Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.07.2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), sog. Arbeitslosengeld II, für den Monat September 2019.
Der am 00.00.1984 geborene Kläger war im Sommersemester 2019 an der Universität R als Doktorand im Studienfach Katholische Theologie eingeschrieben. Er wohnte in R und zahlte für seine Wohnung eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 372,13 Euro sowie eine Heiz- und Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 90,00 Euro monatlich. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er bis Juni 2019 über ein Stipendium. Ab dem 01.07.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 25.07.2019 zunächst für die Zeit bis zum 31.08.2019 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 895,88 Euro (424,00 Euro Regelbedarf, 9,75 Euro Mehrbedarf für Warmwassererzeugung, 462,13 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung).
Mit Schreiben vom 09.08.2019 teilte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) dem Kläger mit, dass er für ein Stipendium des DAAD für Doktoranden in den Vereinigten Staaten für den Zeitraum vom 01.10.2019 bis zum 30.04.2020 ausgewählt worden sei. Das Stipendium umfasse eine monatliche Stipendienrate von 1.675,00 Euro, einen einmaligen Reisekostenzuschuss von 1.150,00 Euro, einen monatlichen Forschungskostenzuschuss von 102,00 Euro und Studiengebühren in dem Zielland bis zu einer Höhe von 18.000,00 Euro. Die Anlagen „Allgemeinen Bedingungen für deutsche Stipendiatinnen und Stipendiaten des DAAD“ sowie gegebenenfalls „Besondere Bedingungen und Hinweise“ seien Vertragsbestandteil der Stipendienzusage und daher verbindlich. Der Kläger müsse spätestens sechs Wochen nach Ausfertigung der Stipendienzusage eine Annahmeerklärung im DAAD-Portal hochladen. Erst mit Eingang dieser Annahmeerklärung werde die Stipendienzusage wirksam. Der Kläger nahm dieses Forschungsstipendium an und hielt sich deshalb ab Oktober 2019 in den USA auf. Bereits am 26.09.2019 ging auf seinem Konto eine Gutschrift in Höhe von 2.927,00 Euro ein, die die erste Stipendienrate von 1.675,00 Euro, einen Reisekostenzuschuss von 1.150,00 Euro sowie den Forschungskostenzuschuss von 102,00 Euro umfasste. Der Kläger erhielt am 20.09.2019 außerdem eine Gutschrift in Höhe von 263,90 Euro aufgrund einer Beitragserstattung/Prämienzahlung seiner Krankenkasse. Mit Bescheid vom 09.12.2019 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung von Arbeitslosengeld II für September 2019 ab. Der Kläger sei in diesem Monat nicht mehr hilfebedürftig gewesen, weil die Stipendienrate in Höhe von 1.675,00 Euro als Einkommen zu berücksichtigen sei. Dagegen legte der Kläger am 10.12.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass die Beklagte den Reisekosten- und den Forschungskostenzuschuss als zweckgebunden anerkannt habe. Auch die gezahlte Stipendienrate sei zweckgebunden. Dies ergebe sich aus den Allgemeinen Bedingungen des DAAD. Danach seien die monatlichen Stipendienraten zur Bestreitung des Lebensunterhalts im Ausland bestimmt. Das Stipendium diene damit nicht dem selben Zweck wie das Arbeitslosengeld II. Im Übrigen sei das Stipendium auch nach § 11a Abs. 5 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen, da die Berücksichtigung grob unbillig wäre.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2020 als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass die Stipendienrate als Einkommen zu berücksichtigen sei. Es handele sich dabei um keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11a Abs. 3 SGB II, da hierunter nur Leistungen fallen würden, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden. Der DAAD sei ein eingetragener Verein, so dass das Stipendium auf einer privatrechtlichen Vereinbarung beruhe. Auch die Voraussetzungen des § 11a Abs. 5 SGB II seien nicht erfüllt. Von dieser Regelung seien nur solche Zuwendungen erfasst, die ohne rechtliche oder sittliche Pflicht erbracht werden. Die Zahlung des Stipendiums erfolge jedoch aufgrund einer beiderseitigen Stipendienvereinbarung, so dass ihr eine vertragliche Verpflichtung zugrunde liege. Auf die Frage, ob die Anrechnung grob unbillig wäre, komme es daher nicht an.
Der Kläger hat hiergegen am 11.03.2020 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben. Er hat sein bisheriges Vorbringen vertieft und weiterhin die Auffassung vertreten, dass die ihm im September 2019 zugeflossene Stipendienrate nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Die vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelte „Zuflusstheorie“ müsse einer wertenden Betrachtung unterzogen werden. Das alleinige Abstellen auf den Zeitpunkt des Zuflusses berücksichtige die vom Stipendiengeber vorgesehenen Auszahlungsmodalitäten nicht hinreichend. Das Stipendium sei auch nicht mit Arbeitsentgelt zu vergleichen. Anders als Arbeitslohn, der nachträglich ausgezahlt werde, werde das Stipendium im Voraus gezahlt. Bei zweckwidriger Verwendung bestehe zudem ein Rückzahlungsanspruch des DAAD. Der DAAD sei zwar ein privatrechtlicher Verein, aber Bestandteil der mittelbaren öffentlichen Verwaltung des Staates, der sich im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln finanziere. Bei der Frage, ob das Stipendium privilegiertes Einkommen im Sinne von § 11a Abs. 5 SGB II sei, müsse schließlich berücksichtigt werden, dass dieses Stipendium nach den allgemeinen Stipendienbedingungen nur gezahlt werde, wenn sich der Stipendiat an dem in der Stipendienzusage angegebenen Ort im Gastland aufhalte. Das Stipendium sei so kalkuliert, dass Ansparungen nicht möglich seien. Ein Rechtsanspruch auf die Zahlung des Stipendiums bestehe nicht.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 09.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für September 2019 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei. Einkommen sei grundsätzlich das, was jemand in der Bedarfszeit erhalte. Für eine Modifizierung der sog. Zuflusstheorie bestehe keine Notwendigkeit. Das Stipendium diene der Bestreitung des Lebensunterhalts. Der Kläger mache sich auch nicht ersatzpflichtig, wenn er das Stipendium vorzeitig verwende. Dies ergebe sich schon daraus, dass ein Überschuss, der aufgrund sparsamer Lebensweise erwirtschaftet werde, nicht zurückgezahlt werden müsse. Auch Arbeitslohn, der erst am Monatsende zufließe, sei auf den gesamten Monat anzurechnen. Zwischen Arbeitslohn und einem Stipendium bestehe in der rechtlichen Wertung aber kein Unterschied. Eine Privilegierung des Stipendiums nach § 11a Abs. 5 SGB II komme nicht in Betracht, da ein Austauschverhältnis zwischen dem Kläger und dem DAAD vorliege. Auch wenn der Bewerber um ein Stipendium keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung habe, dürfte sich die Sachlage anders darstellen, sobald die Stipendienzusage erfolgt sei.
Das SG hat die Beklagte ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 01.07.2021 unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2020 dazu verurteilt, dem Kläger für September 2019 Arbeitslosengeld II in Höhe von 895,88 Euro zu gewähren.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Kläger auch in diesem Monat hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II sei. Die vom DAAD im September 2019 gezahlte Stipendienrate sei gem. § 11a Abs. 5 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Bei dem Forschungsstipendium handele es sich um eine Zuwendung, die der DAAD erbracht habe, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben. Ein Rechtsanspruch des Klägers auf eine Förderung durch den DAAD habe nicht bestanden. Auch wenn der DAAD, der als Verein organisiert und ins Vereinsregister eingetragen sei, das Stipendium in Erfüllung seiner Satzungszwecke – der Pflege der akademischen Beziehungen mit dem Ausland – gewähre, bestehe kein individueller Anspruch des Klägers auf eine Förderung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der DAAD eine Stipendienzusage erteilt habe, die der Kläger angenommen habe, weil diese Vorgehensweise lediglich dazu diene, die ordnungsgemäße Verwendung des Stipendiums sicher zu stellen. Entscheidend sei, dass auf eine Förderung als solche kein Rechtsanspruch bestehe. Dies ergebe sich insbesondere aus Nr. 14 der Allgemeinen Bedingungen des DAAD, der bestimme, dass der Bewerber um ein Stipendium oder um eine Leistung des DAAD keinen Rechtsanspruch auf diese Leistung habe und einen solchen auch nicht durch einzelne oder wiederholte Zahlungen des DAAD erwirke. Die Berücksichtigung des Stipendiums als Einkommen sei auch grob unbillig. Aus der Förderzusage und den Förderbedingungen ergebe sich deutlich der Zweck des Stipendiums. Es solle dazu dienen, dass der Kläger in den USA ein Studien- bzw. Forschungsvorhaben durchführen könne und den Lebensunterhalt im Gastland sicherstellen. Daher richte sich die Höhe der Stipendienrate auch nicht nach den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland, sondern nach denjenigen im Gastland. Der DAAD sei zudem dazu berechtigt, das Stipendium abzuerkennen, wenn die Allgemeinen und die Besonderen Bedingungen der Stipendienzusage nicht eingehalten würden. Die gewährten Leistungen seien dann zurückzuzahlen. Das Stipendium diene erkennbar nicht der Deckung des physischen Existenzminimums in der Bundesrepublik Deutschland, sondern solle einen Studien- bzw. Forschungsaufenthalt für einen Doktoranden in den USA fördern. Dies sei ein schützenswerter Zweck, der vereitelt würde, wenn das Stipendium als Einkommen angerechnet werden würde.
Gegen das ihr am 19.07.2021 zustellte Urteil hat die Beklagte am 04.08.2021 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Stipendienzahlung schon keine Zuwendung im Sinne von § 11a Abs. 5 SGB II darstelle, weil die Leistung aufgrund einer gegenseitigen Verpflichtung erbracht worden sei. Selbst wenn es sich bei dem Stipendium um eine Zuwendung gehandelt habe sollte, sei die Anrechnung dieser Zuwendung als Einkommen jedenfalls nicht grob unbillig. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung lediglich Zahlungen aus besonderen Anlässen (Ehejubiläen, Lebensrettung, Begrüßungsgelder für Neugeborene etc.) privilegieren wollen. In diese Kategorie falle das Stipendium aber nicht. Es sei wie das Arbeitslosengeld II dazu bestimmt, den Lebensunterhalt sicherzustellen, diene also derselben Zweckrichtung (Sicherung des physischen Existenzminimums) und unterscheide sich von seiner Zielrichtung her nicht von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), die zum Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II führen würden bzw. jedenfalls auf diese Leistungen anzurechnen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 01.07.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Leistungen des DAAD seien bereits nach § 11a Abs. 3 SGB II privilegiert. Der DAAD fördere als privatrechtlich organisierte nachgeordnete Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung ausschließlich wissenschaftliche Vorhaben im Ausland. Seine Programme würden im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln gefördert. Die Richtlinien der Förderung würden deshalb mitunter von diesen öffentlichen Einrichtungen (insbesondere Bundesministerien) vorgegeben. Bei einer Promotion handele es sich nicht um eine Ausbildung, es sei deshalb auch nicht möglich, eine Förderung nach dem BAföG zu erhalten. Die in § 11a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB II getroffenen Regelungen zum BAföG und zu vergleichbaren Leistungen der Begabtenförderung seien daher mit den Leistungen des DAAD nicht vergleichbar, weil die Regelung einer Förderung in der Bundesrepublik Deutschland ausgehe und eine Ausbildung im Blick habe. Eine Identität der Zwecke von DAAD-Stipendium und Arbeitslosengeld II liege nicht vor. Das DAAD-Stipendium diene der Durchführung von Forschungsvorhaben im Ausland, das Arbeitslosengeld II der Sicherung des Lebensunterhalts im Inland. Die Anrechnung des Stipendiums als Einkommen im Inland würde diesen schützenswerten Zweck vereiteln. Unabhängig davon seien die Stipendienzahlungen auch nach § 11a Abs. 5 SGB II nicht als Einkommen anzurechnen. Die Stipendienvereinbarung sei kein synallagmatischer Vertrag. Vielmehr liege eine Zuwendung vor. Die Anrechnung sei auch grob unbillig, weil mit ihr der Zweck des Forschungsstipendiums vereitelt werden würde. Die auch vom SG bestätigte Atypik liege gerade in der Inkongruenz von Zahlungszeitpunkt und Bestimmungszeitraum. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Stipendienrate erst ab dem 01.10.2019 als bereites Mittel zur Verfügung gestanden habe, weil sie zuvor mit einem Verfügungshindernis belastet gewesen sei. Dieses ergebe sich daraus, dass das Stipendium dazu diene, den Lebensunterhalt im Ausland sicherzustellen und deshalb an die genannte Hochschule und den Ort gebunden sei. Sie werde nur gezahlt, wenn sich der Stipendiat dort aufhalte und dieser mache sich bei einer anderweitigen Verwendung des Vertragsbruches schuldig. Einkommen im Sinne von § 11 SGB II seien aber nur diejenigen Leistungen, die nicht mit einem Rückforderungsvorbehalt belastet seien und der leistungsberechtigten Person zur endgültigen Verwendung verbleiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte und den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere den Inhalt der beigezogenen Allgemeinen und Besonderen Bedingungen DAAD. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Beklagten zu Unrecht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dazu verurteilt, dem Kläger für den Monat September 2019 Arbeitslosengeld II in Höhe von 895,88 Euro zu gewähren. Die Beklagte hat die Bewilligung dieser Leistungen zu Recht abgelehnt.
Streitgegenstand des Verfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts vom 01.07.2021 und der Bescheid vom 09.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2020, mit dem die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld II für den Monat September 2019 abgelehnt hat. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. und Abs. 4, § 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld II ist § 19 Abs. 1 iVm §§ 7, 9, 11 ff., 20 ff. SGB II. Ein Anspruch des Klägers ist danach nicht gegeben. Der Kläger erfüllt zwar im Monat September 2019 die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II; er war im streitigen Zeitraum 35 Jahre alt, erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger war aber nicht hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II, weil er bedarfsdeckendes Einkommen nach § 11 SGB II erzielt hat und damit seinen Lebensunterhalt sichern konnte. Der Kläger hat im September 2019 eine Gutschrift in Höhe von 1.675,00 Euro aus einem Stipendium der DAAD und eine Rückerstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung erhalten. Diese Gelder sind in diesem Monat als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen. Der Kläger war damit dazu in der Lage, seinen Hilfebedarf in Höhe von monatlich 895,88 Euro zu decken.
§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmt, dass als Einkommen alle Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen sind. Laufende Einnahmen, also solche Einnahmen, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 30.07.2008 – B 14 AS 26/07 R, Rn. 27 bei juris) – zu denen auch die ratierlichen Zahlungen für ein mehrmonatiges Stipendium gehören – sind nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt nach § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II auch für einmalige Einnahmen, bei denen sich das Geschehen in einer einzigen Leistung erschöpft (BSG a.a.O.), zu denen die Rückerstattung von Krankenversicherungsbeiträgen gehört (vgl. zur Abgrenzung zum Vermögen: LSG NRW, Urteil vom 30.08.2018 – L 6 AS 1676/17, Rn. 26 f. bei juris), wenn die Leistungen im Zuflussmonat noch nicht erbracht worden sind. Letzteres war hier der Fall. Der Berücksichtigung der Stipendienrate als Einkommen steht auch nicht entgegen, dass sie dazu bestimmt war, den Lebensunterhalt für einen anderen Monat (Oktober 2019) sicherzustellen. Entscheidend für die Berücksichtigung als Einkommen ist allein, ob das zugeflossene Einkommen als „bereites Mittel“ geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat des Zuflusses zu decken (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2017 – B 14 AS 32/16 R, Rn. 24 bei juris mwN; BSG, Urteil vom 25.10.2017 – B 14 AS 35/16 R, Rn. 27 bei juris). Grundsicherungsrechtlich maßgebend ist, dass der Hilfebedürftige im Monat der Einkommensberücksichtigung einen tatsächlichen Wertzuwachs erhalten hat und davon auch Gebrauch machen konnte, ihm also die Möglichkeit der Einkommensverwendung nicht erst in Zukunft offen stand (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2017 – B 14 AS 32/16 R, Rn. 25 bei juris). Dies gilt auch für als Nachzahlung zufließende Einnahmen, solange eine von § 11 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II abweichende gesetzliche Vorgabe nicht besteht (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2019 – B 4 KG 1/19 R, Rn. 24 bei juris mwN). So ist auch eine nachgezahlte Leistung der Ausbildungsförderung ungeachtet ihrer Zweckbestimmung, den Lebensunterhalt für einen anderen Monat zu sichern, im Zuflussmonat anzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 33/20 R, Rn. 26 bei juris). Auch vorschussweise gewährte Übergangsleistungen der Berufsgenossenschaft sind bereits im Zuflussmonat und nicht für den Zeitraum als Einkommen zu berücksichtigen, für den sie bestimmt sind. Maßgebend ist allein, dass die Einnahme zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stand (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 76/08 R, Rn. 18 f. bei juris). Dies gilt auch dann, wenn die Einnahme mit einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung belastet ist, sofern die Verpflichtung zur Rückzahlung erst nach dem Zeitraum eintritt, für den die Einnahme berücksichtigt werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 165/10 R, Rn. 23 bei juris; BSG, Urteil vom 22.08.2013 – B 14 AS 1/13 R, Rn. 24 bei juris). Unerheblich ist deshalb auch, dass der Kläger sich bei einer Verwendung der Stipendienrate vor Oktober 2019 möglicherweise schadensersatzpflichtig machen würde (vgl. Nr. 11 der Allgemeinen Bedingungen des DAAD). Ausreichend ist, dass ihm die entsprechenden Mittel im September 2019 zur Verfügung standen und er darüber frei verfügen konnte.
Ein abweichende normative Vorgabe, die einen anderen Zuflusszeitpunkt bestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2017 – B 14 AS 35/16 R, Rn. 27 ff. bei juris mwN), ist nicht ersichtlich. Sie kann sich insbesondere nicht aus einem (besonderen) Leistungszweck ergeben, weil es nach Aufgabe der sogenannten Identitätstheorie durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) auf einen solchen Leistungszweck zur Bestimmung des als maßgeblich anzusehenden Zuflusszeitpunktes grundsätzlich nicht mehr ankommt (vgl. nur BSG, Urteil vom 25.10.2017 – B 14 AS 35/16 R, Rn. 29 bei juris mwN).
Weder die im September 2019 ausgezahlte erste Stipendienrate, noch die in diesem Monat erfolgte Rückerstattung von Krankenversicherungsbeiträgen/Prämienzahlung ist nach § 11a SGB II von der Berücksichtigung als Einkommen ausgeschlossen.
Eine Privilegierung der Stipendienrate nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II kommt nicht in Betracht. Nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen.
Das vom Kläger erhaltene Stipendium ist bereits nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht worden. Öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 11a Abs. 3 SGB II sind solche, die einen Träger öffentlich-rechtlicher Verwaltung zur Leistung ermächtigen oder verpflichten (BSG, Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 15/20 R, Rn. 23 bei juris mwN). Die Gewährung des Stipendiums beruht nicht auf einer solchen öffentlich-rechtlichen Vorschrift. Die Programme des DAAD werden zwar im Wesentlichen über öffentliche Mittel gefördert und die Richtlinien der Förderung jedenfalls teilweise von öffentlichen Einrichtungen (insbesondere Bundesministerien) vorgegeben, die Förderung selbst erfolgt aber nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, sondern auf der Grundlage einer privatrechtlichen Vereinbarung. Der DAAD ist eine nachgeordnete Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung, er ist selbst aber privatrechtlich organisiert und handelt auch in einer privatrechtlichen Rechtsform. Die Stipendienzusage ist ausdrücklich als Angebot, das von dem Berechtigten angenommen werden muss, ausgestaltet. Vertragsbestandteil sind „Allgemeine und Besondere Bedingungen“, die in den Vertrag miteinbezogen worden sind und die auf die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hinweisen.
Ob für das Stipendium eine abweichende Zweckbestimmung vorlag (Förderung der Promotion im Zielland USA für den Zeitraum 01.10.2019 bis 30.04.2020) ist deshalb unerheblich. Eine privatrechtlich vereinbarte Zweckbestimmung reicht hierzu nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.2020 – B 4 AS 30/20 R, Rn. 20 bei juris).
Die Stipendienrate kann auch nicht nach § 11a Abs. 5 SGB II unberücksichtigt bleiben. Nach § 11a Abs. 5 SGB II sind solche Zuwendungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, soweit 1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder 2. sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Stipendienzahlungen keine Zuwendung ohne rechtliche oder sittliche Verpflichtung im Sinne der Vorschrift sind. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind, insbesondere ob die Berücksichtigung der Stipendienrate als Einkommen für den Kläger grob unbillig war.
Eine Zuwendung im Sinne von § 11a Abs. 5 SGB II setzt voraus, dass die Leistung freiwillig und ohne Rechtspflicht erfolgt. Beispielhaft werden in der Gesetzesbegründung genannt: Soforthilfen für Katastrophen, gesellschaftliche Preise zur Ehrung von Zivilcourage, Ehrengaben aus öffentlichen Mitteln und Spenden aus Tombolas (BT-Drucks. 17/3404, S. 94). Eine damit vergleichbare Leistung liegt hinsichtlich der Stipendienzahlungen bereits nicht vor. Unabhängig davon ist von einer Zuwendung im Sinne des § 11a Abs. 5 SGB II nur dann auszugehen, wenn der Leistung keine vertragliche oder konkludente Vereinbarung, wie z.B. im Zusammenhang mit einem Austauschvertrag im Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung gegenseitiger Verpflichtungen zu Grunde liegt (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 13.07.2022– B 7/14 AS 75/20 R, Terminbericht Nr. 27/22 vom 13.07.2022 Nr. 4; BSG, Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 41/20 R, Rn. 22 bei juris; BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 12/11 R, Rn. 17 bei juris; Schmidt, in: Eicher/Luik/Schmidt, SGB II 5. Auflage 2020, § 11a Rn. 41 mwN). Eine solche synallagmatische Verknüpfung gegenseitiger Verpflichtungen ist hier aber erfolgt. Zwar haben die Bewerber um ein Stipendium nach Nr. 14 der Allgemeinen Bedingungen des DAAD keinen Rechtsanspruch auf das entsprechende Stipendium und können einen solchen auch nicht durch einzelne oder wiederholte Zahlungen erwerben, etwas anderes gilt aber nach Abschluss der für die Zahlung der Stipendienleistung notwendigen Vereinbarung. Die Zahlung erfolgt dann nicht mehr freiwillig und ohne Rechtspflicht, sondern ihr liegt eine vertragliche Verpflichtung zwischen dem Stipendiaten und dem DAAD zugrunde. Bereits in der Vorbemerkung führt der DAAD diesbezüglich aus, dass er mit der Stipendienzusage gegenüber dem Stipendiaten eine Verpflichtung eingeht. Die Stipendienleistungen werden unter Nr. 2 Allgemeine Bedingungen des DAAD ausdrücklich und umfassend geregelt. Unter Nr. 11 dieser Bedingungen sind die Voraussetzungen, unter denen der DAAD das Stipendium abbrechen und die Stipendienleistungen zurückfordern kann, im Einzelnen dargelegt. Mit der Stipendienzusage und dem Abschluss des Vertrages durch die Annahme dieser Zusage wird dementsprechend nicht nur die ordnungsgemäße Verwendung der erhaltenen Gelder sichergestellt, sondern der Berechtigte erhält einen Rechtsanspruch auf die Gewährung des Stipendiums, der nur unter bestimmten Voraussetzungen entfallen kann.
Ohne dass es im Hinblick auf die den grundsicherungsrechtlichen Bedarf des Klägers bereits bei weitem übersteigende Stipendienrate noch darauf ankäme, ist auch die Beitragsrückerstattung / Prämienzahlung nicht gem. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II privilegiert; es fehlt insoweit an der ausdrücklichen gesetzlichen Zweckbestimmung. Eine auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften – hier: § 53 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) iVm der entsprechenden Satzung der Gesetzlichen Krankenkasse des Klägers – gewährte Leistung ist nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt wird, der über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehen und zudem ein anderer als derjenige sein muss, für den die im Einzelfall in Frage stehende Leistung nach dem SGB II gewährt wird. Dabei muss es sich um eine „in ihrer Verwendung“ zweckbestimmte Leistung handeln (BSG, Urteil vom 24.08.2017 – B 4 AS 9/16 R, Rn. 26 bei juris; BSG, Urteil vom 12.09.2018 – B 14 AS 36/17 R, Rn. 22 bei juris). Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 83 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB XII), die auch der Auslegung von § 11a SGB II zugrunde gelegt werden kann, ist daher in einem ersten Schritt zu prüfen, ob in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehender Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist, wobei es auch ausreicht, dass sich der Zweck aus der Gesetzesbegründung ergibt (Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 11a, Stand: 18.07.2022, Rn. 38 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R, Rn. 24 bei juris). Dabei bedarf es der Verwendung des Worts „Zweck“ nicht. Der ausdrückliche Zweck kommt auch durch Worte wie „zur Sicherung“, „zum Ausgleich“ oder Ähnlichem ausreichend deutlich zum Ausdruck. Es kann auch genügen, dass die Zweckbestimmung aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung folgt, soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt (Söhngen, in Schlegel/Völzke, juris-PK, aaO, Rn. 39). Der Gesetzeswortlaut enthält keine solche Zweckbestimmung. Aus Gesetzesbegründung ergibt sich, dass Prämienzahlungen an den Versicherten in § 53 SGB V auf dem Gedanken beruhen, dass sich das von der Kasse zu tragende Krankheitskostenrisiko vermindert, wenn sich der Versicherte im Interesse der Kostensenkung mit einem modifizierten Versicherungsschutz einverstanden erklärt, sodass seine Kooperation mit einem „Preisnachlass“ für den seinen Bedürfnissen angepassten Versicherungsschutz honoriert werden kann (vgl. Dreher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 53 SGB V, Stand: 10.01.2022, Rn. 3 und 26 mwN). Daraus lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass es sich bei der Beitragserstattung / Prämienzahlung um eine „in ihrer Verwendung“ zweckbestimmte Leistung handelt. Die Auszahlung durch die Gesetzliche Krankenkasse ist mit keinerlei Vorgaben für die Mittelverwendung durch den Versicherten verbunden.
Eine Privilegierung dieser Zahlung nach § 11a Abs. 5 SGB II ist nicht möglich, weil es sich dabei offensichtlich nicht um eine Zuwendung im Sinne der Vorschrift handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.