Es ist unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, wenn prognostisch zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine Besserungsaussicht sprechen. Beruht die Leistungseinschränkung auf seelischen Leiden, kann eine Besserungsaussicht nicht verneint werden, wenn bisher keine fachärztliche psychiatrische Behandlung erfolgt ist und eine psychotherapeutische Behandlung noch intensiviert werden kann.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.07.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung lediglich befristet oder auf Dauer zusteht.
Die 1964 geborene Klägerin erlernte nach eigener Angabe von Anfang August 1981 bis Ende Juli 1984 den Beruf einer Bäckereifachverkäuferin. Im Anschluss daran war sie - mit Unterbrechungen - als Verkaufsfahrerin, Verpackungsarbeiterin sowie als Kurier- bzw. Krankentransport- und Taxifahrerin beschäftigt. Seit Anfang 1998 arbeitete sie sozialversicherungspflichtig als stellvertretende Abteilungsleiterin im Bereich Kommission respektive als Arbeiterin im Bereich Expedition und ab April 2015 in der Remission bei einem Buch- und Zeitschriftengrossisten.
Bei ihr wurde im Juni 2013 ein Vulva-Karzinom diagnostiziert, auf Grund dessen Ende Juni 2013 eine radikale Vulvektomie mit inguinaler beidseitiger Lymphonodektomie durchgeführt wurde. Im Anschluss an die stattgehabte Lymphknotenentfernung machte die Klägerin gegenüber den Ärzten des Uklinikums F beim Landgericht F (1 O 349/16) im Rahmen eines Haftungsprozesses einen ärztlichen Behandlungsfehler mit daraus resultierenden Folgen (namentlich chronisches Lymphödem und Schmerzzustände) geltend. Auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens des S (Chefarzt i.R. der Frauenklinik Lkrankenhaus N) schlossen die Parteien im Juli 2019 einen (Abgeltungs-)Vergleich, wonach der Klägerin ein Betrag i.H.v. 45.000 € gezahlt wurde.
Bereits im Januar 2014 war bei ihr ein Carcinoma in situ respektive eine intraepitheliale Neoplasie im Bereich des Analkanals/Anus aufgetreten, sodass im Februar 2014 eine perineale Exzision erfolgt war.
Aus den stationären Rehabilitationsmaßnahmen (A Klinik T - Abt. Innere Medizin/Hämatologie und Internistische Onkologie - vom 07.08. bis 04.09.2013, Diagnosen: Vulva-Karzinom, Zustand nach Konisation 1988, Verdacht auf Posttraumatische Belastungsstörung; Reha-Zentrum bei der Therme vom 07. bis 28.07.2015, Diagnosen: Vulva-Karzinom, Carcinoma in situ Analkanal und Anus, Schlafstörungen, psychovegetative Erschöpfung, Alb-/Angstträume) wurde sie ausweislich der ärztlichen Entlassungsberichte jeweils mit einem Leistungsvermögen für jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich entlassen.
Am 29.11.2017 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei und holte bei der W das Gutachten vom 16.02.2018 ein. Die Gutachterin gelangte nach Untersuchung zu folgenden Diagnosen: Zustand nach lokal begrenztem bösartigen Tumor des Schambereichs (Vulvakarzinom) mit operativer Entfernung der Klitoris und Teilen des Schambereichs sowie der Leistenlymphknoten beidseits mit hieraus resultierendem sekundärem Lymphödem der Beine und des Unterbauchs - unter Kompressionsbehandlung und zweimal wöchentlicher Lymphdrainage kompensiert -, Zustand nach schwerer dysplastischer Veränderung im Analkanal (Carcinoma in situ) - operativ entfernt -, dysthyme Störung sowie - nebendiagnostisch - Adipositas, degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule ohne funktionelle Beeinträchtigungen, Nikotinkonsum und rechts behinderndes Gangbild beim Treppenaufgehen. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung seien der Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich möglich, wobei hockende/kniende Arbeiten, Arbeiten mit Heben, Bewegen und Tragen von Lasten über 5 kg, Arbeiten in Nachtschicht sowie Arbeiten mit Erschütterungen/Vibrationen nicht mehr in Betracht kämen.
Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 28.02.2018 ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte das Gutachten der D vom 25.06.2018 ein. Diese diagnostizierte bei der Klägerin nach Untersuchung am 20.06.2018 eine („am ehesten“) Schmerzverarbeitungsstörung im Rahmen einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine mittelgradige depressive Episode mit derzeit nur noch über dysfunktionale Durchhaltestrategien vordergründig aufrechterhaltenem Lebensradius und ersichtlich werdender hintergründiger psycho-physischer Dekompensation, die in absehbarer Zeit durch Intensivierung von Therapiemaßnahmen nicht ausreichend verbessert werden könne. Wegen dieser seit der Begutachtung durch W in depressiv-schmerzsymptomatischer Sicht eingetretenen Befundverschlechterung sei von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen auszugehen. Da die Klägerin noch nicht ambulant psychiatrisch behandelt worden sei und sie die Ende 2014 aufgenommene ambulante Psychotherapie (ein- bis zweimal im Monat) seit ca. drei bis vier Monaten nicht mehr wahrnehme (nur noch telefonischen Kontakt mit der Therapeutin), könne unter Intensivierung der Behandlungsmöglichkeiten (ambulante psychiatrische Behandlung, ambulante Psychotherapie) von einer wesentlichen Besserung bzw. Wiederherstellung des Leistungsvermögens bis Dezember 2019 ausgegangen werden, sodass eine Besserung nicht unwahrscheinlich sei.
Gestützt hierauf bewilligte die Beklagte der Klägerin mit (Abhilfe-)Bescheid vom 11.12.2018 Rente wegen (medizinisch) voller Erwerbsminderung beginnend ab dem 01.01.2019 und befristet bis zum Ablauf des 31.12.2019. Die Anspruchsvoraussetzungen für diese Rente seien ab dem 20.06.2018 (Tag der Untersuchung durch D) erfüllt; es sei nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.
Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 15.08.2019 holte die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme der W vom 21.08.2019 ein, die unter Berücksichtigung der von D in deren Gutachten genannten Diagnosen und unter Würdigung der vorgelegten medizinischen Befundunterlagen von einem fortbestehenden Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich und einer nicht unwahrscheinlichen Besserung ausging. Mit Bescheid vom 23.08.2019 verfügte die Beklagte sodann, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung weiterhin auf Zeit bis zum 31.12.2022 geleistet werde. Es sei nach wie vor nicht unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass ihr die Rente nicht nur auf Zeit, sondern dauerhaft zu gewähren sei. In ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11.10.2019 wies W darauf hin, dass die Berentung allein aus psychiatrischen - und nicht namentlich aus gynäkologischen - Gesundheitsgründen erfolgt sei, dass bei der Klägerin weiterhin keine psychiatrische Behandlung stattfinde und dass sie zuletzt auch nur telefonischen Kontakt mit ihrer Psychotherapeutin gehabt habe. Insbesondere nach zwischenzeitlichem Abschluss des belastenden Rechtsstreits gegen das Uklinikum F (s.o.) sei aber eine Besserbarkeit nicht unwahrscheinlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.03.2020 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Gewährung ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer statt auf Zeit weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, dass bei ihr keine Besserung im Gesundheitszustand eingetreten bzw. mit einer Verschlechterung respektive in absehbarer Zeit zumindest mit keiner Besserung zu rechnen sei. Die Durchführung der „psychischen Behandlung“ fühle sich zwar positiv an, allerdings hätten bisher keine positiven Ergebnisse verzeichnet werden können. Sie hat u.a. auf - teilweise bereits verwaltungsaktenkundige - ärztliche „Atteste“ bzw. Bescheinigungen und Therapieverordnungen verwiesen (s. z.B. Bl. 34, 39, 40, 99 ff., 101 SG-Akte).
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG bei S das Gutachten vom 21.11.2020 eingeholt. Der Sachverständige hat nach Untersuchung der Klägerin am 13.11.2020 als Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet eine chronische Lymphabflussstörung im Bereich des Unterbauchs beidseits und der Beine, eine angegebene zeitweise Harnblaseninkontinenz sowie eine angegebene Verschlussschwäche des Afterschließmuskels beschrieben. Eine Besserung der körperlichen Situation sei nicht zu erwarten, wobei er mit der entsprechenden Einschätzung der W in deren Gutachten übereinstimme. Ein längeres Stehen und Sitzen mit Hüftbeugung sowie angewinkelten Unterschenkeln, ein Heben aus der Hüfte und ein Verharren in gebückter oder hockender Stellung komme bei der Klägerin nicht mehr in Betracht. Entsprechende leidensgerechte Tätigkeiten seien ihr mit einer regelmäßigen Arbeitsdauer von drei bis sechs Stunden möglich.
Die Beklagte hat (u.a.) darauf hingewiesen, dass die Rentenbewilligung ausschließlich auf einer angenommenen medizinisch vollen Erwerbsminderung von psychiatrischer Seite beruhe und dass (Hinweis auf die sozialmedizinische Stellungnahme der E vom 21.05.2021) sich aus dem Gutachten des S nichts Abweichendes ergebe und dass weiterhin eine Besserung der seelisch-psychosomatischen Leiden unter intensiver fachpsychiatrischer Therapie mit begleitender Psychotherapie nicht unwahrscheinlich sei. Die Klägerin hat (u.a.) auf ihr chronisches Lymphödem und auf ihre vielfältigen diesbezüglichen Behandlungen verwiesen; ihr Gesundheitszustand habe sich seit nunmehr acht Jahren nicht gebessert.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.07.2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass allein die bei der Klägerin bestehenden psychiatrischen Leiden eine zeitliche Leistungseinschränkung begründeten. Insoweit habe D in ihrem (urkundbeweislich verwertbaren) Gutachten überzeugend dargelegt, dass nicht unwahrscheinlich sei, dass die von ihr diagnostizierten seelischen Leiden durch eine entsprechende intensive (psychiatrische) Therapie gebessert werden könnten, insbesondere nach Abschluss des die Klägerin belastenden Zivilrechtsstreits. Ob sich der (somatische) Gesundheitszustand der Klägerin zwischenzeitlich verschlechtert habe, sei nicht entscheidungserheblich, weil es bezüglich der Prognose einer Besserungsaussicht auf den Zeitpunkt der Rentenbewilligung ankomme. Eine Befundverschlechterung liege in Ansehung des Gutachtens des S ohnehin nicht vor, und die von ihm angenommene zeitliche Leistungseinschränkung sei auch nicht schlüssig.
Gegen den - den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23.07.2021 zugestellten - Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 03.08.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung ihres Begehrens, die ihr gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu erhalten, hat sie im Wesentlichen vorgebracht, dass S in Ansehung ihres chronischen Lymphödems ein nur noch „halbschichtiges“ Leistungsvermögen angenommen und von einem nicht zu verbessernden Zustand ausgegangen sei. Während der somatische Befund durch die Dauertherapie „offensichtlich“ im Gleichgewicht gehalten werden könne, ändere sich ihre psychische Situation „nur wenig und eher in Richtung einer Verschlechterung“. Zudem habe der Sachverständige darauf hingewiesen, dass für ihn die Frage offen sei, ob die psychische Konstellation durch psychiatrisch-psychologische Maßnahmen verbesserbar sei. Das SG hätte ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einholen müssen. Außerdem hätte ihre psychologische G, sowie ein Lymphödem-Therapeut befragt werden müssen. Eine Besserung sei bei ihr durch die Behandlung bei G nicht eingetreten und auch ihr behandelnder O habe bereits im August 2019 bestätigt, dass keine Änderung ihres gegenwärtigen Gesundheitszustands zu erwarten sei.
Die Klägerin beantragt (teilweise sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.07.2021 aufzuheben sowie den Bescheid vom 23.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2020 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr die ihr bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer statt auf Zeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist (allein) der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2019 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2020, und dies auch nur insoweit, wie die Beklagte es damit der Sache nach abgelehnt hat, die - zugleich über den 31.12.2019 hinaus (weiter-)bewilligte - Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht auf unbestimmte Dauer, sondern lediglich (weiter) auf Zeit zu bewilligen; nur diesbezüglich hat die Klägerin den Bescheid - der ihr im Übrigen auch günstig ist - angefochten.
Streitig ist mithin allein die Frage, ob die Klägerin nach dem Eintritt des Versicherungsfalls respektive dessen Nachweises im Juni 2018 auf der Grundlage der Weiterbewilligung im Rentenbescheid vom 23.08.2019 über den 31.12.2019 hinaus (nunmehr) einen Anspruch auf eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung hat oder ob die Beklagte die Rentenleistung (erneut) befristen durfte. Dass die Klägerin über den 31.12.2019 bis zum Ablauf des 31.12.2022 einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat, steht für die Beteiligten und den Senat bindend (§ 77 SGG) fest (statt vieler dazu nur Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17.02.1982, 1 RJ 102/80, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris; vgl. auch BSG, Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 31/05 R); die Leistungsminderung als solche als Voraussetzung für die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) ist zwischen den Beteiligten ohnehin unstreitig (vgl. auch dazu BSG, Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 31/05 R).
Ihr (alleiniges) Begehren auf Gewährung der bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht nur bis zum Ablauf des 31.12.2022, sondern (auch) darüber hinaus auf Dauer verfolgt die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG). Die Anfechtungsklage richtet sich gegen Ablehnung einer Dauerrentengewährung, die Leistungsklage auf Verurteilung der Beklagten zu einer solchen Leistungsgewährung auch über den 31.12.2022 hinaus auf Dauer.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2020 ist, soweit angefochten (s.o.), rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht auf unbestimmte Dauer (weiter-)bewilligt hat, sondern lediglich auf Zeit.
Rechtsgrundlage für die auf den Ablauf des 31.12.2022 (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) erfolgte Befristung der bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Danach werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn bzw. - bei Verlängerung - nach Ablauf der vorherigen Frist (Sätze 2 bis 4). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden nach Satz 5 der Regelung unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen.
Zugunsten der Klägerin geht der Senat in Übereinstimmung mit der Beklagten davon aus, dass bei ihr ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich vorliegt und ihr Rentenanspruch daher - anders als bei einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75) - nicht wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts besteht, was eine ausnahmslose Befristung zur Folge hätte, sondern unabhängig von der Arbeitsmarktlage.
Ausgehend hiervon hat die Beklagte die der Klägerin bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu Recht (erneut) nur auf Zeit bewilligt. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bestimmt dies als Regelfall. Eine zeitliche Befristung ist ausnahmsweise nur dann nicht vorzunehmen, wenn der Rentenanspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht und unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Begriff der Unwahrscheinlichkeit ist bei prognostischer Beurteilung - wobei es insoweit maßgeblich auf den Zeitpunkt der Rentenbescheiderteilung ankommt, sodass nach diesem Zeitpunkt eingetretene Umstände nicht zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 31/05 R; Urteil vom 17.02.1982, 1 RJ 102/80, jeweils m.w.N.) - dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, sodass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Unwahrscheinlichkeit i.S.d. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI liegt daher dann vor, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufs nach medizinischen Erkenntnissen - auch unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten - eine Besserung nicht anzunehmen ist, durch welche sich eine rentenrechtlich relevante Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten ergeben würde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Besserung „auszuschließen“ ist. Vielmehr ist allein erheblich, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben. Da die genannte Regelung ausdrücklich darauf abstellt, ob unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben „werden kann“, ist auch nicht maßgeblich, ob sie behoben „werden wird“. Solange die Möglichkeit besteht, das Leistungsvermögen eines Versicherten auf der Grundlage anerkannter Behandlungsmethoden wiederherzustellen, und solange - im Einzelfall - keine gesundheitsspezifischen Kontraindikationen entgegenstehen, ist von der Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Leistungsminderung daher nicht auszugehen. Die Frage, inwieweit die Therapiemaßnahmen vom Versicherten zu dulden, also durchzuführen sind, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung (vgl. zum Vorstehendem nur BSG, Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 31/05 R).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Prognoseentscheidung (s.o.) - nicht unwahrscheinlich, dass die (medizinisch) volle Erwerbsminderung der Klägerin behoben werden kann, mithin bei der Klägerin zumindest eine Leistungsfähigkeit von mindestens drei Stunden täglich zu erreichen ist.
Dies hat das SG in der angefochtenen Entscheidung namentlich gestützt auf das (urkundsbeweislich verwertbare) Gutachten der D im Einzelnen zutreffend dargelegt und begründet; der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ergänzend merkt der Senat an, dass die von der Gutachterin beschriebenen seelischen Leiden der Klägerin - insoweit wird auf die obige Darstellung im Tatbestand verwiesen -, auf deren Grundlage sowie der entsprechenden Leistungseinschätzung der D (zeitliches Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich) die Beklagte auch den vorliegend der Renten(weiter)bewilligung zu Grunde gelegten Versicherungsfall angenommen hat, zum maßgeblichen Zeitpunkt (s.o.) insbesondere weiterhin nicht fachärztlich psychiatrisch behandelt worden sind, obgleich die Gutachterin schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Behandlungsmöglichkeiten mitnichten ausgeschöpft sind und dass bei Intensivierung (Psychotherapie) respektive (erstmaliger) Durchführung einer entsprechenden (ambulanten) psychiatrischen Facharztbehandlung eine Wiederherstellung des beruflichen Leistungsvermögens gerade nicht unwahrscheinlich ist, insbesondere nach Beendigung des die Klägerin seelisch belastenden Zivilrechtsstreits im Juli 2019. Darauf hat auch W in ihrer Stellungnahme vom 21.08.2019 (die als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar ist) nach erneuter Befassung der D hingewiesen, und - dies nur am Rande - auch der Sachverständige S hat (wenn auch fachfremd) in seinem Gutachten die Einschätzung geäußert, dass bei entsprechender psychiatrischer Behandlung eine Stimmungsaufhellung erfolgen könnte, die die Bewältigungsmechanismen der Klägerin verbessere, sodass sich die subjektive Wahrnehmung hinsichtlich der nicht veränderbaren somatischen Beeinträchtigungen dann ändere.
In Ansehung all dessen erschließt sich dem Senat nicht ansatzweise, welche schwerwiegenden medizinischen Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht von psychiatrisch-psychosomatischer Seite sprechen sollten, nachdem die von D auf ihrem Fachgebiet beschriebenen Gesundheitsstörungen weder zum Zeitpunkt ihrer Begutachtung der Klägerin, noch zum Zeitpunkt der erstmaligen Rentengewährung und auch nicht zum - hier allein maßgeblichen - Zeitpunkt der Weitergewährung mit dem vorliegend in Rede stehenden Bescheid überhaupt fachärztlich-psychiatrisch behandelt worden sind.
Soweit die Klägerin gemeint hat, ihr Gesundheitszustand habe sich in all den Jahren tatsächlich nicht gebessert bzw. es sei „in absehbarer Zeit zumindest mit keiner Besserung zu rechnen“, kommt es darauf nach den oben dargelegten Maßstäben und dem allein maßgeblichen Zeitpunkt der Prognose der Beklagten nicht entscheidend an, zumal die Klägerin - wie bereits aufgezeigt - die vorhandenen Therapiemöglichkeiten, namentlich eine psychiatrische Facharztbehandlung, gerade nicht genutzt respektive die psychotherapeutischen Maßnahmen nicht ausgeschöpft hat. Ohnehin ergibt sich insbesondere aus der Bescheinigung der G - die keine Fachärztin für Psychiatrie ist - vom 06.08.2019 lediglich, dass (so die Therapeutin) eine „nachhaltige Besserung zur Zeit nicht absehbar“ sei; eine Unwahrscheinlichkeit im oben dargelegten Sinne lässt sich daraus indes schon nicht ableiten; unabhängig davon hat D zu Recht darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin auch die ambulante Psychotherapie zuletzt nicht adäquat bzw. hinreichend suffizient durchgeführt worden ist (s. insoweit die Darstellung im Tatbestand).
Soweit die Klägerin im Klage- und Rechtsmittelverfahren immer wieder ihre (fortbestehenden) somatischen Leiden von gynäkologischer bzw. phlebologischer Seite thematisiert und geltend gemacht hat, (auch) diese hätten sich nicht gebessert und würden dauerhaft bestehen, folgt daraus nichts Abweichendes. Insoweit mangelt es bereits am Eintritt eines entsprechenden Versicherungsfalls der Erwerbsminderung. Denn sowohl die erstmalige Rentenbewilligung als auch die vorliegend in Rede stehende (erneut) befristete Weiterbewilligung über den 31.12.2019 hinaus beruht gerade nicht auf einer zeitlichen Leistungslimitierung aus gynäkologischen bzw. phlebologischen Gründen, sondern allein auf den seelischen Beeinträchtigungen (s.o.). Die Beklagte hat allein deswegen auf der Grundlage des Gutachtens der D einen entsprechenden Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung angenommen und der Klägerin gerade und ausschließlich wegen des Eintritts dieses Versicherungsfalls Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 11.12.2018 mit Entscheidung über die Art der Rente, s. dazu BSG, Urteil vom 17.02.1982, 1 RJ 102/80) und eben diese Rente weiterhin auf der Grundlage des Versicherungsfalls vom 20.06.2018 (Tag der Untersuchung durch D) mit dem - allein hinsichtlich der Befristung angefochtenen - Bescheid vom 23.08.2019 weiterbewilligt. Das Berufungsvorbringen der Klägerin, ihre körperlichen Leiden seien einer Besserung nicht zugänglich, weswegen die Rente auf Dauer zu gewähren sei, geht mithin von vornherein ins Leere.
Unabhängig davon ist bereits oben dargelegt worden, dass eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verfügungssatzes über die Art der Rente (wegen des Eintritts des Versicherungsfalls) im Rentenbewilligungsbescheid nicht in Betracht kommt, wenn - wie vorliegend - lediglich die zeitliche Begrenzung der bewilligten Rente angegriffen ist (s. erneut BSG, a.a.O.).
Nach alledem ist nicht festzustellen, dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente (von psychiatrisch-psychosomatischer Seite) ein nicht mehr positiv zu beeinflussender Gesundheitszustand vorgelegen hat und es daher unwahrscheinlich gewesen ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann. Die Beklagte hat die Rente wegen voller Erwerbsminderung daher zu Recht (erneut) lediglich befristet für weitere drei Jahre bewilligt, nachdem vorliegend auch eine Gesamtbefristungsdauer von neun Jahren (§ 102 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 2 SGB VI) noch nicht erreicht ist.
Lediglich noch am Rande - und nicht entscheidungserheblich - merkt der Senat in Ansehung des klägerischen Vorbringens ergänzend an, dass die Beklagte ohnehin auch in der Sache zu Recht im Hinblick auf die bei der Klägerin bestehenden somatischen Leiden, namentlich die chronische sekundäre Lymphabflussstörung bei Zustand nach operiertem Vulvakarzinom, eine rentenrechtlich relevante zeitliche Leistungseinschränkung verneint hat. Denn die Fachärztin W hat in ihrem (urkundsbeweislich verwertbaren) Gutachten vom 16.02.2018 respektive in ihren sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 02.05.2018, 21.08.2019 und vom 11.10.2019 auf Grundlage des von ihr erhobenen klinischen Befunds (insoweit wird auf S. 11 ff. des Gutachtens verwiesen) im Einzelnen überzeugend dargelegt, dass und warum die von gynäkologischer bzw. phlebologischer Seite bei der Klägerin bestehenden Funktionsdefizite lediglich zu qualitativen Leistungseinschränkungen - insoweit wird auf die Darstellung oben im Tatbestand Bezug genommen -, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungslimitierung für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung führen. Davon sind bereits zuvor auch die Ärzte der Klinik T sowie die Ärzte des Reha-Zentrums bei der Therme ausgegangen und später auch die E in ihrer (als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbaren) sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.05.2021. Auch der Wahlsachverständige S hat seitens seines Fachgebiets ein zeitliches Leistungsvermögen von jedenfalls „bis“ sechs Stunden täglich angenommen - von den Beteiligten und auch dem SG übersehen -, was eine Erwerbsminderung ausschließt (s. § 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI: „mindestens“ - also einschließlich - sechs Stunden täglich). Dass sich der somatische Gesundheitszustand der Klägerin seither nicht gebessert hat bzw. eine Besserung weiterhin nicht zu erwarten ist (so namentlich O in seiner „Ärztlichen Bescheinigung“ vom 25.08.2020), ist mithin auch unter diesem Gesichtspunkt ohne Relevanz, ebenso wie der Umstand, dass die körperlichen Leiden der Klägerin weiterhin behandlungsbedürftig sind (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 31.10.2012, B 13 R 107/12 B).
Weitere Ermittlungen von Amts wegen, insbesondere zum aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin, sind in Ansehung des vorliegend allein maßgeblichen gerichtlichen Prüfungsmaßstabs (s.o.) nicht veranlasst gewesen. Der medizinische Sachverhalt ist hinreichend geklärt und die aktenkundigen ärztlichen Äußerungen, namentlich das Gutachten der D sowie die beratungsärztlichen Stellungnahmen, haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.