L 4 KR 86/22 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 32 KR 594/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 86/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Der Medizinische Dienst muss Strukturmerkmale auch dann prüfen, wenn das Krankenhaus die damit verbundene Leistung erstmalig erbringen will.

2. Es ist eine ungeklärte Rechtsfrage, ob ein Krankenhaus eine an Strukturmerkmale geknüpfte Leistung erstmalig schon vor der Bestandskraft der Entscheidung des Medizinischen Dienstes nach § 275d Abs. 2 SGB V erbringen darf.

3. Eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes nach § 275d Abs. 2 SGB V ist – ungeachtet des Prüfungsergebnisses – ein Verwaltungsakt.

 

 

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens vor dem Sozialgericht, die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht auf jeweils 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 

 

I. Die antragstellende GmbH ist Trägerin des AFachklinikums B und reichte am 30. Juni 2021 bei der Antragsgegnerin, dem als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Medizinischen Dienst Berlin-Brandenburg, ihre Unterlagen für die auf das Kalenderjahr 2022 bezogene „erstmalige oder erneute Beantragung einer Prüfung“ von Strukturmerkmalen der Prozedur 8-98b.2 (Andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls: Ohne Anwendung eines Telekonsildienstes) nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) ein. Die Antragsgegnerin schlug zwei Prüfungstermine vor (Schreiben vom 6. Juli 2021), die Antragstellerin entschied sich für einen der Prüfungstermine (E-Mail vom 29. Juni 2021). Im Nachgang zur Prüfung vom 2. Juni 2021 geforderte Nachweise und Unterlagen der Antragstellerin gingen bei der Antragsgegnerin am 17. September 2021 ein. Diese erbat weitere Unterlagen (Schreiben vom 29. September 2021), welche die Antragstellerin am 25. Oktober 2021 einreichte. Mit Bescheid vom 22. November 2021 lehnte die Antragsgegnerin die Ausstellung einer Bescheinigung über die Erfüllung der Strukturanforderungen für o.g. Prozedur ab, weil die Antragstellerin die Leistung im Jahr der Antragstellung noch nicht erbracht habe und eine vorausgreifende Prüfung von Strukturmerkmalen nach der allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden Richtlinie des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zur „Regelmäßigen Begutachtung zur Einhaltung von Strukturmerkmalen von OPS-Kodes nach § 275d SGB V“ (StrOPS-RL) nicht vorgesehen sei.

 

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 unterrichtete die Antragsgegnerin die Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg, die vorläufige Prüfung ihrer Widerspruchsstelle habe ergeben, dass im Widerspruchsverfahren eine umfassende Prüfung der OPS-Strukturmerkmale der negativ beschiedenen Anträge bei erstmaliger oder erneuter Leistungsvereinbarung und Mitteilung der Krankenhäuser über eine geplante Leistungsaufnahme im Jahr 2022 grundsätzlich erfolgen könne. Am 10. Dezember 2021 ging der Widerspruch der Antragstellerin gegen den o.g. Bescheid bei der Antragsgegnerin ein, was diese gegenüber ersterer mit Schreiben vom 20. Dezember 2021 bestätigte.

Den von der Antragstellerin am 22. Dezember 2021 beantragten vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht ab (Beschluss vom 20. Januar 2022, der Antragstellerin zugestellt am 28. Januar 2022). Am 28. Februar 2022 legte die Antragstellerin Beschwerde ein. Bereits mit Bescheid vom 11. Februar 2022 (den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 17. Februar 2022 zugestellt) hatte die Antragsgegnerin den Bescheid vom 22. November 2021 aufgehoben und die von der Antragstellerin begehrte Bescheinigung für das Jahr 2022 erteilt. Daraufhin erklärte die Antragstellerin das „Beschwerdeverfahren“ für erledigt und beantragte, der Antragsgegnerin die Kosten des „Antragsverfahrens“ aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin schloss sich der Erledigungserklärung an und beantragte, die Kosten des „Verfahrens“ der Antragstellerin aufzuerlegen.

 

II. Gehört – wie im vorliegenden Fall – in einem Rechtszug weder Klägerin/Antragstellerin noch Beklagte/Antragsgegnerin zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). § 197a SGG gilt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend.

 

Ist – wie im vorliegenden Fall – der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO – diese Vorschrift betrifft die hier nicht einschlägige Fortsetzungsfeststellungklage – nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

 

Im Rahmen der Kostenentscheidung geht § 155 Abs. 4 VwGO, wonach Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden können, als Sonderregelung allen anderen Kostenvorschriften vor. Ein Verschulden kann angenommen werden, wenn ein Beteiligter durch sein Verhalten unter Verletzung der von ihm zu beachtenden Sorgfalt einem anderen Beteiligten oder dem Gericht nicht erforderliche Kosten verursacht hat. Dies ist z.B. zu bejahen bei unsachgemäßer Behandlung der Angelegenheit durch eine Behörde (etwa bei Missachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) oder bei Verzögerung einer Erledigterklärung oder einer Rücknahme (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13.A., § 197a Rn. 18 m.w.N.).

 

Hieran gemessen haben die Antragsgegnerin die Kosten des Antragsverfahrens vor dem Sozialgericht und die Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

1. Zunächst ist festzuhalten, dass beide Beteiligte nicht nur das Beschwerdeverfahren vor dem Senat, sondern den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklären haben. Dass die Antragstellerin ihre Erledigungserklärung nur auf das „Beschwerdeverfahren“ bezog, ist nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ unschädlich. Ihre Erklärung sollte offenkundig den gesamten Rechtsstreit erfassen, wie sich aus ihrem auf das „Antragsverfahren“ bezogenen Kostenantrag ergibt. Entsprechendes gilt für den hierauf antwortenden Schriftsatz der Antragsgegnerin.

 

2. Die Kostenlast für das Verfahren vor dem Sozialgericht trifft ausschließlich die Antragsgegnerin. Denn sie hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz – jeweils in mehrfacher Hinsicht – durch ihren Bescheid vom 22. November 2021 stützende, unzutreffende Rechtsauffassungen sowie eine unsachgemäße Behandlung der Angelegenheit veranlasst.

 

a. Alleinige Rechtsgrundlage für eine „Bescheinigung über das Ergebnis der Prüfung“ von Strukturmerkmalen ist – entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin – § 275d Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Allein diese Vorschrift bildet die (parlaments-)gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Ausübung von Verwaltungsmacht einerseits und die Befugnis, gerade in der Form des Verwaltungsakts handeln zu dürfen, andererseits (vgl. Luthe, in: jurisPK-SGB X, Stand: 7. Oktober 2021, § 31 Rn. 13 ff. m.w.N.). Dass die Antragsgegnerin die o.g. Bescheinigung – ungeachtet des Prüfungsergebnisses – als (feststellenden) Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch qualifiziert hat und dementsprechend handeln wollte, steht mit der Rechtsauffassung des Gesetzgebers (der einer Klage „gegen das Prüfergebnis des Medizinischen Dienstes“ aufschiebende Wirkung beimisst, was wegen § 86a     Abs. 1 SGG einen Verwaltungsakt voraussetzt), Nr. 5 der StrOPS-RL (in der zumindest bis April 2022 geltenden Fassung; im Folgenden: StrOPS-RL 2021) und der überwiegenden Auffassung in der Literatur (BeckOK KHR/Gerlach § 275d SGB V, Rn. 12; Seifert, in: Becker/Kingreen SGB V, 8.A., § 275d Rn. 6; Brinkmann/Clausen ZMGR 2019, 274 (280); Wölk PflR 2020, 406 (412); Makoski, KrV 2020, 89 (94); a.A. BeckOK-SozR/Heberlein, § 275d SGB V, Stand: 1. Juni 2022, Rn. 15 ff.; offen gelassen von SG Dresden, Beschluss vom 25. Februar 2022 – S 47 KR 171/22 –, juris, Rn. 31) in Übereinstimmung.

 

b. Zu Unrecht ging die Antragsgegnerin davon aus, dass sie für Leistungen, die ein Krankenhaus im Jahr der Antragstellung noch nicht erbrachte, keine Prüfung von Strukturmerkmalen (Strukturprüfung) durchführen dürfe.

Ausgangspunkt ihrer Argumentation ist Nr. 4.1.2. StrOPS-RL 2021 („Antrag bei erstmaliger oder erneuter Leistungsvereinbarung“), der die Anforderungen für „Krankenhäuser, die den betreffenden OPS-Kode im Jahr der Antragstellung nicht vereinbart und abgerechnet haben und für das Folgejahr der Prüfung erstmals oder erneut mit den Krankenkassen vereinbaren möchten“ regelt. Diese Formulierung unterscheidet – anders als die Antragsgegnerin meint – nicht danach, ob die (noch nicht vereinbarte und abgerechnete) Leistung bislang erbracht wurde oder nicht. Sie erfasst daher auch die Situation der die Leistung nach dem OPS-Kode 8-98b.2 erstmals für 2022 planenden Antragstellerin. Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Auslegung von Nr. 4.1.2 StrOPS-RL 2021 auch die einleitenden Vorgaben zu Nr. 4 StrOPS-RL 2021 („Begutachtungsablauf“) außer Acht gelassen, wonach „der Zeitpunkt der Beantragung der Prüfung in Abhängigkeit davon, ob die Leistung bereits erbracht wurde oder erst künftig erbracht werden soll“ geregelt werde. Das Verständnis der Antragsgegnerin, Anträge, die bislang nicht erbrachte Leistungen zum Gegenstand hatten, seien einer Strukturprüfung nicht zugänglich, hätte zur Folge, dass Krankenhäuser diese Leistungen zunächst ein Jahr lang ohne Vergütung müssten, d.h. auf eigene Kosten, erbringen müssten, bevor für sie durch eine Strukturprüfung eine Refinanzierungsmöglichkeit eröffnet würde. Für diese Konsequenz finden sich in der gesamten Gesetzeshistorie keinerlei Anhaltspunkte. Nach der – auch von der Antragsgegnerin zitierten – Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/13397, S. 44, 67) soll die Strukturprüfung vielmehr den Krankenhäusern die Planbarkeit von mit Strukturmerkmalen verbundenen Leistungen erleichtern; die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin würde demgegenüber zu erhöhter Unsicherheit über die künftige Abrechenbarkeit führen.

 

Entgegen der in ihrer Antragserwiderung vertretenen Ansicht handelte es sich hierbei nicht um eine schwierige Rechtsfrage. In der Literatur zu § 275d SGB V findet sich diese Ansicht ebenso wenig wie in den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte für die ihr zugrunde liegende o.g. Annahme einer einjährigen Vorfinanzierung durch die Krankenhäuser. Bezeichnenderweise hat die Antragsgegnerin ihre Rechtsauffassung bereits kurz nach Erlass des o.g. Bescheids aufgegeben, wie ihrem Schreiben vom 9. Dezember 2021 und insbesondere dem Bescheid vom 11. Februar 2022, der auf jegliche Auseinandersetzung mit der bisherigen gegenläufigen Rechtsansicht verzichtet, zu entnehmen ist.

 

c. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf  beruft, sie habe erstmals durch eine E-Mail der Antragstellerin vom 2. November 2021 erfahren, dass die Leistungen nach dem OPS-Kode 8-98b.2 bislang nicht erbracht worden seien, muss sie sich eine unsachgemäße Behandlung des Antrags vorhalten lassen. Denn den zuvor erteilten Informationen der Antragstellerin war Gegenteiliges nicht zu entnehmen. Vielmehr ließ ihre o.g. „erstmalige oder erneute Beantragung einer Prüfung“ gerade offen, ob die Leistung bereits erbracht wurde oder wird. Diesbezügliche Sachverhaltsermittlungen durch die Antragsgegnerin sind nicht ersichtlich. Dass dies ggf. auf ihren o.g. Rechtsirrtum zurückzuführen ist, entbindet die Antragsgegnerin nicht von der Pflicht, für dessen Folgen einstehen zu müssen.

 

d. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin auf den Widerspruch der Antragstellerin unsachgemäß reagiert. Obwohl sie bei Eingang des Widerspruchs am 10. Dezember 2021 – ausweislich ihres o.g. Schreibens vom Vortag – an ihrer bisherigen Rechtsauffassung offenkundig nicht mehr festhielt, brachte sie dies in ihrer Eingangsbestätigung vom 20. Dezember 2021 in keiner Weise zum Ausdruck, sondern beschränkte sich auf die wenig aussagekräftige Ankündigung, sie werde den Widerspruch „sorgfältig prüfen“.  Dies lässt – entgegen ihrer Darstellung im sozialgerichtlichen Verfahren – nicht erkennen, dass eine „inhaltliche“, d.h. ausschließlich die Strukturmerkmale und ihre Voraussetzungen in den Blick nehmende Prüfung unter Aufgabe der dem bisher entgegenstehenden Rechtsauffassung beabsichtigt ist. Da die Antragsgegnerin die Antragstellerin hierüber im Unklaren ließ, durfte sich diese am 22. Dezember 2021 zur Wahrung ihrer Interessen veranlasst sehen, vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen, zumal ihr zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben weder das Schreiben vom 20. Dezember 2021 noch Hinweise auf die geänderte Rechtsauffassung der Antragsgegnerin bekannt waren.

 

e. Schließlich muss sich die Antragstellerin für das Antragsverfahren nicht entgegen halten lassen, dass für sie kein Rechtsschutzinteresse bezüglich des Führens eines gerichtlichen Eilrechtsschutzbegehrens bestand. Die diesbezüglich vorgebrachten Argumente, dass die Antragstellerin nach § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens auch ohne gerichtlichen Eilrechtsschutz berechtigt gewesen wäre, Leistungen nach der Prozedur 8.98b.2 weiterhin abzurechnen oder zu erbringen (in diesem Sinne SG Nürnberg, Beschluss vom 10. Februar 2022, Aktenzeichen S 18 KR 981/21 ER, Rn 32f, zitiert nach JURIS) sowie dass die begehrte Bescheinigung im Sinne des § 275d Abs. 2 SGB V erst zum Zeitpunkt der Abrechnung vorliegen müsse und bei Vorliegen der Strukturmerkmale rückwirkend zu erteilen sei (so die Vorinstanz), können zumindest nicht dazu führen, dass  der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Führung des Eilverfahrens abzusprechen wäre. Bei dem Bestehen einer Klagebefugnis und damit beim Bestehen der Möglichkeit, dass der Kläger (bzw. im Eilverfahren der Antragsteller) durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist, besteht grundsätzlich auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Letzte kann aber ausnahmsweise fehlen, wenn unzweifelhaft ist, dass die begehrte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Rechtsschutzsuchenden nicht verbessern würde (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 2. April 2014, Aktenzeichen B 6 KA 19/13 R,  Rn 15; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., vor § 51 SGG, Rn 16a). Unzweifelhaft ist das hier keinesfalls. Die Antragstellerin durfte vielmehr zum Zeitpunkt der Stellung des gerichtlichen Eilrechtsschutzantrages im Dezember 2021 zumindest gut vertretbar davon ausgehen, gerichtlichen Eilrechtsschutz zur Wahrung ihrer Rechte ersuchen zu müssen. Denn aus dem sich aus § 275d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 SGB V ergebenden gesetzgeberischen Konzept folgt zunächst eindeutig, dass ein Krankenhaus eine an die Erfüllung von Strukturmerkmalen gebundene Leistungen gemäß § 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V ab dem 1. Januar 2022 nur noch abrechnen kann, wenn die Antragsgegnerin ihm zuvor eine entsprechende Bescheinigung nach § 275d Abs. 2 SGB V erteilt hat (vgl. Seifert, a.a.O., Rn 2; Knispel in jurisPR-SozR9/ 2022, Anm. 3). Eine positive Entscheidung der Antragsgegnerin für das Vorhandensein der Strukturmerkmale lag zum Zeitpunkt der Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages jedoch noch nicht vor. Ob sich die Antragstellerin im Fall eines – wie hier - erfolgreichen Widerspruchsverfahrens nach der Übergangsvorschrift des § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V für die Abrechenbarkeit der von ihr beabsichtigten Leistungserbringung mit Erfolg darauf berufen kann, dass sie gegen den ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt hatte und sie bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Erteilung der Bescheinigung im Sinne der vorgenannten Norm unverschuldet daran gehindert war, vor dem 31. Dezember 2021 eine entsprechende Bescheinigung zu erlangen und ob insbesondere die Widerspruchseinlegung im Sinne des § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V dazu führte, dass das Strukturprüfungsverfahren im Sinne des § 275d Abs. 2 SGB V mangels Eintritts von Bestandskraft noch nicht abgeschlossen war, ist zwar mit Rücksicht auf den Sinn der Norm, Schwierigkeiten in der Umstellungsphase aufzufangen, gut vertretbar (vgl. Sozialgericht Nürnberg, a.a.O.; Seifert, a.a.O., Rn 10), jedoch keineswegs unumstritten oder gar eindeutig. Gerade mit dem Wortlaut des § 275d Abs. 2 SGB V wie auch mit der Gesetzesbegründung lässt sich nämlich ebenfalls gut vertreten, dass das Prüfverfahren der Antragstellerin mit dem Negativbescheid abgeschlossen ist und dass auch die Widerspruchseinlegung nicht dazu führt, dass eine an die Bescheinigung des Vorliegens der Strukturmerkmale gebundene Krankenhausleistung weiter erbringbar ist. Es daher auch vertretbar anzunehmen, dass der Anwendungsbereich des § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V auf die Fälle begrenzt ist, in denen das Prüfverfahren der Antragsgegnerin ohne Verschulden des Krankenhauses noch nicht abgeschlossen werden konnte und insbesondere noch keine negative Entscheidung ergangen ist (in diesem Sinne Knispel, a.a.O.). Dieser Ansicht folgend bestünde in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Möglichkeit, die Antragsgegnerin zu einer vorläufigen Bescheinigung der Strukturmerkmale zu verpflichten und den Krankenhäusern damit im Erfolgsfall Planungssicherheit mit Rücksicht auf den Vorhalt des notwendigen Personals und der weiteren Rahmenbedingungen für die weitere Erfüllung des Strukturmerkmals bis zum Abschluss des Rechtsmittelverfahrens zu geben. Der Einwand der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache stünde der Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung nicht entgegen, da dieser Ansicht folgend nur hierdurch effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden kann und anderenfalls die Leistungserbringung durch das Krankenhaus bis zum voraussichtlich erfolgreichen Abschluss des Widerspruchverfahrens vereitelt würde (vgl. Knispel, a.a.O.).

 

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren indes nach § 197a Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO der Antragstellerin aufzuerlegen, da die Erteilung der begehrten Bescheinigung nicht auf die Beschwerdeerhebung zurückzuführen ist und ihr mit Rücksicht darauf, dass sie die begehrte Bescheinigung bereits vor Einlegung der Beschwerde erhalten hatte, das Rechtsschutzbedürfnis für das Führen des Beschwerdeverfahrens fehlte. Mit Rücksicht auf die gesetzliche Wertung des § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG, der die Beschwerde gegen richterliche Kostengrundentscheidungen ausschließt, lässt sich ein Rechtsbedürfnis für die Beschwerdeeinlegung im gerichtlichen Eilverfahren auch nicht mit dem Rechtsschutzziel begründen, eine Abänderung der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung herbeizuführen (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. August 2016, Aktenzeichen OVG 12 S 37.16, OVG 12 L 40.16, Rn 2 unter Verweis auf die Parallelvorschrift des § 158 VwGO; Schübel-Pfister in Eyermann, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, zu § 161 VwGO, Rn 12, jeweils mit weiteren Nennungen).  

 

4. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 4 und § 52 Abs.  2 Gerichtskostengesetz (GKG). Sie berücksichtigt den ausdrücklichen Verweis des § 53 Abs 2 Nr. 4 GKG für das sozialgerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf § 52 Abs. 2 GKG, weshalb eine Reduzierung des Auffangstreitwertes für derartige Verfahren ausgeschlossen ist (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom           29. März 2010, Aktenzeichen L 27 P 14/10 B ER, R 24; Burkiczak in juris-PK SGG,     2. Auflage 2022, zu § 86b SGG, Rn 615 m.w.N.).

 

Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.

 

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Aus
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