L 10 U 3283/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2909/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3283/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Sind Art und Ausmaß einer (nur möglichen) Vorschädigung bei unfallnah dokumentierter Ruptur einer Quadrizepssehne und naturwissenschaftlich geeignetem Unfallhergang nicht feststellbar, geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des beklagten Unfallversicherungsträgers.

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.08.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.



Tatbestand


Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der 1958 geborene Kläger ist Dipl.-Ing. (Fachrichtung Maschinenbau) und seit Anfang 1988 bei der Fa. R GmbH S - seit Anfang 2000 im Bereich der Fahrzeugapplikation (s. Arbeitgeberauskunft Id 20 VerwA) eingesetzt - beschäftigt. Am 28.05.2016 hatte er einen Messauftrag für Fahrzeug-Motorik-Messungen mit entsprechender Vorbereitung um die Mittagszeit und anschließender Messfahrt am frühen Abend. Um 18.40 Uhr verließ er sein Haus in B und ging über den Rasen vor seinem Haus, um das Versuchsfahrzeug zu erreichen. Dabei trug er ein Notebook (Gewicht 2,8 kg). Auf nassem Rasen rutschte er sodann mit dem rechten Fuß aus, glitt einseitig den abschüssigen Grund hinab - ein Ausfallschritt bzw. ein Abfangen misslang - und stürzte ruckartig über die Bordsteinkante, wobei sein linkes Bein überstreckt zurückblieb („schräger Spagat-Sturz mit Zurückfallen“). Er hörte ein „Schnalzen“ im Bereich des Knies und verspürte einen sofortigen Kraftverlust im linken Bein (vgl. Angaben im           D-Arzt-Bericht vom 28.05.2016, Id 2 VerwA, sowie in der Auskunft des Klägers vom 17.06.2016, Id 14 VerwA, und weiter konkretisiert in der Widerspruchsbegründung, Id 75 VerwA; s. auch Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 07.06.2016, Id 20 VerwA). Er stellte sich noch am späten Abend in der Ambulanz der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie des Krankenhauses B1 vor, wo der G eine deutliche Delle suprapatellar bei nicht anhebbarem, gestrecktem linken Bein beschrieb und eine Quadrizepssehnenruptur links (bei arthrosonographischem Nachweis einer Unterbrechung der Quadrizepssehne am patellaren Ansatz) diagnostizierte. Der Kläger wurde stationär aufgenommen (bis 02.06.2016) und am 30.05.2016 wurde eine Refixation der Quadrizepssehne links mittels Arthrex-Corkscrews und Anlage einer DonJoy-Schiene durchgeführt. Die Krankenhausärzte bestätigten in ihrem Entlassungsbericht vom 07.06.2016 die Diagnose einer Quadrizepssehnenruptur links und nannten eine degenerative Vorschädigung. Exzisate von der Quadrizepssehne links hätten unterschiedlich alte traumatische Läsionen mit Organisationszeichen, fokal mäßiger Vernarbung und fokaler Vermehrung von neurophilen Granulozyten gezeigt (Hinweis auf den Pathologiebefund vom 01.06.2016, s. Entlassungsbericht Id 13 VerwA).

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.08.2016 führte der T unter Hinweis auf die vorliegenden ärztlichen Unterlagen aus, dass seiner Meinung nach „aktuell eindeutig mehr gegen als für“ eine Unfallkausalität spreche. Nach Beziehung des histologischen Befundberichts vom 01.06.2016 (s. Id 49 S. 2 VerwA) der H und G1 (Institut für Pathologie und Neuropathologie des Klinikums L) vertrat T die Auffassung (beratungsärztliche Stellungnahme vom 15.11.2016 ohne Begründung, Id 51 VerwA), dass „wahrscheinlich“ kein Unfallursachenzusammenhang bestehe.

Ab dem 26.07.2016 war der Kläger wieder arbeitsfähig, ohne Gehstützen bei flüssigem Gangbild mobil und ohne Beschwerden am Arbeitsplatz. Die Operationsnarbe war reizlos verheilt, eine tastbare Lücke im ehemaligen Operationsgebiet bestand nicht und die Kniegelenksbeweglichkeit links betrug 130-0-0°. Er konnte sein linkes Bein aktiv strecken und gegen Widerstand auch stabil halten, sodass die Behandlung abgeschlossen war (s. D-Arztbericht vom 03.11.2016, Id 52 VerwA); mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß sei - so G (a.a.O.) - nicht zu rechnen.

Mit Bescheid vom 30.01.2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28.05.2016 als Arbeitsunfall ab und führte zur Begründung aus, dass der Riss der linken Quadrizepssehne nicht durch ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis entstanden sei. Es liege vielmehr eine bereits vorhandene Erkrankungsanlage vor (vorbestehende Rissbildungen im Bereich der Quadrizepssehne), die nur bei Gelegenheit der betrieblichen Tätigkeit zutage getreten sei. Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte bei den H und G1 eine ergänzende Stellungnahme ein, in der diese (u.a.) ausführten, dass sich angesichts der Komplexität der beschriebenen Veränderungen keine zuverlässigen Rückschlüsse hinsichtlich „eventueller“ degenerativer Veränderungen ziehen ließen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 12.04.2017 verwiesen (Id 86 VerwA). In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 16.05.2017 (Id 87 VerwA) führte T aus, dass nicht zweifelhaft sei, dass es bei dem angeschuldigten Ereignis zu einer weiteren Rissbildung gekommen sei. Vorbestehende Rissbildungen hätten die Pathologen „eindeutig“ beschrieben. Bei vorbestehend nachgewiesenen Teilrissbildungen sei bewiesen, dass es eines Unfallereignisses nicht bedürfe, um eine weitere Rissbildung zu verursachen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach der unfallmedizinischen Literatur (Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, o.A. und S.) trete ein isolierter Sehnenriss ohne weitergehende Strukturschäden nur dann auf, wenn bereits verschleißbedingte Veränderungen vorlägen und diese bereits derart fortgeschritten seien, dass eine unwesentliche Belastung i.S. eines Gelegenheitsanlasses ausreiche. Rechtlich wesentliche Ursache für den Sehnenriss sei mithin nicht die betriebliche Tätigkeit des Klägers gewesen, sondern die vorbestehenden krankhaften Veränderungen.

Hiergegen hat der Kläger am 11.09.2017 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Er hat den Ablauf des Ereignisses - wie zuvor - geschildert und unter Wiederholung auch seiner weiteren Ausführungen im Widerspruchsverfahren an seinem Begehren auf Anerkennung des Ereignisses vom 28.05.2016 als Arbeitsunfall festgehalten.

Das SG hat bei der Krankenkasse des Klägers ein Vorerkrankungs- und Leistungsverzeichnis beigezogen. Aus diesem ergibt sich eine Mitgliedschaft des Klägers seit 01.10.1987 sowie - neben der Arbeitsunfähigkeit vom 28.05. bis 25.07.2016 - eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 16.02. bis 20.02.2015 wegen einer akuten Infektion der oberen Atemwege (s. Bl. 22 SG-Akte).

Sodann hat das SG von Amts wegen bei dem H1 ein Sachverständigengutachten (vom 14.02.2018) nach Untersuchung (am 16.01.2018) eingeholt. Diesem gegenüber hat der Kläger das Ereignis dahingehend geschildert (s. Bl. 33 SG-Akte), dass er auf einem etwas abschüssigen, feuchten Rasenstück in Richtung Fahrzeug ging, dabei mit dem rechten Fuß ausrutschte, und zwar über eine kleine Bordsteinkante am Ende des Rasens einige Zentimeter nach unten. Dabei habe er das Gleichgewicht verloren und sei zurück gestürzt, wobei sich der linke Fuß etwas hinter dem Körpermittelpunkt befunden habe, weil er auf Grund der Geländebeschaffenheit etwas höher positioniert gewesen sei, als der nach unten abrutschende rechte Fuß. Eine Ausgleichsbewegung habe er nicht durchführen können, sodass er nach hinten gestürzt sei, wobei der linke Fuß/Unterschenkel praktisch auf dem Boden arretiert gewesen sei. Er habe sofort ein „Schnalzen“ im linken Knie gehört/verspürt, einen ausgeprägten Schmerz im linken Oberschenkel erfahren und größte Schwierigkeiten gehabt, den linken Fuß unter dem Körper zu befreien respektive das linke Knie zu strecken. Der Sachverständige hat diesen Ablauf als geeignet angesehen, Muskel- oder Sehnengewebe oder beides biomechanisch zu überfordern und zu schädigen. Unwahrscheinlich sei, dass die Sehne vor dem Ereignis völlig gesund gewesen sei, nachdem die Röntgenaufnahmen unmittelbar nach dem Ereignis Verkalkungen bzw. Verknöcherungen am Oberrand der Kniescheibe als Zeichen einer (unfallunabhängigen) Enthesiopathie (chronische Veränderungen des Sehnengewebes) gezeigt und auch die Pathologen Zeichen früherer Sehnenschäden beschrieben hätten. Allerdings spreche gegen die Annahme, dass die am 28.05.2016 stattgehabte Quadrizepssehnenruptur links auf Grund rein degenerativer Schwächung des Sehnengewebes zufällig zum Zeitpunkt des Sturzes eingetreten sei - sodass der Sturz keine wesentliche Rolle spiele -, der Umstand, dass der Kläger bis zum Ereignis körperlich überdurchschnittlich belastbar (regelmäßige Fahrradtouren - ohne Elektroantrieb - zum Arbeitsplatz in S seit 30 Jahren zweimal täglich 45 Minuten, bei Wind und Wetter, Wegstrecke einfach 15 km, sowohl vor als auch nach dem Ereignis, s. Bl. 31 SG-Akte; Führer von Bergwandergruppen, Bl. 33 SG-Akte) und ohne jegliche Beschwerden im Bereich der linken unteren Extremität gewesen sei. Auch statistisch sei eine zufällige Sehnenruptur nach 58 Jahren extrem unwahrscheinlich. Gegen eine vorbestehende, massive degenerative Schwächung der Sehne, sodass diese bereits bei alltäglicher Belastung gerissen wäre, spreche zudem das exzellente Ausheilungsergebnis, nachdem der Operateur die Sehne ohne Schwierigkeiten wieder stabil habe an der Kniescheibe refixieren können und der Kläger wieder überdurchschnittlich sportlich belastbar sei. Von einem völlig morschen Sehnengewebe könne keine Rede sein. In Ansehung dessen sei es - so der Sachverständige - mit Abstand am wahrscheinlichsten, dass die Sehne zwar zum Zeitpunkt des Ereignisses bereits degenerativ/enthesiopathisch geschwächt gewesen sei, dass es aber einer ungewöhnlich massiven äußeren Zusatzbelastung bedurfte, um das Sehnengewebe komplett und großflächig von der Kniescheibe zu reißen. Dies korrespondiere auch mit dem radiologischen, dem histologischen, dem inter- und postoperativen Befund sowie mit dem zeitlichen Ablauf; auch die Pathologen hätten gerade keine ungewöhnliche, massive Sehnendegeneration beschrieben. Seiner Meinung nach sei die Ruptur wesentlich auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen, sodass ein Unfallursachenzusammenhang mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. T habe seine Auffassung nicht weiter begründet und einen überragenden Vorschaden auch lediglich behauptet.

Zu dem Sachverständigengutachten hat die Beklagte durch T Stellung genommen (Stellungnahme vom 21.06.2018, Bl. 56 ff. SG-Akte). Er hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die spontane Rissbildung der Quadrizepssehne (möglicherweise) nicht Folge des Sturzes, sondern die Ursache des Sturzes gewesen sei. Gute postoperative Ergebnisse gäbe es sowohl bei wesentlich degenerativer als auch bei wesentlich traumatisch gerissener Quadrizepssehne. Vom Ergebnis der Behandlung könne daher nicht auf die Ursache geschlossen werden. Dass beim Kläger ereignisnah (unzweifelhaft) eine „frische“ Rissbildung festgestellt worden sei, sage ebenfalls nichts über die Ursache aus, denn „frisch“ sei nicht mit traumatisch gleichzusetzen. Außer der vorbestehenden Beschwerdefreiheit des Klägers liege nichts vor, was für eine Unfallkausalität sprechen würde. Diese allein genüge indes nicht zur Annahme eines Unfallursachenzusammenhangs. Die zeitlich vor dem Ereignis bestehenden, von den Pathologen beschriebenen Teilrissbildungen müssten bei Alltagsbelastungen entstanden sein, da vorangehende Unfallereignisse ja nicht bekannt seien. Damit stehe aber fest, dass es eines traumatischen Ereignisses nicht bedurfte, um die Sehne des Klägers strukturell zu schädigen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG den Bescheid vom 30.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2017 mit Gerichtsbescheid vom 14.08.2018 abgeändert und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 28.05.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen; außerdem hat es angeordnet, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat. Es hat sich dabei auf das Sachverständigengutachten des H1 gestützt und unter Darlegung der rechtlichen Grundlagen respektive der Beweismaßstäbe ausgeführt, dass die Quadrizepssehnenruptur links rechtlich wesentlich wahrscheinlich durch das Ereignis vom 28.05.2016 verursacht worden sei, sodass ein Arbeitsunfall vorliege.

Gegen den ihr am 22.08.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 12.09.2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf den pathologischen Befund sowie auf die beratungsärztliche Stellungnahme des T vom 21.06.2018 verwiesen. Nicht das Unfallereignis, sondern die unfallunabhängige Vorschädigung habe wesentlich zu der erlittenen Verletzung beigetragen und diese verursacht. Ein Arbeitsunfall liege mithin nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.08.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat den Bescheid
vom 30.01.2017 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2017 zu Recht abgeändert und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 28.05.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Denn der Bescheid vom 30.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil die Beklagte zu Unrecht entschied, dass das Ereignis vom 28.05.2016 kein Arbeitsunfall war.

Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf Anerkennung des Ereignisses vom 28.05.2016 als Arbeitsunfall, ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnenden Entscheidungen und die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 28.05.2016 als Arbeitsunfall. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R).

Diese Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch begründet. Denn die Beklagte lehnte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zu Unrecht ab. Das Ereignis vom 28.05.2016 war ein Unfall und, weil er in Ausübung einer versicherten Verrichtung eintrat, ein Arbeitsunfall, der von der Beklagten entsprechend dem Begehren des Klägers und der o.g. Rechtsprechung als solcher anzuerkennen ist (vgl. zum Ganzen bereits Urteil des Senats vom 23.04.2015, L 10 U 5600/15, in juris). Dies hat das SG in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des H1 zutreffend dargelegt und begründet. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Beklagten aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Hier stand der Kläger am 28.05.2016 während seines Weges zum Versuchsfahrzeug, mit dem er für seinen Arbeitgeber eine Messfahrt durchführen sollte, als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil diese Arbeit der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist; dies hat auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen.

Bei dieser versicherten Tätigkeit kam es zu einem von außen auf den Körper des Klägers, nämlich den linken Oberschenkel einschließlich Knie, einwirkenden Ereignis. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern, Stürzen usw. genügen. Es dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden auf Grund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R).

Unter Zugrundelegung dessen liegt die zeitlich begrenzte, äußere Einwirkung auf den Körper des Klägers vorliegend darin, dass er beim Gehen
zum Versuchsfahrzeug auf einem etwas abschüssigen, feuchten Rasenstück mit dem rechten Fuß ausrutschte - und zwar über eine kleine Bordsteinkante am Ende des Rasens einige Zentimeter nach unten -, dabei das Gleichgewicht verlor und stürzte, wobei sich der linke Fuß etwas hinter dem Körpermittelpunkt - höher positioniert als der nach unten abrutschende rechte Fuß - befand. Dieser (äußere) Geschehensablauf steht für den Senat fest auf der Grundlage der durchgängigen und in jeder Hinsicht glaubhaften Angaben des Klägers sowohl im Verwaltungsverfahren als auch gegenüber dem Sachverständigen H1 (s. dazu oben im Tatbestand), denen die Beklagte nichts Substanzielles entgegengehalten hat (s. aber noch sogleich). Dass es sich beim Stürzen mit anschließendem Aufkommen auf dem Boden um ein zeitlich begrenztes, äußeres Ereignis handelte, steht mithin für den Senat entsprechend den obigen Ausführungen ebenfalls fest.

Soweit der Beratungsarzt T in seiner Stellungnahme vom 21.06.2018 (als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar) - indes nur pauschal - gemeint hat, die (später diagnostizierte) Quadrizepssehnenruptur links sei „möglicherweise“ (s. Bl. 57 SG-Akte) nicht Folge des Sturzes, sondern Ursache des Sturzes - also der Sache nach erst Riss, dann dadurch Sturz -, handelt es sich dabei (unabhängig von den noch zu führenden Kausalitätserwägungen, dazu sogleich) um eine reine Spekulation, zumal der Kläger während des gesamten Verfahrens (beginnend mit der Schilderung gegenüber dem D-Arzt am Unfalltag, s. Id 2 VerwA) konstant und unwiderlegt angegeben hat, zunächst ausgerutscht, dann gestürzt und sogleich ein „Schnalzen“ im Knie gehört bzw. verspürt zu haben. Unabhängig davon hat T selbst eingeräumt, dass das Ereignis jedenfalls zu einer weiteren Rissbildung geführt hat (s. Id 87 VerwA: „Dass es bei dem Ereignis zu einer weiteren Rissbildung gekommen ist, ist ja nicht zweifelhaft.“).

Als durch diese Einwirkung in Gestalt des Stürzens verursachter Gesundheitserstschaden (Primärschädigung) kommt allein die zeitnah objektivierte Ruptur der Quadrizepssehne links in Betracht. Damit kommt es für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls maßgeblich darauf an, ob die Ruptur der Quadrizepssehne in ursächlichem Zusammenhang mit dem Sturz stand. Dies bejaht der Senat.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Hier bestehen keinerlei Zweifel daran, dass es ohne den Sturz nicht zur Ruptur der Quadrizepssehne gekommen wäre. Dies hat der Sachverständige H1 in seinem für das SG erstatteten Gutachten im Einzelnen überzeugend dargelegt, worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat. Der Umstand, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Sturz ein „Schnalzen“ im Knie mit einschießendem Schmerz und sofortigem Kraftverlust im linken Bein verspürte (s. dazu Id 2, Id 18 S. 2 VerwA und Bl. 33 SG-Akte), der unmittelbar danach vom D-Arzt erhobene Befund einer Unterbrechung der Quadrizepssehne links am patellaren Ansatz mit deutlicher Delle suprapatellar und der auf Grund dieses körperlichen Befunds und der durchgeführten Sonographie gestellten Diagnose einer kompletten am Oberrand der Kniescheibe ausgerissenen - so H1 unter Hinweis auf den Operationsbericht (s. Bl. 34 SG-Akte) - Quadrizepssehne links sowie die Untersuchung des im Verlauf der nachfolgenden Operation entnommenen Gewebes mit dem Nachweis einer frischen traumatischen Läsion mit Nekrosen, Fibrinablagerungen, Ödem und einigen Granulozyten - so die H und G1 in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 12.04.2017 (Id 86 VerwA) - lassen hieran keinen Zweifel.

Soweit T (Stellungnahme vom 21.06.2018) versucht hat, den beschriebenen Pathologiebefund dahingehend zu relativieren, dass die beschriebene „frische“ Läsion - die auch er nicht in Zweifel gezogen hat (s. Bl. 57 Rs. SG-Akte und bereits zuvor Id 87 VerwA: „Dass es bei dem Ereignis zu einer weiteren Rissbildung gekommen ist, ist ja nicht zweifelhaft.“) - nicht mit traumatisch gleichgesetzt werden könne, weil auch eine degenerative Rissbildung zu „irgendeinem Zeitpunkt frisch“ sei, hat er auch insoweit (s. bereits oben) lediglich spekuliert, und seine diesbezüglichen Ausführungen sind nicht geeignet, den Befund (s.o.) der insoweit fachnäheren Pathologen auf der Grundlage der von ihnen untersuchten Gewebeexzisate in Frage zu stellen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Sturz für die Ruptur der Quadrizepssehne auch wesentlich.

Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, auch zum gesamten Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es auch war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.

Für die Prüfung auf dieser zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung ist zunächst zu klären (vgl. BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 31/11 R), ob es - neben der versicherten Tätigkeit - noch andere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinne für den Eintritt des Primärschadens gibt (z.B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen). Erst wenn sowohl die versicherte Einwirkung als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens feststehen, ist auf der zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich „wesentliche“ ist.
Als weitere Ursache für die Ruptur der Quadrizepssehne kommt zur Überzeugung des Senats neben der versicherten Tätigkeit allein eine Vorschädigung dieser Sehne und damit eine innere Ursache in Betracht, worauf sich die Beklagte auch berufen hat. Andere, weitere Ursachen sind nicht erkennbar.

Die innere Ursache muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, die bloße Möglichkeit einer inneren Ursache genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Dies gilt auch für das Ausmaß der inneren Ursache (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 2 RU 7/89). Ist eine erhebliche Vorschädigung der durch den Unfall betroffenen Körperstelle, die eine Schädigung durch ein alltägliches Ereignis ermöglicht hätte oder ohne äußere Einwirkung zu der in Rede stehenden strukturellen Schädigung geführt hätte, nicht nachgewiesen, geht dies nach dem im Sozialrecht geltenden, oben dargelegten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R).

Auf Grund des Vorerkrankungs- und Leistungsverzeichnisses der Krankenkasse des Klägers und seinen glaubhaften Angaben, die keinerlei Anlass für irgendwelche Zweifel ergeben haben - auch die Beklagte hat Derartiges nicht aufgezeigt -, steht fest, dass vor dem Ereignis vom 28.05.2016 keine Behandlungen in Bezug auf Beschwerden oder gar Funktionseinschränkungen hinsichtlich der Quadrizepssehne links bzw. überhaupt hinsichtlich der linken unteren Extremität erfolgten. Als Beleg für eine strukturelle Vorschädigung der linken Quadrizepssehne im Sinne einer (stummen) Schadensanlage kommt somit allein die Röntgenaufnahme vom 29.05.2016, die - so der Sachverständige H1 - am oberen Rand der Kniescheibe einen kleinen Knochensporn als Folge einer Enthesiopathie zeigte, sowie das Ergebnis der histologischen Untersuchung vom 01.06.2016 (s. Id 49 S. 2 VerwA) in Betracht, das „unterschiedlich alte traumatische Läsionen mit Organisationszeichen, fokaler mäßiger Vernarbung und fokaler Vermehrung von neurophilen Granulozyten“ (bei möglichem bakteriellem Infekt) ergab, wobei die H und G1 den Befund später (s.o.) dahingehend konkretisierten, dass sich neben einer frischen traumatischen Läsion mit Nekrosen, Fibrinablagerungen, Ödem und einigen Granulozyten Anteile älterer Läsionen mit vermehrter Vaskularisierung, fokaler Vernarbung und dystrophen Verkalkungen sowie Faser- und hyaliner Knorpel mit knorpelzellfreien Arealen, herdförmiger Knorpelzellproliferation und teilweise auch angedeuteter pseudozystischer Auflockerung zeigten (s. Id 86 VerwA).

Indes sahen sich die Pathologen gerade nicht in der Lage, „zuverlässige Rückschlüsse hinsichtlich eventueller degenerativer Veränderungen“ zu ziehen - auch die behandelnden Chirurgen des Krankenhauses B1 verwiesen in ihrem Entlassungsbericht vom 07.06.2016 allein auf den Pathologiebefund und teilten später auf Nachfrage der Beklagten mit, aus chirurgischer Sicht nichts weiter dazu beitragen zu können (s. Id 81 VerwA) - und H1 hat auch für den Senat überzeugend dargelegt (s. Bl. 44 ff., 47 SG-Akte), dass und warum - auch in Ansehung der röntgenologisch am 29.05.2016 sichtbar gewesenen (unfallunabhängigen) Enthesiopathie - weder aus dem histologischen Befund noch aus dem Operationsbericht eine vorbestehende, höhergradig („massiv“) geschädigte bzw. instabil degenerierte Sehne zum Zeitpunkt des Ereignisses hergeleitet werden kann.

Soweit T maßgeblich auf die im histologischen Befund beschriebenen älteren Läsionen (genauer: „Anteile“ davon, s.o.) abgestellt hat, enthalten seine Ausführungen über diese bloße Feststellung hinaus keinerlei Begründung und lassen - von bloßen Spekulationen (s.o.) abgesehen - jegliche Ausführung zum konkreten Ausmaß dieser Vorschädigung, zu der keinerlei Vorbehandlung stattfand (s.o.), vermissen. Weder dem Operationsbericht über die Refixation der linken Quadrizepssehne (darauf hat H1 zutreffend hingewiesen), noch dem Pathologiebefund (darauf haben die Fachärzte H und G1 selbst hingewiesen und wiederum auch H1) lassen sich weitere Beobachtungen hinsichtlich Art und insbesondere Ausmaß vorbestehender Gewebeschädigungen entnehmen. Namentlich die Pathologen haben sich ausweislich ihrer ergänzenden Stellungnahme dazu gerade nicht in der Lage gesehen. Damit liegen keine hinreichenden Beweismittel vor, die den Senat von einer erheblichen Vorschädigung der Quadrizepssehne links überzeugen. Dies geht, wie dargestellt, zu Lasten der Beklagten, und die von ihr bzw. T angestellten Kausalitätserwägungen gehen ins Leere.

Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass eine Vorschädigung des Sehnengewebes im naturwissenschaftlichen Sinn eine unversicherte (Mit-)Ursache beim Entstehen der Ruptur der Quadrizepssehne links am 28.05.2016 war, wäre dennoch im Rahmen der Kausalitätsprüfung auf der zweiten Stufe festzustellen, dass trotz dieser unfallunabhängigen Ursache die versicherte Ursache - der Sturz - wesentlich war.

Bei der Prüfung der Wesentlichkeit - und damit auch bei der im Rahmen dieser Prüfung zu beantwortenden Frage, ob ein alltägliches Ereignis die in Rede stehende Schädigung ebenfalls herbeigeführt hätte (s.o.) - ist eine wertende Entscheidung zu treffen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R und Urteil vom 31.07.1985, 2 RU 74/84), mit der zugleich die Reichweite des Unfallversicherungsschutzes bestimmt wird (BSG, a.a.O.). Eben weil mit der Frage nach dem alltäglichen Ereignis die beschriebene Wertung verbunden ist, kann diese Frage nicht nach Vorkommen oder Häufigkeit bestimmter Ereignisse im alltäglichen Leben beantwortet werden. Es kommt daher nicht darauf an, inwieweit ein Versicherter altersentsprechend üblicherweise mit einer gewissen Regelmäßigkeit Geschehensabläufe bewältigt. Denn die gesetzliche Unfallversicherung schützt den Versicherten in dem Zustand, in dem er den Versicherungstatbestand erfüllt, also einschließlich vorhandener Krankheitsanlagen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.; Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 25/05 R). Es gibt keine Risikoausschlüsse. Es wäre daher unangemessen, auch schwerste, schwere und mittelschwere Belastungen als alltägliche Ereignisse im o.g. Sinne (und damit mit der Folge eines Ausschlusses der Haftung der Unfallversicherungsträger) zu erachten, nur weil sie - allgemein im Erwerbsleben oder im Beruf des Versicherten - jeden Tag vorkommen, ohne bei Gesunden zu Schädigungen zu führen. Nichts Anderes gilt für den Aspekt eines für den Kläger betriebsüblichen Vorgangs. Andernfalls würden selbst schwerste betriebliche Belastungen, nur weil üblicherweise oder jedenfalls immer wieder vom Versicherten zu bewältigen, vom Versicherungsschutz ausgenommen und die Grenze des Unfallversicherungsschutzes würde für jeden Versicherten entsprechend der von ihm abverlangten betrieblichen Belastungen und damit unterschiedlich gezogen. Die Reichweite des Unfallversicherungsschutzes muss aber für alle Versicherten gleich sein (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -). Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob ein alltägliches Ereignis die in Rede stehende Schädigung ebenfalls herbeigeführt hätte (oder die Schädigung auch ohne Einwirkung zu derselben Zeit aufgetreten wäre), ist somit die Schwere der Erkrankung unmittelbar vor dem Ereignis und die verbliebene individuelle Belastbarkeit (Senatsurteil vom 23.04.2015, L 10 U 5600/13, in juris, m.w.N. zur Rspr. des BSG).

Vor diesem Hintergrund ist zunächst festzustellen, dass das Ereignis vom 28.05.2016 selbst kein alltägliches Ereignis im oben genannten Sinn darstellt. Denn das Ausrutschen mit einem Fuß auf einem nassen, abschüssigen Grund mit ruckartigem Stürzen über eine Bordsteinkante bei zurückbleibendem überstrecktem anderen Bein nach Art eines Spagats ist - auch darauf hat H1 (s. Bl. 46 SG-Akte) zutreffend aufmerksam gemacht und in Ansehung des kompletten Abrisses des Sehnengewebes von der Kniescheibe eine ungewöhnlich massive äußere Zusatzbelastung für erforderlich erachtet (was auch der unfallmedizinischen Literatur zu entnehmen ist, vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 437 a.E., ausdrücklich zur Quadrizepssehnenruptur) und überzeugend bejaht - nicht alltäglich. Die darüber hinausgehende Prüfung und Beurteilung setzt die Feststellung nicht nur der Tatsache einer vorbestehenden Schädigung, sondern - wie bereits ausgeführt - auch die Feststellung ihres Ausmaßes voraus, weil nur so deren Schwere abgeschätzt und die verbliebene Belastbarkeit beurteilt werden kann. Eine derartige Quantifizierung einer etwaigen strukturellen Vorschädigung der Quadrizepssehne des Klägers - der überdies zum Zeitpunkt des Ereignisses körperlich voll belastbar war (Aufsuchen des 15 km entfernten Arbeitsplatzes seit 30 Jahren mit dem Fahrrad, Führer von Bergwandergruppen, s. dazu oben im Tatbestand) - ist aber, wie dargelegt, nicht möglich, was, wie ebenfalls bereits dargelegt, zu Lasten der Beklagten geht.
Soweit diese auf der Grundlage der gerade nicht näher belegten Ausführungen von T gefolgert hat, dass die vorbestehenden verschleißbedingten Veränderungen der Sehne ausgereicht hätten, um schon bei unwesentlicher Belastung der Sehne zu einem Riss zuführen und es sich damit um eine Gelegenheitsursache handele (s. dazu bereits im Widerspruchsbescheid vom 17.08.2018), ist dies somit zum einen unzutreffend - der Sturz war wie ausgeführt keineswegs alltäglich - sowie spekulativ, da hinsichtlich Art und insbesondere Ausmaß der Vorschädigung durch keinerlei Fakten untermauert, und zum anderen bestätigt dies gerade im Gegenteil, dass die Sehne jedenfalls durch den Sturz gerissen ist (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 14.11.2019, L 10 U 2953/17). Dies hat auch T eingeräumt (s. erneut Id 87 VerwA: „Dass es bei dem Ereignis zu einer weiteren Rissbildung gekommen ist, ist ja nicht zweifelhaft.“).

Somit steht fest, dass der versicherte Sturz wahrscheinlich zu dem Riss der Quadrizepssehne links im naturwissenschaftlichen Sinn führte. Dabei kann schon mangels Nachweises eines erheblichen strukturellen Vorschadens der Quadrizepssehne, jedenfalls aber mangels erkennbaren Ausmaßes einer etwaigen vorbestehenden verminderten Belastbarkeit nicht davon ausgegangen werden, dass Letzterer eine überragende Bedeutung im Verhältnis zum versicherten Sturz zukommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

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