Der Bescheid der Beklagten vom 05.08.2013 in der Fassung des Bescheides vom 01.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2014 wird aufgehoben, soweit die Beklagte Nachforderungen für die Zeit vom 01.06.2005 bis zum 31.12.2008 sowie Säumiszuschläge geltend macht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 461.889,58 Euro festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von 461.889,58 Euro für die Zeit vom 01.06.2005 bis zum 31.12.2012. Streitig ist insbesondere, ob auf Grund geänderter Arbeitsverträge vereinbarte Zusatzleistungen des Arbeitgebers „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht wurden.
Der Kläger ist ein freier Träger der Evangelischen Jugendhilfe und Jugendberufshilfe. Für die Dienstverhältnisse der zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klägers gelten über einzelvertragliche Bezugnahmen die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirchen in Deutschland (AVR) bzw. der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag in kirchlicher Fassung für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von X (BAT/KF) in der jeweils gültigen Fassung.
Der Kläger vereinbarte für die Zeit ab 01.06.2005 mit diversen Arbeitnehmern eine Änderung der Gehaltsstruktur. Künftig wurden danach Teile des Gehalts als steuerfreie oder nur pauschal zu besteuernde Sachbezüge und Leistungen gewährt, namentlich Gutscheine, Waren oder Dienstleistungen von Dritten im Wert von monatlich 44,00 Euro, Kostenerstattung für die private Internet-Nutzung mit einem privaten PC im privaten Umfeld in Höhe von monatlich 50,00 Euro, Erholungsbeihilfen, Erstattung von Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 0,30 Euro je Entfernungskilometer für 15 Arbeitstage monatlich, Essensgeldzuschuss, Zuschuss für Kinderbetreuung sowie Unterstützungsleistungen in Krankheitsfällen.
Die Vereinbarung über die Gewährung dieser Leistungen erfolgte über eine Neuausfertigung der bestehenden Dienstverträge. Darin ist – auszugsweise, hier beispielhaft für ein den AVR unterliegendes Dienstverhältnis – folgendes geregelt:
„§ 1
[N.N.] wird ab dem […] auf unbestimmte Zeit als […] beschäftigt. Die Ermittlung von Betriebszugehörigkeitszeiten erfolgt eines Eintrittsdatums vom […; Datum des tatsächlichen Eintritts].
§ 2
Soweit dieser Vertrag nicht abweichende Regelungen enthält, sind Inhalt des Dienstvertrages: Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung […].
§ 3
[N.N.] ist bekannt, dass aufgrund des Einspardrucks und der wirtschaftlichen Situation des Dienstgebers (als Sanierungsbeitrag) vom AVR abweichende Vergütungsregelungen gelten.
[N.N.] wird in […] eingruppiert. Der sich danach ergebende monatliche Bruttobetrag wird um einen monatlichen Abzug in Höhe von […] € reduziert.
[…]
§ 4
[N.N.] erhält ferner monatliche Zusatzleistungen gemäß beigefügter Anlage, welche Bestandteil dieses Vertrages ist. Dem Mitarbeiter ist bekannt, dass die Gewährung der Zusatzleistungen von persönlichen und/oder gesetzlichen Voraussetzungen abhängig ist und sich die Zusatzleistung bei Veränderung von persönlichen und/oder gesetzlichen Voraussetzungen verändern kann.
Bei Wegfall der persönlichen und/oder rechtlichen Voraussetzungen der gemäß Anlage 1 gewährten Zusatzleistungen verpflichtet sich der Dienstgeber eine entsprechende Zusatzleistung zu zahlen. Sollte die Gewährung entsprechender Zusatzleistungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich sein, richtet sich die monatliche Vergütung ab dem Monat, der dem Wegfall der persönlichen und/oder rechtlichen Voraussetzungen folgt, nach den Bestimmungen des AVR.
Sollte der Mitarbeiter die vom Dienstgeber gewährten Zusatzleistungen des Abs. 1 nicht mehr wünschen, hat er dieses dem Dienstgeber schriftlich anzuzeigen. Nach Eingang der schriftlichen Anzeige richtet sich die monatliche Vergütung ab dem Monat, der der schriftlichen Anzeige folgt, nach den Bestimmungen des AVR.
[…]“
In der genannten Anlage zum Dienstvertrag sind die sog. Zusatzleistungen im Einzelnen benannt und beschrieben.
Weiter wurden Zusatzvereinbarungen folgenden Inhalts getroffen:
„Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird oder wegen Befristung endet, verpflichtet sich der Dienstgeber im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld, an […] für jeden Monat, für den ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I besteht, einen Betrag in Höhe von […] € zu zahlen. […]“
Vom 24.06.2013 bis zum 04.07.2013 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch. Nach Anhörung des Klägers im Rahmen der Schlussbesprechung vom 04.07.2013 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 05.08.2013 vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Zeit vom 01.06.2005 bis zum 31.12.2012 in Höhe von 471.629,75 Euro einschließlich Säumniszuschlägen für die Zeit ab 01.10.2012 in Höhe von 37.832,50 Euro nach. Zur Begründung führte sie aus, nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV) seien einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gezahlt würden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei seien. An dem Erfordernis der Zusätzlichkeit fehle es bei einer Umwandlung von arbeitsrechtlich geschuldetem Arbeitsentgelt. Steuerrechtlich sei eine Änderung des Arbeitsvertrages mit Wirkung für die Zukunft dahingehend möglich, dass der Arbeitnehmer anstelle von Barlohn Sachlohn erhalte; das Merkmal der Zusätzlichkeit müsse nicht erfüllt sein. Vorliegend fehle es jedoch an der beitragsrechtlich erforderlichen Zusätzlichkeit. Die neu abgeschlossenen Dienstverträge würden bewusst so gestaltet, dass das nach BAT/KF bzw. AVR zu beanspruchende Brutto-Arbeitsentgelt zugunsten der Vereinbarung von Zusatzleistungen gekürzt werde. Dies komme der Umwandlung von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt gleich. Der Einwand, das zu beanspruchende Arbeitsentgelt würde ohnehin aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Klägers gemindert, greife nicht, da nur Mitarbeiter betroffen seien, die eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen hätten. Alle übrigen Mitarbeiter erhielten weiterhin das Brutto-Arbeitsentgelt in voller Höhe. Außerdem ermögliche § 4 der neu abgeschlossenen Dienstverträge jederzeit eine einseitige Abkehr von einzelnen oder sämtlichen Zusatzleistungen bei gleichzeitiger Rückkehr zu den ursprünglichen Verhältnissen. Damit liege keine zukunftsgerichtete Änderung der Leistungspflicht des Arbeitgebers im Sinne einer Umwandlung eines zunächst vereinbarten Barlohns in einen Sachbezug, sondern lediglich die Vereinbarung eines einseitigen Wahlrechts der Arbeitnehmer vor. Dies reiche für das Zusätzlichkeitserfordernis des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV jedoch nicht aus. Für diese Sichtweise spreche auch die Definition aus dem Steuerrecht. Danach liege ein Barlohnverzicht bei einem endgültigen Verzicht auf Teile des bar auszuzahlenden Arbeitsentgelts, jedoch eine Barlohnumwandlung vor, wenn auf Teile des Barlohns verzichtet werde und dafür beispielsweise ein Sachbezug gewährt werde. Nach wertender Gesamtbetrachtung sei die Umwandlung von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt in beitragsfreie Arbeitsentgeltbestandteile in den in Rede stehenden Fällen nicht zulässig. Auch seien Säumniszuschläge zu erheben. Es könne nicht von einer unverschuldeten Unkenntnis der versäumten Beitragspflichten ausgegangen werden. Ab Rechtskraft der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 19.09.2012 habe der Kläger Kenntnis von seiner Zahlungspflicht gehabt.
Hiergegen erhob der Kläger am 27.08.2013 Widerspruch.
Auf Hinweis des Klägers, es seien versehentlich für einige Arbeitnehmer Beiträge für ein und denselben Zeitraum doppelt nachgefordert worden, änderte die Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2013 den Bescheid vom 05.08.2013 ab und reduzierte die Forderung auf 461.889,58 Euro.
Der Kläger führte zur Begründung seines Widerspruchs aus, die Ansprüche seien überwiegend verjährt, da die allgemeine Verjährungsfrist gemäß § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) drei Jahre betrage. Weiter seien die Ansprüche präkludiert, da vormalige Prüfungen keine Beanstandungen ergeben hätten. Außerdem sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei einer zukunftsgerichteten Neuerung – Novation – des Anstellungsvertrages das Erfordernis der Zusätzlichkeit gewährleistet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruchs des Klägers zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14.07.2004, Az. B 12 KR 1/04 R; Urteil vom 02.03.2010, Az. B 12 R 5/09 R) sei die Wirksamkeit eines Entgeltverzichts bzw. einer Entgeltumwandlung im Sinne der Erfüllung des Zusätzlichkeitserfordernisses danach zu beurteilen, ob der Verzicht bzw. die Umwandlung auf künftig fällig werdende Arbeitsentgeltbestandteile gerichtet sei und arbeitsrechtlich zulässig sei. Das Zusätzlichkeitserfordernis sei allerdings nicht erfüllt, wenn ein Wahlrecht zwischen der „Zusatzleistung“ und dem „bisherigen“ Arbeitsentgeltbestandteil bestehe bzw. die Umwandlung durch den Arbeitnehmer widerrufen werden könne. So liege der vorliegende Fall; die vereinbarten Waren und Dienstleistungen seien damit nicht zusätzlich zum Gehalt, sondern an dessen Stelle gezahlt worden. Die Beiträge seien auch nicht verjährt. Fahrlässige Rechtsunkenntnis, die zu einer vierjährigen anstelle einer dreißigjährigen Verjährungsfrist führe, könne bei Fehlern in der Beitragsberechnung nicht vorliegen, wenn der im Betrieb verantwortliche Mitarbeiter – wie vorliegend – überwiegend mit der Abrechnung von Löhnen und Gehältern befasst sei. Außerdem sei sich der Kläger augenscheinlich nicht sicher gewesen in der von ihm gewählten Lohngestaltung, da er in nicht unerheblichem Maße Rückstellungen für die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen gebildet habe. Bereits im Jahr 2010 habe hierzu auch Schriftverkehr mit einem Betriebsprüfer der Beklagten stattgefunden. Es sei daher von bedingtem Vorsatz bei der Nichtabführung der streitigen Beiträge auszugehen.
Zur Begründung seiner hiergegen am 20.11.2014 erhobenen Klage verweist der Kläger im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, das von der Beklagten zusätzlich aufgestellte Kriterium, es dürfe kein Wahlrecht bzw. keine Rücknahmemöglichkeit des Arbeitnehmers bestehen, lasse sich der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen. Die Beklagte habe weiter bereits in den Jahren 2006 und 2007 eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 01.06.2005 bis zum 31.12.2005 durchgeführt. Dort sei zunächst im Anhörungsschreiben vom 26.03.2007 von fehlender Zusätzlichkeit der Zusatzleistungen ausgegangen worden. Dies sei jedoch anschließend durch Schreiben vom 17.04.2007 ausdrücklich revidiert worden. Außerdem sei in einem anschließend beim Sozialgericht noch über die beitragsrechtliche Behandlung von zur Verfügung gestellter Tankkarten und Übernahme von Musikschulgebühren geführten Verfahren der zugrunde liegende Bescheid mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2015 (Az. S 17 R 155/11) mit der Begründung aufgehoben worden, die vereinbarten Waren und Dienstleistungen seien zusätzlich zum Gehalt gezahlt worden. Das hierüber geführte Berufungsverfahren sei noch anhängig. Im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung habe die Beklagte wiederum die vorliegend streitigen Zusatzleistungen nicht der Beitragspflicht unterworfen. Gleiches sei gegenüber einem anderen Träger der Jugendhilfe der Fall gewesen. Hinsichtlich der Ausführungen der Beklagten zur Verjährung sei darauf hinzuweisen, dass die BFH-Rechtsprechung erst am 28.11.2012 veröffentlicht worden sei und damit die Berechnung der Säumniszuschläge ab dem 01.10.2012 nicht haltbar sei. Rückstellungen seien aufgrund kaufmännischer Sorgfalt und Vorsicht zu bilden gewesen. Außerdem könne die Beklagte dem Kläger keinen Vorsatz unterstellen, wenn sie selbst in zwei Prüfbescheiden von Beitragsfreiheit der streitgegenständlichen Leistungen ausgegangen sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.08.2013 in der Fassung des Bescheides vom 01.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.08.2013 in der Fassung des Bescheides vom 01.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten, soweit die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Zeit vom 01.06.2005 bis zum 31.12.2008 sowie Säumniszuschläge fordert. Im Übrigen sind die angegriffenen Bescheide rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung von Beiträgen ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV; vorstehende und nachfolgende Normen jeweils in der im Streitzeitraum geltenden Fassung). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfungen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten- Pflegeversicherung bzw. Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung besteht für gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 25 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Der Arbeitgeber muss die Beiträge als Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) zahlen. Versicherungsfreiheit besteht bei geringfügiger Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB V, § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI und § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Der Arbeitgeber muss in diesem Fall lediglich Pauschlabeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung entrichten (vgl. § 249b SGBV und § 172 Abs. 3 SGB VI). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden durch Umlagen, die jeweils in einem Prozentsatz des Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen sind, von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht (§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AAG). Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werden durch eine monatliche Umlage, die nach einem Prozentsatz des Arbeitsentgelts (Umlagesatz) zu erheben ist, von den Arbeitgebern aufgebracht (§ 358 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB III).
Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange des Sozialrechts und der Arbeitsförderung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Auf dieser Ermächtigung beruhen die entsprechenden Vorschriften der SvEV für die Zeit seit 01.01.2007 und beruhten die zuvor maßgeblichen Vorschriften der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV).
Dem Arbeitsentgelt sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV (entsprechend § 1 ArEV) nicht zuzurechnen einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind; dies gilt nicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, soweit das Entgelt, auf dem sie berechnet werden, mehr als 25 Euro für jede Stunde beträgt.
Wird vom Arbeitgeber ein Teil des Barlohns nicht ausgezahlt, sondern stattdessen eine lohnsteuerfreie sonstige Leistung zugewandt, so ist die Verminderung des ursprünglichen Barlohns sowohl im Steuerrecht als auch im Sozialversicherungsrecht nur dann beachtlich, wenn wirksam vereinbart wurde, dass auf den Barlohnanspruch verzichtet und stattdessen die andere Leistung gewährt wird. Die Entgeltumwandlung unterscheidet sich von einer bloßen Abrede über die Verwendung des laufenden Lohns dadurch, dass die Leistungspflicht des Arbeitgebers für die Zukunft arbeitsvertraglich geändert wird. Die bisherige Schuld des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt zu zahlen, wird zukunftsgerichtet erneuert (noviert) und durch die nunmehr vereinbarten Entgeltmodalitäten ersetzt. Wird für die Zukunft wirksam eine Vereinbarung über eine Umwandlung eines zunächst vereinbarten Barlohns in eine andere Leistung getroffen, ist für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge als Entgelt nur noch der verbliebene reduzierte Barlohn zugrunde zu legen. Liegt dagegen lediglich eine Abrede über die Verwendung des vereinbarten und erarbeiteten Barlohns vor, ist für die Beitragserhebung unverändert nur dieser Barlohn zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 14.07.2004, Az. B 12 KR 10/02 R; Urteil vom 02.03.2010, Az. B 12 R 5/09 R, jeweils m.w.N.).
Mit der Beklagten ist die Kammer der Auffassung, dass das Zusätzlichkeitserfordernis nicht erfüllt ist, wenn – wie vorliegend – letztlich ein Wahlrecht zwischen der „Zusatzleistung“ und dem „bisherigen“ Arbeitsentgeltbestandteil besteht. Die „Zusatzleistung“ wird damit nicht zusätzlich zum Gehalt, sondern an dessen Stelle gezahlt. Die Kammer sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 136 Abs. 3 SGG ab und verweist auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden und auch in deren Klageerwiderung, die sie sich zu Eigen macht.
Insoweit kann dahin stehen, ob die Änderungen der Dienstverträge überhaupt gedeckt sind bzw. waren von den Arbeitsvertragsrichtlinien BAT/KF bzw. AVR, oder ob derartige Änderungen bei schwieriger Wettbewerbssituation nur aufgrund einer Dienstvereinbarung möglich wären bzw. gewesen wären.
Der Beitragsnachforderung stehen auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen.
Das BSG hat sich bereits mehrfach mit den Rechtsfolgen von Betriebsprüfungen auseinandergesetzt, bei denen es zunächst keine Beanstandungen gab, sich jedoch später herausstellte, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten vom Arbeitgeber bereits im Prüfzeitraum unzutreffend beurteilt wurden, aber dies im Rahmen der Betriebsprüfung nicht aufgefallen war. Diese Sachverhalte begründen allein betrachtet keinen Vertrauenstatbestand. Sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer können aus vergangenen Betriebsprüfungen grundsätzlich keine Rechte herleiten. Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm „Entlastung“ zu erteilen.
Der nachträglichen Beitragserhebung durch die Beklagte steht insbesondere nicht das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegen. Dieses Rechtsinstitut ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung jedoch voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden „besonderen Umstände“ liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 30.11.1978, Az. 12 RK 6/76 m.w.N.).
Vorliegend mag zwar ein Verwirkungsverhalten der Beklagten darin vorliegen, dass sie die hier streitgegenständlichen „Zusatzleistungen“ ausweislich des Anhörungsschreibens vom 26.03.2007 bereits Gegenstand der vom 13.11.2006 bis zum 23.11.2006 sowie vom 05.02.2007 bis zum 09.02.2007 für die Zeit vom 01.06.2005 bis zum 31.12.2005 durchgeführten Betriebsprüfung waren und die Beklagte mit Schreiben vom 17.04.2007 ausdrücklich mitgeteilt hat, die „Zusatzleistungen“ seien generell nicht beitragspflichtig. Es fehlt jedoch jedenfalls an einem Vertrauensverhalten. Der Kläger hat vielmehr Rückstellungen gebildet, um von ihm augenscheinlich jedenfalls für möglich gehaltene Nachzahlungen leisten zu können, was er letztlich auch bereits getan hat.
Die Ansprüche der Beklagten auf Beiträge sind jedoch für die Zeit vom 01.06.2005 bis zum 31.12.2008 verjährt.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen sind, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist. Damit sind alle im Jahr 2008 fällig gewordenen Beitragsansprüche mit Ablauf des 31.12.2012 nach der Regelverjährungsfrist verjährt.
Die Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV greift vorliegend nicht ein. Danach verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Für das Eingreifen der 30-jährigen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit begründet dann keinen Vertrauensschutz mehr, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutritt. Auch in diesem Fall gilt die lange Verjährungsfrist. Hat der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit noch keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, läuft zunächst vom folgenden Kalenderjahr an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die 30-jährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird (BSG, Urteil vom 30.03.2000, Az. B 12 KR 14/99 R).
Nach Auffassung der Kammer hat der Kläger die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten. Vor der von der Beklagten im Jahr 2013 durchgeführten Betriebsprüfung durfte er vielmehr angesichts der zuvor erfolgten und nicht revidierten entsprechenden Äußerungen der Beklagten davon ausgehen, die streitgegenständlichen „Zusatzleistungen“ seien beitragsfrei. Hieran ändert nichts die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des BFH zur „Zusätzlichkeit“ im Sinne steuerrechtlicher Regelungen, welche für die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Leistungen des Arbeitgebers keine unmittelbare Bedeutung hat. Dass der Kläger abweichend von diesen Ausführungen dennoch bereits im Jahr 2010 Kenntnis gehabt hätte, die die Annahme eines (bedingten) Vorsatzes rechtfertigen würde, ergibt sich für die Kammer nicht. Erst im Jahr 2013 ist aufgrund jedenfalls der von der Beklagten durchgeführten Prüfung vom Vorliegen von Vorsatz auszugehen, weil der Kläger mit Beitragszahlungen rechnen musste. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche für den o. g. Zeitraum allerdings bereits verjährt.
Die Höhe der bestehenden streitigen Beitragsforderung ist vom Kläger im Übrigen nicht beanstandet worden. Rechts- und Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich.
Die Forderung von Säumniszuschlägen – für die Zeit ab 01.10.2012 – ist rechtswidrig. Sie beruht auf § 24 Abs. 1 SGB IV. Danach ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf 50,00 Euro nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach § 24 Abs. 2 SGB IV ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. So liegt der Fall hier. Der Kläger hatte unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht. Er ist nicht zumindest fahrlässig von einer Beitragsfreiheit der streitgegenständlichen Leistungen ausgegangen. Er durfte vielmehr, wie ausgeführt, ausgehend von den entsprechenden Äußerungen der Beklagten, von Beitragsfreiheit der „Zusatzleistungen“ ausgehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).Der Streitwert richtet sich nach der streitigen Beitragsforderung einschließlich der Säumniszuschläge.