L 28 KR 260/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
28.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 221 KR 3260/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 KR 260/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
B 3 KR 20/22 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Für die Auslegung des in § 130a Abs. 3a SGB V genannten unbestimmten Rechtsbegriffs der gesetzlich nicht legaldefinierten "Darreichungsform" als eine der Voraussetzungen des Abschlags nach dem sogenannten Preismoratorium ist der im Arzneimittelgesetz bereits etablierte Begriff zu berücksichtigen. Es handelt sich danach um die galenische Form, in der ein Arzneimittel angewendet wird. 

"Vergleichbar" ist die Darreichungsform eines neu eingeführten Fertigarzneimittels im Verhältnis zu einem vom selben pharmazeutischen Unternehmer bereits in den Verkehr gebrachten Fertigarzneimittel gleichen Wirkstoffs, wenn keine wissenschaftlich erheblichen Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen Darreichungsform gegeben sind. Auf eine Austauschbarkeit des Arzneimittels (auf idem) oder Identität kommt es dagegen nicht an. 

Bemerkung

Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung 

 

Beim BSG erledigt durch: Beschluss über Kostentragung, da die Klägerin die Revision zurückgenommen hat

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin begehrt als pharmazeutische Unternehmerin die Feststellung, das im April 2014 in den Verkehr gebrachte Arzneimittel Ceftriaxon E 2g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung (Pharmazentralnummer [PZN] 10170660, Normpackungsgröße N1, nachfolgend Ceftriaxon PL) unterfalle nicht dem Preismoratoriumsabschlag.

 

Die Klägerin brachte seit dem 1. August 2009 u.a. das Arzneimittel Cefotrix 5 x 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung, 5 Stück, PZN 02414148 (nachfolgend: Cefotrix P) in den Verkehr. Zum 1. April 2014 brachte sie ferner das Arzneimittel Ceftriaxon PL (neben weiteren, hier nicht streitbefangenen Packungsgrößen desselben Arzneimittels) in den Verkehr. Der arzneilich wirksame Wirkstoff Ceftriaxon ist beiden Arzneimitteln gemein. Es handelt sich bei diesem Wirkstoff um ein Breitspektrumantibiotikum mit bakterizider Wirkung. Als Arzneimittel wird es bei einer Vielzahl bakterieller Infektionskrankheiten parental unter Umgehung der enteralen Resorption angewandt. Es liegt in Form einer Trockensubstanz (Pulver) vor, das je nach Stärke (1,0 g und weniger oder 2,0 g) entweder als Injektionslösung oder als Infusionslösung appliziert wird. Cefotrix P wird von der Klägerin ohne beigefügtes Lösungsmittel angeboten, während Ceftriaxon PL neben dem Pulver eine beigepackte Durchstechflasche Lösungsmittel (40 ml isotonische Natriumchloridlösung 9 mg/ml [0,9 %]) enthält.

 

Insgesamt brachte die Klägerin seit dem 1. April 2014 folgende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ceftriaxon auf den Markt:

 

Bereits zum 1. August 2009:

PZN

Produktname

Menge

DAR

Applikation

02413835

CEFOTRIX 0,5 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel

5 Stück

TSS*

Injektion

02413864

CEFOTRIX 1,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel

5 Stück

TSS

Injektion

03422807

CEFOTRIX 1,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel

10 Stück

TSS

Injektion

02414148

CEFOTRIX 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel

(= Cefotrix P)

5 Stück

TSS

Infusion

07275846

CEFOTRIX 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel

7 Stück

TSS

Infusion

03422799

CEFOTRIX 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel

10 Stück

TSS

Infusion

 

Zum 1. April 2014 zusätzlich:

PZN

Produktname

Menge

DAR

Applikation

10219805

CEFTRIAXON E 1 g Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung

10 Stück

DFL*

Injektion

10170660

CEFTRIAXONEPulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung

(= Ceftriaxon PL)

1 Stück

TRS*

Infusion

10170677

CEFTRIAXON E 2 g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung

7 Stück

TRS

Infusion

10170683

CEFTRIAXON E 2 g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung

10 Stück

TRS

Infusion

 

* TSS = Trockensubstanz ohne Lösungsmittel

* DFL = Durchstechflasche

* TRS = Trockensubstanz mit Lösungsmittel

 

Der Beklagte hatte zunächst, wie sie selbst eingeräumt hat, den Abschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V für die neu eingefügten Präparate mit der PZN 10219805 (1g, 10 Stück) und 10170660 (2g, 1 Stück) fehlerhaft berechnet, weil er die unterschiedlichen Applikationsformen – Injektion einerseits Infusion andererseits – übersehen hatte. Dies wurde zum 1. Januar 2015 korrigiert. Die Korrektur zur PZN 10219805 (1g, 10 Stück) war seither zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Die Abschläge betreffend die ebenfalls zum 1. April 2014 neu eingeführten Präparate mit der PZN 10170677 (2g, 7 Stück) und 10170683 (2g, 10 Stück) waren bereits im vorgerichtlichen Verfahren nicht streitig.

In Bezug auf Ceftriaxon PL wurde und wird der Klägerin von den Apothekenrechenzentren neben den Generika-Abschlägen gemäß § 130a Abs. 1 und Abs. 3b SGB V zusätzlich der sich erhöhende Abschlag nach Maßgabe des sogenannten Preismoratoriums nach § 130a Abs. 3a SGB V in Rechnung gestellt („Preismoratoriumsabschlag“). Für das neu eingeführte Ceftriaxon PL (also 2,0 g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung, 1 Stück, PZN 10170660) zog der Beklagte als Referenzarzneimittel Cefotrix P (also 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel, 5 Stück, PZN 02414148) heran.

 

Betreffend die Neueinführung Ceftriaxon PL lautet die Fachinformation (Stand: 10/2013) in Bezug auf die Darreichungsform (3.) wie folgt:

„Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung: fast weißes oder gelbliches, kristallines trockenes Pulver

Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung: klare, farblose Lösung“

Zur Art der Anwendung heißt es unter 4.2:

„Ceftriaxon Eberth 2g ist geeignet für die intravenöse Infusion. Der Inhalt einer Durchstechflasche wird, wie unter Abschnitt 6.6 beschrieben, gelöst und als intravenöse Kurzinfusion verabreicht. Die Infusionsdauer beträgt mindestens 30 Minuten“.

Weiter heißt es zu „Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung und sonstigen Hinweise zur Handhabung“ (6.6):

„Der Inhalt einer Durchstechflasche zu 2g Ceftriaxon wird in 40 ml der beiliegenden Natriumchlorid 9 mg/ml (0,9%) Lösung durch Umschwenken gelöst.

Kompatibilität besteht außerdem mit folgenden Calcium-freien Infusionslösungen (siehe Abschnitt 6.3):

  • Natriumchlorid 4,5 mg/ml (0,45 %) und Glukose 25 mg/ml (2,5 %) Lösung
  • Glukose 50 mg/ml (5 %) Lösung
  • Dextran 60 mg/ml (6 %) und Glukose 50 mg/ml (5 %) Lösung
  • Fruktose 50 mg/ml (5 %) Lösung

Die Infusionsdauer beträgt mindestens 30 Minuten.“

Wegen der weiteren Einzelheiten der Fachinformation zu Ceftriaxon PL wird auf Blatt  144 bis 153 der Gerichtsakten verwiesen.

 

Für das vom Beklagten als Referenzarzneimittel herangezogene Arzneimittel Cefotrix P heißt es zur Darreichungsform unter 3. in der Fachinformation (Stand: 09/2001):

„Cefotrix 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung

Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung;

Fast weißes oder gelbliches, kristallines trockenes Pulver“

Zur Art und Weise der Anwendung heißt es unter 4.2:

„Cefotrix 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung kann nach Herstellung der Lösung nach den unten stehenden Angaben (siehe Abschnitt 6.6) als intravenöse Infusion verabreicht werden.“

Zu den Hinweisen für den Gebrauch und die Handhabung ist nach 6.6 ausgeführt:

„Cefotrix 2,0 Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung ist in einer der folgenden Calcium-freien Infusionslösungen zu lösen: Natriumchlorid 0,9 %, Natriumchlorid 0,45 % und Glucose 2,5 %, Glucose 5 % oder 10 %, Dextran 6 % in Glucose 5 %, Hydroxyethylstärke 6 – 10 % (ergibt ein Volumen von 41,0 ml und eine Konzentration von 49 mg/ml). Die Infusion sollte über mindestens 30 Minuten verabreicht werden.“

Wegen der weiteren Einzelheiten der Fachinformation zu Cefotrix P wird auf Blatt  154 bis 164 der Gerichtsakten verwiesen.

 

Mit Schreiben vom 12. November 2014 wandte die Klägerin dem beklagten GKV-Spitzenverband, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung und Sitz in Berlin, gegenüber ein, eine Vergleichbarkeit (bezogen auf die PZN 02413835) sei trotz des jeweiligen Wirkstoffs Ceftriaxon nicht gegeben. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 2. Dezember 2014, ob das Lösungsmittel Bestandteil des Fertigarzneimittels sei, sei nicht entscheidend, da als Darreichungsform die Applikationsform entscheidend sei. Für die PZN 10170660 (entspricht Ceftriaxon PL) ergebe sich ein Preismoratoriumsabschlag von 9,24 €.

 

Die Klägerin erwiderte, es handle sich bei dem gegenständlichen Arzneimittel mit der PZN 10170660 (entspricht Ceftriaxon PL) um die Darreichungsform TRS (Trockensubstanz mit Lösungsmittel [zwecks Infusion]) und bei dem Referenzarzneimittel mit der PZN 02414148 (entspricht Cefotrix P) um die Darreichungsform TSS (Trockensubstanz ohne Lösungsmittel [Injektion]). Um die Darreichungsform TRS in den Handel zu bringen, sei aus Sicht der Zulassungsbehörden eine Neuzulassung erforderlich gewesen. Allein diese Tatsache verweise auf die fehlende Vergleichbarkeit von TRS und TSS (Schreiben ebenfalls vom 2. Dezember 2014). Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 daran fest, dass der Abschlag anzuwenden sei; für die Ermittlung vergleichbarer Darreichungsformen im Sinne der Abschläge nach § 130a Abs. 3a Satz 10 SGB V sei unerheblich, ob das Lösungsmittel Bestandteil des Fertigarzneimittels sei oder nicht.

 

Mit der am 26. März 2015 vor dem Sozialgericht Regensburg erhobenen und von diesem mit Beschluss vom 23. Juli 2015 an das Sozialgericht Berlin verwiesenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, für das streitgegenständliche Arzneimittel Ceftriaxon PL falle der Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht an. Eine Vergleichbarkeit der Darreichungsform sei nicht gegeben, so dass das vom Beklagten herangezogene Arzneimittel nicht als Referenzpräparat herangezogen werden könne. Die zuständige Bundesoberbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), habe eine Änderung (Variation) des Präparates im Falle der Hinzufügung eines Lösungsmittels zu einem Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung bzw. zu einer Infusionslösung nicht nur als zustimmungspflichtig angesehen, sondern eine Neuzulassungspflicht gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AMG erkannt (Schreiben vom 29. Mai 2009), welches auch für die Auslegung von § 130a Abs. 3a SGB V maßgeblich sei. Die Informationsstelle für Arzneispezialitäten – IFA – führe das streitgegenständliche Präparat als sogenanntes „solitäres“ Arzneimittel, das in keinem Generikawettbewerb im Sinne von § 130a Abs. 3 SGB V stehe (Auftragsbestätigung der IFA GmbH vom 4. Dezember 2015). In der Anlage VII zum Abschnitt M der Arzneimittel-Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses – Regelungen zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln (aut idem) vom 1. November 2015 sei der gegenständliche Wirkstoff nicht aufgeführt, welches ebenfalls nicht nur gegen die „Austauschbarkeit“, sondern auch gegen die „Vergleichbarkeit“ der Darreichungsformen spreche. Darüber hinaus dürfe der Wirkstoff Ceftriaxon nur mit calciumfreien Lösungen rekonstituiert oder weiter verdünnt werden, um das Risiko eines Ceftriaxon-Calcium-Präzipitats, das tödlich enden könne, zu vermeiden. Dieses Risiko werde durch die Kombinationspackung ausgeschlossen.

 

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Juni 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die als Feststellungsklage zulässige Klage sei unbegründet, weil Ceftriaxon PL der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V unterfalle. Bei dem streitgegenständlichen Arzneimittel sowie dem Arzneimittel Cefotrix P handle es sich um Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform. Die Arzneimittel würden sich lediglich darin unterscheiden, dass in einem Fall das für die Herstellung der Infusionslösung benötigte Lösungsmittel bereits beigepackt und im anderen Fall mit einem gesondert zu beschaffenden Lösungsmittel zu mischen sei. Ausweislich der Regelungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 130a Satz 10 SGB V, Ziffer 1.4., erfolge die Ermittlung der vergleichbaren Darreichungsform auf Grundlage der Darreichungsformstruktur der ABDATA nach Anwendungsform, Applikationsweg und Freisetzungsverhalten. Der Begriff der Darreichungsform sei gesetzlich nicht definiert. Im pharmazeutischen Sprachgebrauch bezeichne man mit Darreichungsform (oder auch: Arzneiform) die galenische Form, in der ein Wirkstoff einer Person zugeführt werde. An der so verstandenen Darreichungsform, nämlich der „Infusion einer Lösung“, ändere sich nichts, wenn dem Arzneimittel lediglich das benötigte Lösungsmittel beigepackt sei. Auf eine Neuzulassungspflicht nach der Verordnung (EG) 1084/2003 komme es nicht an. Unerheblich sei, wie die IFA das streitbefangene Arzneimittel führe. Die Frage der Austauschbarkeit von Arzneimitteln (aut idem) sei für die Vergleichbarkeit irrelevant. Die Abschlagspflicht sei auch nicht im Hinblick auf eine fehlende Umgehung des Preisstopps ausgeschlossen. Vergleichsmaßstab sei das Preisverhältnis der Arzneimittel des pharmazeutischen Unternehmens in vergleichbarer Darreichungsform. Nicht entscheidend sei die preisliche Marktstellung des Arzneimittels im Vergleich mit Arzneimitteln anderer Wettbewerber. Indes sei hier von einer Umgehung auszugehen, weil sich die Kosten für Ceftriaxon PL (1 Stück) derzeit auf 42,46 € beliefen, die für Cefotrix P (5 Stück) dagegen auf 97,46 €.

 

Mit ihrer Berufung vom 13. August 2018 gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18. Juli 2018 zugestellte Urteil macht die Klägerin geltend, die Entscheidung des Sozialgerichts beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des Begriffs der „vergleichbaren Darreichungsformen“, worum es vorliegend im Kern gehe. Dieser Begriff sei zwar, wie richtig im Urteil ausgeführt, nicht gesetzlich definiert. Indes seien bei der Auslegung des Terminus die europarechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Der Europäische Gerichtshof habe im Urteil vom 29. April 2004 – C 106/01 – auf die Standardbegriffe des Europäischen Arzneibuchs abgestellt und betont, dass Darreichungsformen dann nicht mehr vergleichbar seien, wenn die Unterschiede wissenschaftlich erheblich seien. Heranzuziehen sei die „List of Standard Terms“ des European Directorate for the Quality of Medicines (EDQM). Darin werde die Darreichungsform als Verbindung der Form, in der das Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, mit der Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form definiert. Vorliegend sei bereits die Aufmachung der jeweiligen Fertigarzneimittel eine andere. Zwar liege in beiden Fällen eine Trockensubstanz vor, die eine Rekonstitution erfordere, um als Infusion angewendet zu werden. Das Beinhalten einer calciumfreien Infusionslösung führe aber zu der entscheidend anderen Aufmachung des Arzneimittels. Im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beständen weitere wissenschaftlich erhebliche Unterschiede: Die Kombinationspackung unter Beifügung eines passenden Lösungsmittels erhöhe die Arzneimittel- und Anwendungssicherheit. Weitere Unterschiede beständen im Hinblick auf die Eigenschaften des Lösungsmittels und die hieraus folgenden Lagerbedingungen (maximal 25 °C) und die Verwendbarkeit (Haltbarkeitsdauer nur zwei Jahre).

 

Ferner spreche die Neuzulassungspflicht gegen eine vergleichbare Darreichungsform. Wenn das zeitlich gesehen „neuere“ europäische Recht im Gegensatz zum Arzneimittelgesetz davon ausgehe, dass jede Änderung der Darreichungsform wegen des damit verbundenen Grades des Risikos für die Gesundheit sowie die Auswirkungen einer Änderung auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels eine Neuzulassungspflicht erforderlich mache, so müsse dies dazu führen, dass die europarechtlichen Bestimmungen für die Auslegung des § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 3 AMG heranzuziehen seien. Auch die ABDATA Darreichungsformstruktur unterscheide zwischen der Abgabeform als Handelsform (galenische Grundform) und der Anwendungsform beim Patienten. Dies berücksichtigend fänden sich in der Kombinationspackung von Ceftriaxon PL zwei unterschiedliche Arzneimittel, nämlich eine Trockensubstanz und das dazugehörige Lösungsmittel. Nach der Rekonstitution seien die jeweiligen Applikationsformen zwar gleich, nicht jedoch die Darreichungsform nach der ABDATA. Im Übrigen fände die Vorschrift auf das hier streitgegenständliche Arzneimittel gemäß § 29 Abs. 5 AMG keine Anwendung mehr.

 

In Bezug auf die Austauschbarkeit von Arzneimitteln unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit nach § 129 SGB V weise der Gemeinsame Bundesausschuss, so die Klägerin weiter, ferner in den tragenden Gründen zum Beschluss über die Einleitung der Stellungnahme zur Änderung der Arzneimittelrichtlinie darauf hin, dass zur Bezeichnung der Darreichungsformen die zitierten Standard Terms der Arzneibuch-Kommission zugrunde gelegt werden sollen. Eine Austauschbarkeit zwischen den Darreichungsformen bestehe hier nicht. Es handle sich bei dem beigepackten „Produkt“ um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel und nicht lediglich um einen nicht arzneilich wirksamen Hilfsstoff. Dementsprechend sie auch die Variation hinsichtlich der sterilen Natriumchlorid- (NaCl-) Lösung zustimmungspflichtig gewesen.

 

Durch das sogenannte „Preismoratorium“ solle verhindert werden, dass erhöhte Abgabepreise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden könnten. Ein absichtliches, manipulatives Umgehen des Preisstopps liege indes in ihrem Fall nicht vor. Sie, die Klägerin, habe das streitbefangene Produkt einzig aus Gründen der Arzneimittelsicherheit auf den Markt gebracht. Das für die Rekonstitution erforderliche Lösungsmittel NaCl mit einem Volumen von 40 ml werde individuell produziert, da das erforderliche Volumen nicht im Handel verfügbar sei. Hierdurch könne einer potentiellen Kontamination vorgebeugt werden.

 

Das streitgegenständliche Arzneimittel sei schließlich wirtschaftlich. Die Krankenkassen würden jedenfalls finanziell von dem streitgegenständlichen Arzneimittel profitieren, unabhängig davon, ob die sterile NaCl-Lösung über ein Rezept oder den Sprechstundenbedarf zur Anwendung komme.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2018 aufzuheben und festzustellen, dass das Arzneimittel Ceftriaxon E 2g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung in der Normpackungsgröße N1, PZN 10170660, 2g, 1 Stück, nicht dem Preismoratoriumsabschlag unterfällt.

 

 

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält an seiner Rechtsauffassung fest und ergänzt, ausweislich der Fachinformationen beider Arzneimittel werde deutlich, dass es sich vorliegend um vergleichbare, wenn nicht sogar identische Darreichungsformen handle. Unter Rekonstitution – dass es sich hier um eine solche handle, sei zwischen den Beteiligten unstreitig – sei das Auflösen von Arzneimitteln oder das Verdünnen bzw. Mischen mit einem für die Anwendung erforderlichen Hilfsstoff kurz vor der Anwendung zu verstehen. Das Arzneimittel liege vor dem Prozess der Rekonstitution vor. Bei Ceftriaxon PL und Cefotrix P seien sowohl die nach Rekonstitution entstandene Infusionslösung als auch das jeweils zugrundeliegende Pulver und die Kochsalzlösung identisch. Es liege kein Kombinationsarzneimittel, sondern eine Kombipackung vor. Ersteres würde die getrennte Anwendung erfordern. Bei der Natriumchloridlösung handle es sich im Falle von Ceftriaxon PL nicht um einen Wirkstoff, sondern um einen sonstigen Bestandteil, dessen Angabe im Hinblick auf die Wirkung der enthaltenen Natriumionen insbesondere bei am Herz erkrankten Personen erforderlich sei. An der Vergleichbarkeit, ggf. sogar der Identität der Darreichungsformen bestehe dagegen kein Zweifel. Die Kochsalzlösung diene hier nur als Trägerstoff für die in beiden Fällen notwendige Herstellung der Infusionslösung.

 

Aus dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs, so der Beklagte weiter, ergebe sich nichts Abweichendes. Ausgehend von der Liste der Standardbegriffe des Europäischen Arzneibuchs werde Darreichungsform als Verbindung der Form, in der das Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, mit der Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form, beschrieben. Aufmachung sei bei beiden Arzneimitteln gleichermaßen das „Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung“. Jedenfalls führe eine insofern unterschiedliche Aufmachung durch die Beipackung der Kochsalzlösung nicht zu einer sich wesentlich unterscheidenden Darreichungsform. Denn die Verbindung der Form der Aufmachung mit der Form der Einnahme (Infusionslösung) erfolge beide Male durch Lösung des Pulvers in der Kochsalzlösung (isotonische Natriumchloridlösung [Natriumchlorid 9 mg/ml <0,9 %> Lösung ]) bzw. einer kompatiblen, ebenfalls calciumfreien Lösung im Wege der Rekonstitution. Die Einnahmeform sei bei beiden Arzneimitteln die Applikation der Infusionslösung. Im Übrigen würde im medizinischen Bereich grundsätzlich physiologische Kochsalzlösung zur Rekonstitution verwendet werden. Calciumhaltige Lösungen seien dagegen unüblich und, wie Sachkundigen zweifellos bekannt sei, hier absolut kontraindiziert.

 

Die Darreichungsform des neuen Arzneimittels und diejenige des Bezugsarzneimittels seien auch vergleichbar. Das Bundesgesundheitsamt habe in der Bekanntmachung vom 20. Juli 1988 (BAnz 1988, S. 3367) Gruppen von Darreichungsformen gebildet, innerhalb derer von einer Vergleichbarkeit ausgegangen werden könne. Es stelle insoweit darauf ab, dass Aggregatzustand, Anwendungsart und -ort identisch seien und eine in etwa gleiche Freisetzung und Bioverfügbarkeit der arzneiwirksamen Bestandteile gewährleistet werde. Infusionslösungen würden dabei ausdrücklich als vergleichbare Darreichungsformen genannt. Inhaltlich stimmten hiermit die in Ziffer 1.4. getroffenen Regelungen des Beklagten nach § 130a Abs. 3a Satz 10 SGB V überein.

 

Das BfArM habe in Bezug auf die Neueinführung der Klägerin gegenüber gerade keine Neuzulassungspflicht nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 AMG festgestellt. Aus der E-Mail des BfArM könne sie keine neuzulassungspflichtige Änderung der Darreichungsform herleiten, weil sich das BfArM allein auf Annex II der VO (EG) 1084/2003 bezogen habe. Soweit eine Neuzulassungspflicht aus der VO (EG) 1084/2003 hergeleitet wurde, sei dies für den vorliegenden Fall irrelevant, weil diese Verordnung für die Auslegung des § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG nicht heranzuziehen sei. Auf eine Austauschbarkeit i.S.d. § 129 Abs. 1 SGB V komme es für die Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3a SGB V nicht an.

 

Eine Umgehung des Preisstopps sei in Bezug auf die Neueinführung gegeben. Für den Abschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V komme es nicht auf eine Umgehungsabsicht an, sondern allein darauf, dass der pharmazeutische Unternehmer seinen Abgabepreis im Verhältnis zu einem Vergleichsarzneimittel erhöhe. Dies sei hier der Fall.

 

Die Ausführungen der Klägerin zur Wirtschaftlichkeit seien im Übrigen fehlerhaft. Infusionslösungen würden im Rahmen des Sprechstundenbedarfs zur Verfügung gestellt, die nicht dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers hinzuzurechnen seien. Die Zuzahlung des Patienten von 5 € sei von den Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung abzuziehen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

 

Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere fristgemäß von der Klägerin eingelegt worden. Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat ihre statthafte Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. BSG, Urteile vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 6/17 R – juris Rn. 14 und vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 14, 27) zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär. Die Klägerin hätte ihre Rechte nicht vorrangig durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen können. Zwar können pharmazeutische Unternehmer nach § 130a Abs. 5 SGB V berechtigte Ansprüche auf Rückzahlung der Abschläge (u.a. nach Abs. 3a der Vorschrift) gegenüber der jeweils begünstigten Krankenkasse geltend machen. Die hier erhobene Feststellungsklage eröffnet aber weitergehenden Rechtsschutz, weil sie eine abschließende Streitbeilegung über die Abschlagspflicht nach dem sogenannten Preismoratorium zwischen den Beteiligten zum Gegenstand hat. Die Rechtslage kann betreffend das gegenständliche Arzneimittel gegenüber dem Beklagten auch abschließend geklärt werden, der mit der Abwicklung des Abschlags und Erstellung des Leitfadens zu § 130a Abs. 3a SGB V auf der Grundlage von § 130a Satz 10 SGB V (a.F.) insgesamt die hiermit im Zusammenhang stehenden Aufgaben für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übernommen hat. Es ist auch davon auszugehen, dass der Beklagte als zuständige Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 217a Abs. 2 SGB V) und seiner hieraus folgenden Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) im Falle des Nichtbestehens der Abschlagspflicht einem Feststellungsurteil Folge leisten würde, und dass er auf die ordnungsgemäße Rückzahlung der Abschläge an die pharmazeutischen Unternehmen gegenüber den begünstigten Krankenkassen hinwirken würde (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – juris Rn. 20). Bei dieser Sachlage und mangels unmittelbarer und direkter Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und einzelnen gesetzlichen Krankenkassen kam eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 6/17 R – juris Rn. 24).

 

Die Klägerin hat auf die begehrte Feststellung keinen Anspruch. Für das gegenständliche Arzneimittel Ceftriaxon PL besteht die von ihr bestrittene Abschlagspflicht auf der Grundlage des Preismoratoriums nach § 130a Abs. 3a SGB V durchgängig seit dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels durch sie als pharmazeutische Unternehmerin am 1. April 2014.

 

Gemäß § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten die Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer (seit dem 1. April 2014; zuvor 6 vom Hundert). Für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1, wie hier, beträgt der Abschlag nach Satz 1 6 vom Hundert (Satz 2). Danach erhalten die Krankenkassen für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten (§ 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V). Erfasst von der Rabattpflicht werden nach Absatz 1 Sätze 7 und 8 auch Fertigarzneimittel in parenteralen, d.h. die enterale Schranke umgehende Zubereitungen, und zwar auch, wenn parenterale Zubereitungen in Krankenhausapotheken hergestellt werden (vgl. BT-Drs. 17/2170 S. 36). Für die parenteralen Zubereitungen war eine besondere Regelung notwendig, weil Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 AMPreisV nicht den allgemeinen Preisbindungsvorschriften unterfallen (vgl. Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Auflage (Stand: 27. Oktober 2021) § 130a Rn. 20). Gemäß § 130a Abs. 3a SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften (GKV-ÄndG vom 24. Juli 2010 mit Wirkung vom 30. Juli 2010, BGBl. I S. 963; sog. Preismoratorium, in der Fassung des 14. SGB V-Änderungsgesetzes vom 27. März 2014 mit Wirkung vom 1. April 2014; BGBl. I S. 261 ff., a.F.) gilt Folgendes:

 

Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009, erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2017 einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund des § 35 festgesetzt ist. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2010 in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Bei Neueinführungen eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht hat, ist der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt. Satz 3 gilt entsprechend bei Änderungen zu den Angaben des pharmazeutischen Unternehmers oder zum Mitvertrieb durch einen anderen pharmazeutischen Unternehmer. Für importierte Arzneimittel, die nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 abgegeben werden, gilt abweichend von Satz 1 ein Abrechnungsbetrag von höchstens dem Betrag, welcher entsprechend den Vorgaben des § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 niedriger ist als der Arzneimittelabgabepreis des Bezugsarzneimittels einschließlich Mehrwertsteuer, unter Berücksichtigung von Abschlägen für das Bezugsarzneimittel aufgrund dieser Vorschrift. Abschläge nach Absatz 1, 1a und 3b werden zusätzlich zu dem Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 erhoben. Rabattbeträge, die auf Preiserhöhungen nach Absatz 1 und 3b zu gewähren sind, vermindern den Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 entsprechend. Für die Abrechnung des Abschlags nach den Sätzen 1 bis 5 gelten die Absätze 1, 5 bis 7 und 9 entsprechend. Absatz 4 findet Anwendung. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

 

Zuletzt, und zwar durch das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2870), erhielt § 130a Abs. 3a (Sätze 1 bis 11) SGB V folgende Fassung (n.F.):

 

Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009, erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2022 einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund des § 35 festgesetzt ist. Zur Berechnung des Abschlags nach Satz 1 ist der Preisstand vom 1. August 2009 erstmalig am 1. Juli 2018 und jeweils am 1. Juli der Folgejahre um den Betrag anzuheben, der sich aus der Veränderung des vom Statistischen Bundesamt festgelegten Verbraucherpreisindex für Deutschland im Vergleich zum Vorjahr ergibt. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2010 in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Bei Neueinführungen eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht hat, ist der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt. Satz 4 gilt entsprechend bei Änderungen zu den Angaben des pharmazeutischen Unternehmers oder zum Mitvertrieb durch einen anderen pharmazeutischen Unternehmer. Für importierte Arzneimittel, die nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 abgegeben werden, gilt abweichend von Satz 1 ein Abrechnungsbetrag von höchstens dem Betrag, welcher entsprechend den Vorgaben des § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 niedriger ist als der Arzneimittelabgabepreis des Bezugsarzneimittels einschließlich Mehrwertsteuer, unter Berücksichtigung von Abschlägen für das Bezugsarzneimittel aufgrund dieser Vorschrift. Abschläge nach Absatz 1, 1a und 3b werden zusätzlich zu dem Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 erhoben. Rabattbeträge, die auf Preiserhöhungen nach Absatz 1 und 3b zu gewähren sind, vermindern den Abschlag nach den Sätzen 1 bis 6 entsprechend. Für die Abrechnung des Abschlags nach den Sätzen 1 bis 6 gelten die Absätze 1, 5 bis 7 und 9 entsprechend. Absatz 4 findet Anwendung. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ab dem 13. Mai 2017 im Benehmen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene.

 

Ziel der mit dem Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24. Juli 2010 (BGBl. I 2010, 983) erstmals eingefügten Regelung in der seither jeweiligen Gesetzesfassung war es, dass Preiserhöhungen bezogen auf die am 1. August 2010 geltenden Arzneimittelpreise innerhalb des Zeitraums 1. August 2010 bis nunmehr 31. Dezember 2022 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht wirksam werden, um die weitere Erhöhung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel trotz gesunkener Verordnungszahlen infolge der Entwicklung der Herstellerabgabepreise, insbesondere für neue, patentgeschützte Arzneimittel, zu begrenzen (vgl. BT-Drs. 17/2170 S. 2). Die Maßnahme lief ursprünglich am 31. Dezember 2013 aus, wurde aber sodann bis Ende März 2014 (13. SGB V-Änderungsgesetz vom 22. Dezember 2013 [BGBl. I 2013, 4382]), dann bis 31. Dezember 2017 (14. SGB V-Änderungsgesetz vom 31. März 2014 [BGBl. I 2014, 261] und zuletzt bis 31. Dezember 2022 (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz vom 4. Mai 2017 [BGBl. I 2017, 1050] verlängert.

 

Bei Ceftriaxon PL handelt es sich um ein Fertigarzneimittel i.S.v. § 130a Abs. 3a Satz 1 Halbsatz 2 SGB V. Dies sind gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AMG Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in Verkehr gebracht werden, oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind. So liegt es bei Ceftriaxon PL und Cefotrix P, die auch apothekenpflichtig sind.

 

Gemäß § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V a.F. bzw. Satz 4 der Vorschrift n.F. ist bei Neueinführung eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in den Verkehr gebracht hat, ein Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt (Preismoratoriumsabschlag). Diese Voraussetzungen waren und sind zulasten der Klägerin bei Ceftriaxon PL ununterbrochen erfüllt.

 

Die Klägerin ist pharmazeutische Unternehmerin im Sinne der Vorschrift. Wer pharmazeutischer Unternehmer im Sinne dieser Abschlagspflicht ist, ist krankenversicherungsrechtlich durch das Arzneimittelpreisregulierungsrecht des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch selbst zwar nicht legal definiert. Das Gesetz bedient sich insofern aber seit dem Jahr 2007 (vgl. GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I 378) durchgängig der arzneimittelrechtlichen Terminologie des Arzneimittelgesetzes (AMG; vgl. BSG, Urteil vom 3. August 2022 – B 3 KR 3/21 R – juris Rn. 11 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/3100 S. 143). Diese bezeichnet ihrerseits seit 2005 als pharmazeutischen Unternehmer zum einen bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln den Inhaber der Zulassung oder Registrierung (vgl. § 4 Abs. 18 Satz 1 AMG i.d.F. des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 [BGBl. I 2570]) und zum anderen auch denjenigen, der Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2 AMG (vgl. § 4 Abs. 18 Satz 2 AMG i.d.F. des Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften vom 18. Juli 2017, BGBl. I 2757; vgl. BT-Drs. 18/12587 S. 49). Dies ist bei der Klägerin der Fall.

 

Bei Neueinführung von Ceftriaxon PL zum 1. April 2014 hatte die Klägerin bereits ein Arzneimittel auf dem Markt (1.), und zwar ein solches mit gleichem Wirkstoff (nachfolgend a.) und vergleichbarer Darreichungsform (nachfolgend b.). Keine Voraussetzung ist das Vorliegen einer Umgehungsabsicht des pharmazeutischen Unternehmers (nachfolgend 2.). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Abschlagspflicht auf der Grundlage des Preismoratoriums nicht (nachfolgend 3.). Anhaltspunkte für eine unzutreffende Abschlagshöhe im Verhältnis zum Referenzarzneimittel Cefotrix P bestehen ebenso wenig (nachfolgend 4.).

 

1. Die Klägerin hat zum 1. April 2014, soweit hier gegenständlich, Cefriaxon PL in den Verkehr gebracht.

 

Inverkehrbringen bedeutet nach § 3 Abs. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Diese Voraussetzung ist sowohl in Bezug auf das gegenständliche Arzneimittel wie auch in Bezug auf das Referenzarzneimittel erfüllt. Denn von der Klägerin wurde auf dem Arzneimittelmarkt bereits angeboten, und zwar ebenfalls nur soweit hier als Referenzarzneimittel gegenständlich, seit dem 1. August 2009 Cefotrix P.

 

a) Beide Arzneimittel – Cefotrix P und Ceftriaxon PL – enthalten den gleichen Wirkstoff, nämlich Ceftriaxon.

 

Gemäß § 4 Abs. 19 AMG (i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005, BGBl 3394) sind Wirkstoffe Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksamer Bestandteil verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.

 

Arzneilich wirksamer Bestandteil ist in beiden streitgegenständlichen Arzneimitteln – Ceftraxon PL und Cefotrix P – ausschließlich Ceftriaxon. Bei Ceftriaxon PL handelt es sich um sogenanntes Generikum, und zwar im Verhältnis zu Cefotrix P um ein patentfreies wirkstoffgleiches Arzneimittel (vgl. § 130a Abs. 3b SGB V; BSG, Urteil vom 3. August 2022 – B 3 KR 3/21 R – juris Rn. 10). Generika sind alle patentfreien Arzneimittel, die entweder nach den besonderen Vorschriften der §§ 24a, 24b AMG zugelassen worden sind oder zu denen es mindestens noch ein weiteres patentfreies wirkstoffgleiches Arzneimittel mit unterschiedlichem Warenzeichen gibt. Die Patentfreiheit bezieht sich auf den Wirkstoff an sich, nicht auf ein eventuelles Verwendungspatent und die Wirkstoffgleichheit auf die chemische Identität, nicht dagegen die chemischer Verwandtschaft oder Vergleichbarkeit der Anwendungsgebiete (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – juris Rn. 36; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Auflage Stand 27. Oktober 2021, § 130a Rn. 21).

 

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren zuletzt schriftsätzlich (Schriftsätze vom 5. Mai 2021 und vom 1. September 2022) und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dies – also das Vorhandensein des gleichen Wirkstoffs – bestritten hat, folgt dem der Senat nicht. Die Klägerin setzt sich insofern zunächst in Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Vorbringen sowie des ihres Prozessbevollmächtigten. Sie selbst ist als pharmazeutische Unternehmerin der gegenständlichen Neueinführung im Verhältnis zum Referenzarzneimittel im vorgerichtlichen Verfahren vom Vorliegen desselben Wirkstoffs ausgegangen, den sie für beide Arzneimittel mit „Ceftriaxon“ bezeichnete (vgl. E-Mail vom 12. November 2014).

 

Dahinstehen kann, dass Natriumchloridlösung (0,9 %) ebenfalls ein Arzneimittel ist, die als Wirkstoff isoliert etwa zur Flüssigkeitsregulation im Organismus Anwendung findet, wie auch vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht ausgeführt worden ist. Denn vorliegend wird Natriumchloridlösung nicht als Wirkstoff, sondern als Trägerlösung eingesetzt. Es besteht zwischen dem mit einem geeigneten Lösungsmittel zu einer Infusionslösung rekonstituierten Cefotrix P einerseits und Ceftriaxon PL nach Rekonstitution zu einer Infusionslösung andererseits kein wissenschaftlich begründbarer Unterschied bestehe. Ein solcher konnte auch von der Klägerin nicht plausibel dargelegt werden. Der Senat ist hiernach unter Bezugnahme auf die jeweiligen Fachinformationen – wie auch in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden ist – zu der Überzeugung gelangt, dass es sich auch für den Fall der Rekonstitution der in Ceftriaxon PL enthaltenen Trockensubstanz mit einem anderen kompatiblen Lösungsmittel entsprechend den Herstellerangaben unter 6.6 in der Fachinformation nicht um eine Anwendung im sogenannten Off-Label-Use handeln würde, weil die Verwendung des Fertigarzneimittels weiterhin im Rahmen des zugelassenen Gebrauchs stattfinden würde, selbst wenn das beigepackte Lösungsmittel – etwa im Falle eines Zerbrechens der beigepackten Durchstechflasche mit Natriumchloridlösung – nicht zur Rekonstitution eingesetzt würde, sondern ein ebenfalls kompatibles.

 

Bei der Auslegung des Begriffs „wirkstoffgleich“ im Sinne des § 130a Abs. 3b SGB V ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 45), die der Senat wegen der Vergleichbarkeit auch für die Auslegung des Preismoratoriums in § 130a Abs. 3a Satz 3 (a.F.) bzw. 4 (n.F.) SGB V seiner Entscheidung zugrunde legt, zusätzlich die Regelung des § 24b Abs. 2 Satz 1 (und 2) AMG zu beachten: Nach dem Regelfall des § 24b Abs. 2 Satz 1 AMG erfordert die Zulassung als Generikum nach Absatz 1, dass das betreffende Arzneimittel die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und die Bioäquivalenz durch Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. Nach der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des § 24b Abs. 2 Satz 2 AMG gelten die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffes als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit oder der Wirksamkeit. Ein neuer Wirkstoff entsteht auch danach durch die Beipackung der weiteren Durchstechflasche mit dem für die Rekonstitution erforderlichen Lösungsmittel nicht, vielmehr liegt hinsichtlich Cefotrix P und Ceftriaxon PL Wirkstoffgleichheit bzw. -identität vor (vgl. zu dieser Begrifflichkeit in Abgrenzung zur Wirkungsgleichheit bzw. der Wirkgleichheit BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 43 ff.).

 

Anders als die Klägerin nunmehr geltend macht, handelt es sich bei der beigepackten Natriumchloridlösung nicht um – weiteren – Wirkstoff der Neueinführung Ceftriaxon PL, sondern um einen sogenannten sonstigen Bestandteil. Aus den jeweiligen Fachinformationen der Klägerin zu den beiden Arzneimitteln folgt nichts Abweichendes.

 

Wirkstoffe sind bei der Kennzeichnung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AMG nach Art und Menge und sonstige Bestandteile nach der Art, soweit dies durch Auflage der zuständigen Bundesoberbehörde nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 angeordnet oder durch Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4, auch in Verbindung mit Abs. 2, oder nach § 36 Abs. 1 vorgeschrieben ist; bei Arzneimitteln zur parenteralen oder zur topischen Anwendung, einschließlich der Anwendung am Auge, alle Bestandteile nach der Art anzuwenden. Wie ausgeführt, handelt es sich bei Ceftriaxon PL um ein Arzneimittel zur parenteralen Anwendung. Das Arzneimittelgesetz unterscheidet hiernach zwischen Wirkstoffen i.S.d. § 4 Abs. 19 AMG und sonstigen Bestandteilen, zu denen Hilfsstoffe (Arzneiträgerstoffe) zählen (vgl. Pannenbecker in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz 3. Auflage 2022, § 10 Rn. 36; Rehmann, Arzneimittelgesetz, 5. Auflage 2020, § 10 Rn. 11, der zu Recht darauf hinweist, dass auch nach der Art. 54 d der RL 2011/83 EG zu den arzneilich wirksamen Bestandteilen Hilfsstoffe, wie Arzneiträgerstoffe, nicht zu den arzneilich wirksamen Bestandteilen zählen).

 

Bei den Fachinformationen handelt es sich um die Daten, die von den pharmazeutischen Unternehmern wie die Klägerin u.a. an die Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA) GmbH übermittelt werden. Dass es in den jeweiligen Fachinformationen der Klägerin jeweils unter Punkt 2. zur qualitativen und quantitativen Zusammensetzung einerseits (Cefotrix P) heißt, „Jede 2,0 g Durchstechflasche enthält 2,0 g Ceftriaxon (als Dinatrium-Hydrat)“ und andererseits (Ceftriaxon PL) „1 Durchstechflasche mit 2,386 g Pulver enthält 2,386 Ceftriaxon-Dinatrium 3,5 H²O (entsprechend 2g Ceftriaxon), führt zu keiner erkennbaren Veränderung des alleinigen – arzneilich wirksamen – Wirkstoffs Ceftriaxon. Dagegen spricht auch nicht die weitere Angabe in der Fachinformation von Ceftriaxon PL, wonach darüber hinaus eine Durchstechflasche Lösungsmittel 40 ml Isotonische Natriumchloridlösung (Natriumchlorid 9 mg/ml (0,9 %) Lösung) in der angebotenen Packung enthalten ist. Ausdrücklich bezieht sich dies, wie sich auch aus 6.1 betreffend die Liste der sonstigen Bestandteile ergibt, allein auf das Lösungsmittel isotonische Natriumchloridlösung (Natriumchlorid) 9 mg/ml (0,9 %). Dieses wird in der Fachinformation zu Cefotrix P unter den Hinweisen für den Gebrauch und die Handhabung bei intravenöser Infusion ebenfalls u.a. mit Natriumchlorid 0,9 % bezeichnet bei identischem Hinweis auf die Inkompatibilität mit calciumhaltigen Lösungen. Natriumchlorid- oder NaCl-Lösung, der chemischen Bezeichnung für isotonische Kochsalzlösung, einer 0,9-prozentigen Lösung von Natriumchlorid in Wasser, wird danach als apothekenpflichtige Lösung vorliegend allein als Trägerlösung zur Rekonstitution des arzneilich ausschließlich wirksamen Wirkstoffs Ceftriaxon angewandt, ohne dass das Beipacken der Trägerlösung zu einer Veränderung des arzneimittelrechtlich zu verstehenden Begriffs des Wirkstoffs führen würde.

 

Nichts Abweichendes folgt schließlich aus den Regelungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 130a Abs. 3a Satz 10 SGB V zum Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a Satz 3 und 4 SGB V im Konsens mit den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer vom 22. Oktober 2010 (Leitfaden a.F.) bzw. den Regelungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 130a Abs. 3a Satz 11 SGB V zum Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V vom 9. April 2018 (Leitfaden n.F.), der grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des zuzugestehenden Gestaltungsspielraums unterliegt (BSG, Urteile vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 13/05 R – juris Rn. 68 ff. und vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 27), indes die gesetzlichen Vorgaben zum sogenannten Preismoratorium zutreffend nachgezeichnet hat (vgl. zu dieser Voraussetzung BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – juris Rn. 23). Danach müssen das Vergleichsarzneimittel und die Neueinführung den gleichen Wirkstoff oder die gleiche Wirkstoffkombination haben (I. 3 Leitfaden a.F. bzw. 5.3 Leitfaden n.F.). Ersteres ist hier, wie ausgeführt, der Fall.

 

b) Bei der Neueinführung von Ceftriaxon PL und dem von der Beklagten ermittelten Referenzarzneimittel Cefotrix P handelt es sich auch um Arzneimittel mit vergleichbarer Darreichungsform i.S.v. § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V a.F. bzw. Satz 4 der Vorschrift n.F.. Denn die jeweilige Form der Darreichung ist hier jeweils die allein wirkstoffhaltige Trockensubstanz, die durch Mischen mit dem geeigneten oder beigefügten Lösungsmittel zu der Infusionslösung rekonstituiert wird, die sodann einem Patienten verabreicht werden kann.

 

Der Begriff der Darreichungsform in § 130a Abs. 3a SGB V a.F. und n.F. ist im Fünften Buch Sozialgesetzbuch – insofern besteht Konsens unter den Beteiligten – nicht legaldefiniert, obgleich er verschiedentlich im Gesetz genannt wird, etwa in § 31a Abs. 3a Satz 1, § 31b Abs. 2 und 3 Sätze 1 und 2, § 35 Abs. 1 Satz 5 2. Halbsatz, § 129 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a, § 300 Abs. 3 Nr. 1 SGB V). Eine Definition folgt auch nicht aus dem Arzneimittelgesetz, insbesondere nicht aus §§ 2 bis 4 AMG (vgl. auch Pannenberger in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz 3. Auflage 2022, § 10 Rn. 27), wenngleich er auch dort mehrfach verwendet wird (vgl. etwa § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 5, Abs. 1b, Abs. 4 Nr. 5, Abs. 8a Satz 1, Abs. 8b Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 d und e, § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 12 Abs. 3 Satz 2, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 7 Nr. 4, § 22 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMG usw.). Indes deutet bereits diese Sachlage darauf, hin, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des (unbestimmten Rechts-) Begriffs der Darreichungsform auf einen arzneimittelrechtlich allgemein anerkannten Begriff zurückgegriffen hat. Auf der Grundlage einer danach vorzunehmenden Auslegung des Begriffs „Darreichungsform“ ist bereits nach dem pharmazeutisch anerkannte Sprachgebrauch die wirkstoffhaltige Arznei zu verstehen (nachfolgend aa). Hiervon hat sich ersichtlich auch der Gesetzgeber leiten lassen (nachfolgend bb). Die Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der Vorschrift führen zu keinem abweichenden Ergebnis (nachfolgend cc). Für den zusammengesetzten Begriff der „vergleichbaren Darreichungsform“ gilt Vorstehendes insoweit entsprechend, als aus der Hinzufügung des Begriffs „vergleichbar“ durch den Gesetzgeber kein gänzlich neuer unbestimmter Rechtsbegriff eingefügt wurde und das ergänzte Adjektiv „vergleichbar“ weder Identität, noch Austauschbarkeit oder Änderung der Darreichungsform bedeutet (nachfolgend dd).

 

aa) Das Wort „Darreichen“ bedeutet nach seinem natürlichen Sprachgebrauch „anbietend hinhalten“, „hinreichen“. Ebenfalls aus dem Duden, in dem sich darüber hinaus der Begriff der Darreichungsform wiederfindet, ergibt sich, dass hiermit insbesondere bei Medikamenten die äußere Form gemeint ist, in der ein solches verabreicht wird.

 

Im pharmazeutischen Sprachgebrauch ist unter Darreichungsform die sogenannte galenische Form zu verstehen, in der das Arzneimittel angewendet wird (vgl. Krüger/Kortland in in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Auflage 2022, § 29 Rn. 64) bzw. in der der Wirkstoff einer Person zugeführt wird (Kösling/Wolf in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Auflage 2020, § 29 Rn. 58). Bei der Galenik handelt es sich in der Pharmazeutik um die Wissenschaft von der Herstellung von Arzneimitteln, die Lehre von den Arzneiformen, die Einfluss auf die Bioverfügbarkeit wirkstoffgleicher Arzneimittel haben kann (vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011 – 10 A 11331/10 – juris Rn. 28; Luthe in Hauck/Noftz SGB V, 10. EL 2022, § 35 Rn. 43; Hess in BeckOGK, Stand 1. März 2022, § 35 SGB V Rn. 6).

 

bb) Nach dem Willen des Gesetzgebers ist zur Überzeugung des Senats bei der Auslegung des Begriffs der Darreichungsform die entsprechende Begrifflichkeit des Arzneimittelgesetzes eingeflossen. Ausweislich seiner Begründung (vgl. BT-Drs. 17/2170, S. 37) sollte für den Preisstopp nach § 130a Abs. 3a SGB V u.a. Voraussetzung sein, dass die Darreichungsform des neuen Arzneimittels mit der des Bezugsarzneimittels vergleichbar im Sinne der ausdrücklich genannten Vorschrift § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG ist.

 

Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 AMG hat der Antragsteller der zuständigen Bundesoberbehörde unter Beifügung entsprechender Unterlagen unverzüglich Anzeige zu erstatten, wenn sich Änderungen in den Angaben und Unterlagen nach den §§ 22 bis 24a und 25b ergeben. Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 4 AMG ist dem Antrag auf Zulassung die Angabe über die Darreichungsform beizufügen. § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG regelt, dass eine Änderung in eine mit der zugelassenen vergleichbaren Darreichungsform erst vollzogen werden darf, wenn die zuständige Bundesoberbehörde zugestimmt hat. Ersichtlich wollte der Gesetzgeber hiernach mit der Wahl des Begriffs Darreichungsform den Begriff „Darreichungsform“ in den Regelungen des Arzneimittelgesetzes aufgreifen mit der Folge, dass bei der Auslegung des Rechtsbegriffs in § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V a.F. (bzw. Satz 4 der Vorschrift n.F.) auch die Regelungen des Arzneimittelgesetzes zu beachten sind (entsprechend zum Begriff der „Wirkstoffgleichheit“ BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 44).

 

Die so verstandenen Darreichungsformen des einerseits gegenständlichen und andererseits des Referenzarzneimittels haben insbesondere im Falle eines Antrags auf Zulassung eines Arzneimittels gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 4 AMG so eindeutig wie möglich zu erfolgen (vgl. Winnands/Kügel in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz 3. Auflage 2022, § 22 AMG Rn. 38). Nach den Fachinformationen der Klägerin definiert diese die jeweiligen Darreichungsform der gegenständlichen Arzneimittel jeweils unter 3., und zwar betreffend Ceftriaxon PL (Stand: 10/2013), als „Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung: fast weißes oder gelbliches, kristallines trockenes Pulver; Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung: klare, farblose Lösung“ und betreffend Cefotrix P (Stand: 09/2001) als „Cefotrix 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung; Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung; Fast weißes oder gelbliches, kristallines trockenes Pulver“. Beide Arzneimittel enthalten hiernach eine Trockensubstanz, die eine Rekonstitution erfordert, um als dadurch hergestellte Infusionslösung bei Patienten angewandt, mithin dargereicht zu werden. Die Rekonstitution eines Fertigarzneimittels zur Anwendung beim Menschen definiert § 4 Abs. 31 AMG als die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans. Das Arzneimittel wird durch die Rekonstitution mithin in die anwendbare (Darreichungs-) Form gebracht, wodurch indes kein neues Arzneimittel entsteht, weil die arzneiliche Wirkung – wie auch hier – nicht verändert wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 4. September 2012 – 1 StR 534/11 – juris Rn. 23 ff., 26).

 

cc) Eine abweichende Auslegung des Begriffs ist nicht aufgrund einer systematischen Auslegung des § 130a SGB V bzw. dem Sinn und Zweck dieser Regelung geboten. Die Vorschrift regelt die Rabattverpflichtung der pharmazeutischen Unternehmer und steht im Zusammenhang mit der in § 130 SGB V geregelten Verpflichtung der Apotheker, gesetzlichen Krankenkassen Rabatt bei der Arzneimittelversorgung zu gewähren. Denn obgleich unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem pharmazeutischen Unternehmer und den Versicherten nicht bestehen, ist dessen Herstellerabgabe wesentlich für die von den gesetzlichen Krankenkassen an die Apotheken zu zahlenden Abgabepreise. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, wie zuvor schon ausgeführt, aufgrund der Entwicklung der Herstellerabgabepreise die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel zu begrenzen (vgl. auch Schneider in jurisPK-SGB V, 4. Auflage Stand 27. Oktober 2021, § 130a Rn. 7). Hierbei kam es dem Gesetzgeber ersichtlich darauf an, den Preisstopp für solche neuen Arzneimittel zu verhängen, die nicht nur wirkstoffgleich sind, sondern auch hinsichtlich ihrer Darreichungsform im Vergleich zum Bezugsarzneimittel keine zulassungspflichtige Änderung darstellen (vgl. § 29 Abs. 3 Nr. 2 AMG), sondern insofern vergleichbar im Sinne des § 29 Abs. 2a Nr. 3a AMG sind.

 

Dahinstehen kann, ob die vom Europäische Gerichtshof im Urteil vom 29. April 2004 – C-106/01 – (juris Rn. 36 f.) gefundene Definition des Begriffs der Darreichungsform auch vorliegend maßgeblich ist, wie die Klägerin geltend macht. Denn selbst dann, wenn bei der Begriffsauslegung auch die Aufmachung des Arzneiprodukts zu berücksichtigten wäre, führt dies vorliegend zu keiner Abweichung, und zwar selbst dann nicht, wenn man der Auffassung der Klägerin folgte, dass vorliegend die Aufmachungen von Cefotrix P einerseits und Ceftriaxon PL andererseits, und zwar im Sinne des äußeren Erscheinungsbildes, jeweils andere wären.

 

Der Europäische Gerichtshof hat mit vorstehend zitiertem Urteil im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens ausgeführt, dass der Begriff der Darreichungsform weder  in der Richtlinie 65/65 (EWGRL 65/65) in geänderter Fassung noch in den zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens geltenden allgemeinen arzneimittelrechtlichen Gemeinschaftsvorschriften definiert sei. In der Liste der Standardbegriffe des im Rahmen des Europarats erarbeiteten Europäischen Arzneibuchs (abrufbar unter www.edqm.eu; aktuell: EDQM Standard Terms Internal controlled vocabularies for pharmaceutical dose forms Version 1.2.0 – 28 January 2019) werde die Darreichungsform als Verbindung der Form, in der das Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, mit der Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form definiert. Diese Liste sei für die Prüfung der in jenem, vor dem Europäischen Gerichtshof relevanten Frage, ob sich die betreffenden Arzneimittel im Wesentlichen glichen, geeignet, nützliche Kriterien für die Definition des Begriffs der Darreichungsform eines Arzneimittels vorzugeben. Der Europäische Gerichtshof hat auf dieser Grundlage entschieden, dass für die Bestimmung der Darreichungsform eines Arzneimittels im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 4 Absatz 3 Nummer 8 Buchstabe a Ziffer i oder iii der Richtlinie 65/65 in geänderter Fassung auf die Form, in der das Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, und die Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form abzustellen sei. In diesem Rahmen sei bei Arzneimitteln wie denen des Ausgangsverfahrens, die als eine für die Verabreichung an den Patienten mit einem Getränk zu verdünnende Lösung angeboten werden und nach Verdünnung eine Makroemulsion, eine Mikroemulsion oder eine Nanodispersion bilden, davon auszugehen, dass sie dieselbe Darreichungsform hätten, sofern die Unterschiede bei der Einnahmeform wissenschaftlich nicht erheblich erschienen (EuGH,  Urteil vom 29. April 2004 – C-106/01 – juris Rn. 42).

 

Die vom Europäischen Gerichtshof – richtlinienbezogen – gefundene Definition stellt hiernach gerade nicht allein oder vorrangig auf die Aufmachung ab, sondern für die Frage der Vorliegens der – gleichen – Darreichungsform unter Berücksichtigung der Einnahmeform einschließlich der physikalischen Form darauf, ob Unterschiede bei der Einnahmeform wissenschaftlich nicht erheblich erscheinen. Auch hieran gemessen ist vorliegend zumindest eine vergleichbare Darreichungsform anzunehmen mit der Folge, dass zur Überzeugung des Senats auch kein Grund für eine (im Ermessen des Senats stehende) Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß § 267 Abs. 2 AEUV ersichtlich ist, da der Begriff der vergleichbaren Darreichungsform nicht im Widerspruch zu europarechtlichen Regelungen ausgelegt wird.

 

dd) Die Darreichungsform des gegenständlichen Arzneimittels und des Referenzarzneimittels ist danach zumindest vergleichbar, und zwar im Sinne von § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG. Der Begriff der Vergleichbarkeit ist ebenso wenig legaldefiniert, indes schon hinsichtlich seines natürlichen Wortsinns nicht gleichbedeutend mit Identität, Austauschbarkeit oder Änderung (nachfolgend i). Eine vergleichbare Darreichungsform liegt nach I.4 des Leitfadens a.F. bzw. 5.4 des Leitfadens n.F. vor, wenn die Darreichungsformen des Vergleichsarzneimittels und der Neueinführung im Sinne der arzneimittelrechtlichen Zulassung vergleichbar sind. Weiter heißt es dort, dass die Ermittlung auf der Grundlage der Darreichungsformenstruktur der ABDATA erfolge, die ebenfalls nicht gegen die Vergleichbarkeit spricht (nachfolgend ii). Gegen die vom Senat als hier gegeben erachtete Vergleichbarkeit der Darreichungsformen spricht schließlich nicht die von der Klägerin vorgelegte E-Mail des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 29. Mai 2009 (nachfolgend iii).

 

i) Die Darreichungsformen der gegenständlichen Arzneimittel – Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung – sind nach entsprechender Auslegung zumindest vergleichbar, wie § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V a.F. bzw. Satz 4 SGB V n.F. voraussetzt. Zu Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass es hier nicht auf die Regelungen zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln (aut idem) ankommt.

 

Das allgemeine Wortverständnis gibt bereits vor, dass eine Darreichungsform, die vergleichbar ist, nicht zwingend identisch zu sein hat. Vielmehr reicht eine gewisse Ähnlichkeit aus, um von Vergleichbarkeit sprechen zu können. Dieses Wortverständnis wird in dem vom Sozialgericht zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 1. März 2011 – B 1 KR 10/10 R – (juris Rn. 48) ebenfalls vertreten, wenn es zum Begriff der Vergleichbarkeit (dort von Wirkstoffen) heißt, dass dies gerade nicht Austauschbarkeit oder Identität bedeutet.

 

Nach dem auch hier zu beachtenden Willen des Gesetzgebers, der, wie schon ausgeführt, mit dem Hinweis auf § 29 AMG offensichtlich den im Arzneimittelgesetz etablierten Wortlaut aufgegriffen hat, hat dieser mit seiner Begründung zur maßgeblichen Änderung von § 29 Abs. 2a AMG (vgl. BT-Drs. 11/5373 S. 15) ausgeführt, dass nach der bisherigen Rechtslage bei einer Änderung der Zusammensetzung der wirksamen Bestandteile, d. h. der Bestandteile, die Einfluss auf die Pharmakokinetik oder Pharmakodynamik haben, nach § 29 Abs. 3 stets eine neue Zulassung zu beantragen gewesen sei, und zwar unabhängig davon, ob es sich um arzneilich wirksame oder sonstige wirksame Bestandteile, wie z. B. Konservierungsstoffe, handelte. Nunmehr sei nur noch bei einer Änderung der arzneilich wirksamen Bestandteile eine Neuzulassung erforderlich. Sonstige wirksame Bestandteile könnten nach Genehmigung der Zulassungsbehörde geändert werden. Bei einer Änderung der Darreichungsform in eine vergleichbare Darreichungsform sowie bei einer Änderung gentechnologischer Herstellungsverfahren erscheine eine präventive Kontrolle durch Genehmigung der Änderung ausreichend, weil nicht alle Aspekte der Zulassung neu geprüft werden müssten.

 

Der Gesetzgeber hat mit der entsprechenden Änderung des § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG  im Umkehrschluss zu Abs. 3 Nr. 2 zum Ausdruck gebracht, dass eine Änderung der Darreichungsform in eine vergleichbare keine umfassende Prüfung der (deutschen) Zulassungsbehörde nach sich zieht. Er geht insofern davon aus, dass eine Änderung des Arzneimittels nicht zulassungspflichtig ist, soweit hiermit keine Änderung der arzneilich wirksamen Bestandteile erfolgt, wie es etwa bei einer Änderung der Darreichungsform in eine vergleichbare und sonstiger wirksamer Bestandteile der Fall ist (vgl. auch VG Köln, Urteil vom 7. Dezember 2007 – 18 K 4523/05 – BeckRS 2007, 141532, Rn. 27f.).

 

ii) Soweit der Leitfaden des Beklagten in der jeweiligen Fassung auf die Darreichungsformenstruktur der ABDATA verweist, die für die Frage der galenischen Eigenschaften auf die physikalische Ausgangsform abstellt, die wiederum durch Abgabeform, Freisetzungsverhalten und galenische Grundform gegliedert wird, ergibt sich keine Abweichung zu der gefundenen Auslegung. Die galenischen – von der Arzneiform abhängigen – Eigenschaften sind bei den hier verglichenen Arzneimitteln Ceftriaxon PL und Cefotrix P dieselben. Es handelt sich beide Male um das wirkstoffhaltige Pulver, welches mit einem geeigneten Lösungsmittel zu einer Infusionslösung zu rekonstituieren ist, um arzneilich wirksam verabreicht zu werden. Ob die Kochsalzlösung bereits in der Packung enthalten ist oder nicht, spielt für die galenischen Eigenschaften des Wirkstoffs ebenso wenig eine Rolle wie die Rekonstitution mit einer vergleichbaren, calciumfreien Trägersubstanz.

 

iii) Auch aus der von der Klägerin vorgelegten E-Mail des BfArM vom 29. Mai 2009, welche sich ausschließlich auf die Zulassungspflicht gemäß Annex II der VO 1084/2003/EC bezieht, folgt nichts Gegenteiliges. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1084/2003 der Kommission vom 3. Juni 2003 über die Prüfung von Änderungen einer Zulassung für Human- und Tierarzneimittel, die von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats erteilt wurde, wurde ein vereinfachtes rasches Mitteilungsverfahren beabsichtigt, das die Einführung bestimmter geringfügiger Änderungen gestattet, welche die zulassungsgemäße Qualität, Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit des Arzneimittels nicht beeinträchtigen, ohne dass der Referenzmitgliedstaat zuvor eine Bewertung vornimmt. Bei anderen Typen geringfügiger Änderungen sollte eine Bewertung der vorgelegten Unterlagen durch den Referenzmitgliedstaat auch weiterhin erforderlich bleiben. Definiert wurde hiermit explizit, wodurch eine geringfügige bzw. eine größere Änderung gekennzeichnet ist (vgl. Art. 3 Nr. 2 und 3). Insofern ist, wie vom Verwaltungsgericht Köln zu Recht entschieden worden ist (vgl. Urteil vom 14. Juni 2007 – 13 K 4808/05 – juris Rn. 40), davon auszugehen, dass die hiermit vorgenommenen Klassifikationen von geringfügigen Änderungen der Typen Ia und Ib, größeren Änderungen nach Typ II sowie schließlich einen Erweiterungsantrag erfordernden Änderungen nach dem jeweiligen Anhang II dieser sowie der VO (EG) 1085/2003 mit den Regelungen des § 29 AMG nicht übereinstimmen. Anders als das deutsche Recht sehen die europarechtlichen Verordnungen – wie auch aus der in Bezug genommenen E-Mail des BfArM vom 29. Mai 2009 ersichtlich wird – hinsichtlich der Darreichungsform ein strengeres Regime vor. Dementsprechend findet nach § 29 Abs. 4 und 5 AMG die Vorschrift des § 29 Abs. 2a und 3 AMG auf Arzneimittel, für die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder dem Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist oder für die die Verordnung (EG) Nr. 1084/2003 Anwendung findet, keine Anwendung.

 

2. Soweit die Klägerin geltend macht, mit dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Arzneimittels Ceftriaxon PL keine Umgehungsstrategie verfolgt zu haben, sondern dass allein sicherheitsrelevante Aspekte hierfür relevant gewesen seien, kann dies dahinstehen. Das Gesetz sieht eine ggf. von den Gerichten positiv festzustellende Umgehungsabsicht des pharmazeutischen Unternehmers für ein neu eingeführtes Arzneimittel in § 130a Abs. 3a SGB V nicht als Tatbestandsmerkmal vor, auch wenn durch Satz 3 a.F. bzw. Satz 4 n.F. nach der gesetzgeberischen Intention im Ergebnis verhindert werden sollte und soll, dass der Preisstopp etwa durch Änderungen der Packungsgröße oder der Wirkstärke umgangen wird (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, 10 EL 2022, § 130a Rn. 18). Ob hiermit, wie die Klägerin meint,  „Strategien zur Umgehung“ verhindert werden sollten, kann dahinstehen. Maßgebliches Ziel war eine Senkung der durch die gesetzlichen Krankenkassen zu finanzierenden Arzneimittelkosten und insofern eine Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BT-Drs 17/2170 S. 37; Luthe in Hauck/Noftz, 10 EL 2022, § 130a Rn. 5). Dies in Erwägung ziehend, greift die genannte Regelung auch vorstehend angesichts des mit der Einführung der Kombinationspackung von der Klägerin erhöhten Abgabepreises.

 

3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das sogenannte Preismoratorium bestehen nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 28. April 2007 – 1 BvR 866/07 – (juris) die Abschlagspflicht als – grundsätzlich gerechtfertigten – Eingriff in die Berufsfreiheit der pharmazeutischen Unternehmen qualifiziert. Dafür, dass solches hier nicht gelten würde, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Festlegung eines zwangsweise zu gewährenden Preisabschlags zugunsten der GKV bei Generika greift zwar in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen ein, sie ist jedoch auch bezogen auf den gegenständlichen Preismoratoriumsabschlag durch einen vernünftigen Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt. Er dient dem Ziel der Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV, ohne für die betroffenen Unternehmen, und zwar hier unter Zugrundelegung des vom Beklagten errechneten Abschlags von 9,24 €, unzumutbar zu sein (vgl. zum Generikaabschlag BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 42)

 

4. Unabhängig davon, dass die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag und im Verfahren nicht ausdrücklich auch die vom Beklagten (unter Beachtung des Abgabepreises von Ceftriaxon PL im Verhältnis zu dem von Cefotrix P) festgestellte Höhe des Preismoratoriumsabschlags (9,24 €) angegriffen hat, hat der Senat auch keine Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung. Der Abschlag für die Neueinführung Cetriaxon PL ist gemäß § 130a Abs. 3a Satz 3 (a.F.) bzw. Satz 4 (n.F) SGB V auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt. Entsprechend wurde vorliegend verfahren. Konkrete Einwendungen hat die Klägerin gegen die Berechnung der Abschlagshöhe auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erhoben.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Der Senat hat die Revision in Ermangelung einer höchstrichterlichen Klärung des unbestimmten Rechtsbegriffs der (vergleichbaren) Darreichungsform wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (vgl. § 160 Abs. 1 und 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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