L 1 U 3739/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2270/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3739/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. September 2021 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Der Kläger begehrt zum wiederholten Male in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 17. Mai 2001.

Der 1947 geborene Kläger fiel am 17. Mai 2001 bei seiner Tätigkeit als Gebäudereinigungshelfer eine Treppe hinunter. Zur Erstversorgung wurde er in das S Krankenhaus K verbracht. Dort diagnostizierte B am Unfalltag multiple Prellungen, kein Anhalt für Frakturen, kein Thorax- oder Abdominaltraumata und keine Commotio cerebri. Eine Röntgenuntersuchung veranlasste er wegen „klinischer Unauffälligkeit“ und „Geringfügigkeit“ nicht. Bei der Nachuntersuchung bei B am 11. Juni 2001 gab der Kläger Schmerzen im Bereich des Nackens, der unteren Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule an. Eine von B vorgeschlagene Röntgenuntersuchung lehnte der Kläger ab.

Mit unfallchirurgischem Zusammenhangsgutachten vom 15. Mai 2002 schloss E verbleibende Unfallfolgen aufgrund des Sturzes vom 17. Mai .2001 aus. Der Kläger weigerte sich, an einem Zusatzgutachten des F mitzuwirken.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2003 lehnte die Beklagte u.a. die Gewährung einer Verletztenrente ab. Sie verwies zur Begründung ihrer Entscheidung auf das Gutachten von E. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beklagte beauftragte daraufhin J mit der Erstattung eines unfallchirurgischen Gutachtens sowie H mit der Erstattung eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens, die weder auf unfallchirurgischen noch auf nervenärztlichem Fachgebiet eine unfallbedingte MdE feststellen konnten. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2003 wies die Beklage den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Hiergegen erhoben der Kläger am 9. Januar 2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Kiel (S 5 U 8/04). Das SG Kiel bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe und vernahm in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2006 zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts den H1 als Sachverständigen. Dieser führte aus, der Kläger habe bei dem Unfall vom 17. Mai 2001 lediglich eine Schädelprellung und weitere Körperprellungen erlitten. Der Unfall sei nicht geeignet gewesen, eine gravierende psychische Störung zu induzieren. Nervenärztlich sei zu keinem Zeitpunkt seit dem Unfall vom 17. Mai 2001 eine unfallbedingte MdE begründbar. Das SG Kiel wies daraufhin die Klage mit Urteil vom 17. Januar 2006 ab. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Klägers wies das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht nach mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 21. März 2007 (L 8 U 35/06) zurück.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 2. Februar 2009 erstmals die Überprüfung des Bescheids vom 6. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2003 und begehrte erneut die Zahlung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 17. Mai 2001. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 9. April 2009 ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2009 zurück. Die hiergegen erhobene Klage zum SG Heilbronn wies dieses mit Gerichtsbescheid vom 22. November 2010 (S 3 U 2285/09) ab. Die dagegen eingelegte Berufung wies das LSG Baden-Württemberg nach mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 26. April 2012 (L 10 U 5684/10) zurück. Der 10. Senat kam - wie zuvor das SG Kiel, das LSG Schleswig-Holstein und das SG Heilbronn - zu dem Ergebnis, der Sturz vom 17. Mai 2001 habe keine Unfallfolgen hinterlassen, die einen Anspruch auf Verletztenrente begründen könnten. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das BSG mit Beschluss vom 14. August 2012 (B 2 U 191/12 B) als unzulässig.

Am 20. November 2012 beantragte der Kläger zum zweiten Mal bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 6. Februar 2003 nach § 44 SGB X. Die Beklagte lehnte diesen neuen Antrag mit Bescheid vom 20. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2016 ab. Mit Schreiben vom 19. April 2017 erhob der Kläger dann ein knappes Jahr später gegen diesen Bescheid Klage zum SG Hamburg, welches das Verfahren an das SG Heilbronn verwies. Mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2017 (S 3 U 2411/17) wies das SG Heilbronn die Klage wegen Versäumung der Klagefrist ohne sachliche Prüfung als unzulässig ab. Die hiergegen gerichtete Berufung wies der 6. Senat des LSG Baden-Württemberg nach mündlicher Verhandlung, zu der für den Kläger niemand erschien, mit Urteil vom 22. März 2018 (L 6 U 4044/17) zurück. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das BSG mit Beschluss vom 23. Mai 2018 (B 2 U 96/18 B) als unzulässig.

Mit Schreiben vom 30. April 2018 und 14. Dezember 2018 beantragte der Kläger zum dritten Mal die Überprüfung der ablehnenden Entscheidung durch die Beklagte. Soweit den Schreiben ein nachvollziehbarer Inhalt entnommen werden kann, machte er geltend, die bisherigen Entscheidungen seien unzutreffend. Mit Bescheid vom 12. Februar 2019 lehnte die Beklagte die Überprüfung des Bescheids 6. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2003 sowie die Gewährung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 17. Mai 2001 erneut ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 12. März 2019 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2019 zurückwies. Der Widerspruchsbescheid ist mit dem gestempelten Vermerk „Versand am: 10. Mai 2019" versehen und verfügt über eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung.

Mit Faxnachricht vom 13. Mai 2019 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte. Das Schreiben war mit „Widerspruch" überschrieben. Inhaltlich stellte der Kläger - soweit dies nachvollziehbar ist - den bisherigen Verfahrensgang aus seiner Sicht dar und vermutete, dass es in der Akte Urkundenfälschungen gebe (wörtlich: „der unter schrift gehören nicht S1“) und es seien Unterlagen aus der Akte entfernt worden (wörtlich: „in der meinen Gericht Akte meine alle gutachten jemand raus genommen“). Er kündigte an, er wolle u.a. nationale und internationale Medien einschalten sowie bei einem Gericht in „The hague-hollan“ Klage einreichen. Mit Schreiben vom 21. Mai 2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Widerspruch gegen einen Widerspruchsbescheid nicht möglich sei und verwies auf die Rechtsbehelfsbelehrung, die dem Widerspruchsbescheid beigefügt war. Dieses Schreiben sandte der Kläger an die Beklagte mit einer handschriftlichen Ergänzung zurück, welche das Datum 17. Juni 2019 trägt. Hierin führte er aus, er wolle Beschwerde und Berufung einlegen und bat die Beklagte darum, seine Unterlagen u.a. an das SG weiterzuleiten (wörtlich: „Bitte meine unterlage senden sie bei Krippo, an, mit Gericht, klage ich, ich will von B H2 Schreiben Haben.“). Mit dem am 27. Juni 2019 beim SG eingegangenen Schreiben hat die Beklagte die Schreiben des Klägers vom 13. Mai 2019 sowie vom 17. Juni 2019 an das SG Heilbronn übersandt.

Nach einem Hinweisschreiben des SG hat der Kläger ausdrücklich klargestellt, er wolle „weiter klagen“ und ergänzt, das SG solle die Klage dem Landessozialgericht „senden“, er lege „Berufung ein“ und er klage „unendlich weiter“. Mit Gerichtsbescheid vom 2. September 2021 hat das SG die Klage wegen Verfristung als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, die Klagefrist habe am 13. Juni 2019 geendet. Das Schreiben vom 13. Mai 2019 könne nicht als Klage angesehen werden, da hieraus nicht erkennbar sei, dass der Kläger die Überprüfung der Entscheidung der Beklagten durch ein Gericht begehre. Die Klage sei vorliegend frühestens am 17. Juni 2019 und damit nach Ablauf der Klagefrist bei der Beklagten eingegangen. Erst mit diesem Schreiben habe der Kläger nunmehr die Überprüfung der Entscheidung durch ein Gericht begehrt. Das SG hat den mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehenen Gerichtsbescheid dem Kläger am 4. September 2021 zugestellt.

Zuvor hatte der Kläger bereits am 15. März 2021 eine Klage beim SG Stuttgart erhoben (dortiges Az: S 10 U 1160/21). In diesem Verfahren hat sich das SG Stuttgart mit Beschluss vom 13. Dezember 2021 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Heilbronn verwiesen. Im Verfahren S 10 U 1160/21 hat der Kläger am 17. September 2021 ein Schreiben an das SG Stuttgart gesandt, in dem er (unter Nennung des Aktenzeichens des vorausgegangenen Verfahren beim SG Heilbronn, daneben aber auch der Aktenzeichen der abgeschlossenen Verfahren vor dem SG Kiel, dem Schleswig-Holsteinischen LSG und dem LSG Baden-Württemberg) ausführt, er wolle „WIEDERSPRUCH INSGESAMT“ und „berufung Sozial Geiht und Land sozial Geicht, Stuttgart“ einlegen. Das SG Stuttgart hat dieses Schreiben am 24. September 2021 zur Kenntnisnahme an die Beklagte übersandt.

Die Beklagte hat das genannte Schreiben des Klägers am 6. Dezember 2021 an das LSG übersandt. Mit ergänzendem Schreiben vom 21. Dezember 2021 hat der Kläger u.a. wörtlich vorgetragen: „meine unfal Schaden,vert weiter,ven ich bin tot meine familien person kann meine recht weitere klagen bis B, und unfahl kasse übernimmt will haben vorher,SG baden wüettemberg will für B fetretung sein nir umfahl schmertsen Geld 5000,00-tausen euro bei mir geben“.

Der Senat hat am 11. Januar 2022 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. Februar 2022 bestimmt. Auf einen Terminverlegungsantrag des Klägers vom 20. Januar 2022, den dieser mit seinem Impfstatus sowie mit einer Erkrankung seiner Ehefrau begründete, hat der Senat den Termin am 24. Januar 2022 wieder aufgehoben. Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben vom 27. Januar 2022 unter Beantragung von Prozesskostenhilfe mitgeteilt „WIEDERSPRUCH-07.02.2022uhr 10, versicherte Termin blieben fest. Erhoben Wort zurück nehmen 07.02.2022. Gericht muss nicht Akte Geschlossen reden.“ und stellte klar, er wolle zum Termin am 7. Februar 2022 gerne kommen. Auf diesen ausdrücklichen Wunsch hin hat der Senat am 31. Januar 2022 erneut Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. Februar 2022 bestimmt. Mit Beschluss vom 4. Februar 2022 hat er den Antrag auf PKH abgelehnt.

Am Samstag, den 5. Februar 2022 hat der Kläger unter Übersendung einer am 4. Februar 2022 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) für die Zeit vom 4. bis 11. Februar 2022 mitgeteilt, das Gericht wolle „07.2.2022 seine Formalität wider geschlossen reden“, er sei 7 Tage krankgeschrieben und werde sich für einen neuen Gerichtstermin wieder melden. Zum Termin am 7. Februar 2022 hat der Senat eine Dolmetscherin geladen. Die ordnungsgemäß geladenen Beteiligten sind zum Termin nicht erschienen.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt. Er beantragt bei sachdienlicher Auslegung seines Vorbringens,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. September 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Februar 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 9. Mai 2019 zu verurteilen, den Bescheid vom 6. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 9. März 2003 zurückzunehmen und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 vH aufgrund der Folgen seines Arbeitsunfalles vom 17. Mai 2001 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend und hält im Übrigen an ihrer Entscheidung fest.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakten des SG und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte nach mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladenen Beteiligten (§ 110 SGG) nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 126 Rn. 4). Auf diese Möglichkeit wurde bereits in der Ladung hingewiesen.

Eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung war nicht geboten. Zwar ist das am 5. Februar 2022 eingegangene Schreiben des Klägers inhaltlich nur schwer nachvollziehbar, allerdings kann es - bei der gebotenen Auslegung - durchaus so verstanden werden, dass der Kläger nunmehr eine erneute Aufhebung des Termins beantragt.

Dem Antrag eines Beteiligten auf Verlegung der mündlichen Verhandlung ist stattzugeben, wenn er einen erheblichen Grund für die Verlegung glaubhaft macht, §§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. 227 Abs. 1 ZPO. Daran fehlt es. Der Kläger hat einen solchen erheblichen Grund nicht dargetan. Er hat die am 4. Februar 2022 ausgestellte AUB mit unterdrückter Faxnummer erst am Samstag, den 5. Februar 2022, an das Gericht übersandt, so dass der Senat erst am Verhandlungstag hiervon Kenntnis erlangt hat. Wird jedoch eine Terminverlegung erst unmittelbar vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht. Dies erfordert, dass das Gericht bzw. das Gremium aus der Bescheinigung Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann. Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit. Der Hinweis auf eine bestehende Arbeitsunfähigkeit reicht für eine Terminverlegung nicht aus, wenn diese nur durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegt ist und diese sich zur Art Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung nicht äußert (vgl. BFH, Beschluss vom 9. November 2009 – VIII B 94/09 –, juris). Eine Terminverlegung ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann (BFH, a.a.O., Rn. 2, juris). Letzteres vermag der Senat der vorgelegten AUB nicht zu entnehmen. Diese nennt zwei Diagnosen und die Feststellung, der Kläger sei arbeitsunfähig. Dass das Hämorrhoidalleiden eine Wahrnehmung des Termins unmöglich macht, bedürfte näherer Begründung, ob und ggf. welche akuten Probleme vorliegen. Die zweite Diagnose ist unspezifisch, sodass der Senat insgesamt sich von der Verhandlungsunfähigkeit des Klägers aufgrund eigener Urteilsbildung nicht überzeugen kann.

Im Falle eines erst kurz vor dem Termin gestellten Verlegungsantrags ist der Senat grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern, noch, selbst Nachforschungen anzustellen zB durch Nachfrage bei dem Betroffenen und/oder bei dem Arzt, der die Bescheinigung ausstellte (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 2/10 B –, SozR 4-1500 § 110 Nr 1, Rn. 13, m.w.N). Ob möglicherweise im Falle eines anwaltlich nicht vertretenen Klägers etwas Anderes gilt (BSG a.a.O.), kann dahinstehen, da der Kläger seine Schreiben an das Gericht ohne Angabe einer Telefonnummer oder E-Mail-Adresse sowie mit unterdrückter Faxnummer übersandt hat, so dass dem Senat auch nicht die Möglichkeit offen stand, kurzfristig vor der Verhandlung mit dem Kläger in Kontakt zu treten.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Berufung ist unzulässig (hierzu unter 1), im Übrigen unbegründet (hierzu unter 2).

1.)
Zwar ist die Berufung statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und der Kläger hat sie schriftlich, mithin formgerecht, eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG). Jedoch ist die Berufung nicht fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGG) und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).

Gem. § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen. Gem. § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. Dies ist der in gesetzlicher Form zu bewirkende und zu beurkundende Akt, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft wird. Zugestellt wird im sozialgerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO, vgl. § 63 Abs. 2 SGG). Die Zustellung an den Kläger ist ausweislich der Zustellungsurkunde durch Einlegung des zuzustellenden Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung im Wege einer Ersatzzustellung nach § 180 ZPO am 4. September 2021 bewirkt worden. Mithin ist dem Kläger der Gerichtsbescheid des SG vom 2. September 2021, der eine vollständige und ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S. des § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet hat, zur Überzeugung des Senats ordnungsgemäß am 4. September 2021 zugestellt worden. Die einmonatige Berufungsfrist hat gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 5. September 2021, zu laufen begonnen und hat gem. § 64 Abs. 2 SGG mit Ablauf des 4. Oktober 2021, einem Montag, geendet.

Innerhalb dieser Frist ist keine Berufung beim LSG eingegangen. Vielmehr ging das Schreiben des Klägers vom 17. September 2021 - welches als Berufungsschrift interpretiert werden kann - erst am 6. Dezember 2021 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim LSG ein.

Der Kläger hat in der genannten Frist auch keine Berufung beim SG Heilbronn eingelegt. Gemäß § 151 Abs. 2 SGG ist die Berufungsfrist grundsätzlich auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem „Sozialgericht“ schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das „Sozialgericht“ die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor. „Sozialgericht“ im Sinne des § 151 Abs. 2 SGG ist dasjenige SG, dessen Entscheidung angefochten wird, nicht ein anderes SG (Keller a.a.O., § 151 Rn. 2, m.w.N.). Die Berufung nach § 151 SGG kann nicht fristwahrend bei einem anderen Gericht (BSG, Beschluss vom 31. März 2005 – B 11a/11 AL 229/04 B –, juris) und auch nicht bei einer Behörde (Keller, a.a.O., Rn. 2a) eingelegt werden. Weder der Eingang des klägerischen Schreibens vom 17. September 2021 beim SG Stuttgart noch der spätere Eingang bei der Beklagten am 24. September 2021 sind daher für einen fristwahrenden Berufungseingang geeignet.

Die Berufung des Klägers ist erst am 6. Dezember 2021, d.h. nach Ablauf der Berufungsfrist, beim LSG eingegangen. Sie ist damit verfristet.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gem. § 67 Abs. 1 SGG ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die ein gewissenhaft Prozessführender nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 - juris, Rn. 15; Urteil vom 27. Mai 2008 - B 2 U 5/07 R - juris, Rn. 14). Der - nach Aktenlage prozesserfahrene - Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Er hat keinerlei Umstände vorgebracht, warum es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, die Berufungsschrift innerhalb der gesetzlichen Berufungsfrist beim SG Heilbronn oder LSG einzureichen.

Die Berufung ist daher zu verwerfen.

2.)
Im Übrigen wäre die Berufung auch unbegründet, weil bereits die Klage verfristet erhoben worden ist.

Das SG ist zutreffend von einer verfristeten Klageerhebung und damit der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die nach eigener Prüfung des Senats zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und der Senat keine Gelegenheit hatte, ihm die Missbräuchlichkeit seiner Rechtsverfolgung darzulegen und auf Verschuldenskosten hinzuweisen (§ 192 Abs.1 Nr. 2 SGG), scheidet die an sich gebotene Verhängung von Verschuldenskosten aus.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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