L 9 AS 879/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AS 5396/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 879/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1972 geborene Klägerin zu 1) und der 1970 geborene Kläger zu 2) sind verheiratet und beantragten beim Beklagten mit einem auf dem Hauptantrag als Tag der Antragstellung vermerkten „10. Mai 2017“ Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Zuvor bezogen die Eheleute Leistungen vom Jobcenter C, das diesen zuletzt Leistungen (Arbeitslosengeld II) bis 30.06.2016 bewilligt hatte. Beide Kläger gaben an, derzeit Einkünfte aus (geringfügigen) Beschäftigungen zu erzielen. Die Klägerin legte eine Rentenbezugsbescheinigung über den Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, die bis 30.09.2019 befristet war, vor.

Mit einem am 12.05.2017 eingegangenen Fax des Bevollmächtigten der Kläger wies dieser darauf hin, dass seine Mandantin den Beklagten bereits im März 2016 aufgesucht und Leistungen nach dem SGB II beantragt habe. Diese habe einen Mietvertrag vorgelegt, eine Kopie sei vom Beklagten angefertigt worden. Es habe dann geheißen, die Miete sei zu hoch, sie solle erst einmal eine preisgünstigere Wohnung suchen, Leistungen könnten nicht gewährt werden. Ein schriftlicher Bescheid sei bis heute nicht ergangen, es werde gebeten, diesen nachzureichen bis 17.05.2017. Ferner wurde der Beklagte zur Nachzahlung von Leistungen in Höhe von 11.966,00 € aufgefordert.

Mit Bescheid vom 05.07.2017 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.05.2017 bis 30.04.2018 vorläufig unter Berücksichtigung des von den Klägern nachgewiesenen Einkommens Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 714,30 € (Mai bis November 2017) bzw. 598,30 € (Dezember 2017 bis April 2018). Für die ab 01.06.2016 in E angemietete 60 m² große 3-Zimmer-Wohnung haben die Kläger eine Kaltmiete von 600 € zuzüglich Heiz- und Warmwasserkosten sowie Nebenkosten in Höhe von insgesamt 164 € zu entrichten. Dieser Mietvertrag wurde ausweislich des in der Akte vorliegenden Wohnraummietvertrages vom Vermieter und einem der Kläger am 19.03.2016 unterschrieben. Das Mietverhältnis sollte am 01.04.2016 beginnen. Von den tatsächlichen Kosten berücksichtigte der Beklagte im Bescheid vom 05.07.2017 neben den geltend gemachten Nebenkosten für die Zeit ab 01.12.2017 die für angemessen erachtete Kaltmiete i.H.v. 484 €. Ferner führte der Beklagte aus, dass eine persönliche Vorsprache am 11.03.2016 unter Vorlage eines nichtunterschriebenen Mietvertrages mit erfolgloser Bitte auf Zustimmung zum Umzug nicht als Antragstellung gewertet werden könne. Diese habe allein informatorischen Zwecken gedient. Die Antragstellung sei durch persönliche Vorsprache am 10.05.2017 erfolgt und reiche auf den 01.05.2017 zurück.

In dem am 11.03.2016 um 8:53 Uhr unter dem Betreff „Erstgespräch Alg II/Umzug“ erstellten Aktenvermerk ist Folgendes festgehalten worden:
„Kd. spricht mit ununterschriebenem MV vor. KM 600 Euro (Staffelmiete, in Zukunft noch höhere KM). MOG bei 463 Euro für zwei Personen. Umzug kann nicht genehmigt werden. Kd. darüber informiert, dass die Kosten nur bis MOG anerkannt werden können. Kaution oder Umzugsbeihilfe kann nicht gewährt werden. Antrag wird nicht ausgehändigt.“

Unter dem 23.05.2016 ist des Weiteren Folgendes vom Jobcenter C über eine persönliche Vorsprache der Klägerin festgehalten worden:
„PV: gibt an zum 010616 nach BB umziehen zu wollen. Genaueres steht jedoch noch nicht fest. Wird diese Woche nochmals vorsprechen. Vorab Info an Lei wegen VZE.“

Mit dem hiergegen am 28.07.2017 eingelegten Widerspruch machte der Bevollmächtigte geltend, die Mandantin sei am Empfang abgewimmelt worden. Es treffe mitnichten zu, dass es sich hier nicht um eine Antragstellung gehandelt habe und die Vorsprache allein informativen Zwecken gedient haben soll (Schriftsatz vom 28.07.2017). Die Entscheidung sei auch deshalb rechtswidrig, weil lediglich Bereitschaft bestünde, bis November 2017 die tatsächliche Miete zu übernehmen (Schriftsatz vom 18.08.2017).

Mit Bescheid vom 28.08.2017 bewilligte der Beklagte Leistungen vorläufig auch für April 2017 in Höhe von 714,30 €, nachdem festgestellt wurde, dass die Klägerin bereits am 27.04.2017 vorgesprochen und einen Antrag gestellt hatte.

Mit Änderungsbescheid vom 28.08.2017 gewährte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05.2017 bis 31.01.2018 in Höhe von 714,30 € und für die Zeit vom 01.02.2018 bis 30.04.2018 in Höhe von 620,30 €, wobei sie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung auch für die Monate Dezember 2017 und Januar 2018 anerkannte und ab 01.02.2018 eine Kaltmiete in Höhe von 506 € berücksichtigte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2017 wies der Beklagte den Widerspruch „nach Erteilung der Änderungsbescheide vom 28.08.2017“ zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, „der Widerspruchsführer“ habe am 11.03.2016 mit einem nicht unterschriebenen Mietvertrag im Regionalen Jobcenter B vorgesprochen. Bei diesem Gespräch sei ihm mitgeteilt worden, dass die beabsichtigte anzumietende Wohnung nicht angemessen sei. Die Wohnung übersteige die
Mietobergrenze für zwei Personen. Einem Umzug könne nicht zugestimmt werden. Antragsformulare seien ihm nicht ausgehändigt worden, weil ein Umzug in den Landkreis B nicht zeitlich festgestanden habe. Die Vorsprache am 11.03.2016 habe daher allein informativen Zwecken gedient. Die Kläger hätten dem bisher zuständigen Jobcenter C den Umzug am 23.05.2016 zum 01.06.2016 mitgeteilt und Leistungen des Jobcenters C bis 31.05.2016 bezogen. Eine erneute Vorsprache beim Regionalen Jobcenter B sei erst am 27.04.2017 und somit gut ein Jahr später erfolgt. Ein Leistungsanspruch bestehe daher frühestens ab 01.04.2017. Die Kläger seien zudem mit Schreiben vom 05.07.2017 darauf hingewiesen worden, dass die Übernahme der tatsächlichen Kaltmiete längstens für sechs Monate erfolgen könne. Die Änderung auf die ab 01.10.2017 geltende Mietobergrenze für zwei Personen sei demnach ab 01.02.2018 erfolgt, wobei darauf hinzuweisen sei, dass dem Kläger bereits vor dem Einzug bekannt gewesen sei, dass die Wohnung nicht angemessen sei.

Hiergegen haben die Kläger am 19.09.2017 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ausdrücklich beantragt, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von März 2016 bis März 2017 in gesetzlichem Umfang zu gewähren (Schriftsatz vom 31.10.2017 und Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 31.01.2019). Zur Begründung haben sie geltend gemacht, die Klägerin habe das Jobcenter des Beklagten bereits am 11.03.2016 aufgesucht. Sie habe den Antrag auf Leistungen gestellt und sei im Empfang mit den Worten abgewiesen worden, die Miete sei laut mitgebrachtem Mietvertrag zu hoch. Das im Aktenvermerk dokumentierte Vorsprechen habe darin bestanden, dass die Klägerin für sich und ihren Ehemann Leistungen begehrt habe. Rechtswidrigerweise sei ihr das Antragsformular nicht ausgehändigt worden. Der Beklagte müsse sich so behandeln lassen, als seien der Klägerin die Antragsformulare ausgehändigt worden. In diesem Fall wären diese sofort ausgefüllt und unterzeichnet mit dem unterschriebenen Mietvertrag zurückgereicht worden.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, eine rückwirkende Leistungsgewährung ab 01.03.2016 komme mangels Antragstellung nicht in Betracht. Selbst wenn die Klägerin am 11.03.2016 einen Antrag beim Jobcenter B gestellt hätte, was bestritten werde, und gleichzeitig die Antragsformulare ausgefüllt hätte, was ebenfalls bestritten werde, wäre der Antrag mangels örtlicher Zuständigkeit abzulehnen gewesen, weil die Klägerin bis zu ihrem Umzug am 01.06.2016 Leistungen nach dem SGB II beim Jobcenter C bezogen habe. Am 11.03.2016 sei der Mietvertrag noch nicht unterschrieben gewesen, weshalb zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher gewesen sei, ob das Jobcenter Landkreis B überhaupt jemals örtlich zuständig sein würde. Denn die Klägerin hätte sich ja auch dagegen entscheiden können, den Mietvertrag zu unterschreiben, nachdem sie bei ihrer Vorsprache darauf hingewiesen worden sei, dass die Miete über der Mietobergrenze liege. Insoweit handele es sich nicht um eine Antragstellung, sondern, wie in § 22 Abs. 4 SGB II vorgesehen, um eine Vorsprache beim für die neue Unterkunft zuständigen Träger zur Einholung einer Zustimmung zur Übernahme künftiger Unterkunftskosten.

Mit Änderungsbescheid vom 25.11.2017 hat der Beklagte nach Klageerhebung der Kläger beim SG am 19.09.2017 die ab 01.01.2018 geltenden Regelbedarfe angepasst und Leistungen weiterhin vorläufig bewilligt.

Das SG hat den Sach- und Streitstand am 08.06.2018 mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift vom selben Tag wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat Verbis-Ausdrucke von Vorsprachen der Kläger beim Jobcenter C vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Jobcenter C offensichtlich erst am 09.05.2016 von einem beabsichtigten Umzug erzählt und mitgeteilt habe, dass dieser wegen zu hoher Mietkosten nicht genehmigt worden sei. Am 23.05.2016 habe die Klägerin mitgeteilt, sie wolle zum 01.06.2016 nach B umziehen, genaueres stehe aber noch nicht fest. Bei einer weiteren Vorsprache am 24.05.2016 habe sie dem Jobcenter C den Umzug zum 01.06.2016 mitgeteilt und angegeben, eine Zusicherung zum Umzug sei nicht notwendig, da kein neuer Arbeitslosengeld II-Antrag gestellt werde. Der Beklagte halte daher an seiner Auffassung fest, die Vorsprache am 11.03.2016 habe lediglich einen Antrag auf Zustimmung zum Umzug gemäß § 22 Abs. 4 SGB II betroffen, der mündlich abgelehnt worden sei. Der Kläger habe am 09.05.2016 noch gegenüber dem Jobcenter C erklärt, dass der Umzug aufgrund zu hoher Mietkosten nicht genehmigt worden sei und die Wohnungssuche weiterlaufe. Deswegen bestünden schon Zweifel, ob der Mietvertrag tatsächlich am 19.03.2016 unterzeichnet worden sei. Jedenfalls habe die Klägerin am 24.05.2016 erklärt, es werde kein neuer Arbeitslosengeld II-Antrag gestellt. Dies passe zum weiteren Verlauf, nachdem bis April 2017 kein weiterer Antrag gestellt worden sei und die Kläger auch nicht davon ausgegangen seien, einen solchen Antrag gestellt zu haben.

Aus den vorgelegten Verbis-Ausdrucken ergibt sich ferner, dass am 09.05.2016 mit der Klägerin eine einvernehmliche Eingliederungsvereinbarung mit einer Gültigkeit bis 08.11.2016 abgeschlossen wurde.

Mit Änderungsbescheid vom 03.04.2018 hat der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.12.2017 bis 31.01.2018 teilweise aufgehoben und wegen anzurechnenden Einkommens der Klägerin die Erstattung von 200 € gefordert. Mit Änderungsbescheid vom 14.05.2018 hat der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.02.2018 bis 31.03.2018 teilweise aufgehoben und für diese Zeit noch vorläufig 432,30 € bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 17.05.2018 hat der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.04.2018 bis 30.04.2018 teilweise aufgehoben und für diese Zeit noch vorläufig 432,30 € bewilligt.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 31.01.2019 hat der Bevollmächtigte der Kläger nach Erörterung des Sach- und Streitstandes ausdrücklich beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 05.07.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2017 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern auch Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Juni 2016 bis März 2017 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31.01.2019 abgewiesen. Das SG ist davon ausgegangen, dass Gegenstand des Rechtsstreits der Bescheid vom 05.07.2017 in Gestalt des Bescheides vom 28.08.2017 und des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2017 sei, diese in Gestalt des Bescheides vom 14.05.2018 und des Bescheides vom 17.05.2018 aber nur insoweit, als diese Leistungen ab 01.06.2016 ablehnen und Leistungen für Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.02.2018 bis 30.04.2018 betroffen seien. Die Beteiligten hätten den Streitgegenstand hierauf zulässig beschränkt. Der Antrag der Kläger sei entsprechend auszulegen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.06.2016 bis 31.03.2017. Es mangele bereits an einem für die Leistungsgewährung vorausgehenden Antrag. Die Kläger könnten ihr Begehren auch nicht erfolgreich auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Ferner stünden ihnen auch keine höheren Kosten der Unterkunft im Zeitraum Februar 2018 bis April 2018 zu.

Gegen das am 18.02.2019 zugestellte Urteil haben die Kläger am 12.03.2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages halten sie an der bislang vertretenen Auffassung fest. Im Gegensatz zur Auffassung des SG könne das Verhalten der Klägerin am 11.03.2016 nicht anders gewertet werden, als dass sie Leistungen nach dem SGB II begehrt habe. Darin sei selbstverständlich der erforderliche Antrag zu sehen. Das SG befasse sich nicht mit dem naheliegenden Gedanken, weshalb sie überhaupt einen anderen Leistungsträger aufgesucht und diesem einen neuen Mietvertrag vorgelegt habe. Dieses Verhalten mache nur Sinn, wenn beabsichtigt gewesen sei, „zum 01.03.2016“ nach E umzuziehen, sodass klar und deutlich ausgedrückt worden sei, dass man nunmehr die Leistungen vom Beklagten wünsche. Dies ergebe sich bereits aus dem Aktenvermerk vom 11.03.2016. Der Beklagte sei von einem Antrag ausgegangen, habe gleich eine Prüfung vorgenommen und den Antrag mündlich abgelehnt. Aus Sicht der Klägerin habe das nicht anders verstanden werden können. Der Klägerin sei zu Unrecht das Antragsformular nicht ausgehändigt worden. Aufgrund der mündlich getroffenen Entscheidung des Beklagten, dass Kosten nur bis zur Mietobergrenze anerkannt werden könnten, Kaution und Umzugsbeihilfe nicht gewährt werden könnten und ein Antrag nicht ausgehändigt worden sei, sei die Klägerin davon ausgegangen, dass sie eben keine Leistungen von der Beklagten erhalten könne. Es habe daher keine Veranlassung für die Kläger bestanden, auf eine Entscheidung eines Antrages hinzuwirken. Sie hätten nicht gewusst, dass sie ein Recht auf eine Entscheidung in einem förmlichen Verfahren über einen Antrag auf Leistungen hatten. Das SG stelle zudem zu Unrecht darauf ab, dass die Kläger am 24.05.2016 dem Jobcenter C mitteilten, dass kein neuer Arbeitslosengeld II-Antrag gestellt werde. Zu diesem Zeitpunkt seien sie bereits nach E umgezogen gewesen und seien davon ausgegangen, dass das Jobcenter Landkreis C nicht mehr zuständig sei, was auch tatsächlich zutreffe. Selbst wenn die Antragstellung zweifelhaft gewesen wäre, hätte die Verpflichtung bestanden, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich ein klarer und sachdienlicher Antrag gestellt wird. Ferner versage das SG den Klägern auch einen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft im Zeitraum von Februar 2018 bis April 2018 zu Unrecht.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. August 2017, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2017 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern auch Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Juni 2016 bis März 2017 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Kläger ist gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Der Senat ist trotz Ausbleibens der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 nicht gehindert gewesen, zur Sache zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. hierzu Keller in MKLS, SGG, 13. Auflage, § 126 Rdnr. 4), da die Kläger zum Termin fristgerecht und auch im Übrigen ordnungsgemäß geladen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Gegenstand des Rechtsstreits ist der von den Klägern im Klage- und zuletzt auch im Berufungsverfahren wiederholte Antrag, unter Abänderung des Bescheides vom 05.07.2017 in der Fassung des Bescheides vom 28.08.2017 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2017 den Beklagten zu verurteilen, Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Juni 2016 bis März 2017 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Dieser – ausdrücklich so gestellte – Antrag kann entgegen den Ausführungen des SG nicht auch dahingehend ausgelegt werden, dass neben den ausdrücklich beantragten Leistungen auch die Höhe der für Februar 2018 bis April 2018 gewährten Unterkunftskosten streitbefangen ist. Mit Bescheid vom 05.07.2017 bewilligte der Beklagte mit einem ersten Verfügungssatz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig (unter Berücksichtigung von Einkommen der Kläger) für die Zeit vom 01.05.2017 bis 30.04.2018 mit einem monatlichen Gesamtbetrag von 714,30 € für Mai 2017 bis November 2017 und von 598,30 € für Dezember 2017 bis April 2018. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 28.07.2017 ist der Bevollmächtigte der Kläger zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid neben der Bewilligung ab Mai 2017 zugleich auch die Ablehnung der von ihm beantragten Leistungen ab März 2016 beinhaltete und der Bescheid insoweit einen zweiten – ablehnenden – Verfügungssatz enthielt. So führte der Beklagte im Bescheid unter „sonstige Gründe“ aus, dass die persönliche Vorsprache am 11.03.2016 unter Vorlage eines nichtunterschriebenen Mietvertrages mit erfolgloser Bitte auf Zustimmung zum Umzug nicht als Antragstellung gewertet werden könne.
Mit Bescheid vom 28.08.2017 änderte die Beklagte den Bescheid vom 05.07.2017 dahingehend ab, dass Leistungen auch für April 2017 bewilligt wurden, nachdem festgestellt wurde, dass die persönliche Vorsprache und Antragstellung der Klägerin bereits am 27.04.2017 erfolgt war. Soweit die Kläger unter dem 18.08.2017 die ab Dezember 2017 übernommenen, nur für angemessenen erachteten Unterkunftskosten als unangemessen niedrig angefochten haben, erließ der Beklagte einen weiteren Bescheid (28.08.2017), mit dem er den Bescheid vom 05.07.2017 insoweit aufhob und die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung auch für Dezember 2017 und Januar 2018 dem Bedarf der Kläger zugrunde legte. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.08.2017, der die Änderungsbescheide vom 28.08.2017 mit einbezog und den Widerspruch zurückwies, hat der Bevollmächtigte der Kläger am 19.09.2017 Klage erhoben und unter dem 31.10.2017 ausdrücklich beantragt, den Klägern unter Abänderung der Bescheide „auch Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum März 2016 bis März 2017 in gesetzlichem Umfang zu gewähren“. Den „Klageantrag vom 31.10.2017“ – so ausdrücklich – begründete der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 12.12.2017 lediglich in Bezug auf den Anspruch der Kläger auf Leistungen ab März 2016. Damit sind die Regelungen mit Bezug auf Leistungen ab 01.04.2017 bestandskräftig geworden, da Rechtsmittel hiergegen nicht eingelegt wurden (§ 77 SGG).
Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 12.06.2018 unter Bezugnahme auf den Erörterungstermin die Mietobergrenze verteidigte, folgt hieraus nichts anderes, zumal im Protokoll diese und Ansprüche auf Kosten der Unterkunft oder Anträge dahingehend keine Erwähnung finden. Soweit der Bevollmächtige sodann im Termin der mündlichen Verhandlung laut Niederschrift „bestätigt“ habe, dass es vorliegend um Leistungen für den „Zeitraum von März 2016 bis März 2017“ sowie um höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft für den Zeitraum von Februar 2018 bis April 2018 gehe, hat er dies in dem vom SG dann protokollierten und ausdrücklich genehmigten Antrag, der sich wiederum nur auf die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum von Juni 2016 bis März 2017 bezog, indes nicht aufrecht erhalten, sodass sich die Frage der Zulässigkeit einer Klageerweiterung nach § 99 SGG nicht stellt und auch keine Grundlage für eine vom SG vorgenommene erweiternde Auslegung des klägerischen Begehrens besteht. Damit sind auch die vom SG erwähnten Bescheide vom 25.11.2017, vom 14.05.2018 und 17.05.2018, „soweit sie Kosten der Unterkunft im Zeitraum Februar 2018 bis April 2018 betreffen“, nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, da diese den hier allein streitigen Zeitraum Juni 2016 bis März 2017 weder ersetzen noch abändern. Gleiches gilt für die weiteren Bescheide, die unter Einkommensanrechnung Ansprüche der Kläger in den Monaten ab April 2017 regeln.
Den Antrag, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Juni 2016 bis März 2017 in gesetzlichem Umfang zu gewähren, hat der Bevollmächtigte im Berufungsverfahren wiederholt, auch wenn er gleichwohl in der Begründung seines Antrages auch zur Höhe der gewährten Unterkunftskosten Stellung nimmt. Auf die Hinweise des Berichterstatters in der Verfügung vom 10.10.2019 hat er seinen im Schriftsatz vom 21.05.2019 gestellten Antrag nicht mehr abgeändert und auch sonst keine Stellungnahme abgegeben. Die unter Berücksichtigung dieses Antrages zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage ist aber unbegründet, denn in der Sache hat das SG zu Recht entschieden, dass die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen haben, weil es für die Zeit vor dem 01.04.2017 an einem Antrag fehlt.

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind für Zeiten vor der Antragstellung keine Leistungen zu erbringen. Der Antrag hat eine anspruchsauslösende Funktion, weshalb ihm insofern eine konstitutive Wirkung zukommt (Silbermann in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage, § 37 Rn. 5). Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II kann schon vor der Antragstellung und unabhängig von einer Antragstellung vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R -, juris). Anders als im Sozialhilferecht (§ 18 SGB XII) ist damit für den Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II nicht die Kenntnis der Hilfebedürftigkeit durch die Leistungsträger ausreichend, sondern es bedarf des konstitutiven Akts des Antrags desjenigen, der Leistungen nach dem SGB II begehrt (BT-Drucks 15/1516, S 62; siehe auch BSG vom 16.05.2012 - B 4 AS 166/11 R -, juris). Der Antrag hat insoweit "Türöffnerfunktion". Mit dem konstitutiven Akt der Antragstellung wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt; ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (vgl. Silbermann, a.a.O., m.w.N.)

Bei einem Antrag handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, deren Wirksamkeit nicht davon abhängt, dass er vollständig gestellt worden ist oder dass bestimmte Formblätter ausgefüllt werden (vgl. zur Nichtförmlichkeit des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens § 9 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X). Allerdings muss das Begehren des Antragstellers in der Erklärung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden sein (BSG, Urteil vom 12.02.2004 - B 13 RJ 58/03 R - BSGE 92, 159). § 133 BGB erfordert die Feststellung des (normativ) in Wahrheit Gewollten nach Maßgabe des Empfängerhorizonts auf der Grundlage aller im Einzelfall als einschlägig in Betracht kommenden Umstände. Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher – unter Berücksichtigung aller Umstände – der erkennbare wirkliche Wille des Antragstellers. Die Auslegung hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen (BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 3/09 R -, juris). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon, welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG Urteile vom 11.09.2001 - B 2 U 41/00 R -, juris Rn. 24; vom 01.04.1981 - 9 RV 49/80 -, juris Rn. 17; und vom 15.11.1979 - 7 RAr 75/78 – juris Rn. 13). Rechtlich maßgebend für den Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Antrags oder Rechtsbehelfs ist, wie die Behörde einen Antrag unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände sowie nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf die in Frage stehenden Äußerungen in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen (BSG, Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R -, juris Rn. 34)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht feststellbar, dass die Klägerin bei der Vorsprache am 11.03.2016 den Willen hatte, (auch) Arbeitslosengeld II zu beantragen und musste der Beklagte nicht davon ausgehen, dass die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts am 11.03.2016 beantragen wollten.

Nach dem am 12.05.2017 beim Beklagten eingegangenen Fax behaupten die Kläger, den Beklagten „im März 2016“ aufgesucht zu haben und Leistungen nach dem SGB II beantragt und einen Mietvertrag vorgelegt zu haben, von dem eine Kopie angefertigt worden sei. Dass in diesem Rahmen von der Klägerin ein Antrag auf Arbeitslosengeld II mit Wirkung ab einem bestimmten Zeitpunkt gegenüber dem Jobcenter tatsächlich und ausdrücklich formuliert wurde, lässt sich diesen und auch den späteren Einlassungen aber nicht entnehmen. Auch den Vermerken des Beklagten lässt sich eine ausdrücklich, auch mündlich vorgetragene Antragstellung auf Arbeitslosengeld II nicht entnehmen. Unter dem 11.03.2016 sind vielmehr (lediglich) Hinweise bezogen auf den von (nur) der Klägerin bei der persönlichen Vorsprache vorgelegten, nicht unterschriebenen Mietvertrag wiedergegeben, in der der Klägerin mitgeteilt wurde, dass aufgrund einer Kaltmiete von 600 €, der Vereinbarung einer Staffelmiete und einer Mietobergrenze von 463 € für zwei Personen Kosten nur bis zur Mietobergrenze anerkannt und die Kaution oder eine Umzugsbeihilfe nicht gewährt werden könnten. Dass die Kläger bereits am Empfang „abgewimmelt“ worden seien, wie der Bevollmächtigte mit seinem Widerspruch geltend macht, sieht der Senat durch die Vermerke des Beklagten als widerlegt an. Denn dort lässt sich lediglich eine die Vorgaben des § 22 Abs. 4 SGB II berücksichtigende Beratung und ggfs. auch mündlich mitgeteilte Entscheidung entnehmen. Im Übrigen handelt es sich um eine unbelegte Behauptung, die betreffende Person sei nicht befugt gewesen, Informationen zu erteilen. Nach den Vermerken (vgl. auch Blatt 69 der Akten) fand die persönliche Vorsprache der Klägerin (nicht beider, wie der Bevollmächtigte behauptete) im Rahmen eines sogenannten Erstgespräches in den Räumen eines Sachbearbeiters statt.

Allein die Vorsprache der Klägerin bei dem Beklagten am 11.03.2016 legt im Zusammenhang mit der Vorlage eines Mietvertrages noch keine Antragstellung auf Arbeitslosengeld II nahe. Gemäß § 22 Abs. 4 SGB II besteht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die die Unterkunft wechseln wollen, die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung. Dem Zusicherungsverfahren kommt allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion zu (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 5. Auflage, § 22 Rn. 125). Es zielt darauf ab, vor Abschluss eines Vertrages und vor einem Umzug dem Leistungsberechtigten Klarheit über die Angemessenheit der Aufwendungen für eine neue Unterkunft zu verschaffen, ihn so vor einem unbedachten, verschuldensträchtigen Wohnungswechsel zu warnen und so Streitigkeiten über die Angemessenheit vorzubeugen (BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 10/10 R -, juris). Es lässt sich gerade nicht feststellen, dass die Klägerin einen anderen als diesen Zweck mit dem Aufsuchen der Beklagten verfolgte und zudem zu diesem Zeitpunkt den Willen hatte, auch Arbeitslosengeld II beantragen zu wollen. So haben die Kläger gerade nicht dargetan und dies lässt sich auch sonst nicht feststellen, dass dem Beklagten gegenüber erklärt worden ist, der Umzug habe bereits zum Zeitpunkt der Vorsprache festgestanden und erfolge unabhängig von der erteilten Auskunft zur Höhe angemessener Kosten der Unterkunft. Denn nur hieraus wäre abzuleiten gewesen, dass die Klägerin über ihren Aufklärungsbedarf hinaus auch einen, wenn auch künftigen Bedarf bezogen auf die Gewährung von Arbeitslosengeld II haben könnte. Schließlich ist dem Beklagen lediglich ein Vertragsentwurf vorgelegt worden und der Klägerin wurde mitgeteilt, dass sie nicht erwarten könne, dass die Kosten in der im Mietvertrag enthaltenen Höhe sowie die Kosten für Umzug und Kaution übernommen würden. Unter Berücksichtigung dessen ist auch unter Berücksichtigung der bekannten Umstände ein erkennbarer Wille zu einer Antragstellung auf Arbeitslosengeld II am 11.03.2016 nicht festzustellen und ein solcher war für den Beklagten – sofern er dennoch vorgelegen haben sollte – auch nicht ersichtlich. Dem entspricht auch der Vermerk am 11.03.2016, dass kein Antrag ausgehändigt wurde.

Der den Akten entnommene weitere Verlauf spricht nicht gegen, sondern für diese Wertung. So kann nicht nachvollzogen werden, dass einerseits ein Mietvertrag zu den Akten gereicht wurde, der am 19.03.2016 unterschrieben worden sein soll, der die Wohnadresse der Kläger bereits mit der B Str. in E bezeichnete und den Beginn des Mietverhältnisses am 01.04.2016 ausweist, die ebenfalls vorgelegte Mietbescheinigung des Vermieters den Mietbeginn aber zum 01.06.2016 angibt. Sofern dies der tatsächliche Umzugstermin gewesen sein sollte, steht dies in Übereinstimmung mit der Meldebescheinigung (Bl. 54 der Akten), wonach die Kläger am 01.06.2016 in E zugezogen sind. Unstreitig ist, dass die Kläger bis zum 01.06.2016 Leistungen vom Jobcenter C bezogen. Dort wurde ein beabsichtigter Umzug nach den vorliegenden Vermerken von der Klägerin erst am 09.05.2016 angesprochen, ferner dass dieser wegen zu hoher Mietkosten nicht genehmigt worden sei. Den Vermerken lässt sich zudem entnehmen, dass die Klägerin dem Jobcenter C erstmals am 23.05.2016 (Bl. 25 SG-Akten) konkret mitteilte, sie wolle zum 01.06.2016 nach B (!), nicht etwa E, umziehen, genaueres stehe aber noch nicht fest. Unter dem 09.05.2016 wurde mit der Klägerin zudem eine neue Eingliederungsvereinbarung mit einer Gültigkeit bis 08.11.2016 einvernehmlich abgeschlossen, ohne dass sich in diesem Zusammenhang die nach oben genanntem Vertragsabschluss bereits sichere Absicht eines Umzuges in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten entnehmen lässt. Ein eigentlich ab dem 19.03.2016 sicherer Umzug in eine bereits angemietete Wohnung lässt sich zudem auch den festgehaltenen Vermerken über Angaben des Klägers am 09.05.2016 (Bl. 27 SG-Akte) nicht entnehmen, der angegeben haben soll, dass der Umzug aufgrund zu hoher Mietkosten nicht genehmigt worden sei und die Wohnungssuche weiterlaufe. Schließlich hat wiederum die Klägerin bei einer persönlichen Vorsprache im Jobcenter C dann am 24.05.2016 den Umzug zum 01.06.2016 mitgeteilt und angegeben, eine Zusicherung sei nicht erforderlich und es werde kein neuer Arbeitslosengeld II-Antrag gestellt. Auch diesen Vermerken des Jobcenters C lässt sich noch bis Mitte Mai 2016 und damit gut zwei Monate nach der Vorsprache beim Beklagten, ein erkennbar konkretisierter Wille auf einen Umzug in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten („die Wohnungssuche geht weiter“) nicht mit der hierfür erforderlichen Gewissheit entnehmen. Vielmehr lassen diese den Rückschluss zu, dass zumindest am 11.03.2016 noch kein Wille bestand, tatsächlich in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten umziehen und Leistungen beantragen zu wollen und – wenn man die festgehaltenen Angaben vom 24.05.2016 zugrunde legt – auch zu diesem späteren Zeitpunkt keine Absicht (mehr) bestand, Arbeitslosengeld II beim Beklagten zu beantragen. Auf diese Vermerke sind die Kläger im Klageverfahren im Übrigen nicht eingegangen. Die Einlassungen im Berufungsverfahren, wonach die Kläger selbstverständlich beabsichtigten, nach E umzuziehen, vermögen angesichts der vorstehenden Ausführungen anderes nicht zu belegen. Die Mitteilung, keinen Antrag auf Leistungen mehr stellen zu wollen, kann im Übrigen auch darauf beruhen, dass die Kläger etwa aufgrund einer Ausweitung ihrer geringfügigen Beschäftigungen nicht mehr auf die Gewährung von Leistungen angewiesen waren.

Es besteht zudem kein Anhalt dafür, dass der Beklagte Kenntnis von einer beabsichtigten Unterzeichnung des Mietvertrages und von einem konkreten Umzugstermin hatte, auf den sich ein Leistungsantrag hätte beziehen konnte. Aufgrund insoweit fehlender Hilfebedürftigkeit zu diesem Zeitpunkt wegen der bis Ende Mai 2016 bewilligten Leistungen durch das Jobcenter C, des zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht des Sachbearbeiters noch nicht feststehenden, zumindest nicht mitgeteilten Umzugstermins bestand für eine Antragstellung zudem kein Bedürfnis, weshalb unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts auf einen bestehenden Willen, bereits zu diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld II beantragen zu wollen, nicht geschlossen werden musste. Denn offen blieb insoweit, ob es zu einer örtlichen Zuständigkeit des Beklagten überhaupt kommen würde.

In diesem Zusammenhang ist – worauf das SG zurecht hingewiesen hat – auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Kläger erst im April 2017 wieder beim Beklagten vorstellig geworden sind, wenn sie denn von einer Antragstellung ausgegangen sein sollten.

Darüber hinaus haben die Kläger trotz Hinweises und Aufforderung des Senats in der gerichtlichen Verfügung des Senats vom 10.10.2019 (sowie in der die Prozesskostenhilfe ablehnenden Entscheidung vom 21.01.2022) ihre Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II) – als weitere Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II – weder dargelegt noch belegt. Damit sind die Anspruchsvoraussetzungen für den geltend gemachten Zeitraum auch aus diesem Grund nicht erfüllt.

Das SG hat im Übrigen zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches bereits mangels einer nachweisbaren Pflichtverletzung des Beklagten nicht gegeben sind. Gleiches gilt, soweit das SG auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und einer Nachsichtgewährung für nicht erfüllt angesehen hat. Insoweit wird auf diese Ausführungen verwiesen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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