1. Im Rahmen der Vergütung als Sachverständiger für ein Gutachten nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) sind Recherchetätigkeiten nicht gesondert vergütungsfähig, die den Sachverständigen fachlich in die Lage versetzen sollen, das Gutachten zu erstatten, also die Kompetenz für die Fragestellung zu erwerben. Dieser Kenntnisstand wird vom Sachverständigen erwartet als grundlegende Kompetenz, überhaupt zum Sachverständigen ernannt zu werden und ist daher bereits mit der für die üblichen Arbeitsschritte festgesetzten Stundenvergütung abgegolten. 2. Ein gesondert zusätzlich zu berücksichtigender Zeitaufwand für Literaturrecherche bzw. -studium kommt allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht.
Auf den Antrag des Antragstellers wird die Vergütung für das von ihm am 25. Februar 2021 beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zum dort unter dem Aktenzeichen L 10 VE 28/19 geführten Klageverfahren eingereichte Sachverständigengutachten auf EUR 1.840,70 festgesetzt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Festsetzung einer Vergütung als Sachverständiger für ein eingereichtes Gutachten nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG).
Im zugrundeliegenden Berufungsverfahren beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen zum Aktenzeichen L 10 VE 28/19 – gerichtet auf die von der dortigen Klägerin gegenüber dem Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie begehrten Anerkennung eines Impfschadens gemäß § 60 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Gestalt einer subakuten sklerosierenden Panencephalitis (SSPE) nach einer Impfung mit dem Kombinationswirkstoff „MRR Triplovax“ gegen Masern, Mumps und Röteln im Jahr 2004 - ist der in der neurologischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover tätige Antragsteller mit Beweisanordnung vom 25. Mai 2020 gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 118 Abs. 1 SGG, 404 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) zum Sachverständigen ernannt und damit beauftragt worden, ein Gutachten nach Aktenlage zur Frage eines durch eine Impfreaktion verursachten Gesundheitsschadens zu erstellen. Der Beweisanordnung war ein Anschreiben beigefügt, u.a. mit folgendem Inhalt:
„Die Beweisfragen und der Akteninhalt sind den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht bekannt. Die Beweisfragen sind daher in dem Gutachten nicht zu wiederholen. Ebenso ist auf die auszugsweise wörtliche Wiedergabe der in den Akten befindlichen Gutachten, Befundberichten, Arztbriefe oder sonstigen ärztlichen Unterlagen zu verzichten. Soweit auf Gutachten, Befundberichte, Arztbriefe oder sonstige ärztlichen Unterlagen Bezug genommen wird, sind diese mit dem Datum, dem Verfasser, und der Fundstelle in den Akten (Blattzahl) zu kennzeichnen. Etwas anderes gilt nur, soweit das Gericht dies ausdrücklich anordnet. Werden die Beweisfragen wiederholt oder die Auszüge aus den oben genannten ärztlichen Unterlagen in dem Gutachten wörtlich wiedergegeben, ohne dass dies ausdrücklich durch das Gericht angeordnet ist, wird hierfür keine Vergütung gezahlt.“
Auf von der Klägerin im Verfahren L 10 VE 28/19 geäußerte Einwände gegen die Bestellung des Antragstellers, weil dieser kein „Viren/Impfexperte“ sei, gab der Antragsteller mit Schreiben vom 1. Juli 2020 an, dass die Beweisfrage ganz vorrangig dem Fachgebiet eines Neurologen zuzuordnen sei, weil zur Bewertung der Kausalität neben der Analyse der Vorgeschichte und der Bewertung der Befunde hinsichtlich der Komplikationen von Impfungen eine sehr genaue Kenntnis der wissenschaftlichen Literatur zu Impfschäden erforderlich sei, die sehr umfangreich und vorrangig von Neurologen verfasst sei. Zur persönlichen Kompetenz merkte er an, dass er seit mehreren Jahrzenten als Neurologe in der Hochschulklinik tätig sei und dass Schäden des Nervensystems durch ärztliche Maßnahmen seit langer Zeit sein klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt seien. Gerade in den letzten Jahren habe er sich intensiv mit durch Impfungen verursachten Schäden am Nervensystem befasst und dahingehend auch mittlerweile recht genau 100 Gutachten für Gerichte und Behörden verfasst.
Nach gerichtlichen Erinnerungen vom 17. November 2020 und vom 30. Dezember 2020 ging am 25. Februar 2021 das auf den 22. Februar 2021 datierte und insgesamt 22,5-seitige Sachverständigengutachten inkl. eines 1,5–seitigen Literaturverzeichnisses ein. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die Gerichtsakte L 10 VE 28/19 Bezug genommen.
Mit zwei Rechnungen vom 22. Februar 2021 machte der Antragsteller für die Gutachtenerstellung inklusive Aktenstudium die Festsetzung von EUR 3.342,00 geltend unter Ansetzung von 3 Stunden für die „Aktendurchsicht“, 10 Stunden für die „Literaturrecherche“, 9 Stunden für die „Abfassung des Gutachtens“ und 6 Stunden für „Diktat und Korrektur“, insgesamt also 28 Stunden. Diese Stundenzahl multiplizierte der Antragsteller mit dem Betrag von EUR 100,00. Außerdem rechnete er Umsatzsteuer von 19% in Höhe von EUR 532,00 ab und Portoauslagen in Höhe von EUR 10,00 sowie Schreibgebühren in Höhe von EUR 36,00 für 39.759 Anschläge zu EUR 0,90 je Tausend Anschläge und Kopierkosten in Höhe von EUR 22,00 für 44 Seiten zu je EUR 0,50.
Unter dem 2. März 2021 wies die zuständige Kostenbeamtin der Geschäftsstelle beim LSG Niedersachsen-Bremen darauf hin, dass die Zeit für Literaturstudium nur in Ansatz zu bringen sei, soweit es sich um über die allgemeine Fachliteratur hinausgehende Literatur handele, während die durch die Beschäftigung mit sonstiger Literatur entstandenen Aufwendungen in der Regel zu den allgemeinen Unkosten eines Sachverständigen gehörten, wobei Ausnahmen nur insoweit zulässig seien, als spezielle Nachfragen zu klären seien, die selbst einem versierten Fachmann nicht geläufig seien, z.B. beim erforderlichen Zugriff auf wissenschaftliches Schrifttum des Auslandes, vor allem in fremder Sache, oder bei einem betroffenen Randgebiet. Erfolgte Literaturrecherche sei in jedem Fall substantiiert zu erläutern, z.B. durch Erläuterung der Gründe für einen mit „ungewöhnlich hoch“ bezeichneten Umfang des Literaturstudiums
und/oder durch Einreichung der für die angesetzten 10 Stunden zugrunde gelegten Tätigkeitsdokumentation. Die Angabe eines Literaturverzeichnisses alleine genüge nicht. Für den abgerechneten Zeitaufwand von 10 Stunden fehlten hinreichende Erläuterungen.
Ausweislich eines in der Gerichtsakte L 10 VE 28/19 befindlichen Vermerks teilte der Antragsteller hierauf am 9. März 2021 telefonisch mit, dass er auf das Schreiben vom 2. März 2021 nicht antworten werde. Den Zeitaufwand von 10 Stunden sehe er für die Literaturrecherche als gerechtfertigt an und eigentlich sogar als zu wenig. Er finde es eine Zumutung, erläutern zu müssen, wie sich die 10 Stunden zusammensetzten.
Unter dem 10. März 2021 setzte die zuständige Kostenbeamtin der Geschäftsstelle beim LSG Niedersachsen-Bremen die Vergütung des Antragstellers auf insgesamt EUR 1.967,20 fest, u.a. unter Verweis auf durch die Rechtsprechung gebildete Erfahrungswerte unter Ansetzung von insgesamt 16 Stunden unter Zuordnung des Gutachtens in die Honorargruppe M3 mit einem Stundensatz von EUR 100,00. Die angesetzten 10 Stunden für Literaturrecherche seien mangels hinreichender Erläuterungen und Belege nicht zu berücksichtigen. Die abgerechneten Schreibkosten seien teilweise zu kürzen hinsichtlich der trotz erfolgten Hinweises wiederholten Beweisfragen sowie hinsichtlich des Vorblattes und des Literaturverzeichnisses. Aufgrund der danach insgesamt zu berücksichtigenden 19 Seiten könne für „Diktat und Korrektur“ und Korrektur nur ein Zeitaufwand von gerundet 4 Stunden angesetzt werden.
Mit Schreiben vom 5. April 2021 hat der Antragsteller die richterliche Festsetzung der Vergütung für das von ihm erstattete Gutachten beantragt. Er halte die Kürzung für ungerechtfertigt. Die Literaturrecherche sei zwingend erforderlich gewesen aufgrund der Schwierigkeit der Begutachtung eines neurologischen Impfschadens mit der Klärung einer ursächlichen Beziehung zwischen einer viele Jahre zurückliegenden Impfung und einer extrem seltenen neurologischen Erkrankung. Ein solcher Fall sei in der gutachterlichen Praxis noch nicht vorgekommen, weshalb die wissenschaftliche Literatur computergestützt habe gesichtet werden müssen, wobei alle im Literaturverzeichnis erfassten Publikationen trotz intensiver wissenschaftlicher Beschäftigung mit neurologischen Impfschäden vorher unbekannt gewesen seien. Dies sei bereits telefonisch erläutert worden. Die angeforderte Auflistung des genauen Umfangs der jeweiligen Lektüre werde bei einem beträchtlichen Zeitaufwand für „blanken Unsinn“ gehalten. Auch der Zeitaufwand für Diktat und Korrektur sei erforderlich gewesen. Die Erfahrungswerte der Rechtsprechung seien generell ungeeignet. Es werde angeregt, die Rechnungsprüfung zukünftig durch nicht völlig ahnungslose Personen vornehmen zu lassen. Der Textbaustein zur nicht zu vergütenden Wiedergabe von Beweisfragen etc. sei bekannt. Er stelle ein bedeutendes Hindernis bei den Bemühungen um Qualität dar, weshalb sich der Antragsteller in all den Jahren seiner Gutachtertätigkeit in keinem Fall daran gehalten habe. Der exakte Wortlaut der Beweisfragen werde bei der Gutachtenerstellung am PC benötigt sowie auch für etwaige spätere Erläuterungsfragen. Die Mehrkosten seien zudem zu vernachlässigen. Auch die Erarbeitung des Abschnitts Aktenauszug sei ein essenzieller Teil des Gutachtens zur Erfassung des vollständigen und richtigen Sachverhalts, weil bei der Referierung in chronologischer Reihenfolge Widersprüche etc. aufgedeckt werden könnten. Bei der Aufforderung zum Verzicht auf einen medizinischen Aktenauszug würde um Entbindung vom Gutachtenauftrag gebeten. Das Gericht möge die weitere Verwendung des Bausteins prüfen und ggf. stattdessen Anregungen geben, was in den Aktenauszug gehöre.
Der Antragsgegner verweist auf die zutreffenden Ausführungen der zuständigen Kostenbeamtin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Beiakte zum Aktenzeichen L 10 VE 28/19 Bezug genommen.
II.
1.
Der Antrag des Antragstellers auf richterliche Festsetzung der Vergütung ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG a.F. statthaft und führt unter Beibehaltung der in den Beschlüssen des Senats vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR) und vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) umfassend dargestellten Kriterien zu der Festsetzung der aus dem Tenor ersichtlichen Vergütung.
a) Über den Vergütungsfestsetzungsantrag entscheidet der Senat nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG a.F. in der Zusammensetzung der drei Berufsrichter, nachdem der Berichterstatter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen hat. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 4 Abs. 7 Satz 3 JVEG a.F.
b) Die Vergütung der Sachverständigen, die vom Gericht herangezogen werden, richtet sich nach den Vorschriften des JVEG (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG). Maßgeblich sind im vorliegenden Fall gemäß § 24 JVEG die Vorschriften des JVEG in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (im Folgenden: JVEG a.F.), weil der Antragsteller als Sachverständiger vom LSG Niedersachsen-Bremen mit Beweisanordnung vom 25. Mai 2020 vor dem Inkrafttreten der Neufassung des JVEG zum 1. Januar 2021 durch das Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021) vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I 3229) herangezogen worden ist.
Das LSG Niedersachsen-Bremen ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG a.F. für die Festsetzung zuständig, weil der Antragsteller vom LSG Niedersachsen-Bremen zur Gutachtenerstattung herangezogen worden ist, wobei im Rahmen der Festsetzungsentscheidung alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen sind ohne Bindung an die Höhe der Einzelansätze, der Stundenansätze oder der Gesamthöhe der Vergütung durch den Kostenbeamten oder den Antrag der Beteiligten und unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind, weil die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG a.F. keine Überprüfung der von den Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung darstellt, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung (vgl. Beschluss des Senats vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U). Die Festsetzung ist lediglich der Höhe nach durch den Antrag beschränkt, während eine Reduzierung der vom Kostenbeamten festgesetzten Vergütung möglich ist.
Gemäß § 8 Abs. 1 JVEG a.F. erhalten Sachverständige als Vergütung ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG a.F.), Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG a.F.), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG a.F.) sowie Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG a.F.). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es gemäß § 8 Abs. 2 JVEG a.F. für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG a.F.) und nach dem nach § 9 JVEG a.F. zu bestimmenden Stundenhonorar festgesetzt.
c) Bei der Honorarbemessung nach Stundensätzen gemäß § 9 JVEG a.F. ist in einem ersten Schritt eine Zuordnung der jeweiligen gutachterlichen Tätigkeit zu einer der gesetzlich vorgegebenen Honorargruppen erforderlich (dazu unter aa) sowie in einem zweiten Schritt die Festlegung des insoweit vergütungsfähigen Zeitaufwands (dazu unter bb).
aa)
Hinsichtlich der Bemessung der zu vergütenden Stundensätze sieht § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG a.F. entsprechend der Zuordnung zu einer bestimmten Honorargruppe Stunden-sätze zwischen EUR 65,00 und EUR 125,00 für die Honorargruppen 1 bis 13 und Stundensätze zwischen EUR 65,00 und EUR 100,00 für die speziellen medizinischen Honorargruppen M1 bis M3 vor. Die Zuordnung einer gutachterlichen Leistung zu einer Honorargruppe bestimmt sich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG a.F. nach der Anlage 1 des JVEG a.F. Ist die Leistung auf einem Sachgebiet zu erbringen, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 JVEG a.F.); dies gilt entsprechend, wenn ein medizinisches oder psychologisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe genannt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 JVEG a.F.). Ist die Leistung auf mehreren Sachgebieten zu erbringen oder betrifft das medizinische oder psychologische Gutachten mehrere Gegenstände und sind die Sachgebiete oder Gegenstände verschiedenen Honorargruppen zugeordnet, bemisst sich das Honorar gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 JVEG a.F. einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit nach der höchsten dieser Honorargruppen. § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG a.F. gilt jedoch entsprechend, wenn dies mit Rücksicht auf den Schwerpunkt der Leistung zu einem unbilligen Ergebnis führen würde (§ 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 JVEG a.F.).
In Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG a.F. (im Folgenden Anlage 1) werden die medizinischen Gutachten entsprechend ihrer Schwierigkeit in drei Honorargruppen (M1 - M3) eingeteilt. Unter die Honorargruppe M1 fallen nach der gesetzlichen Definition der Anlage 1 einfache gutachterliche Beurteilungen, insbesondere zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung. Die Honorargruppe M2 wird in der Anlage 1 wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-) Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. Hierunter sollen nach der Anlage 1 u.a. Gutachten in Verfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität fallen. Die Honorargruppe M3 erfordert dagegen nach der gesetzlichen Definition der Anlage 1 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad, also Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen. Beispielhaft nennt die Anlage 1 hierzu u.a. Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen oder Gutachten zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten.
Regelmäßig unterfallen die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit der Honorargruppe M2, während Gutachten der Gruppe M3 dagegen umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen erfordern, wobei die Schwierigkeiten mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben können, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein können (vgl. Beschlüsse des Senats vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR) und vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U).
Im vorliegenden Fall geht der Senat unter Berücksichtigung des schwierigen Begutachtungsgegenstands eines Impfschadens mit komplexen Kausalitätszusammenhangsproblemen von einem insgesamt als hoch einzustufenden Schwierigkeitsgrad und einem daher insgesamt der Honorargruppe M3 unterfallenden Gutachten aus.
bb)
Hinsichtlich der Festlegung des auf dieser Grundlage vergütungsfähigen Zeitaufwands ist anhand eines am Grundsatz der Erforderlichkeit der Vergütung orientierten abstrakten Maßstabs sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Gutachtensachverhalts, -gegenstands und -inhalts der für die auftragsgemäße Begutachtung objektiv anzusetzende zeitliche Umfang zu bestimmen. Dabei sind für die Erstellung des Gutachtens nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) – und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR) zur Gewährleistung eines objektiven Maßstabs hinsichtlich des erforderlichen Zeitaufwandes die vier vergütungspflichtigen Arbeitsschritte
- Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten,
- Untersuchung und Anamnese,
- Abfassung der Beurteilung (Ausarbeitung),
- Diktate und Durchsicht (Korrektur).
zu unterscheiden, wobei jeweils nicht die individuelle Arbeitsweise des Sachverständigen und damit die tatsächlich aufgewandte Zeit maßgeblich ist, sondern gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG a.F. die für die Erstattung des Gutachtens erforderliche und nach einem abstrakten Maßstab zu ermittelnde Zeit (Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; Bundesgerichtshof <BGH>, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98). Diese ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand orientiert, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07 -; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98). Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07 –; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98). Die vom Senat zugrunde gelegten Arbeitsschritte dienen der Strukturierung des Vergütungsanspruchs des Sachverständigen in tatsächlicher Hinsicht, um den vom Sachverständigen angesetzten Zeitaufwand justiziabel prüfen zu können. Durch diese Art der objektivierten Vergütung wird sichergestellt, dass sich der im Gutachten niederschlagende Zeitaufwand gemessen am Grundsatz der Erforderlichkeit in der Vergütung auch spiegelt (so auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. März 2017 – L 2 SF 113/16 E). In der Sozialgerichtsbarkeit haben sich insoweit detaillierte Erfahrungswerte für die Zeiten von Aktenstudium, Untersuchung und Anamnese, Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen sowie Diktat und abschließende Durchsicht (Korrektur) herausgebildet.
Der Senat folgt damit weder dem teilweise vertretenen Prüfungsansatz, dass bei der Festsetzung der Vergütung grundsätzlich von der Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen ausgegangen wird, noch der korrigierenden Auffassung eines zuzubilligenden Toleranzbereichs von 15 % hinsichtlich der üblichen Erfahrungswerte bei einer Plausibilitätsprüfung im Überschreitungsfall (vgl. Beschlüsse vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) - und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR).
(a)
Für den ersten Arbeitsschritt "Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten" erachtet der Senat unter Zugrundelegung des dargelegten objektiven Maßstabs zur Ermittlung des erforderlichen Zeitaufwandes sowie aus Gründen der Praktikabilität und der Handhabbarkeit für die Kostenbeamtinnen und -beamten einen einheitlichen Durchschnittswert von 100 Aktenseiten pro Stunde für angemessen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) – und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR).
Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten erfordern es, den vollständigen Tatsachenstoff sorgfältig durchzuarbeiten und zur Vorbereitung der nachfolgenden gutachterlichen Untersuchung und Anamnese Notizen und ggf. Aktenauszüge zu fertigen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2013 – L 15 SB 40/13 B). Zu berücksichtigen ist einerseits, dass ein mit der täglichen Durcharbeitung von Gerichtsakten nicht vertrauter Sachverständiger hierfür längere Zeit benötigt als ein in dieser Tätigkeit geübter Richter. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass für den medizinischen Sachverständigen nur bestimmte Aktenteile von Interesse sind, die er herauszusuchen und zu erfassen hat, soweit es für die Beantwortung der Beweisfragen notwendig ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2013 – L 15 SB 40/13 B). Die Zeit, die ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen für das Zusammentragen des medizinischen Tatsachenstoffes durchschnittlich höchstens braucht, wird von den Landessozialgerichten dabei unterschiedlich beurteilt, wobei angesichts der Bandbreite der in der Rechtsprechung zugrunde gelegten Werte die Ansetzung eines einheitlichen Durchschnittswerts von 100 Aktenseiten pro Stunde – unabhängig vom medizinischen Anteil - beim Arbeitsschritt des Aktenstudiums angemessen und sachgerecht erscheint, soweit nicht außergewöhnliche Umstände ein Abweichen hiervon gebieten. Dieses Vorgehen entspricht dem zugrunde zu legenden objektivierten Maßstab, stellt einen Mittelwert der Rechtsprechung dar, ist praktikabler als die Unterscheidung zwischen Aktenblättern allgemeinen Inhalts und Aktenblättern mit medizinischem Inhalt und berücksichtigt sowohl das Interesse des Sachverständigen an einer leistungsgerechten Vergütung als auch das öffentliche Interesse am sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel. Ohne eine Trennung in medizinischen bzw. nichtmedizinischen Inhalt werden dabei im Rahmen einer pauschalisierten Mischkalkulation die erforderliche Sichtung etwaig umfangreicher und unübersichtlicher, im Ergebnis jedoch nicht medizinischer Unterlagen genauso in die Vergütungsbemessung einbezogen wie die Sichtung sonstigen Tatsachenstoffes, wie z.B. die Ergebnisse medizinischer bildgebender Verfahren, Modellen o.ä. (vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) – und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR).
Bei einer zum Zeitpunkt der Gutachtenbeauftragung 96 Seiten umfassenden Gerichtsakte und einer 213 Seiten umfassenden Verwaltungsakte ergeben sich 309 Seiten bzw. entsprechend die vom Antragsteller in seiner Rechnung angesetzten 3 Stunden.
(b)
Der zweite Arbeitsschritt „Untersuchung und Anamnese“ entfällt im vorliegenden Fall, weil ein Gutachten nach Aktenlage zu erstellen war.
(c)
Für den dritten Arbeitsschritt "Abfassung der Beurteilung“ (Ausarbeitung) ist nach den maßgeblichen Vergütungsmaßstäben (vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. Juli 2021 – L 7 KO 3/20 (U) – und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR) für die Ausarbeitung unter Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen als „Kernstück“ des Gutachtens ein Zeitaufwand von einer Stunde je Standardseite mit 1.800 Anschlägen zu berücksichtigen.
Der Arbeitsschritt umfasst die eigentliche Gedankenarbeit im Zusammenhang mit der Auswertung der erhobenen Befunde und die Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen und deren nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, wozu die diktatreife Vorbereitung der Beurteilung gehört - ohne Wiedergabe der Anamnese, der Untersuchungsergebnisse oder Befunde - einschließlich der Begründung der vom Sachverständigen getroffenen Schlussfolgerung, wie zum Beispiel die Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Vorgutachten, anderslautenden Befunden sowie die Auseinandersetzung mit kontroversen Meinungen. Nur dieses „Kernstück“ des Gutachtens, also nur die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung, sind bei dem Arbeitsschritt "Abfassung der Beurteilung“ (Ausarbeitung) vergütungsfähig, wobei in den Fällen, in denen eine Vermischung mit der teilweisen Wiedergabe des Akteninhalts, der Anamnese und der Befunde erfolgt ist, zusätzlich die eigentliche Beurteilung zunächst herausgefiltert werden muss (vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) – und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR). Bei der Frage, wie viele Stunden für die Ausarbeitung des Gutachtens und die Beantwortung der Beweisfragen üblicherweise nötig sind, geht der Senat zudem weiterhin in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen und im Hinblick darauf, dass dies von der überwiegenden Zahl der Landessozialgerichte auch so gehandhabt wird, weiterhin davon aus, dass das Verfassen einer Standardseite einschließlich einer etwaigen üblichen Literatur- und/oder Rechtsprechungsrecherche und deren Auswertung etwa eine Stunde dauert, wobei sich die Notwendigkeit ergibt, die als „Kernstück“ des Gutachtens einzustufenden Seiten in Standardseiten umzurechnen, weil erfahrungsgemäß die Seiten eines Gutachtens sehr individuell und teilweise mit sehr großzügigen Schriftbildern und Rändern gestaltet werden. In Anlehnung an die DIN 1422 legt der Senat als Normseite eine Seite mit 1.800 Anschlägen zugrunde (vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) – und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR).
Das vom Antragsteller erstellte Gutachten umfasst danach zwar 22,5 Seiten, daraus errechnen sich jedoch bei insgesamt 39.759 Anschlägen lediglich durchschnittlich 1.767,07 Anschläge je Seite und damit nur 20,09 Normseiten.
Weiterhin findet sich die maßgebliche Beantwortung der vom LSG Niedersachsen-Bremen gestellten Fragen und deren nähere Begründung in dem vom Antragsteller erstellten Gutachten unter der Überschrift „III. c) Diskussion der Beweisfragen“ und „IV. Zusammenfassung/Beantwortung der Beweisfragen“ auf den Seiten 16 oben bis 21 Mitte, mithin auf 5,5 Seiten. In der Gesamtschau auch zum Kernstück des Gutachtens zu zählen sind zudem die unter „III. b) allgemeine medizinische Erläuterungen“ auf den Seiten 11 oben bis 15 oben, mithin auf 4,25 Seiten, enthaltenen grundsätzlichen medizinischen Erläuterungen zur etwaigen ursächlichen Beziehung zwischen einer Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln und einer SSPE Hirnerkrankung. Nicht als Kernstück des Gutachtens berücksichtigungsfähig sind dagegen neben Deckblatt und Inhaltsverzeichnis die unter „I. Allgemeines / Aufgaben des Gutachtens“ auf den Seiten 3 bis 4 erfolgte Wiederholung des Gutachtengegenstands und die unter „II. Medizinischer Sachverhalt (Aktenauszug)“ und „III. a) zusammenfassende Darstellung des Sachverhalts“ auf den Seiten 5 bis 8 bzw. 9 bis 10 erfolgte vollständige Wiederholung des bereits aus der Gerichts- und der Verwaltungsakte ersichtlichen Sachverhalts mit teilweise wörtlicher Wiedergabe ärztlicher Unterlagen, wie Gutachten und Arztbriefe.
Die damit als Kernstück des Gutachtens berücksichtigungsfähigen 9,75 Seiten sind zudem auf 9,57 Normseiten umzurechnen (9,75 / 1.800 * 1.767,07). Ausgehend von einem Zeitaufwand von einer Stunde für die Ausarbeitung einer Normseite errechnet sich damit ein vergütungsfähiger Zeitaufwand von 9,57 Stunden für die Ausarbeitung des Gutachtens.
(d)
Für den vierten Arbeitsschritt „Diktat und Korrektur“ eines Gutachtens ist nach der Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) – und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR) im Regelfall, also ohne ausnahmsweise eine abweichende Bemessung des Zeitaufwandes rechtfertigende besondere Gründe, ein erforderlicher Zeitaufwand von einer Stunde für circa bis zu sechs Seiten eines Gutachtens anzusetzen, wobei auch insoweit zur sachgerechten Berücksichtigung der individuell unterschiedlichen Schriftbilder und Seitenrändern eine vorherige Umrechnung auf eine Normseite mit 1.800 Anschlägen erforderlich ist.
Im Gegensatz zum Arbeitsschritt "Abfassung der Beurteilung“ ist dabei allerdings nicht nur das „Kernstück“, sondern grundsätzlich das gesamte Gutachten mit allen für das Verständnis und die erforderliche Bewertung eines Gutachtens erforderlichen Neben- und Zusatzinformationen zu berücksichtigen, also z.B. auch die Wiedergabe der vom Gutachter erhobenen Untersuchungsbefunde, die Angabe der verwendeten und berücksichtigten Quellen etc. Nicht vergütungsfähig sind in diesem Bereich allerdings ohne entsprechende ausdrückliche gerichtliche Beauftragung bzw. ohne eine zwingende Erforderlichkeit der Wiedergabe für die Verständlichkeit und Verwertbarkeit des Gutachtens Zusammenfassungen von Akteninhalten und von etwaigen zusätzlich eingeholten und vorliegenden Befundberichten sowie die Wiedergabe der Beweisfragen. Bereits in den Akten befindliche Unterlagen sind sowohl den Beteiligten als auch dem Gericht bekannt, weshalb insoweit im Regelfall eine ggf. verweisende Bezugnahme ausreicht, z.B. auf bestimmte Befunde, Diagnosen etc., während eine ausführliche wiederholende Darstellung im Gutachten selbst grundsätzlich entbehrlich und daher auch nicht zu vergüten ist, sofern nicht im Einzelfall, z.B. aufgrund der Komplexität des Sachverhalts, eine Darstellung des medizinischen Akteninhalts für die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens erforderlich war. Allein die etwaige Erleichterung für die Begutachtung und die spätere Lesbarkeit des Gutachtens genügt hingegen nicht. Insoweit ist der beauftragte Sachverständige im Rahmen der von ihm frei zu bestimmenden Herangehensweise an die Gutachtenerstellung selbstverständlich nicht gehindert, einen Aktenauszug als Arbeitsgrundlage für die Gutachtenerstellung zu fertigen. Hieraus resultiert aber nicht die Erforderlichkeit, diese interne Arbeitsgrundlage auch in den späteren zu vergütenden Gutachtentext aufzunehmen und entsprechend auch keine Erforderlichkeit für eine darauf bezogene Vergütung (vgl. Beschlüsse des Senats vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) – und vom 12. Oktober 2021 – L 7 SF 5/19 B (KR)
Der Antragsteller hat trotz des Hinweises im Anschreiben zur Beweisanordnung in seinem Gutachten nicht nur unter „I. Allgemeines / Aufgaben des Gutachtens“ auf 2 Seiten die Beweisfragen aus der Beweisanordnung wörtlich wiederholt, sondern unter „II. Medizinischer Sachverhalt (Aktenauszug)“ und „III. a) zusammenfassende Darstellung des Sachverhalts“ auch auf circa 6 Seiten den bereits aus der Gerichts- und der Verwaltungsakte sowie auch aus dem erstinstanzlichen Urteil ersichtlichen Sachverhalt mit teilweise wörtlicher Zitierung ärztlicher Unterlagen wiederholt. Auf alle diese bereits vorhandenen bzw. als bekannt vorauszusetzenden Unterlagen und Informationen hätte im Rahmen einer gutachterlichen Bewertung an den für ein Verständnis erforderlichen Stellen Bezug genommen werden können bzw. müssen. Das teilweise vollständige wörtliche Abschreiben von bereits in der Gerichtsakte befindlichen Arztschreiben und weiträumige Wiederholungen des Sachverhalts waren demgegenüber nicht erforderlich.
Vor diesem Hintergrund können im Rahmen des Arbeitsschrittes „Diktat und Korrektur“ nur 14,5 Seiten als vergütungsfähig eingestuft werden, woraus sich nach der bereits ausgeführten Umrechnung 14,23 Normseiten errechnen (14,5 / 1.800 * 1.767,07). Bei einem Zeitaufwand von einer Stunde für sechs Seiten errechnet sich danach ein Zeitaufwand für Diktat und Korrektur des Gutachtens im Umfang von 2,37 Stunden.
(e)
Soweit der Antragsteller im Rahmen seiner Abrechnung einen weiteren gesonderten Arbeitsaufwand für die Recherche von Publikationen zur Klärung einer ursächlichen Beziehung zwischen der Impfung und einer extrem seltenen neurologischen Erkrankung berücksichtigt wissen will, besteht für die Abrechnung dieses zusätzlichen gesonderten Arbeitsaufwands außerhalb der dargelegten Arbeitsschritte ohne wesentliche und eine Abweichung rechtfertigende Besonderheiten im Einzelfall weder eine Grundlage noch eine Notwendigkeit.
Nicht gesondert vergütungsfähig sind fachliche Recherchetätigkeiten, die den Sachverständigen fachlich in die Lage versetzen sollen, das Gutachten zu erstatten, also die Kompetenz für die Fragestellung zu erwerben (z.B. die Grundlagen der Kausalitätsprüfung in der gesetzlichen Unfallversicherung), weil dieser Kenntnisstand vom Sachverständigen erwartet wird als grundlegende Kompetenz, überhaupt zum Sachverständigen ernannt zu werden und daher bereits mit der für die üblichen Arbeitsschritte festgesetzten Stundenvergütung abgegolten wird (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. August 2010 - L 12 KO 1653/10 – und Beschluss vom 30. Juli 2019 – L 10 KO 1952/19 B). Gleiches gilt auch für Literaturrecherchen innerhalb der ohnehin bestehenden Pflicht, sich im medizinischen Fachbereich der beruflichen und der gutachterlichen Tätigkeit auf dem Laufenden zu halten (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. Mai 2018 – L 12 SF 40/17), weshalb auch der Erwerb und ggf. die Pflege der für die Gutachtenerstellung im jeweiligen Fachbereich erforderlichen Kenntnisse bereits Bestandteil des im Rahmen der dargestellten Arbeitsschritte ermittelten objektiv kalkulierten Zeitaufwands ist. Ein gesondert zusätzlich zu berücksichtigender Zeitaufwand für Literaturrecherche bzw. -studium dürfte daher, auch unter Berücksichtigung der in § 407a ZPO normierten Prüf- und Anzeigepflicht bzgl. der für den konkreten Gutachtenauftrag erforderlichen Kompetenz, allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen können, wenn diese z.B. vom beauftragenden Gericht ausdrücklich verlangt wird, oder wenn der Rückgriff auf Standardliteratur bei der Beurteilung aus offensichtlichen oder vom Sachverständigen im Einzelnen dargelegten Gründen nicht zur Beantwortung der gestellten Beweisfragen ausreicht, z.B. bei im klinischen oder gutachterlichen Alltag sehr seltenen Krankheiten oder Kausalzusammenhängen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2019 – L 10 KO 1952/19 B).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht ersichtlich, weil der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt nach seiner Gutachterbestellung auf fehlende und daher durch gesonderte und umfangreiche Recherche erst anzueignende spezielle Fachkenntnisse hingewiesen hat. Im Gegenteil hat der Antragsteller auf die vor der Gutachtenerstellung von der Klägerin im Verfahren L 10 VE 28/19 geäußerten Einwände gegen seine Bestellung ausdrücklich die „Kenntnis der wissenschaftlichen Literatur zu Impfschäden“ als wesentliche Voraussetzung für die Befähigung zur Begutachtung angegeben und hinsichtlich seiner persönlichen Kompetenz auf die intensive Befassung „mit durch Impfungen verursachten Schäden am Nervensystem“ in „recht genau 100 Gutachten“ hingewiesen. Irgendeinen Hinweis auf eine besondere Alleinstellung der zu begutachtenden Sachverhaltskonstellation beinhaltete die Stellungnahme genauso wenig, wie die Anzeige fehlender und erst noch durch eine umfangreiche Literaturrecherche anzueignender spezieller Fachkenntnisse. Mit dieser nach Erhalt der vollständigen Gerichts- und Verwaltungsakten und damit bereits in Kenntnis des genauen Begutachtungsgenstands abgegebenen Stellungnahme ist daher ohne eine substantiierte und belegte Erläuterung die im April 2021 eingereichte Erklärung zur Erforderlichkeit der umfassenden Sichtung wissenschaftlicher Literatur aufgrund der besonderen und singulären Begutachtungsproblematik nicht vereinbar. Wenn aber die besondere einzelfallbezogene Schwierigkeit und die daraus resultierende Erforderlichkeit der vertieften Literaturrecherche zunächst nicht absehbar gewesen sein und sich erst im Rahmen der Begutachtung herausgestellt haben sollte, müsste der Antragsteller erläutern können, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen diese Abweichung erkennbar geworden sein und welche genaue Recherchereihenfolge mit welchen genauen Recherchegegenständen und -umfängen sich daraus ergeben haben soll. Die Darlegung einer gesonderten Rechercheerforderlichkeit ist hinreichend substantiiert nur auf den Seiten 18 und 19 des Gutachtens bezüglich einer Frau Prof.C. zugeschriebenen wissenschaftlichen Einschätzung und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit einer Verifizierung durch einer Datenbanksuche über PubMed ersichtlich. Insoweit sind jedoch trotz ausdrücklicher Aufforderung keine eine zeitliche Quantifizierung ermöglichende Darlegungen und Belege eingereicht worden. Jedenfalls eine Übersicht zum tatsächlichen Rechercheumfang müsste der Antragsteller aber bereits deshalb geführt haben, weil anderenfalls eine den rechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abrechnung genügende Angabe eines tatsächlich erbrachten Arbeitsaufwands gar nicht möglich gewesen wäre. Auf der Grundlage einer daher für eine ordnungsgemäße Abrechnung unabdingbaren Tätigkeitsübersicht hätte dann aber auch ohne unzumutbaren Aufwand eine quantitative Erläuterung der Zusammensetzung der für Recherche insgesamt abgerechneten 10 Stunden möglich sein müssen und damit auch eine etwaige anteilige Zuordnung hinsichtlich des anteilig auf die Datenbanksuche entfallenden Zeitaufwands. Für eine etwaige ungefähre Abrechnung eines im Einzelfall nicht belegbaren, aber nach eigener Einschätzung für angemessenen gehaltenen Aufwands beinhaltet das JVEG hingegen keine rechtliche Vergütungsgrundlage.
(f)
Soweit sich nach den ausgeführten Vorgaben ein insgesamt ermittelter vergütungsfähiger Zeitaufwand mit einer nicht vollständigen Abrechnungsstunde errechnet, wird diese gemäß § 8 Abs. 2 JVEG a.F. voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war, sowie anderenfalls bei weniger als 30 Minuten mit der Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.
d) Sonstige Aufwendungen des Gutachters sind gemäß § 8 Abs. 1 JVEG a.F. zu erstatten, z.B. als Fahrtkostenersatz gemäß § 5 JVEG a.F. bzw. als Aufwandsentschädigung gemäß § 6 JVEG a.F. bei im Rahmen der Gutachtenerstellung erforderlichen Terminswahrnehmungen, als Ersatz für gefertigte Kopien gemäß § 7 JVEG a.F. oder als Aufwendungsersatz für Hilfskräfte oder für Schreibkosten gemäß § 12 JVEG a.F.
Bei den nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG a.F. mit je EUR 0,90 je angefangenen 1.000 Anschlägen zu vergütenden Schreibkosten ist dabei - entsprechend der bereits erfolgten Ausführungen zur Aufwandsvergütung im Arbeitsschritt „Diktat und Korrektur“ - grundsätzlich das gesamte Gutachten mit allen für das Verständnis und die erforderliche Bewertung eines Gutachtens erforderlichen Neben- und Zusatzinformationen zu berücksichtigen, allerdings erneut ohne die nicht beauftragte bzw. nicht erforderliche Wiedergabe von Akteninhalten. Ausgehend von den 14,23 Normseiten, die nach den obigen Ausführungen vergütungsfähig sind, errechnen sich 25.614 Anschläge (14,23 Seiten x 1.800 Anschläge pro Seite) bzw. ein Betrag von EUR 23,40 (26 * EUR 0,90).
Gleiches gilt auch bei den nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 JVEG a.F. mit je EUR 0,50 pro Seite für die ersten 50 Seiten und EUR 0,15 für alle weiteren Seiten zu vergütenden Gutachtenkopien, wobei zudem auch insoweit die Umrechnung auf Standardseiten mit jeweils 1.800 Anschlägen zu erfolgen hat. Es sind daher Kopien für 14,23 Normseiten, gerundet 15 Normseiten bei den Gutachtenkopien anzusetzen, die allerdings im Umfang von 30 Seiten zu vergüten sind, weil das LSG Niedersachsen-Bremen das Gutachten in dreifacher Ausfertigung, also im Original mit zwei Kopien, erbeten hat. Das Originalgutachten stellt keine Mehrausfertigung und damit keine vergütungsfähige Kopie dar.
Die Erstattungsfähigkeit der vom Antragsteller angesetzten Portokosten ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG a.F., die der Umsatzsteuer folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG a.F. Die Portokosten sind von der Umsatzsteuererstattung allerdings ausgenommen, weil diese von der Umsatzsteuer befreit sind und zwar unabhängig davon, ob der Versand durch die Deutsche Post AG erfolgt ist oder durch ein anderes Postdienstleistungsunternehmen. Die Befreiung der Portokosten der Deutschen Post AG für die Beförderung von Briefsendungen bis 2.000 Gramm sowie von adressierten Paketen bis 20 Kilogramm von der Umsatzsteuer ergibt sich aus § 4 Nr. 11b Umsatzsteuergesetz (UStG) iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Post-Universaldienstleistungsverordnung (vgl. auch Bundesfinanzhof <BFH>, Urteil vom 6. Februar 2020 - V R 36/19, V R 30/15). Die Befreiung der Portokosten der sonstigen Postdienstleistungsunternehmen von der Umsatzsteuer folgt aus Art. 132 Abs. 1 a) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Bundesfinanzhof <BFH>, Urteil vom 6. Februar 2020 - V R 36/19, V R 30/15). Erst mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021 - vom 21. Dezember 2020, BGBl. I, S. 3229) zum 1. Januar 2021 ist in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 JVEG eine gemeinsame ausdrückliche Erstattungsregelung für Post- und Telekommunikationsleistungen normiert worden mit einer der Regelung für Rechtsanwälte (vgl. Nr. 7001 und 7002 VV RVG) entsprechenden Pauschalierungsmöglichkeit in Höhe von 20% des Honorars bzw. maximal EUR 15,00, wobei hinsichtlich der gemeinsamen Abrechnung der auf Entgelte für Post- und (umsatzsteuerpflichtige) Telekommunikationsleistungen bezogenen einheitlichen Kostenpauschale für Rechtsanwälte einheitlich von einer Umsatzsteuerpflichtigkeit ausgegangen werden dürfte (vgl. Schmitt in: Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, VV 7001, 7002 RVG Rn 12; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, VV 7001, 7002 RVG Rn 34).
e) Danach errechnet sich die Vergütung des Antragstellers für das von ihm erstattete Sachverständigengutachten zusammenfassend wie folgt:
Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten: 3 Stunden
Abfassung der Beurteilung (Ausarbeitung): 9,57 Stunden
Diktate und Durchsicht (Korrektur): 2,37 Stunden
Gesamt: 14,94 Stunden
Gerundet 15,00 Stunden
Sachverständigenhonorar (15 Stunden x EUR 100,00): EUR 1.500,00
Schreibauslagen (25.614 Anschläge x EUR 0,90 je 1.000): EUR 23,40
30 Zweitschriften á EUR 0,50: EUR 15,00
Zwischensumme EUR 1.538,40
19% Mehrwertsteuer: EUR 292,30
Zwischensumme EUR 1.830,70
Porto: EUR 10,00
Gesamtsumme: EUR 1.840,70
3.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG a.F.).
4.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG a.F.).