L 10 U 1736/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 979/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1736/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Krankhafte Veränderungen am Sprunggelenk bei einem Profifußballer sind nicht als Wie-BK anzuerkennen. Seit der Überprüfung der BKV hinsichtlich dieser Erkrankung durch den Verordnungsgeber Mitte 2015 sind keine neuen gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zum "soccer player´s ankle" festzustellen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.03.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand


Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Erkrankung der Sprunggelenke als sogenannte Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) im Sinne des § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) streitig.

Der 1973 geborene Kläger war von 1994 bis 2007 als Profifußballer tätig (Bl. 32 f. VA) und bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Während dieser Zeit kam es immer wieder zu Verletzungen mit Beteiligung beider Sprunggelenke, die ärztlich behandelt wurden (Bl. 40 ff. VA). Die Gewährung von Verletztenrente auf Grund mehrerer angeschuldigter Ereignisse lehnte die Beklagte ab (s. Bescheide vom 20.05.2014, Bl. 88 f., 108 f., 133 f., 155 f. 167 f. VA), da jeweils keine Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 10 v.H. vorliege.

Am 04.08.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten, seine „schweren degenerativen Veränderungen im Bereich beider Sprunggelenke“ mit Sprunggelenksarthrosen wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und verwies auf das „soccer player‘s ankle“-Krankheitsbild („Fußballergelenk“) bei langjähriger Belastung im Rahmen von „Kontaktsportarten“ (namentlich Fußball).

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) mit, dass keine neuen, gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse i.S.d. § 9 Abs. 2 SGB VII, wonach eine bestimmte Personengruppe, insbesondere Profifußballspieler, auf Grund der besonderen Einwirkungen bei der beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an degenerativen Sprunggelenksveränderungen bzw. Sprunggelenksarthrosen leide, vorlägen und sich nach ihrer Kenntnis bisher auch nicht der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ (ÄSVB) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit dieser Thematik befasst habe und auch keine entsprechenden Beratungen geplant seien (Bl. 24 VA). Der seitens der Beklagten eingeschaltete „Staatliche Gewerbearzt“ teilte im Oktober 2014 mit (Bl. 182 VA), dass neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach krankhafte Veränderungen an den Sprunggelenken bzw. Sprunggelenksarthrosen durch besondere berufliche Belastungen wie beim Kläger als Profifußballer verursacht werden könnten, nicht vorlägen.

Mit Bescheid vom 05.11.2014 lehnte die Beklagte (u.a.) die Anerkennung der degenerativen Veränderungen im Bereich beider Sprunggelenke/Sprunggelenksarthrose als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Nach dem Ergebnis des Feststellungsverfahrens gehörten diese Veränderungen nicht zu den in der BK-Liste genannten Erkrankungen und könnten auch nicht wie eine Berufskrankheit anerkannt werden, da neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach krankhafte Veränderungen an den Sprunggelenken bzw. Sprunggelenksarthrosen durch besondere berufliche Belastungen als Profifußballer verursacht werden könnten, nicht vorlägen. Gegen die Ablehnung der Anerkennung als Wie-BK erhob der Kläger Widerspruch und verwies erneut auf das „soccer player‘s ankle“ und namentlich auf eine in der Literatur („Massada 1991“) beschriebene Häufigkeit von bis zu 60 v.H. bei professionellen Fußballspielern. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25.03.2015 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und sein Begehren auf Anerkennung einer Wie-BK unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren weiterverfolgt. Es sei davon auszugehen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der Sprunggelenksproblematik bei Fußballern dem Verordnungsgeber nicht bekannt gewesen bzw. noch keiner Nachprüfung unterzogen worden seien. 

Das SG hat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten (Untersuchungstag: 17.12.2015) und eine ergänzende Stellungnahme (Bl. 73 f. SG-Akte) bei dem C eingeholt. Dieser hat beim Kläger im Bereich des linken Sprunggelenks reizlose Narben nach mehrfacher Operation, eine angegebene Gefühlsminderung im Narbenbereich am linken Innenknöchel sowie eine Beweglichkeitseinschränkung hinsichtlich der Fußhebung und Fußsenkung und im Bereich des rechten Sprunggelenks reizlose Narben nach mehrfachen Operationen, eine diskrete Verplumpung der Gelenkkontur sowie eine endgradige Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk (insbesondere hinsichtlich der Fußsenkung) diagnostiziert. Bei Fußballspielern ließen sich grundsätzlich zwei Mechanismen unterscheiden, die zu pathologischen Veränderungen im Bereich der Sprunggelenke führten, nämlich zum einen sog. Makrotraumen (Prellungen, Distorsionen usw.), zum anderen Mikrotraumen durch den berufsbedingten Kontakt des Fußes mit dem Ball beim Schuss. Im Hinblick auf Letzteres könnten bei Fußballern rezidivierende Miktrotraumen mikroskopisch nachweisbare Blutungen verursachen, die über Verkalkung letztlich zur Bildung extraartikulärer, aber intrakapsulärer spornartiger Zug-Osteophyten an Talushals und Tibiakante führen. Diese (wissenschaftlichen) Erkenntnisse seien alle „nicht neu“ (Bl. 63 SG-Akte) bzw. würden „seit mehr als 60 Jahren in der Literatur publiziert“ (Bl. 65 SG-Akte, u.a. mit Hinweis auf eine Veröffentlichung von McMurray, „Footballer‘s ankle“ aus dem Jahr 1950, Bl. 63 SG-Akte) und entsprechende krankhafte Veränderungen seien klinisch-radiologisch auch beim Kläger an beiden Sprunggelenken feststellbar und führten zu einer Einschränkung der Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes. Die Annahme der Beklagten, dass keine neuen, gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu vorlägen, dass Profifußballer auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung an degenerativen Sprunggelenksveränderungen oder -arthrosen erkrankten, sei nicht nachvollziehbar, denn diese Erkenntnisse bestünden bereits seit mehr als 60 Jahren. Demgemäß erfüllten die beschriebenen knöchernen Veränderungen beim Kläger, die als Folge der repetitiven Mikrotraumen anzusehen seien, die medizinischen Voraussetzungen für eine Anerkennung gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII.

Auf Anfrage des SG hat das BMAS unter Hinweis auf ein Literaturreview (Geronikolakis/Wagner/Best, Chronische Sprunggelenkbeschwerden bei Fußballern: Soccer’s ankle - Literaturreview, OUP 2015, S. 11 ff. = Bl. 80 ff. SG-Akte) u.a. mitgeteilt (Bl. 76 f. SG-Akte), sich aus Anlass einer Einzeleingabe im Jahr 2015 mit der Thematik des sog. „soccer player‘s ankle“ befasst zu haben. Nachdem in einem Zeitraum von rund 25 Jahren lediglich zehn entsprechende Verdachtsfälle bei der zuständigen BG angezeigt worden seien (Anerkennungen seien in der Folge nicht erfolgt) und auch keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, sei eine weitergehende Prüfung, insbesondere durch den ÄSVB, nicht angezeigt gewesen und auch nicht beabsichtigt.

Mit Urteil vom 22.03.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2 SGB VII nicht gegeben seien, da keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft als grundsätzliche Bezeichnungsvoraussetzung vorlägen und sich der Verordnungsgeber mit den vorhandenen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinandergesetzt und diese als unzureichend für die Einführung einer entsprechenden BK angesehen habe. Ohnehin habe der Sachverständige ausgeführt, dass der von ihm dargestellte wissenschaftliche Erkenntnisstand seit mehr als 60 Jahren in der Literatur publiziert werde und keine grundlegend neuen Erkenntnisse vorlägen. Aus der jüngsten Änderung der BKV vom 22.12.2014 ergebe sich damit die bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers, die Erkrankung „soccer player‘s ankle“ nicht als Listen-BK aufzunehmen.

Gegen das - seinen Prozessbevollmächtigten am 30.03.2017 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 02.05.2017 (Dienstag nach Feiertag) Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2 SGB VII lägen vor. Die beim Kläger bestehenden Sprunggelenksveränderungen seien nicht als Listen-BK in der BKV aufgeführt. Er sei jedoch infolge seiner versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen können. Diese medizinischen Erkenntnisse seien - entgegen der Ansicht des SG - auch neu im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII. Neu seien Erkenntnisse nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann, wenn der Verordnungsgeber nach erkennbarer Prüfung der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine Krankheit ihre Aufnahme in die BKV abgelehnt habe, weil die Erkenntnisse nicht ausreichten. Eine solche erkennbare Prüfung durch den Verordnungsgeber habe vorliegend bislang jedoch nicht stattgefunden. Die vom BMAS eingeräumte Befassung mit der Thematik des sog. „soccer player‘s ankle“ reiche nicht aus, da eine erkennbare Prüfung nur dann vorliege, wenn diese vom ÄSVB durchgeführt worden wäre und dieser festgestellt hätte, dass das „soccer player‘s ankle“ wissenschaftlich und statistisch noch nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen sei. Denn die Bundesregierung als Verordnungsgeber habe sich an den jeweils anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gebunden gesehen und sich dafür in Gestalt des ÄSVB eine diesbezügliche Beratungskompetenz verschafft. Außerdem lägen beim Kläger auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung der auch von C beschriebenen knöchernen Veränderungen als Folge fußballerbedingter repetitiver Mikrotraumen als Wie-BK vor.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß, vgl. Bl. 11 LSG-Akte),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.03.2017 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Veränderungen in seinen beiden Sprunggelenken als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII (Wie-Berufskrankheit) anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Auf Anfrage des Senats hat das BMAS im Dezember 2018 eine weitere Stellungnahme abgegeben, in dem es im Wesentlichen auf seine Ausführungen gegenüber dem SG verwiesen hat (Bl. 24 f. LSG-Akte). Man habe sich im Juni/Juli 2015 mit dem „soccer player’s ankle“ befasst und keinen hinreichenden Anlass für eine Befassung des ÄSVB gesehen, nachdem neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, dass krankhafte Veränderungen an den Sprunggelenken bzw. Sprunggelenksarthrosen durch besondere berufliche Belastungen bei Profi-Fußballern verursacht werden könnten, nicht vorlägen (u.a. Hinweis auf die Einschätzung des „Staatlichen Gewerbearztes“ im vorliegenden Verfahren) und nachdem bei einer Gesamtzahl von jährlich rund 25.000 bis 30.000 versicherten Fußballspielern statistisch lediglich deutlich weniger als ein Verdachtsfall pro Jahr im Zeitraum von 1991 bis 2015 angezeigt worden sei, sodass nur sehr seltene Einzelfälle in Rede stünden.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetztes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gegenstand des Rechtstreits ist der Bescheid vom 05.11.2014 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015, allerdings nur insoweit, wie es die Beklagte damit (u.a.) entsprechend dem Begehren des Klägers ablehnte, die krankhaften Veränderungen im Bereich seiner beiden Sprunggelenke/Sprunggelenksarthrosen als Wie-BK anzuerkennen.

Das SG hat die Klage - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 05.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 ist - soweit angefochten - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Anerkennung seiner beidseitigen Sprunggelenkserkrankung als Wie-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII sind nicht erfüllt.

Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 7, 8 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (sog. gruppentypische Risikoerhöhung). Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer Generalklausel erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK zu entschädigen ist. Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 20/01 R, m.w.N., zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris; Senatsurteil vom 25.02.2010, L 10 U 3254/06, in juris).

Die Anerkennung der krankhaften Veränderungen in den Sprunggelenken des Klägers als Wie-BK scheitert bereits daran, dass keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Solche neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen nämlich nur dann vor (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden), wenn sie bei der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt wurden. Dies ist stets der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach Erlass der letzten BKV bzw. etwaiger Änderungsverordnungen bekannt geworden sind. Nicht berücksichtigt vom Verordnungsgeber und somit neu sind aber auch diejenigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die trotz Vorhandenseins bei Erlass der letzten BKV oder einer Änderungsverordnung vom Verordnungsgeber entweder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erkennbar geprüft worden sind. Als neu in diesem Sinne gelten daher solche medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr, die nach erkennbarer Prüfung vom Verordnungsgeber als noch unzureichend bewertet wurden und deswegen eine Aufnahme der betreffenden Krankheit in die BK-Liste scheitert oder er es auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse bereits abgelehnt hat, den Versicherungsschutz listenmäßig zu erweitern. Allerdings erweisen sich dann solche bereits überprüften Erkenntnisse wiederum als neu, wenn sie sich nach diesem Zeitpunkt zusammen mit weiteren, später hinzukommenden Erkenntnissen zur BK-Reife verdichtet haben. Eine derartige Verdichtung ist anzunehmen, wenn dem Verordnungsgeber ausreichende, regelmäßig von einer herrschenden Meinung getragene medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die geeignet wären, die Einführung einer neuen BK im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zu tragen (BSG, Urteil vom 21.01.1997, 2 RU 7/96; Urteil vom 04.06.2002, a.a.O.; Senatsurteil vom 25.02.2010, a.a.O.). Hat sich der Verordnungsgeber erkennbar mit den betreffenden Erkenntnissen befasst und diese als unzureichend für die Einführung einer BK abgelehnt, sind diese Erkenntnisse grundsätzlich nicht mehr neu (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.1977, 2 RU 53/76) und die Anerkennung und Entschädigung einer Krankheit wie eine BK durch Verwaltung und Gerichte ist regelmäßig ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 04.06.2002, a.a.O.), wobei es einer förmlichen Ablehnungsentscheidung des Verordnungsgebers nicht bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1986, 2 RU 80/84).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt vorliegend die Anerkennung einer Wie-BK nicht in Betracht. Seit dem Antrag des Klägers im August 2014 änderte der Verordnungsgeber die BKV zunächst mit Wirkung vom 01.01.2015 (Dritte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 22.12.2014, BGBl. I S. 2397: u.a. Aufnahme mehrerer Listen-BK in Anlage 1). Sodann hat das BMAS als federführendes Ressort innerhalb der Bundesregierung als Verordnungsgeber Mitte 2015 (s. Bl. 24 LSG-Akte) geprüft, ob hinsichtlich des sog. „soccer player’s ankle“ neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen und dies verneint. Mit Wirkung zum 01.08.2017 (Vierte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 10.07.2017, BGBl. I S. 2299: u.a. Aufnahme mehrerer Listen-BK in Anlage 1) und zum 01.01.2021 (Artikel 24 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020, BGBl. I S. 1248: u.a. Ergänzung von Tatbeständen einzelner BK) ist die BKV jeweils erneut geändert worden.

Dass seit der Prüfung des BMAS Mitte 2015 bzw. seit den Änderungen der BKV im Juli 2017 und Juni 2020 neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zum „soccer player’s ankle“ respektive zu krankhaften Sprunggelenksveränderungen beim Berufsfußballspielern bekannt geworden sind, hat die Klägerseite nicht einmal behauptet; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Mithin vermag der Senat - im Anschluss an diese negative Prüfung im BMAS (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.06.1977, 2 RU 53/76; Brandenburg in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 9 Rdnr. 137, Stand 08.12.2017) - seit der letzten Änderung der BKV neue gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu einem Ursachenzusammenhang bzw. einem erhöhten Krankheitsrisiko bei Berufsfußballspielern im Hinblick auf krankhafte Veränderungen im Bereich der Sprunggelenke schon nicht festzustellen.

Unabhängig davon ist auch nicht erkennbar, dass bereits vorher, zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidungen der Beklagten bzw. zum Zeitpunkt der Prüfung des BMAS Mitte 2015 neue Erkenntnisse im oben dargelegten Sinne vorgelegen haben. Namentlich der C hat Derartiges gar nicht aufgezeigt, sondern im Gegenteil in seinem Gutachten vielmehr ausgeführt, dass die von ihm seiner Einschätzung zu Grunde gelegten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse alle gerade „nicht neu“ seien - worauf bereits die staatliche Gewerbeärztin im Oktober 2014 hinwies (Bl. 182 VA) und wovon auch das BMAS Kenntnis genommen hat -, „seit mehr als 60 Jahren in der Literatur publiziert“ würden und er hat demgemäß auch lediglich ältere Literatur aus dem Zeitraum von 1950 bis 2012 herangezogen (s. die Übersicht Bl. 67 SG-Akte), also nicht einmal die vom BMAS seiner negativen Prüfung u.a. zu Grunde gelegte Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015.

Was dem BMAS insoweit im Rahmen seiner (negativen) Prüfung nicht bekannt gewesen sein soll bzw. welche medizinischen Erkenntnisse dem Verordnungsgeber in der Zeit danach, also bei der letzten Änderung der BKV (s.o.), nicht vorgelegen haben sollen respektive was insoweit ungeprüft geblieben sein soll (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 22.11.1979, 8a RU 66/79), erschließt sich mithin nicht. Demgemäß geht auch das - im Kern ohnehin nur pauschal gebliebene - Berufungsvorbringen ins Leere.

Nur am Rande merkt der Senat an, dass § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII dem Verordnungsgeber ein weites normatives Ermessen einräumt, soweit es um die Entscheidung über die Aufnahme oder Nichtaufnahme einer Krankheit in die Liste geht (BSG, Urteil vom 30.09.1999, B 8 KN 5/98 U R) und es auch nicht Aufgabe der Rechtsprechung ist, zu entscheiden, ob es arbeits- und sozialmedizinisch oder sozialpolitisch vertretbar oder gar angebracht wäre, bestimmte Krankheiten in die BK-Liste aufzunehmen (BSG, Urteil vom 30.01.1986, 2 RU 80/84), dass der Verordnungsgeber - hier in Gestalt des federführenden BMAS - seiner Beobachtungspflicht (BSG, Urteil vom 30.09.1999, B 8 KN 5/98 U R) nachgekommen ist, dass eine Verpflichtung, stets den ÄSVB zu konsultieren, nicht ersichtlich ist (eine solche ergibt sich namentlich auch nicht aus § 9 Abs. 1a SGB VII bzw. den §§ 7 ff. BKV, jeweils in der seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung) und dass § 9 Abs. 2 SGB VII gerade keine allgemeine „Härteklausel“ enthält, nach der jede mit einer versicherten Tätigkeit - tatsächlich oder auch nur mutmaßlich - im Zusammenhang stehende Krankheit als Wie-BK anzuerkennen wäre (BSG, Urteil vom 18.06.2013, B 2 U 6/12 R, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

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