertung sofort in voller Höhe und Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 22 Absatz 6 bei Rückzahlung durch den Vermieter sofort in Höhe des noch nicht getilgten Darlehensbetrages fällig. Deckt der erlangte Betrag den noch nicht getilgten Darlehensbetrag nicht, soll eine Vereinbarung über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden.

 

(4) Nach Beendigung des Leistungsbezuges ist der noch nicht getilgte Darlehensbetrag sofort fällig. Über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags soll eine Vereinbarung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden.

 

(5) Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 27 Absatz 4 sind abweichend von Absatz 4 Satz 1 erst nach Abschluss der Ausbildung fällig. Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

 

(6) Sofern keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen wird, werden Zahlungen, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, zunächst auf das zuerst erbrachte Darlehen angerechnet.

 

Die späteren, am 1. August 2016 in Kraft getretenen Änderungen des § 42a SGB II (Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016, BGBl. I 1824) finden auf die angefochtene Aufrechnung keine Anwendung (zur Anwendung des im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung geltenden Rechts vgl. BSG vom 9. März 2016 - B 14 AS 20/15 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Sie ließen die hier relevante Ermächtigungsgrundlage des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II zudem unberührt (vgl. BSG a.a.O., Rn. 14). Diese gesetzliche Rechtsgrundlage trägt nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck die Aufrechnung zur Tilgung eines vom Jobcenter gewährten Mietkautionsdarlehens (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R –,  zitiert nach juris Rn. 15 ff.). Nach seinem Sinn und Zweck, wie er in Wortlaut und Systematik zum Ausdruck kommt und sich aus Vor- und Entstehungsgeschichte ergibt, regelt § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II die Tilgung von Rückzahlungsansprüchen aus Darlehen durch Aufrechnung während des Leistungsbezugs für alle Darlehen nach dem SGB II, soweit nicht § 42a SGB II selbst Ausnahmen hiervon bestimmt, was auf Mietkautionsdarlehen nach § 22 Abs. 6 SGB II nicht zutrifft (vgl. BSG a.a.O., Rn. 24 ff.).

 

Die gesetzlichen Aufrechnungsvoraussetzungen liegen vor. Die Aufrechnung setzt (lediglich) voraus, dass eine Aufrechnungslage besteht, also dem Aufrechnenden eine wirksame, fällige und einredefreie Gegenforderung zur Seite und ihm – wie hier der Grundsicherungsleistungsanspruch des Klägers - eine erfüllbare Hauptforderung gegenüber stand.

 

An der Wirksamkeit der Gegenforderung - hier in Gestalt der Rückzahlung der darlehensweise übernommenen Mietkaution - bestehen keine Zweifel. Die Einforderung der Darlehensrückgewähr auf der Grundlage von § 42a SGB II setzt insbesondere nicht zwingend eine vorherige Festsetzung der Gegenforderung durch Bescheid voraus. Im Falle des § 42a SGB II sind nämlich die Modalitäten der Rückzahlung, sofern der Darlehensnehmer weiter im Leistungsbezug steht, bereits gesetzlich abschließend vorgegeben; die Regelung ordnet an, ab wann – dem auf die Bewilligung folgenden Monat –, in welcher Höhe – nämlich von zehn Prozent des maßgebenden Regelbedarfs – und in welcher Form – durch Aufrechnung gegen laufende Leistungsansprüche – die Darlehensrückzahlung zu erfolgen hat; namentlich ist durch die Neuregelung der Darlehensgewährung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) das nach der Vorgängervorschrift (§ 23 Abs. 1 SGB II a.F.) bestehende Auswahlermessen hinsichtlich der Aufrechnungshöhe beseitigt (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 10. März 2021 – L 6 AS 609/19 -, zitiert nach juris Rn. 36).

 

Die Darlehensrückforderung ist zudem bei fortdauerndem Leistungsbezug durch die gesetzliche Regelung unmittelbar mit der Aufrechnungserklärung verbunden, die ihrerseits ausdrücklich einem Formerfordernis unterworfen ist. Der Leistungsträger macht die Darlehensrückzahlung damit nach der gesetzlichen Konzeption gerade durch die Aufrechnung(serklärung) geltend („erfolgt durch“), wobei dies bei fortdauerndem Leistungsbezug auch die einzige zulässige Form der Rückforderung ist (vgl. Hessisches LSG a.a.O., Rn. 37).

 

Nach der zwingenden gesetzlichen Anordnung in § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II war die Gegenforderung ab dem auf die Auszahlung der Mietkaution im Februar 2016 folgenden Monat März 2016 fällig. Dass genau genommen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vom 11. Februar 2016 die Gegenforderung noch nicht fällig war - § 42a Abs. 2 SGB II ordnet die Fälligkeit erst ab dem der Auszahlung folgenden Monat an -, steht der verfügten Aufrechnung rechtlich nicht entgegen. Soweit darauf verwiesen wird, dass die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung vorliegen muss (§ 388 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB> analog) (so Hessisches LSG im Beschluss vom 26. Januar 2012 – L 6 AS 676/11 B ER –, zitiert nach juris Rn. 7, hingegen offen lassend im Beschluss vom 7. Februar 2022 – L 6 AS 587/21 B ER –, zitiert nach juris Rn. 38), gilt dies nach Auffassung des Senats jedenfalls bei einer als Grundlagenverwaltungsakt ausgesprochenen Aufrechnungsverfügung gemäß § 42a Abs. 2 SGB II nicht. Wenn nämlich schon ein antizipierter Aufrechnungsvertrag mit dem Inhalt zulässig wäre, dass künftige unter den Parteien entstehende Forderungen aufgrund des vorweg geschlossenen Vertrages ohne weiteres gegeneinander aufgerechnet werden, ohne dass es dafür noch einer gesonderten Aufrechnungserklärung bedarf, muss dies auch für die gesetzlich zwingende Anordnung der Aufrechnung in § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II gelten, die einen solchen antizipierten Aufrechnungsvertrag ersetzt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August 2017 – L 19 AS 787/17 -, zitiert nach beck-online Rn. 50; Bittner in Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB II, 5. Aufl., § 42a <Stand: 25. März 2022>, Rn. 47). Dementsprechend hat das BSG in einem (auch) insofern gleich gelagerten Fall eine der Fälligkeit vorgehende Aufrechnungserklärung nicht beanstandet (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R -, zitiert nach juris Rn. 3 und 54).

 

Auch wenn die Aufrechnungslage grundsätzlich eine einredefreie Gegenforderung voraussetzt, steht die vom Kläger erhobene Verjährungseinrede der Aufrechnung vorliegend nicht entgegen. Für den praktisch wichtigsten Fall der Einrede der Verjährung ist analog § 215 BGB, wonach die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte, eine Ausnahme zu beachten (vgl. Merten in Beck’scher Online-Kommentar, 65. Edition 1. Juni 2022, SGB II § 43 Rn. 12). Entscheidend kommt es somit auf die Aufrechnungslage, also darauf an, wann sich die gegenseitigen Forderungen als zur Aufrechnung geeignet gegenübergetreten sind. Der ggf. nachträgliche Eintritt der Verjährung ist für die Aufrechnung unerheblich (vgl. BSG Urteil vom 22. Juli 2004 – B 3 KR 21/03 R -, zitiert nach beck-online Rn. 36). Dies zugrunde gelegt schlägt die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Die Darlehensrückforderung war im Zeitpunkt der Aufrechnungsklärung und der Fälligkeit der Gegenforderung offensichtlich nicht verjährt.

 

Auch das schwebende Erlassverfahren steht der Aufrechnung nicht entgegen. Nach § 44 SGB II dürfen die Träger von Leistungen nach dem SGB II Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Auch ein Anspruch auf Darlehensrückzahlung nach § 42a SGB II wird von dieser Vorschrift erfasst. Zwar enthält jene Vorschrift eine konkrete Regelung über die Rückzahlung von Darlehen. Da die Aufrechnung des Darlehens nicht im Ermessen des Sozialleistungsträgers steht, kann eine etwaige Unbilligkeit bei der Durchführung der Aufrechnung zunächst nicht berücksichtigt werden. Damit wird jedoch nicht ausgeschlossen, die Frage des Erlasses gesondert zu entscheiden (vgl. Conradis in Münder/Geiger, SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende, § 44 Rn. 4). Die Folge des Erlasses gemäß § 44 SGB II besteht im endgültigen Erlöschen des Anspruchs (vgl. Wendtland in Gagel, SGB II/SGB III, 85. Erg.-Lfg. März 2022, SGB II § 44 Rn. 5). Solange mithin – wie hier - kein Erlass verfügt ist, besteht gegen die Gegenforderung keine rechtshemmende oder -vernichtende Einwendung. Umgekehrt besteht die Gegenforderung bis zum in die Tat umgesetzten Erlass fort.

 

Auch der von § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II bestimmten Höhe nach (10 % des maßgebenden Regelbedarfs) ist die vom Beklagten erklärte Aufrechnung rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit sich der Beklagte ohne Not betraglich auf 40,40 €, mithin eben 10 % des damals geltenden Regelbedarfs festlegte, kann letztlich die Frage offenbleiben, wie der Beklagte einer Erhöhung des Regelbedarfs im Laufe der Aufrechnungszeit Rechnung getragen hätte. Der Beklagte hätte von Gesetzes wegen die Aufrechnungshöhe auf 10 % des jeweils geltenden Regelbedarfs (offen) festsetzen müssen und den genauen Aufrechnungsbetrag in Abhängigkeit vom maßgebenden Regelbedarf durch Ausführungsverwaltungsakte - auch in Bewilligungsbescheiden - auswerfen können. Der Kläger ist indes durch eine perspektivisch zu niedrige – insoweit rechtswidrige – Festsetzung nicht beschwert.

 

Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler können entgegen der Ansicht des Klägers von vornherein nicht vorliegen. Ermessen war nämlich weder mit Blick auf das „Ob“ einer Aufrechnung noch auf deren Höhe auszuüben; die Ermächtigungsgrundlage sieht eine gesetzlich gebundene Entscheidung vor (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R –, zitiert nach juris Rn. 54). Für die – ggf. nur im Rahmen einer Ermessensauübung mögliche - Berücksichtigung der (problematischen) persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ist angesichts dieser zwingenden gesetzlichen Vorgaben kein Raum.

 

Der Senat kann offenlassen, ob die jedenfalls nach dem Wortlaut des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II unbegrenzte Dauer der Aufrechnung zur Realisierung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs als verfassungsgemäß anzusehen ist. Zweifel daran können mit Blick auf die zeitliche Begrenzung der Aufrechnung nach § 43 SGB II – unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten –, vor allem aber mit Blick auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur durchgängigen verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz <GG>) und die Grenzen für die vorübergehende Absenkung der dazu notwendigen Zahlungen in der sogenannten Sanktionsentscheidung des BVerfG (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 –, BVerfGE 152, 68) bestehen. Es ist indes jedenfalls eine engere zeitliche Begrenzung als nach § 43 Abs. 4 S. 1 SGB II nicht verfassungsrechtlich geboten. Danach ist die Aufrechnung nur während eines Zeitraums von drei Jahren nach Bestandskraft des Bescheides zulässig, wobei zusätzlich zu überlegen sein mag, ob diesem Fall nicht derjenige der vorläufigen Vollziehung gleichzustellen ist und damit die tatsächliche Vollziehung der Aufrechnung während dreier Jahre maßgeblich zu sein hat (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 10. März 2021 – L 6 AS 609/19 -, zitiert nach juris Rn. 43 f.). Diese zeitlichen Grenzen sind hier in keinem Fall überschritten. Bestandskraft tritt frühestens auf Grund der hiesigen Entscheidung ein. Weder wurde die sofortige Vollziehung der Aufrechnungsverfügung angeordnet noch die Aufrechnung faktisch vollzogen. Bei einem Gesamtaufrechnungsbetrag von 793,74 € ergeben sich ausgehend von der verfügten Ratenhöhe von 40,40 € nicht mehr als 20 Monatsraten.

 

Es ist auch nicht erforderlich, eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung bereits im Rahmen des Aufrechnungsbescheides zu erklären. Ein entsprechendes Erfordernis besteht nicht einmal im Rahmen von § 43 SGB II, obwohl dort eine Höchstfrist gesetzlich vorgesehen ist, und also umso weniger im Rahmen der allenfalls entsprechenden Anwendung dieser Höchstfrist im Rahmen von § 42a SGB II. Entscheidender Gesichtspunkt ist insofern, dass regelmäßig bei Erlass des Aufrechnungsbescheides – namentlich wegen des regelmäßigen Eintritts der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen einen derartigen Bescheid – gar nicht abzusehen ist, wann der Drei-Jahres-Zeitraum tatsächlich ablaufen wird. Vielmehr ist es ausreichend und für den Betroffenen zumutbar, wenn der Leistungsträger – ggf. auf entsprechenden Antrag des Betroffenen – die Aufrechnungsentscheidung aufhebt, wenn sie tatsächlich drei Jahre durchgeführt worden ist. Eine fixe zeitliche Begrenzung würde demgegenüber häufig dazu führen, dass die Aufrechnungserklärung sich auf Grund der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage durch Zeitablauf erledigt, bevor sie erstmals vollzogen werden kann (vgl. Hessisches LSG a.a.O., Rn. 44 f. m.w.N.).

 

Der Aufrechnung zur Tilgung von Mietkautionsdarlehen stehen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken wegen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG auch im Übrigen nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R –, zitiert nach juris Rn. 36 ff.).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe vorliegt. Insbesondere kommt angesichts der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 42a Abs. 2 SGB II und der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 31/17 R –, zitiert nach juris Rn. 3, 54) mangels Klärungsbedürftigkeit der Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu, ob die Aufrechnung gemäß § 42a Abs. 2 SGB II vor Fälligkeit der Gegenforderung erklärt werden darf.

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen
zur Prozesskostenhilfe

 

I. Rechtsmittelbelehrung

 

Diese Entscheidung kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

 

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Beschwerde als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde muss bis zum Ablauf dieser Frist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

 

Anschriften des Bundessozialgerichts:

 

bei Brief und Postkarte

bei Eilbrief, Telegramm, Paket und Päckchen

34114 Kassel

Graf-Bernadotte-Platz 5

 

34119 Kassel

Telefax-Nummer:

 

(0561) 3107475

 

 

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

 

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von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder

 

 

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von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 SGG eingereicht wird.

 

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

 

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:

 

  1. Rechtsanwälte,
  2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
  3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
  4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
  5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
  6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
  7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

 

Die Organisationen zu den Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

 

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

 

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Begründung als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 SGG).

 

In der Begründung muss dargelegt werden, dass

 

  • die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
  • die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
  • ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

 

Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

 

II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

 

Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

 

Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen den Antrag als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 SGG).

 

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.

 

Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs ist der Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen, einzuscannen, qualifiziert zu signieren und dann in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln.

 

Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

 

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

 

III. Ergänzende Hinweise

 

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.

 

 

Korte                                                  Richterin Sinner-Gallon                                     Lietzmann

                                                           kann wegen Urlaubs

                                                           nicht unterschreiben

                                                           Korte

Rechtskraft
Aus
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