1. Der Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV steht hinsichtlich der Höhe, der Dauer und der Zahlungsart im Ermessen des Unfallversicherungsträgers.
2. Die Anwendung der Fünftel-Regel (Staffelung der Übergangsleistungen nach Fünfteln 1. Jahr 5/5, 2. Jahr 4/5 usw. des Minderverdienstes) ist regelmäßig ermessensgerecht.
3. Die Anwendung der Fünftel-Regel verstößt nicht gegen die Vorgaben des § 2 Abs. 2 SGB I (Verwirklichung der sozialen Rechte).
4. Zur Bedeutung des in § 2 Abs. 2 SGB I enthaltenen Effektuierungsgrundsatzes für die Rechtsauslegung.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10.12.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) unter dem Gesichtspunkt, ob die Beklagte zu Recht im Rahmen ihres Ermessens die Übergangsleistungen in den Jahren der Gewährung zwei bis fünf jährlich gesteigert um je ein (weiteres) Fünftel reduziert gewährt hat.
Der Kläger ist 1959 geboren. Er war als Dachdecker und Spengler über 30 Jahre im Wesentlichen in der Firma seines Bruders abhängig beschäftigt. Am 07.05.2007 zeigte er der Beklagten das Vorliegen einer Hautkrankheit als Berufskrankheit an. Seine berufliche Tätigkeit stellte er zum 22.12.2007 ein.
Mit Bescheid vom 05.08.2009 erkannte die Beklagte einen Zustand nach gramnegativem Fußinfekt beidseits und einen Zustand nach Zehenzwischenraum-Mykose als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV an. Infolge eines vor dem Sozialgericht (SG) München geschlossenen Vergleichs erhielt der Kläger für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum 12.01.2015 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. (Ausführungsbescheid vom 10.03.2015 zum Vergleich vom 23.08.2012).
Nach Einstellung seiner Erwerbstätigkeit in der Firma seines Bruders bezog der Kläger bis zum 06.01.2008 noch ein Einkommen aus seiner bisherigen Tätigkeit, anschließend bis zum 21.10.2009 Verletztengeld; ab dem 04.10.2010 erzielte er aus einer geringfügigen Beschäftigung bei der Fa. T Einkommen. Vom 22.10.2009 bis zum 03.02.2010 erhielt er Arbeitslosengeld, vom 01.02.2010 bis zum 31.08.2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und anschließend bis Ende Oktober 2014 nochmals Leistungen des Arbeitsamtes.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.09.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger zum Ausgleich seines Minderverdienstes ab der Aufgabe der Tätigkeit als Dachdecker und Spengler am 23.12.2007 Übergangsleistungen, wobei im ersten Jahr der volle Minderverdienst, im zweiten Jahr 4/5, im dritten Jahr 3/5, im vierten Jahr 2/5 und im fünften Jahr 1/5 des Minderverdienstes ausgeglichen werden sollten. Die Beklagte hat zur Begründung insofern ausgeführt:
"Als Übergangsleistung wird entweder ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von fünf Jahren, ausgehend vom Tag nach dem Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit, gewährt (§ 3 BKV).
Zweck der Übergangsleistung ist, den Übergang in die neuen Einkommensverhältnisse zu erleichtern und die mit der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder zu mindern. Die Feststellung von Art und Höhe der Übergangsleistung ist in das pflichtgemäße Ermessen des Versicherungsträgers gestellt.
Infolge Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit sind Ihnen durch das geringere monatliche Einkommen wirtschaftliche Nachteile von längerer Dauer entstanden. Deshalb ist in Ihrem Fall eine wiederkehrende Zahlung entsprechend dem errechneten wirtschaftlichen Nachteil, längstens für die Dauer von 5 Jahren, angebracht.
Es entspricht dem Sinn der Übergangsleistung, allmählich eine Heranführung an die neue wirtschaftliche Situation zu erreichen und die Leistung während ihrer Laufzeit stufenweise zu verringern. Im Regelfall wird daher im ersten Jahr der Laufzeit der volle Minderverdienst, im zweiten Jahr 4/5, im dritten Jahr 3/5, im vierten Jahr 2/5 und im fünften Jahr 1/5 des Minderverdienstes ausgeglichen.
Wir haben Ihre Verdienstverhältnisse nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit für die Zeit vom 23.12.2007 bis 31.05.2010 geprüft und festgestellt, dass keine besonderen Umstände vorliegen, die ein Abweichen von der gebräuchlichen Staffelung rechtfertigen."
Die Berechnung der genauen Höhe für den vorgenannten Zeitraum war der Anlage zum Bescheid zu entnehmen.
Am 13.10.2010 legten die Bevollmächtigten des Klägers Widerspruch ein mit dem Antrag, den Schadensausgleich vollständig vorzunehmen, d. h. ohne Kürzung nach Fünfteln. Bei der Ausübung von Ermessen - so die Bevollmächtigten - sei zwingend vorgeschrieben, die sozialen Rechte des Anspruchstellers möglichst weitgehend zu verwirklichen (§ 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -). Das Gegenteil sei der Fall, wenn bei der konkreten Schadensberechnung im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV schematisch Abzüge um Fünftel nach einem von den Berufsgenossenschaften selbst erdachten Schema getätigt würden. Da es sich um die Ausrechnung des konkreten Schadens handele, sei dieser voll auszugleichen.
Weitere Abrechnungsbescheide ergingen am 13.10.2010, 22.11.2010, 11.01.2011 und 31.01.2011.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2011 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.09.2010 sowie die als mitangefochten geltenden Abrechnungsbescheide vom 13.10.2010, "12.11.2010" [Anmerkung des Senats: Offenkundiger Schreibfehler; der Bescheid datiert vom 22.11.2010], 11.01.2011 und 31.01.2011 zurückgewiesen. Im Rahmen der Begründung wurde auf Folgendes hingewiesen:
"Auf die Übergangsleistungen besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten, wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Dagegen steht die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers.
Dabei hat der Träger der Unfallversicherung bei dieser Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch zu machen.
In Ihrem Fall hat man eine monatliche wiederkehrende Zahlung gewählt, da dies im Ergebnis für Sie günstiger war. Aus dem Begriff des "Übergangs" und der Beschränkung der Ausgleichsleistung auf längstens fünf Jahre ist eine Staffelung der Ausgleichsleistung abzuleiten. Diese Staffelung erfolgt in der Weise, dass die ursprünglich festgesetzte und dann den neuen Einkommensverhältnissen angepasste Ausgleichsleistung im ersten Jahr nach der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit voll und dann in jedem der folgenden vier Jahre um je 1/5 gekürzt gewährt wird.
Diese Verfahrensweise setzt voraus, dass im Rahmen der Ausübung des Ermessens in jedem Einzelfall und laufend geprüft wird, ob nicht besondere Umstände des Einzelfalles ein Abgehen von der Staffelung gebieten.
Als solche besonderen Umstände des Einzelfalles können beträchtliche Erhöhung des Minderverdienstes im Laufe der fünf Jahre oder schwierige wirtschaftliche Verhältnisse des Versicherten (z.B. wegen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation, notwendiger größerer Anschaffung, Familiengründung o.ä.) in Frage kommen.
Aus dem Akteninhalt ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass von einer Staffelung abzugehen ist. Derartige Gründe wurden auch im Widerspruchsverfahren nicht geltend gemacht.
Die Widerspruchsstelle gelangt nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass eine Staffelung der Übergangsleistungen zurecht und im Rahmen der ordnungsgemäßen Ermessensausübung erfolgt ist. Es ergaben sich keine Gründe dafür, dass der Verwaltungsakt vom 08.09.10 sowie die weiteren Verwaltungsakte zur Gewährung von Übergangsleistungen unrichtig sind."
Mit Schriftsatz vom 31.03.2011, eingegangen am 01.04.2011, haben die Bevollmächtigten des Klägers Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben und beantragt, die Beklagte zur Auszahlung von Übergangsleistungen für den Zeitraum von fünf Jahren ungekürzt, also nicht gekürzt nach Fünfteln, zu verurteilen.
Begründet haben sie die Klage wie folgt: Im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV sei die Auslegungsvorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I zu beachten. Dies bedeute, dass bei Ausübung von Ermessen gemäß § 2 Abs. 2 SGB I zwingend vorgeschrieben sei, die sozialen Rechte des Anspruchstellers möglichst weitgehend zu verwirklichen. Das Gegenteil sei der Fall, wenn bei der konkreten Schadensberechnung im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV schematisch Abzüge um Fünftel nach einem von den Berufsgenossenschaften selbst erdachten Schema getätigt würden. Da es sich um die Ausrechnung des konkreten Schadens handele, jedenfalls für die fünf Jahre des Anspruchszeitraums, sei dieser Fall auszugleichen. Wenn die Beklagte sogar die Gewährung von Verletztenrente verweigere, müsse umso mehr bei den Übergangsleistungen darauf geachtet werden, dass dem Kläger kein weiterer Schaden entstehe durch unzureichende Feststellung der Minderverdienstausfälle. Einen konkret berechtigenden Grund für die Kürzung nach Fünfteln habe die Beklagte nicht benannt. Offenbar sehe man dies von Seiten der Beklagten als sozialen Besitzstand einer Bau-Berufsgenossenschaft an, anstatt das Gesetz zur verwirklichen, von welchem der Gesetzgeber keinen Dispens erteilt habe.
Folgenden Antrag haben die Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 31.03.2011 gestellt: Unter Abänderung der Bescheide vom 08.09.2010 folgende und des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2011 wird die Beklagte verurteilt, die Übergangsleistungen für den Zeitraum von fünf Jahren ungekürzt auszuzahlen, also nicht gekürzt nach Fünfteln.
Die Beklagte hat sich zur Klagebegründung mit Schreiben vom 28.03.2013 geäußert. Zudem hat sie, soweit die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 28.01.2013 direkt gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatten, dass der Kläger bei voller Arbeitsfähigkeit in den Jahren 2007 bis 2012 fiktiv 102.850,53 € verdient hätte, er von der Beklagten als Übergangsleistungen aber lediglich 59.673,13 € erhalten habe, sodass er noch 43.177,40 € bekommen müsse (mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 19.03.2013 und 29.04.2013 geringfügig in der Höhe korrigiert), darauf hingewiesen, dass dieses Vorbringen eine ermessensfehlerhafte Erbringung der Übergangsleistungen nicht erkennen lasse. Der Berechnung der Übergangsleistungen sei das vom Arbeitgeber gemeldete durchschnittliche Nettoentgelt zugrunde gelegt worden.
Während des Klageverfahrens sind weitere Bescheide betreffend die Abrechnung der Übergangsleistungen erfolgt, wobei jeweils der konkret ermittelte Minderverdienst und die Fünftel-Abstufung zugrunde gelegt worden sind (Bescheide vom 11.04.2011, 04.05.2011, 06.06.2011, 13.07.2011, 02.08.2011, 30.09.2011, 02.11.2011, 03.01.2012, 31.01.2012, 29.02.2012, 04.04.2012, 27.04.2012, 04.06.2012, 29.06.2012, 03.09.2012, 31.10.2012 und 09.01.2013).
Mit Schriftsatz vom 28.07.2014 legten die Bevollmächtigten des Klägers eine auf den 25.06.2013 datierte Stellungnahme des Klägers vor, mit der eine besondere Härte durch die Abschmelzung der Übergangsleistungen geltend gemacht worden war. In diesem Schreiben hatte der Kläger mitgeteilt, dass er mit einer Abschmelzung der Übergangsleistungen auf ein Fünftel nicht einverstanden sei. Er beziehe derzeit lediglich 900,- € Rente; ein normaler Lebensstandard sei somit nicht gewährleistet. Seit dem Jahr 2007 habe er keinen Urlaub mehr gemacht und könne weder Ausflüge machen noch seinen Hobbys nachgehen. Dies sei alles auf seine hinlänglich bekannte Krankheitsgeschichte zurückzuführen. Er fordere die Beklagte daher auf, 4/5 der Übergangsleistungen anzuerkennen. Selbst wenn 4/5 der Übergangsleistungen gewährt würden, liege er immer noch 200,- € unter dem, was er bei seinem bisherigen Arbeitgeber verdient hätte.
Nachdem das SG mit gerichtlichem Schreiben vom 26.08.2014 ausführlich die Sach- und Rechtslage dargestellt und die fehlende Erfolgsaussicht der Klage erläutert hatte, haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 10.11.2014 mitgeteilt, dass eine Klagerücknahme nicht in Betracht komme. Es werde mit Entschiedenheit bestritten, dass die Abschmelzung der Leistungen die sozialen Rechte des Versicherten möglichst weitgehend verwirkliche. Zudem sei festzustellen, dass Übergangsleistungen in aller Regel nach "fünf Stellen" [Anmerkung des Senats: Gemeint wohl Fünftel] gekürzt würden, ohne dass eine konkrete Einzelfallprüfung vorgenommen werde. Gerade darin bestehe die Ermessenswidrigkeit. Der Kläger sei durch die Berufskrankheit vollkommen aus der Bahn geworfen worden und dringend auf den Ausgleich des erlittenen Verdienstverlustes angewiesen. Eine Hilfestellung biete ihm die Abschmelzung der Leistungen in keiner Weise etwa in der Form, an den Minderverdienst "gewöhnt" zu werden.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.12.2014 (Tatbestandsberichtigung mit Beschluss vom 29.06.2015) abgewiesen und dies wie folgt begründet:
"Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten zum Ausgleich der durch die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von 5 Jahren, gewährt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BKV). Auf die Übergangsleistung besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BKV gegeben sind. Dagegen steht die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers (vgl. BSG, Urteil vom 04.12.2001, Az. B 2 U 6/01 R, m. w. N.). Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG hat der Träger der Unfallversicherung bei dieser Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch zu machen. Die Gesichtspunkte, von denen er bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen ist, müssen in der Begründung der Entscheidung erkennbar werden (§ 35 Abs. 1 SGB X).
Die Beklagte hat in ihrer angefochtenen Entscheidung und insbesondere in ihrem Widerspruchsbescheid vom 24.02.2011 eine ausreichende Begründung für die zeitliche Länge und die von ihr gewählte Staffelung der Übergangsleistung gegeben. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte damit in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprechenden Weise entschieden hat (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG und § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I).
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Auffassung des Klägers es sich bei den Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV nicht um einen konkreten Schadensersatzanspruch handelt. Das Bundessozialgericht - BSG - hat in seiner Entscheidung vom 22.03.2011 (Az. B 2 U 12/10 R, Juris, Rn. 26 f.) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung klargestellt, dass die Übergangsleistung nicht dem Ersatz eines eingetretenen Schadens diene, den der Versicherte durch die krankheitsbedingte Aufgabe in Form eines Minderverdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile erleide. Der Zweck der Übergangsleistung sei vielmehr präventiv (BSG, a. a. O., Juris, Rn. 24 f.) und bestehe darin, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst dadurch vorzubeugen, dass Anreize gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen. Dem Versicherten werde für den Fall, dass er sich zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entschließt und im Wesentlichen dadurch verursachte Verdienstminderungen oder sonstige wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss, grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass diese annähernd, höchstens aber bis zu dem von § 3 Abs. 2 BKVO vorgegebenen Umfang, ausgeglichen würden. Die Übergangsleistung sei als präventive Hilfe beim und zum Übergang in eine nicht gefährdende Tätigkeit ausgestaltet und verfolge aufgrund dessen zukunftsgerichtete Ziele. Die von der Beklagten vorgenommene Staffelung der Übergangsleistung mit jährlicher Kürzung um 1/5 soll den Kläger zur Überzeugung des Gerichts nach und nach auf die durch die Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit gewandelte wirtschaftliche Situation vorbereiten und ihm den allmählichen Übergang auf das niedrigere wirtschaftliche Niveau ermöglichen und entspricht damit dem präventiven Charakter des § 3 Abs. 2 BKV.
Die Beklagte hat auch zutreffend verneint, dass besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der Staffelung gebieten würden. Denn insbesondere ist es nicht als besonderer Umstand anzusehen, dass das Nettoeinkommen eines Arbeitnehmers nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Beschäftigungsverhältnis bei Bezug von Lohnersatzleistungen absinkt (vgl. BSG, Urteil vom 04.12.2001, Az. B 2 U 6/01 R, Juris, Rn. 16), dies wird vielmehr der Regelfall sein.
Auch § 2 Abs. 2 SGB I führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach § 2 Abs. 2 SGB I sind die "nachfolgenden sozialen Rechte" bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB I bis SGB XII) und bei der Ausübung des Ermessens zu beachten; dabei ist sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Der Sozialleistungsträger ist demnach gehalten, Ansprüche zur Entstehung zu bringen bzw. es zu unterlassen, potentielle Ansprüche zu vereiteln (vgl. Seewald in Kassler Kommentar, § 2 SGB I Rn. 11 f.). § 2 Abs. 2 SGB I gewährt dem Versicherten hingegen keinen Anspruch auf eine höchstmögliche finanzielle Ausstattung seiner - wie hier - dem Grunde nach anerkannten - Leistungsansprüche. Dem steht im vorliegenden Fall zudem entgegen, dass es durchaus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs. 2 BKV entspricht, dass der Versicherte finanzielle Abstriche an seiner Einkommensentwicklung hinnehmen muss. Diesem Grundgedanken hat die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden Rechnung getragen, ohne dass die Leistung dem Kläger völlig versagt worden ist. Dementsprechend ist ausreichend sichergestellt worden, dass seine sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war abzuweisen."
Gegen den am 15.12.2014 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Bevollmächtigten des Klägers am 15.01.2015 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Begründet haben sie die Berufung wie folgt: Der Kläger leide an einer Berufskrankheit Nr. 5101 BKV, die mit einer Verletztenrente nach einer MdE von lediglich 20 v.H. entschädigt werde. Diese Verletztenrente dürfe zunächst einmal nicht auf die Übergangsleistungen angerechnet werden, welche für die ersten fünf Jahre ab Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu gewähren seien. Gleichwohl kürze die Beklagte rechtswidrig die Übergangsleistungen. Bei den Übergangsleistungen handele es sich um eine konkrete Schadensberechnung, die nicht im Belieben der Beklagten stehe. Das BSG hätte seine frühere Rechtsprechung nicht aufgeben dürfen, wonach es sich bei § 3 Abs. 2 BKV um eine konkrete Schadensberechnungsvorschrift handele. Denn am Gesetz habe sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Im Gegenteil hätte das BSG berücksichtigen müssen, dass vorliegend § 2 Abs. 2 SGB I Anwendung finde und in jedem Fall zu prüfen sei. Danach sei bei der Auslegung der sozialrechtlichen Vorschriften und bei der Ausübung von Ermessen sicherzustellen, dass die sozialen Rechte der Anspruchsteller möglichst weitgehend verwirklicht würden. Das Gegenteil sei hier der Fall, wenn Jahr um Jahr ein weiteres Fünftel des Schadens gewissermaßen verkürzt werde. Der Kläger selbst mache eine Notlage geltend, in die er durch die Berufskrankheit versetzt worden sei. Eine präventive Wirkung der Übergangsleistungen sei bereits aus zeitlichen Gründen nicht zu erzielen.
Mit Schreiben vom 21.05.2015 bzw. 17.06.2015 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 15.01.2015):
Unter Abänderung/Aufhebung des am 15.12.2014 zugestellten Gerichtsbescheides des SG München, S 33 U2 119/11, wird nach den Anträgen aus I. Instanz erkannt, d. h. auf die Verurteilung der Beklagten zur vollständigen Ausgleichung der Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV, also ohne Kürzung der Übergangsleistungen nach sog. Fünfteln bzw. nach der Fünftelungsregel.
Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen.
Hilfsweise wird an den gestellten Beweisanträgen ausdrücklich als solchen festgehalten.
Die Beklagte beantragt (Schreiben vom 17.02.2015),
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen worden sind die Akten des SG sowie die Verwaltungsakte der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Senat kann gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu mit Schreiben vom 21.05.2015 und 17.06.2015 ihr Einverständnis erklärt haben.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Gewährung der Übergangsleistungen durch die Beklagte, wie sie mit Bescheid vom 08.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2011 sowie den diversen Abrechnungsbescheiden ab dem 13.10.2010 (Bescheide vom 13.10.2010, 22.11.2010, 11.01.2011, 31.01.2011, 11.04.2011, 04.05.2011, 06.06.2011, 13.07.2011, 02.08.2011, 30.09.2011, 02.11.2011, 03.01.2012, 31.01.2012, 29.02.2012, 04.04.2012, 27.04.2012, 04.06.2012, 29.06.2012, 03.09.2012, 31.10.2012 und 09.01.2013) erfolgt ist, ist nicht zu beanstanden, wie dies das SG zutreffend festgestellt hat.
Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 10.12.2014 zurück und sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, zumal auch der Vortrag der Bevollmächtigten des Klägers im Berufungsverfahren nichts inhaltlich Neues enthält.
Ergänzend und zur Verdeutlichung wird gleichwohl auf Folgendes hingewiesen:
Der Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV steht hinsichtlich der Höhe, der Dauer und der Zahlungsart im Ermessen des Unfallversicherungsträgers. Der Versicherte hat insoweit ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB I).
Der Senat vermag - wie das SG - einen Ermessensfehlgebrauch durch die Beklagte nicht zu erkennen.
Das BSG hat bereits im Urteil vom 11.10.1973, 8/7 RU 51/72, dargelegt, dass es im Rahmen des dem Unfallversicherungsträger eingeräumten und vom Gericht nur nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG überprüfbaren Ermessens liegt, wenn die Berufsgenossenschaft hinsichtlich der Höhe der Übergangsleistungen eine Staffelung in der Art vornimmt, dass sie für die fünfjährige Bezugsdauer der dem Versicherten zugestandenen Übergangsleistungen nur im ersten Bezugsjahr einen vollen Ausgleich des Minderverdienstes vornimmt und diesen in den darauf folgenden Jahren jeweils um 1/5 kürzt. Die Beklagte hat, wie in dem vom BSG entschiedenen Fall, in der Begründung ausgeführt, dass die allgemein praktizierte Staffelung dem Versicherten den Übergang in die neuen Lebens- und Lohnverhältnisse erleichtern solle. Diese Staffelung sei dazu geeignet, die Anpassung an den eines Tages unvermeidbar eintretenden Wegfall der Übergangsrente zu erleichtern. Damit hat die Beklagte, wie das BSG betont hat, den Sinn dieser "Übergangs"-Leistung zutreffend erkannt. Eine unzulässige Schematisierung liegt darin nicht. Das Vorliegen besonderer Umstände beim Kläger, die ein Abweichen von der Fünftel-Regel gebieten würden, hat die Beklagte geprüft und verneint. Auch der Senat kann insofern keine besonderen Umstände erkennen, die die Anwendung der Fünftel-Regel als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen könnten, zumal der Kläger selbst auch keine tatsächlichen Umstände vorgetragen hat, die eine andere Einschätzung rechtfertigen könnten.
Sofern der Kläger in seinem auf den 25.06.2013 datierten Schreiben, das seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 28.07.2014 vorgelegt haben, eine besondere Härte durch die Abschmelzung der Übergangsleistungen geltend gemacht und darauf hingewiesen hat, dass er lediglich 900,- € Rente beziehe und daher ein normaler Lebensstandard nicht gewährleistet sei, er seit dem Jahr 2007 keinen Urlaub mehr gemacht habe und weder Ausflüge machen noch seinen Hobbys nachgehen könne, ist dies kein Gesichtspunkt, der einer Anwendung der Fünftel-Regel im Rahmen der Ermessensausübung entgegenstehen würde. Denn mit dieser Abstufung soll, wie dies die Beklagte zutreffend zugrunde gelegt hat, ein Übergang zu den finanziellen Verhältnissen geschaffen werden, die nach Ablauf des 5-Jahreszeitraums, in dem Übergangsleistungen gewährt werden, voraussichtlich vorliegen werden, erfolgen. Genau dieses Ziel wird mit der jährlichen Absenkung der Höhe der Übergangsleistungen erreicht. Würden hingegen über fünf Jahre hinweg in jeweils voller Höhe Übergangsleistungen gewährt, hätte dies im konkreten Fall des Klägers - wie im Übrigen auch im Regelfall - zu einer abrupten Verschlechterung der Einkommensverhältnisse mit Ende des fünften Jahres der Übergangsleistungsgewährung geführt, was das gesetzgeberische Ziel der Schaffung einer Übergangsphase konterkarieren würde.
Der Einwand der Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 15.01.2015, eine präventive Wirkung der Übergangsleistungen sei bereits aus zeitlichen Gründen nicht zu erzielen, kann die Entscheidung der Beklagten jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen. Dem Senat erschließt sich schon die Zielsetzung der klägerischen Argumentation nicht. Der Hinweis der Bevollmächtigten des Klägers kann nur so verstanden werden, dass die der Regelung des § 3 Abs. 2 BKV innewohnende präventive Zielsetzung (vgl. BSG, Urteile vom 07.09.2004, B 2 U 1/03 R, vom 18.02.2010, B 14 AS 76/08 R, und vom 18.09.2012, B 2 U 15/11 R; Bayer. LSG, Urteil vom 23.01.2008, L 2 U 278/07) zum Zeitpunkt der Bewilligung der Übergangsleistungen mit Bescheid vom 08.09.2010 deshalb nicht mehr erfüllbar gewesen sei, weil die Übergangsleistungen rückwirkend beginnend ab dem Tag nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit als Dachdecker und Spengler zum 22.12.2007 gewährt worden seien und eine präventive Wirkung lediglich für die Zukunft eintreten könne. Würde dieser Argumentation der Bevollmächtigten gefolgt, würde aber der Bewilligung von Übergangsleistungen für die Vergangenheit gänzlich der Boden entzogen, eben weil dann die präventive Auswirkung der Übergangsleistungen nicht mehr zum Tragen kommen könnte. Damit könnte sich aber nicht begründen lassen, dass für die Vergangenheit im Rahmen der Ermessensausübung höhere Leistungen zu gewähren wären, sondern nur, dass es für die Vergangenheit überhaupt nicht mehr angezeigt gewesen wäre, Übergangsleistungen zu gewähren. Dass dies nicht im Sinne des Klägers wäre, bedarf keiner weiteren Erläuterungen.
Wenn die Bevollmächtigten die aus ihrer Sicht bestehende Nichtanwendbarkeit der Fünftel-Regel nicht aufgrund besonderer Umstände in der Situation des Klägers, sondern damit begründen wollen, dass die Anwendung dieser Regel gegen die Vorgaben des § 2 Abs. 2 SGB I ("Die nachfolgenden sozialen Rechte sind bei der Auslegung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.") verstoßen würde, verkennen sie den Regelungsgehalt dieser Vorschrift.
Nach herrschender Lehre ist mit den sozialen Rechten eine objektive Normbasis im Sinne einer objektiven Leitlinie für die Rechtsanwendung geschaffen worden, die bei der Auslegung der sozialrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen und als Handlungsanweisung für die Ermessensbetätigung bei der Entscheidung über sozialrechtliche Ansprüche zu betrachten ist (vgl. Steinbach, in: Hauck/Noftz SGB I, Stand 12/2005, § 2, Rdnr. 23 f.; Voelzke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. Stand: 19.08.2021, § 2, Rdnr. 19). Auch die Rechtsprechung sieht § 2 Abs. 2 SGB I nicht als bloßen Programmsatz, sondern misst § 2 Abs. 2 SGB I rechtliche Relevanz bei. So hat das BSG im Urteil vom 22.09.1988, 2/9b RU 36/87, Folgendes ausgeführt: "Danach sind alle mit der sozialen Rechtsgewährung befaßten Institutionen gehalten, sicherzustellen, daß die sozialen Rechte weitgehend verwirklicht werden. Diese Norm ist bei der Rechtsfindung zu beachten und nicht als bloße Leerformel zu werten."
Bedeutung hat § 2 Abs. 2 SGB I vor allem im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, denn die Verwirklichung sozialer Rechte geschieht weitgehend durch das Verwaltungsverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.2021, B 2 U 7/19 R - m.w.N.). Aus der in § 2 Abs. 2 SGB I enthaltenen und an die Leistungsträger gerichteten Handlungsanweisung resultiert aber auch für das Verwaltungsverfahren keine Vorgabe eines bestimmtes Ergebnisses der Abwägung bei der Ermessensausübung. Es wird lediglich eine - ohne dass dies im Einzelnen genau zu quantifizieren wäre - Wertigkeit der Verwirklichung der sozialen Rechte innerhalb des Abwägungsprozesses vorgegeben. Es kann somit aus § 2 Abs. 2 SGB I nicht gefolgert werden, dass im Zweifel immer zugunsten des Versicherten zu entscheiden sei. Eine aus § 2 Abs. 2 SGB I resultierende Ermessensreduzierung auf Null ist daher nur für den (wohl rein theoretischen) Fall denkbar, dass andere Ermessensgesichtspunkte neben der Verwirklichung der sozialen Rechte nicht ersichtlich sind (vgl. Voelzke, a.a.O., § 2, Rdnr. 30).
Für die Rechtsauslegung erschöpft sich die Bedeutung des in § 2 Abs. 2 SGB I enthaltenen Effektuierungsgrundsatzes (vgl. Voelzke, a.a.O., § 2, Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 21.11.2002, B 3 KR 13/02 R) im Wesentlichen darin, "daß Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 SGB I genannten sozialen Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 SGB I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen Gehalt des jeweils betroffenen sozialen Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur Geltung gebracht werden sollen" (BSG, Urteil vom 30.09.1992, 11 RAr 73/91). Der aus § 2 Abs. 2 SGB I resultierende Effektuierungsgrundsatz kommt daher erst dann zum Tragen, "wenn die Auslegung nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung, dh vor allem nach Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte und ihres Bedeutungszusammenhangs im Gesetzesgefüge, Interpretationsspielraum läßt. Erst dann stellt sich die Frage, welche Auslegung der Verwirklichung des betroffenen sozialen Rechts besser entspricht" (BSG, a.a.O). § 2 Abs. 2 SGB I gibt dem Versicherten somit nicht einen Anspruch auf eine höchstmögliche finanzielle Ausstattung seiner Leistungsansprüche, sondern gestattet im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung auch weiterhin (insbesondere auch hinsichtlich der Leistungshöhe) eine Gesamtabwägung unter Beachtung des Normzwecks.
Den dargestellten Bedeutungsgehalt des § 2 Abs. 2 SGB I verkennen die Bevollmächtigten des Klägers. Dies gilt zum einen, sofern sie die mit Urteil des BSG vom 22.03.2011, B 2 U 12/10 R, erfolgte Aufgabe der früheren Rechtsprechung des BSG, wonach § 3 Abs. 2 BKV noch als eine konkrete Schadensberechnungsvorschrift betrachtet worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 25.09.1969, 5 RKnU 2/69, vom 04.05.1999, B 2 U 9/98 R, und vom 04.12.2001, B 2 U 6/01 R), kritisieren. Denn § 2 Abs. 2 SGB I gebietet es nicht, an einer Rechtsprechung festzuhalten, die sich zur Überzeugung des Gerichts - hier des BSG, wie sie im Urteil vom 22.03.2011, B 2 U 12/10 R, zum Ausdruck gekommen ist - nicht zur Erreichung des Gesetzeszwecks aufrechterhalten lässt. Zum anderen steht § 2 Abs. 2 SGB I der Anwendung der Fünftel-Regel auch nicht deshalb entgegen, weil bei Nichtanwendung dieser von der berufsgenossenschaftlichen Praxis entwickelten Abschmelzungsregel und somit durchgehend maximal hoher Übergangsleistungen nach 5/5 dem Ziel nähergekommen würde, "daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden". Denn Normzweck des § 3 Abs. 2 BKV ist nicht die höchstmögliche finanzielle Ausstattung des Leistungsanspruchs (hier in Form der Übergangsleistungen). § 3 BKV hat vielmehr "grundsätzlich eine präventive Zielrichtung", die in der "Vermeidung von Gesundheitsschäden" (Bundesrats-Drucksache 642/97, S. 10 - zur Begründung von § 3 BKV; BSG, Urteile vom 31.5.1996, 2 RU 25/95, und vom 07.09.2004, B 2 U 1/03 R) liegt. Übergangsleistungen stellen Leistungen dar, die von vergangenheitsbezogenen Leistungen zur Entschädigung bereits eingetretener Versicherungsfälle zu unterscheiden sind (vgl. Bundesrats-Drucksache, a.a.O; BSG, Urteil vom 29.05.1963, 2 RU 269/59). Sie sollen vor aktuellen Gesundheitsgefahren schützen und dienen als Konkretisierung der vorrangigen Aufgabe der Unfallversicherungsträger, mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten (§ 1 Nr. 1 SGB VII), also der Vorbeugung und Krankheitsverhütung (vgl. BSG, Urteil vom 12.01.2010, B 2 U 33/08 R). Dass die Beklagte im Rahmen der Ermessensausübung die Fünftel-Regel angewendet hat, ist daher nicht zu beanstanden.
Der Vorgabe des BSG im Urteil vom 11.10.1973, 8/7 RU 51/72, bei einer Staffelung der Übergangsleistungen über mehrere Jahre laufend zu prüfen, ob nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung bzw. ein Abgehen von der sonst gerechtfertigten allgemeinen Praxis gebieten, ist die Beklagte mit zahlreichen Abrechnungsbescheiden, wie sie oben genannt sind, nachgekommen.
Sofern die Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 15.01.2015 abstrakt und in der Sache zutreffend (vgl. BSG, Urteile vom 29.05.1963, 2 RU 269/59, vom 11.10.1973, 8/7 RU 51/72, und vom 31.05.1996, 2 RU 25/95) darauf hinweisen, dass die Verletztenrente nicht auf die Übergangsleistungen angerechnet werden dürfe, ändert dies an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen (Abrechnungs-)Bescheide (Bescheid vom 08.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2011 und die folgenden Abrechnungsbescheide vom 13.10.2010, 22.11.2010, 11.01.2011, 31.01.2011, 11.04.2011, 04.05.2011, 06.06.2011, 13.07.2011, 02.08.2011, 30.09.2011, 02.11.2011, 03.01.2012, 31.01.2012, 29.02.2012, 04.04.2012, 27.04.2012, 04.06.2012, 29.06.2012, 03.09.2012, 31.10.2012 und 09.01.2013) nichts. Denn die Beklagte hat, was im Übrigen auch von den Bevollmächtigten nicht anders behauptet worden ist, die Verletztenrentenzahlungen bei der Berechnung der Übergangsleistungen nicht berücksichtigt. Andere vermeintliche Unrichtigkeiten bei den Abrechnungen sind weder von den Bevollmächtigten des Klägers vorgetragen worden noch ersichtlich.
Über von den Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 15.01.2015 in den Raum gestellte Hilfsanträge ("Hilfsweise wird an den gestellten Beweisanträgen ausdrücklich als solchen festgehalten.") hatte der Senat nicht zu entscheiden, da zu keiner Zeit irgendwelche Anträge hilfsweise gestellt worden waren.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Der Senat folgt vielmehr der von den Bevollmächtigten des Klägers selbst aufgezeigten Rechtsprechung des BSG.