1. Ein Zuschuss für die Anschaffung von langlebigen Haushaltsgeräten ("weiße Ware") kommt nur bei Erstausstattung, nicht bei Ersatzbeschaffung in Betracht.
2. In der Sozialhilfe ist die Gewährung eines ergänzenden Darlehens zur Bedarfsdeckung verfassungsrechtlich unbedenklich, weil bei Festlegung der Rückzahlungsmodalitäten ausreichende Spielräume für Härtefälle bestehen.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. März 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
I
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Im Streit ist ein Zuschuss für die Anschaffung einer Waschmaschine in Höhe von (noch) 99,90 Euro.
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Die alleinstehende Klägerin bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). 2015 gewährte ihr die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Berlin-Brandenburg rückwirkend ab 1.1.2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Altersgrenze 2017; seit dem 1.8.2015 erhält sie vom Beklagten ergänzend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Im Rahmen eines Umzugs um den Jahreswechsel 2011/2012 entsorgte die Klägerin ihre alte, nicht mehr funktionstüchtige Waschmaschine und wusch die Wäsche seitdem mit der Hand, gelegentlich in einem Waschsalon. Im Herbst 2015 machte sie beim Beklagten erfolglos geltend, ihr sei nach Verschlechterung des Gesundheitszustands ein Zuschuss für die Anschaffung einer Waschmaschine zu gewähren (Bescheid vom 11.11.2015; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 27.1.2016).
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Die hiergegen gerichtete Klage hat die Klägerin während des Berufungsverfahrens auf einen Betrag von 99,90 Euro begrenzt, nachdem sie eine Waschmaschine zum Preis von 299 Euro erworben und dabei verschiedene Gutscheine eingesetzt hatte. Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Berlin vom 21.7.2017; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 23.3.2021). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, ein Anspruch auf Leistungen für Wohnungserstausstattung bestehe nicht. Es handele sich um einen Erhaltungs- bzw Ersatzbedarf der gesetzgeberischen Konzeption, durch den der im Regelbedarf enthaltene Ansparbetrag auch dann abgedeckt werden müsse, wenn es sich um größere Anschaffungen handele. Die Gerichte seien im Übrigen nicht befugt, weitergehende Anspruchsnormen zu schaffen, die nicht im Gesetz vorgesehen seien.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe hinsichtlich langlebiger existenznotwendiger Gebrauchsgüter (sog "weiße Ware") auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung und der Gewährung eines Zuschusses hingewiesen, um ggf einer Unterdeckung der Regelbedarfe zu begegnen. Im Wege einer verfassungskonformen Auslegung müssten auch Ersatzbeschaffungen der im Regelsatz nicht realitätsgerecht abgebildeten Kosten langlebiger Gebrauchsgüter über § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII möglich sein oder ein Rechtsanspruch auf ein im Ergebnis nicht rückzahlbares Anschaffungsdarlehen nach § 37 SGB XII bestehen. Zur weiteren Begründung hat sie ein Kurzgutachten von L vom 30.9.2021 sowie eine Stellungnahme und ein Kurzgutachten von B vom 29.10.2021 bzw vom 9.5.2022 vorgelegt.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juli 2017 und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. März 2021 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr 99,90 Euro zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.
II
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Die zulässige Revision ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf den begehrten einmaligen Zuschuss hat. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 11.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.1.2016 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, der Klägerin den beantragten Zuschuss (im Sinne einer nicht zurückzuzahlenden Leistung, vgl BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 15/15 R - SozR 4‑3500 § 90 Nr 8 RdNr 1) für Wohnungserstausstattung zu gewähren. Der Anspruch auf Leistungen zur Deckung von Wohnbedarfen in Form eines einmaligen Zuschusses ist im Sinne eines eigenständigen Streitgegenstands abtrennbar (vgl zur Abtrennbarkeit des Streitgegenstands von den laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur Bundessozialgericht <BSG> vom 19.5.2009 - B 8 SO 8/08 R - BSGE 103, 181 = SozR 4-3500 § 42 Nr 2, RdNr 14; BSG vom 9.6.2011 - B 8 SO 3/10 R - RdNr 9). Ihr Begehren verfolgt die Klägerin zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) gerichtet auf die Zahlung von (noch) 99,90 Euro, weil sich der Anspruch von vornherein auf eine Geldleistung richtet (§ 10 Abs 3 SGB XII).
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Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Der Beklagte ist sachlich (§ 46b SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.12.2012 <BGBl I 2783> iVm § 2 Abs 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch Berlin <AG-SGB XII> in der Normfassung vom 7.9.2005 <GVBl S 467>) und auf Grundlage des vom LSG festgestellten tatsächlichen Aufenthalts der Klägerin im Stadtgebiet B örtlich (§ 98 Abs 1 SGB XII iVm § 1 Abs 1 AG-SGB XII) zuständig für die begehrte Leistung.
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Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
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Ein Anspruch nach §§ 42 Nr 2, 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII (in der bis 31.12.2015 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) besteht nicht. Danach werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten gesondert, dh neben dem Regelsatz (§§ 42 Nr 1 SGB XII iVm der Anlage zu § 28 SGB XII), erbracht. Die nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG hilfebedürftige und unabhängig von der Arbeitsmarktlage und ohne Aussicht auf Besserung des Leistungsvermögens dauerhaft voll erwerbsgeminderte, alleinstehende Klägerin war leistungsberechtigt nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (§ 19 Abs 2, §§ 41 ff SGB XII; zur fehlenden Bindungswirkung der Bescheide des Rentenversicherungsträgers im Gerichtsverfahren und der Erforderlichkeit gerichtlicher Feststellungen zur Erwerbsminderung vgl nur BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R - BSGE 106, 62 = SozR 4‑3500 § 82 Nr 6, RdNr 16; BSG vom 25.4.2013 - B 8 SO 21/11 R - SozR 4‑3500 § 43 Nr 3 RdNr 15). Zu den berücksichtigungsfähigen Bedarfen rechnen auch die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels (§ 42 Nr 2 iVm § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII).
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Für die Gewährung eines Zuschusses für die Ersatzbeschaffung eines Haushaltsgeräts, das verschleißbedingt nicht mehr gebrauchstüchtig ist, bietet § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII aber keine Rechtsgrundlage. Die Gewährung eines Zuschusses für die Anschaffung von Haushaltsgeräten kommt nur in Betracht, wenn es sich um einen Fall der Erstausstattung handelt (vgl zuletzt BSG vom 16.2.2022 ‑ B 8 SO 14/20 R ‑ RdNr 15 für SozR 4 vorgesehen mwN). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Argumentation der Klägerin fest.
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Leistungen nach § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII für Wohnungserstausstattung können zwar auch für einen erneuten Bedarfsanfall (Ersatzbeschaffung) als "Wohnungserstausstattung" gewährt werden. Nach den bindenden, von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen abgegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) wurde der Untergang der alten Waschmaschine der Klägerin und damit der Ersetzungsbedarf vorliegend aber durch Abnutzung über einen längeren Zeitraum ausgelöst. Damit fehlt es an einer erheblichen vom durchschnittlichen Bedarf abweichenden speziellen Bedarfslage, die für einen Anspruch auf "Erstausstattung" in Fällen der Ersatzbeschaffung Voraussetzung wäre (vgl BSG vom 6.8.2014 - B 4 AS 57/13 R - SozR 4‑4200 § 23 Nr 18 RdNr 16 f).
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Daran ändert der Umstand nichts, dass die Klägerin den abnutzungs- und verschleißbedingten Verlust der Waschmaschine zunächst selbst kompensiert hat; denn der Bedarf ist nicht erst entstanden, als die Klägerin zu einer Kompensation des Defekts der Waschmaschine aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war. Der Anspruch auf Leistungen der Erstausstattung iS des § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII entfällt zwar alleine durch Zeitablauf nicht, solange ein ungedeckter Bedarf besteht. Er ist nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu verstehen (vgl BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4‑4200 § 23 Nr 5 RdNr 14 f; BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4‑4200 § 23 Nr 2, RdNr 19). Gerade deshalb führt aber allein der Zeitablauf und/oder das Hinzutreten weiterer Umstände, die für sich genommen keinen eigenständigen Bedarf auf Erstausstattung im dargestellten Sinne auslösen, nicht zum Entstehen des Anspruchs.
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Nach Einbeziehung der einmaligen Beihilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in die Regelleistung geht der Gesetzgeber im Sinne einer typisierenden Betrachtung davon aus, dass alle wohnraumbezogenen Bedarfe, die nicht im Zusammenhang mit der spezifischen Situation der Erstausstattung stehen, von der Regelleistung umfasst werden (vgl BSG vom 6.8.2014 - B 4 AS 57/13 R -SozR 4‑4200 § 23 Nr 18 RdNr 18; BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R - SozR 4‑4200 § 23 Nr 11 RdNr 18; zur Übertragbarkeit der von den für das SGB II zuständigen Senaten des BSG entwickelten Grundsätze auf das SGB XII vgl BSG vom 16.2.2022 - B 8 SO 14/20 R - für SozR 4 vorgesehen; BSG vom 20.12.2017 - B 8 SO 59/17 B). Bei vorübergehenden Spitzen eines vom Regelbedarf umfassten Bedarfs kommt nur die Gewährung eines Darlehens (§ 37 Abs 1 SGB XII) in Betracht (vgl BSG vom 6.8.2014 - B 4 AS 57/13 R - SozR 4‑4200 § 23 Nr 18 RdNr 18 unter Hinweis auf BVerfGE vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4‑4200 § 20 Nr 12, RdNr 207; vgl zur Darlehensgewährung nach § 37 SGB XII auch BSG vom 18.7.2019 - B 8 SO 4/18 R - SozR 4‑3500 § 54 Nr 19 RdNr 18), wie es hier im Widerspruchsbescheid von dem Beklagten angeboten worden ist.
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Zu einer erweiternden Auslegung des § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII, wonach die Kosten für die Anschaffung von langlebigen und deshalb typischerweise teuren Haushaltsgeräten (sog weiße Ware) auch dann als Zuschuss zahlen zu wären, wenn die Neuanschaffung verschleißbedingt notwendig wird, sieht sich der Senat nicht gedrängt. Weder an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung für sich genommen, die hier für das Jahr 2015 auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008 bzw im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Waschmaschine im Frühjahr 2018 auf der EVS 2013 beruht, noch an der Verfassungsmäßigkeit des dargestellten Konzepts, eine ggf auftretende Unterdeckung wegen der Ersatzbeschaffung von Wohnungsausstattung einschließlich der Haushaltsgeräte (nur) durch die Gewährung eines Darlehens zu kompensieren, hat der Senat Zweifel (vgl zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe, Bemessung und Fortschreibung <§ 28a SGB XII> des Regelsatzes nach 2010 BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34 = SozR 4‑4200 § 20 Nr 20; für die Jahre 2014, 2015 und 2016 vgl BSG vom 8.4.2019 - B 8 SO 42/17 BH - RdNr 6 mwN; zur Fortschreibung der Regelsätze nach 2016 vgl BSG vom 24.1.2018 - B 14 AS 374/17 B; BSG vom 1.9.2021 - B 8 SO 24/21 BH).
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In der Regelleistung ist ein pauschaler, den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelnder (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 - BVerfGE 125, 175, = SozR 4‑4200 § 20 Nr 12, RdNr 204) Einzelbetrag für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Haushaltsgegenstände enthalten (Abteilung 05 für Erwachsene; im Einzelnen Schwabe, ZfF 2015, 1 ff; ders, ZfF 2018, 1 ff). Die Ausgaben für Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspül‑ und Bügelmaschinen (EVS 2008 laufende Nummer 23, Code 0531 200, vgl BT‑Drucks 17/3404, S 56 bzw EVS 2013 laufende Nummer 24, Code 0531 200, BT‑Drucks 18/9984, S 39; vgl auch Statistisches Bundesamt Fachserie 15 Heft 7, 2013, EVS Haushaltsbuch, S 48 Rubrik N/09 <Waschmaschinen ohne Installationskosten>, abrufbar unter www.destatis.de) sind dabei zu 100 Prozent berücksichtigt worden. Gegen diese gesetzgeberische Konzeption, wonach Bedürftige Mittel zur Bedarfsdeckung eigenverantwortlich ausgleichen und ansparen müssen, hat auch das BVerfG aus verfassungsrechtlicher Sicht ausdrücklich keine Einwände (BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34 = SozR 4‑4200 § 20 Nr 20, RdNr 119; vgl auch BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4‑4200 § 20 Nr 12, RdNr 205 am Ende).
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Soweit das BVerfG darauf hingewiesen hat, dass aus der statistischen Berechnung des Regelbedarfs in Orientierung an den auf der Grundlage einer Stichprobe berechneten Verbrauchsausgaben eines Teils der Bevölkerung die Gefahr folgen könne, dass mit der Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf die Kosten für einzelne bedarfsrelevante Güter nicht durchgängig gedeckt seien (vgl dazu auch BR-Drucks 559/03, S 196 und BT-Drucks 15/1514, S 61 zu § 38 SGB XII des Entwurfs, jetzt § 37 SGB XII), und dem entweder der Gesetzgeber durch zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse zur Sicherung des existenznotwendigen Bedarfs oder die Sozialgerichte durch die verfassungskonforme Auslegung anspruchsbegründender Normen begegnen könnten (BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34 = SozR 4‑4200 § 20 Nr 20, RdNr 115 f, 120; zur Kritik vgl Borchert, SGb 2015, 657), folgt daraus vorliegend keine andere rechtliche Würdigung. Die vom BVerfG in diesem Zusammenhang geäußerten Zweifel an der Darlehensregelung im SGB II, die mit einer Reduzierung der existenzsichernden Leistung in Höhe von zehn Prozent durch Aufrechnung der Darlehensschuld ab dem Folgemonat der Auszahlung verbunden ist (vgl dazu Schmidt-DeCaluwe in: Deutscher Sozialgerichtstag <Hrsg>, Sozialrecht - Tradition und Zukunft 2013, 39, 58 ff; Guttenberger, NZS 2021, 201, 205; Conradis info also 2021, 104, 107 f), sind auf das SGB XII nicht übertragbar; denn die dortigen Regelungen zur Rückzahlung und ihren Modalitäten sind so ausgestaltet, dass Auslegungsspielräume im Einzelfall bestehen, um Härten abzufangen (vgl bereits BSG vom 18.7.2019 - B 8 SO 4/18 R - SozR 4‑3500 § 54 Nr 19 RdNr 18).
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Eine zuschussweise Gewährung, wie sie die Klägerin begehrt, kommt auf Grundlage von § 37 Abs 1 SGB XII zwar nicht in Betracht (vgl BSG vom 18.7.2019 - B 8 SO 4/18 R - SozR 4‑3500 § 54 Nr 19 RdNr 18). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, hat der Hilfebedürftige in aller Regel einen Anspruch auf das Darlehen ("soll"); eine Leistungsversagung kann nur in atypischen Ausnahmefällen erfolgen, die angesichts der Tatsache, dass der die darlehnsweise Gewährung auslösende Bedarf zum existenznotwendigen Bedarf gehört, kaum denkbar sind. Auch im Fall der Klägerin war für eine solche Ausnahme nichts ersichtlich, wie der Beklagte zutreffend erkannt hat.
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Entscheidend für die vorzunehmende verfassungsrechtliche Gesamtschau ist aber, dass § 37 Abs 4 Satz 1 SGB XII im Anschluss an die Darlehensgewährung keine zwingende Aufrechnung vorsieht, sondern die Rückzahlungsmodalitäten unter einen umfassenden Ermessensvorbehalt stellt. Sowohl die Frage, ob das Darlehen überhaupt zurückgezahlt werden muss, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers als auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Rückzahlung ggf durch Einbehalt von der laufenden Leistung zu beginnen hat, und schließlich auch die Frage, in welcher Höhe Teilbeträge zurückzuzahlen sind. Erfolgt ein Einbehalt von der laufenden Leistung, ist dieser auf fünf Prozent der Regelbedarfsstufe 1 - das sind derzeit 22 Euro 45 Cent monatlich - beschränkt, kann aber im Ermessensweg auch niedriger festzusetzen sein. Der Anspruch auf die Ausübung pflichtgemäßen, dh alle individuellen Umstände des Einzelfalls erfassenden Ermessens (§ 39 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - <SGB I>) ist gerichtlich voll überprüfbar. Damit bestehen die vom BVerfG geforderten Auslegungsspielräume für Härtefälle (vgl BVerfG vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 = SozR 4‑4200 § 31a Nr 3, RdNr 190) und es wird auf gesetzlicher Grundlage ein am individuellen Existenzsicherungsbedarf ausgerichtetes und grundrechtliche Belange des Hilfebedürftigen berücksichtigendes Verwaltungshandeln sichergestellt.
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Auch ein Anspruch auf Grundlage von § 42 Nr 1 iVm § 27a Abs 4 Satz 1 Alt 2 SGB XII aF (abweichende Festlegung des individuellen Bedarfs im Einzelfall) kommt nicht in Betracht, da ein lediglich einmalig auftretender Bedarf nicht dem Anwendungsbereich dieser Norm unterfällt, die einen laufenden höheren Bedarf voraussetzt (vgl BSG vom 24.6.2021 - B 7 AY 5/20 R - RdNr 20, für SozR 4 vorgesehen = InfAuslR 2022, 19).
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Auch aus § 73 SGB XII ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht eröffnet, da keine atypische Bedarfslage gegeben ist; denn bei den Kosten für die Waschmaschine handelt es sich um solche Kosten, die dem Regelbedarf zuzuordnen sind (vgl zur Abgrenzung der atypischen Bedarfslage des § 73 SGB XII von den Regelbedarfen BSG vom 16.12.2010 - B 8 SO 7/09 R - BSGE 107, 169 = SozR 4‑3500 § 28 Nr 6, RdNr 13 mwN; BSG vom 29.5.2019 - B 8 SO 8/17 R - SozR 4‑4200 § 24 Nr 8 RdNr 14).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. |