1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Kindergeld an sich selbst.
Der 24 Jahre alte Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er ist Araber, sunnitischen Glaubens. In seinem Heimatland hat er sich zuletzt in C-Stadt aufgehalten. Er verließ sein Heimatland am 13. April 2013 zusammen mit seinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester. Über Beirut flog die Familie nach Kairo. Nach einem fünfmonatigen Aufenthalt in Ägypten flog die Familie von dort zurück nach Beirut. Im Libanon ließ sich die Familie in der Bekaa-Ebene, in der Stadt D-Stadt nieder. Dort machte der Kläger im Juni 2015 sein Abitur. Am 28. August 2015 flog er (ohne seine Familie) von Beirut zunächst nach Antalya und reiste dann weiter mit einem Schlauchboot nach Griechenland (Samos). Über die Balkanroute (Mazedonien, Serbien, Ungarn) kam er nach Österreich und reiste von dort schließlich am 12. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland (nach E-Stadt) ein. In Deutschland bekam er den Flüchtlingsstatus zuerkannt (subsidiärer Schutz nach § 25 Abs. 2 AufenthG). Vom 15. August 2016 bis 14. April 2017 besuchte der Kläger einen Integrationskurs in A-Stadt.
Der Kläger beantragte am 2. September 2016 Kindergeld bei der Familienkasse Bayern Nord. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 ab, weil der Aufenthalt der Eltern des Klägers bekannt sei. Der Kläger hatte damals angegeben, den letzten Kontakt zu seinen Eltern am 25. August 2016 gehabt zu haben.
In der Zeit vom 1. Oktober 2018 bis 31. März 2020 studierte der Kläger Medizintechnik an der TU A-Stadt und erhielt BAföG-Leistungen. Dann exmatrikulierte er sich und immatrikulierte sich erneut zum 1. Oktober 2020.
Am 9. Mai 2019 beantragte der Kläger noch einmal Kindergeld für sich selbst. Dabei gab er an, dass er den Aufenthaltsort seiner Eltern nicht kenne. Der letzte Kontakt sei telefonisch Anfang 2018 erfolgt. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. Juli 2019 ab, da der Kläger keine Bemühungen unternommen habe, den Aufenthalt seiner Eltern zu ermitteln; er hätte das Deutsche Rote Kreuz oder eine andere Hilfsorganisation beauftragen können, seine Eltern zu suchen.
Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2019 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, berücksichtigt würden Vollwaisen und Kinder, die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen. Vollwaisen seien Kinder, deren Eltern nachweislich verstorben seien oder nach dem Verschollenheitsgesetz gerichtlich für tot erklärt worden seien. Dem Tod der Eltern sei die Unkenntnis des Kindes von ihrem Aufenthalt gleichgestellt. Die Unkenntnis des Aufenthalts der Eltern sei nach den subjektiven Maßstäben des Kindes zu beurteilen. Vom Kind seien die Umstände der Trennung von seinen Eltern, sowie eigene und fremde Bemühungen zur Ermittlung des Aufenthaltsortes darzulegen. Der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen nicht. Der Gesetzgeber habe unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Kindergeldes und von gesetzessystematischen Bedenken eine eng begrenzte Ausnahmeregelung unter Härtegesichtspunkten schaffen und Kindergeld für sich selbst nur einem entsprechend eng begrenzten Personenkreis zukommen lassen wollen. Der Kläger sei keine Vollwaise und kenne den Aufenthaltsort seiner Eltern. Es reiche, wenn der allgemeine Aufenthaltsort bekannt sei. Das Kind sei verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen vorzunehmen, um den Aufenthaltsort seiner Eltern herauszufinden. Dazu gehörten auch die Nachfragen bei Behörden, Verwandten, internationalen Hilfsorganisationen usw. Ansonsten sei von einer missbräuchlichen Unkenntnis des Aufenthaltsortes auszugehen, die einer Kenntnis gleichzusetzen sei und den Anspruch auf Kindergeld ausschließe. Der Kläger habe nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um den Aufenthaltsort seiner Eltern zu ermitteln und den Kontakt wiederaufzunehmen. Wenn der Kläger aus Sorge vor Repressalien keinen Kontakt zu seinen Eltern aufnehmen wolle, dann könnten die Gründe hierfür nicht berücksichtigt werden. Der bloße Aufenthalt der Eltern im Ausland, verbunden mit dem Unvermögen, dem Kind Unterhalt zu leisten (also nicht in der Lage zu sein, den Unterhalt leisten zu können) begründe keinen Anspruch des Kindes auf Kindergeld für sich selbst.
Mit der am 27. August 2019 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er kenne den Aufenthaltsort seiner Eltern nicht. Es werde bestritten, dass er umfassende Bemühungen einleiten müsse, um den Aufenthaltsort seiner Eltern zu ermitteln. Er habe zuletzt im Februar 2018 telefonischen Kontakt mit seinen Eltern gehabt. Diese hätten sich damals im Libanon aufgehalten, da sie vor dem syrischen Krieg geflüchtet seien und mitgeteilt, dass sie nunmehr nach Syrien zurückkehren würden. Seit diesem Telefonat habe es keinen Kontakt mehr gegeben. Er habe keine Verwandte in Syrien mehr, die er befragen könnte. Sein einziger Verwandter sei ein Cousin, der in den USA lebe. Diesen habe er kontaktiert, aber auch er habe keine Kenntnis über den Verbleib seiner Eltern. Es gebe derzeit kein funktionierendes Meldewesen in Syrien. Es werde als unzumutbar angesehen, dass der Kläger eine Hilfsorganisation beauftragen solle, nach seinen Eltern zu suchen. Es bestehe die abstrakte Möglichkeit, dass eine solche Organisation die Eltern tatsächlich finden könnte. Eine bekannte, anzunehmende Zeitdauer hierfür gebe es jedoch nicht. Auch sei über die Erfolgsaussichten generell nichts bekannt und für den konkreten Einzelfall könnten hier überhaupt keine Erfolgsaussichten abgeschätzt werden. Es werde deshalb davon ausgegangen, dass der Gesetzestext ein solches Bemühen gerade nicht verlange. Unkenntnis vom Aufenthalt der Eltern habe derjenige, der nicht jederzeit wisse, wo sich die Eltern gerade aufhalten und in der Folge sozial wie eine Vollwaise dastehe. Der Gesetzgeber habe die betreffende gesetzliche Regelung ausdrücklich dafür geschaffen, alleinstehenden Kindern, die von ihren Eltern oder anderen keine Hilfe zu erwarten hätten, Kindergeld an Eltern statt zu gewähren. Der Kläger habe noch nicht einmal Kenntnis darüber, in welchem Land sich seine Eltern tatsächlich aufhielten und ob diese überhaupt noch leben. Er mache zudem Ansprüche auf Gleichberechtigung geltend, da viele seiner Kommilitonen in gleichgelagerten Fällen das Kindergeld gewährt bekämen. Er habe keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten, da diese teilweise wohl nach Syrien zurückgekehrt seien und sich nun auf der Flucht befänden bzw. keine Internetverbindung hätten und sich die Kontaktdaten geändert hätten. Er habe auch versucht, Kontakt zum ehemaligen Vermieter in Beirut herzustellen, um Informationen über den Verbleib seiner Eltern zu erhalten. Dies sei ihm jedoch nicht gelungen und auch Recherchen über Facebook seien bislang erfolglos geblieben. Hilfsorganisationen habe er bisher nicht in Anspruch genommen. Der Kläger gibt weiter an, er vermute, dass seine Familie nach Syrien zurückgekehrt sein könne. Da er um deren Sicherheit fürchte, habe er keine Hilfsorganisation eingeschaltet. Diese könnten zudem nur Nachforschungen außerhalb Syriens einleiten. Seine Schwester sei 7 Jahre alt, seine Brüder seien 13 und 20 Jahre alt. Er vermute, dass diese nach wie vor mit seinen Eltern zusammen seien. In Syrien gebe es kein funktionierendes Meldewesen und keine formalen Adressen. Es sei ihm nicht möglich, hier Nachforschungen zu betreiben. Er habe auch keinerlei Kontakt zu anderen Familienmitgliedern mehr, da wohl aufgrund des Krieges alle verstreut seien. Aus rechtlicher Sicht habe derjenige Unkenntnis vom Aufenthalt der Eltern, der nicht jederzeit wisse, wo sich die Eltern gerade aufhielten. Damit stehe das betreffende Kind sozial wie eine Vollwaise da. Er könne nicht jederzeit wissen, wo sich seine, aus einem Kriegsgebiet kommende Familie, aufhalte. Auch könne die Familie ihm keinerlei Unterstützung zukommen lassen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2019 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. November 2018 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Der Kläger müsse die Bemühungen, den Aufenthaltsort seiner Eltern zu ermitteln, darlegen und nachweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2019, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Kindergeld an sich selbst. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 BKGG liegen in der Person des Klägers nicht vor.
Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 BKGG erhält Kindergeld für sich selbst, wer
1. in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
2. Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und
3. nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.
Für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer müssen zudem die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 BKGG erfüllt sein. Dies gilt auch für den Kläger, der syrischer Staatsangehöriger ist.
Grundsätzlich werden nach dem Kindergeldrecht Zahlungen nicht den Kindern selbst, sondern den Eltern und solchen Personen, die elternähnlich mit dem Unterhalt von Kindern belastet sind, geleistet. Nachdem mehrere Fälle, in denen alleinstehenden Vollwaisen nach dem Tod der Eltern lediglich Kindergeld für jüngere Geschwister gewährt wurde, den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages beschäftigt hatten, räumte das 11. Gesetz zur Änderung des BKGG vom 27. Juni 1985 (BGBl. I 1251) mit Wirkung vom 1. Januar 1986 diesem Personenkreis eine Anspruchsberechtigung für die eigene Person ein. Die neu eingeführten Vorschriften begünstigten jedoch nicht nur Kinder, die bei ihren Geschwistern quasi-elterliche Funktionen wahrnehmen, vielmehr allgemein „alleinstehende Kinder“. Die Gesetzgebungsmaterialien sprechen insoweit von Kindern, „bei denen nach dem Tode oder der Verschollenheit ihrer Eltern niemand die Elternstelle i.S. des Kindergeldrechts eingenommen hat“ (BT-Drucks. 10/3369, S. 11). Sinn und Zweck der Einführung eines Anspruchs auf „Kindergeld für sich selbst“ war es, alleinstehende Kinder mit einem eigenen Anspruch auf Kindergeld auszustatten, damit zum persönlichen „Verlust“ der Eltern nicht zusätzliche finanzielle Verschlechterungen durch den Wegfall des Kindergeldes eintreten (BT-Drucks. 10/2886, S. 9).
Anspruchsberechtigt sind Vollwaisen und Kinder, die den Aufenthalt ihrer Eltern nicht kennen. Vollwaisen sind Kinder, deren Eltern (leibliche oder Adoptiveltern) nachweislich gestorben oder nach dem Verschollenheitsgesetz (VerschG) gerichtlich für tot erklärt worden sind. Der Nachweis des Todeszeitpunktes kann durch Sterbeurkunden des Standesamtes, Auszüge aus dem Personenstandsregister oder sonstige geeignete Urkunden wie z.B. Erbscheine nach §§ 2353 oder Testamentsvollstreckerzeugnisse nach § 2368 BGB geführt werden. Im Fall des Klägers liegt kein Todesnachweis bezüglich seiner Eltern vor.
Dem Tod der Eltern wird die Unkenntnis des Kindes vom Aufenthalt der Eltern gleichgestellt. Die Gleichstellung der Unkenntnis des Aufenthalts der Eltern mit deren Tod oder Verschollenheit ist vor dem Hintergrund der Gesetzgebungsgeschichte zu sehen. Mit der gesetzlichen Regelung sollte kein Anspruch auf Kindergeld für sich selbst für den Fall geschaffen werden, dass die Eltern aufgrund eines ständigen Auslandsaufenthalts keinen Kindergeldanspruch haben oder dem Kind keinen Unterhalt leisten können (Hess. LSG, Urteil vom 25. Juni 2014, - L 6 KG 3/14 -, in juris). Kindergeld kann nicht gezahlt werden, wenn die Eltern leben, sich aber im Ausland aufhalten. Der Gesetzgeber wollte den engen Anwendungsbereich der aus Härtegesichtspunkten geschaffenen Ausnahmeregelung nicht auf den bloßen Auslandswohnsitz bzw. gewöhnlichen Auslandsaufenthalt der Eltern ausdehnen. Davon ausgehend kann auch das Unvermögen der im Ausland lebenden Eltern, dem Kind Unterhalt zu leisten, keine Rolle spielen. Mit dem Merkmal sollten Kinder erfasst werden, die mangels Kontakten nicht wissen, wo ihre Eltern sich aufhalten und letztlich nicht wissen können, ob sie noch am Leben sind und jemals die Elternstelle (wieder) einnehmen können. Nur dadurch ist ihre Gleichstellung mit den Vollwaisen erklärbar.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKGG) kommt es auf die subjektive Unkenntnis des Antragstellenden vom Aufenthalt seiner Eltern an, d.h. es ist darauf abzustellen, ob das Kind selbst den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass der Aufenthaltsort allgemein unbekannt, bzw. nicht ermittelbar ist. Wird von einem alleinstehenden Kind Verschollenheit der Eltern geltend gemacht und ist ein Aufgebotsverfahren vor dem zuständigen Amtsgericht beantragt worden, ist dieses im Wege der Amtshilfe um Stellungnahme zu ersuchen, ob das Aufgebot nach § 19 VerschG erlassen worden ist. Wird dies bejaht, ist davon auszugehen, dass das Kind den Aufenthalt seiner Eltern tatsächlich nicht kennt. Im hier zu entscheidenden Fall wurde für die Eltern des Klägers bislang kein Aufgebotsverfahren zur Feststellung des Todes beantragt.
Ist kein Aufgebotsverfahren zum Zwecke einer Todeserklärung beantragt oder kein Aufgebot erlassen worden, muss zumindest unterstellt werden können, dass das Kind es nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich unterlassen hat, Hinweisen über den Aufenthalt seiner Eltern nachzugehen. Vom Kind sind daher zumindest die Umstände der Trennung von seinen Eltern, sowie eigene oder fremde Bemühungen zur Ermittlung ihres Aufenthaltsortes und Anhaltspunkte für eine Verschollenheit darzulegen und diese Erklärungen möglichst durch Geschwister oder sonstige Verwandte zu bestätigen. Welche Anforderungen an den Nachweis der Verschollenheit der Eltern zu stellen sind, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere den Nachforschungs- und Beweismöglichkeiten.
Es kommt für den Anspruch nicht auf einen objektiven Maßstab an in dem Sinn, dass der Aufenthalt von niemandem zu ermitteln ist. Die Unkenntnis des Aufenthalts der Eltern muss jedoch auf Grund der objektiven Umstände glaubhaft sein. Das ist nicht der Fall, wenn der Aufenthalt der Eltern durch eine einfache Nachfrage bei einer Behörde hätte ermittelt werden können. Es ist von den Angaben des Kindes zu den Umständen der Trennung von den Eltern abhängig, welche weiteren Nachweise gefordert werden können und dürfen.
Im vorliegenden Fall behauptet der Kläger zwar (subjektiv) keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern zu haben, allerdings sind die Angaben, die der Kläger dazu im Laufe des Verfahrens gemacht hat widersprüchlich, außerdem hat er sich nicht ausreichend darum bemüht, weitere Kenntnisse über den Aufenthalt seiner Eltern zu erlagen.
In der mündlichen Verhandlung am 17. November 2020 hat der Kläger angegeben, zuletzt Mitte 2017 mit seinen Eltern telefonisch Kontakt gehabt zu haben; sie hätten ihm gesagt, er solle sich keine Sorgen machen, wenn mal eine längere Zeit kein Kontakt bestehe. Dabei habe er das Gefühl gehabt, dass irgendetwas bei ihnen nicht stimme bzw. vorgefallen sei. Auf Nachfrage bestätigte der Kläger, dass es jetzt über drei Jahre her sei, dass er nichts mehr von seinen Eltern gehört habe.
Dagegen hatte der Kläger im Rahmen der Beantragung des Kindergeldes am 3. Juli 2019 angegeben, seit ungefähr anderthalb Jahren keinen Kontakt mehr mit seinen Eltern gehabt zu haben, der letzte persönliche Kontakt zu Vater und Mutter sei Anfang 2018 erfolgt. Auf den Vorhalt seines unterschiedlichen Vorbringens gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, die Angabe bei der Antragstellung zum letzten Kontakt mit seinen Eltern sei falsch, sein letzter Kontakt mit den Eltern sei Mitte 2017 gewesen. Er habe den Vordruck vielleicht ausversehen falsch ausgefüllt.
Dies vermag das Gericht jedoch nicht zu überzeugen, denn der Kläger spricht und versteht die deutsche Sprache gut und die Frage im Vordruck zur Beantragung des Kindergeldes war einfach und verständlich formuliert. Zudem wurde auch im Klageverfahren zunächst weiter vorgetragen, dass der letzte Kontakt des Klägers mit seinen Eltern Anfang 2018 gewesen sei („letzter Kontakt vor ca. 18 Monaten“ in der Klageschrift vom 27. August 2019).
In der mündlichen Verhandlung am 17. November 2020 gab der Kläger zudem an, es sei eine Vermutung von ihm, dass die Familie zurück nach Syrien gegangen sei. Gesagt hätten seine Eltern das aber nicht. Er habe gedacht, dass sie ein Problem im Libanon hatten und deshalb vielleicht nach Syrien zurückgekehrt seien. Dagegen hatte der Kläger im Verwaltungsverfahren und zur Klagebegründung (Schreiben vom 27. August 2019) zuvor angegeben, seine Eltern seien nach Syrien zurückgekehrt. Im Antragsformular hatte der Kläger dargelegt, seine Eltern hätten ihm bei der letzten Kontaktaufnahme mitgeteilt, dass sie nach Syrien zurückkehren, seitdem seien sie nicht mehr erreichbar. Als letzte bekannte Anschrift gab der Kläger Syrien 2018 an. Auch diese Diskrepanz in seinen Angaben wurde dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgehalten; er blieb dabei, nur vermutet zu haben, dass seine Eltern nach Syrien gegangen seien, aber gesagt hätten sie es nicht.
Zu wesentlichen Punkten seines Vorbringens hat der Kläger unterschiedliche Angaben gemacht. Sowohl hinsichtlich des letzten Zeitpunkts des Kontakts zu seinen Eltern, als auch deren letztem bekannten Aufenthaltsort besteht ein nicht aufklärbarer Widerspruch in den Angaben des Klägers, so dass es an einer glaubhaften Darlegung zum Kontaktverlust mit seinen Eltern fehlt.
Die Glaubwürdigkeit des Klägers wird auch dadurch erschüttert, dass er offengelegt hat, vor deutschen Behörden bereits schon einmal bewusst falsche Angaben gemacht zu haben, um eigene Interessen durchzusetzen. So hatte der Kläger im Asylverfahren auf die Frage zu familiären Bindungen in der BRD angegeben, einen Onkel in A-Stadt zu haben (F.), zu dem er wolle. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger dazu jedoch an, das sei tatsächlich kein Onkel von ihm, sondern ein Bekannter, den er im Libanon kennengelernt habe.
Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe mit seiner Familie vor seiner Ausreise aus Syrien demonstriert, deshalb seien bei Nachforschungen Represalien zu befürchten. Insoweit fällt jedoch auf, dass der Kläger im Rahmen des Asylverfahren keine Demonstrationen genannt hatte - was dort jedoch ein wesentlicher Punkt seiner Verfolgungsgeschichte gewesen wäre -, vielmehr hatte er als wesentlichen Fluchtgrund die „ständige Bombardierung“ genannt, als sie von einem Dorf zum nächsten gezogen seien. Zudem befürchtete er den Einzug zum Wehrdienst.
Unabhängig davon, dass die Angaben des Klägers zum letzten Kontakt und Aufenthalt seiner Eltern widersprüchlich sind und deshalb durchgreifende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen, hat der Kläger sich zudem auch nicht ausreichend darum bemüht, den Aufenthalt seiner Eltern in Erfahrung zu bringen. Der Kläger ist verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen vorzunehmen, um den Aufenthaltsort seiner Eltern herauszufinden. Dazu gehören auch Nachfragen bei Behörden und internationalen Hilfsorganisationen. Ansonsten ist von einer missbräuchlichen Unkenntnis des Aufenthaltsortes auszugehen, die einer Kenntnis gleichzusetzen ist und den Anspruch auf Kindergeld ausschließt.
Der Kläger hätte sich bei Hilfsorganisationen, wie dem Roten Kreuz, nach dem Verbleib seiner Eltern erkundigen können und Nachforschungen an ihrem letzten bekannten Aufenthaltsort anstellen können. Dies gilt umso mehr unter Zugrundelegung seines Vortrages aus der mündlichen Verhandlung, nachdem der letzte bekannte Aufenthaltsort seiner Eltern im Libanon (und nicht in Syrien) war. Der Kläger hat insoweit jedoch keine Bemühungen vorgenommen. Soweit er behauptet, Kontakt zum ehemaligen Vermieter in Beirut aufgenommen zu haben, fehlen dazu konkrete Darlegungen und Nachweise. Soweit er angibt, über Facebook Kontakt zu ihm gehabt zu haben, den Account mittlerweile jedoch geschlossen zu haben, vermag dies nicht zu überzeugen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nicht nur angegeben, seinen Facebook Account geschlossen zu haben, sondern auch seine Handy-Nummer vor 19 Monaten geändert zu haben. Dadurch hat er maßgeblich seine eigene Auffindbarkeit reduziert, denn wie sollen seine Eltern ihn erreichen, wenn er bisher bestehende Kontaktmöglichkeiten unterbindet? Das Verhalten des Klägers ist als grob fahrlässige Vereitelung der eigenen Auffindbarkeit durch die Eltern zu bewerten, das einer missbräuchlichen Unkenntnis des Aufenthaltsortes gleichkommt und einer Kenntnis des Aufenthalts gleichzusetzen ist, so dass der Anspruch auf Kindergeld ausgeschlossen ist.
Der Kläger hat nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um den Aufenthaltsort seiner Eltern zu ermitteln und den Kontakt wieder aufzunehmen.
Soweit der Kläger sich auf „Gleichberechtigung“ (gemeint ist wohl „Gleichbehandlung“) gegenüber seinen Kommilitonen, die in „gleichgelagerten Fällen“ Kindergeld bezögen, beruft, fehlt es schon an der konkreten Darlegung vergleichbarer Fälle. Zudem ist die Beurteilung in jedem konkreten Einzelfall anhand der jeweiligen Umstände des Falles vorzunehmen, so dass eine Vergleichbarkeit schwierig ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).