Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Tenor im Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.06.2022 wie folgt neu gefasst: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin den Regelbedarf und – soweit kein Anspruch auf Familienversicherung besteht – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung darlehensweise für sechs Monate ab dem 10.06.2022, längstens jedoch bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Im Übrigen werden der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Gerichtszügen.
Der Antragstellerin wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K aus O beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am 00.00.1984 geborene Antragstellerin studiert im Masterstudiengang „English Studies“ an der Universität zu N im 9. Fachsemester; insgesamt ist sie im 27. Hochschulsemester immatrikuliert. Die Antragstellerin ist schwanger, der voraussichtliche Entbindungstermin ist der 20.08.2022. Sie lebte nach eigenen Angaben in der Zeit von April 2016 bis Dezember 2021 in Ägypten und arbeitete dort bei einem Deutsch-Arabischen Lernzentrum. Am 00.05.2021 heiratete sie ihren Ehemann in Kairo. Im Januar 2022 ist sie – ohne ihren Ehemann – nach Deutschland gezogen, um nach eigenen Angaben hier ihr Kind zu gebären.
Einen am 10.03.2022 gestellten Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 04.05.2022 ab. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil sie in Ausbildung sei und diese Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig sei. Auszubildende hätten über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 5 und 6 SGB II. Die Antragstellerin legte hiergegen Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2022 als unbegründet zurückwies. Nach § 7 Abs. 5 SGB II hätten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der § 61 Abs. 2, § 62 Abs. 3, § 123 Nr. 2 sowie § 124 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sei, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Antragstellerin sei an der Universität zu N für das Sommersemester von April bis September 2022 als Haupthörerin im Fach English Studies immatrikuliert. Die Ausbildung sei dem Grunde nach förderungsfähig. Die Antragstellerin habe daher gemäß § 7 Abs. 5 und 6 SGB II keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Zu Recht sei im Bescheid darauf hingewiesen worden, dass Auszubildende über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hätten. Der Widerspruchsbescheid enthielt nach der Rechtsbehelfsbelehrung den Hinweis, dass das Widerspruchsschreiben als Antrag auf Leistungen nach § 27 SGB II ausgelegt werde. Diesbezüglich werde seitens der Leistungsstelle ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid ergehen.
Mit Bescheid vom 08.06.2022 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin auf ihren Antrag den Mehrbedarf für Schwangerschaft für die Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.08.2022 gemäß § 27 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 Abs. 2 SGB II. Der Mehrbedarf für die Monate März bis Juni 2022 i.H.v. insgesamt 305,32 Euro wurde der Antragstellerin am 08.06.2022 ausgezahlt. Mit weiterem Bescheid vom 14.06.2022 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin eine Pauschale für Erstausstattung bei Schwangerschaft (210 Euro für Schwangerschaftsbekleidung und 65 Euro als Krankenhauspauschale) sowie eine Erstausstattung bei Geburt des Babys in Höhe von 405 Euro.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.05.2022 hat die Antragstellerin am 10.06.2022 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben (Az.: S 18 AS 1139/22) und gleichzeitig um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ersucht. Die Antragstellerin verwies zur Begründung auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren. Die BAföG-Stelle habe ausdrücklich mitgeteilt, dass ein Anspruch auf BAföG nicht bestehe, obwohl die Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig sei. Sie sei nach § 27 Abs. 3 SGB II nicht gemäß § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Vorliegend seien die Voraussetzungen für die zuschussweise Gewährung von Leistungen nach § 27 Abs. 3 S. 2 SGB II erfüllt, weil sie das 30. Lebensjahr bereits vollendet habe, § 10 Abs. 3 BAföG, und deshalb vom Bezug von BAföG-Leistungen ausgeschlossen sei. Hinzu komme, dass sie sich im letzten Semester befinde und ihr Studium am 30.09.2022 beenden werde. Eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 3 SGB II sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werden könne und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit drohe. So sei es hier. Die Sache sei eilbedürftig. Es drohten unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, da der zur Existenzsicherung notwendige Bedarf nicht mehr gedeckt sei. Inzwischen sei sie im achten Monat schwanger und auch nicht mehr in der Lage, sich von der Unterstützung ihrer Familie über Wasser zu halten. Sie habe bereits seit März 2022 nicht mehr zum Arzt gehen können und habe zudem eine chronische Darmerkrankung, die ebenfalls ärztlicher Behandlung bedürfe. Diese werde ihr jedoch trotz des Hinweises auf die ärztliche Verpflichtung zur Notfallbehandlung mit Blick auf den fehlenden Krankenversicherungsschutz verwehrt. Unterstützungsleistungen von dritter Seite erhalte sie nicht. Sie habe von ihrem Bruder (A) über zwei Monate jeweils 200 Euro erhalten, bis sie ihren Antrag beim Antragsgegner durchbekommen würde. Wegen ihrer Schwangerschaft sei sie derzeit nicht arbeitsfähig. Es könne nicht erwartet werden, dass die bewilligten Leistungen zur Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt für ihren eigenen Lebensunterhalt verwendet werden müssten. Für Juni 2022 habe sie endlich eine möblierte Wohnung für 760,- Euro gefunden. Geld dafür habe sie sich ausleihen und ihre Mutter habe für sie bürgen müssen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe seit dem 01.03.2022 zu erbringen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er äußerte die Ansicht, dass der Antrag keinen Erfolg haben könne. Erstens sei es fraglich, ob ein Anordnungsgrund mangels Eilbedürftigkeit überhaupt vorliege. Die Antragstellerin habe die vorgetragene Mittellosigkeit nicht nachgewiesen. In der Vergangenheit seien ihr monatlich 200 Euro von ihrem Bruder überwiesen worden. Zusätzlich sei von ihm, dem Antragsgegner, im Juni 2022 ein Gesamtbetrag von 515,32 Euro an die Antragstellerin ausgezahlt worden; ferner werde die gewährte Erstausstattung für das Baby in Höhe von 405 Euro am 23.06.2022 an die Antragstellerin überwiesen werden. Da die Antragstellerin zurzeit keine Mietkosten zu tragen habe, drohe kein Verlust einer Wohnung. Zweitens werde der Anordnungsanspruch verneint. Denn die Antragstellerin habe gemäß § 7 Abs. 5 und 6 SGB II über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Es handele sich dabei um einen nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähigen Studiengang. Der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 5 SGB II entfalle erst, wenn die Antragstellerin ihr Studium beendet habe. Dies sei hier nicht der Fall. Auch eine Unterbrechung des Studiums wegen der Schwangerschaft bzw. der bevorstehenden Geburt liege nicht vor. Ein Härtefall im Sinne des § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II sei in diesem Fall nicht gegeben. Ob ein besonderer Härtefall vorliege, sei unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Im Falle der Antragstellerin scheitere der Härtefall daran, dass anzuzweifeln sei, ob das Studium der Antragstellerin tatsächlich kontinuierlich betrieben worden sei, bzw. dass das Studium kurz vor dem Abschluss stehe. Die Antragstellerin habe in ihrem Neuantrag angegeben, dass sie die letzten Jahre bis Dezember 2021/Januar 2022 in Ägypten gelebt und gearbeitet habe. Sie sei nach Deutschland gekommen, um hier ihr Kind zu gebären. Dies stehe im Widerspruch zu einem kontinuierlichen Studium in der Stadt Köln. Die Ernsthaftigkeit des Studiums dürfe daher angezweifelt werden, zumal die Antragstellerin bereits seit 27 Semestern immatrikuliert sei. Zudem habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie mit ihrem Studium weit fortgeschritten sei und ihr Studium kurz vor dem Abschluss stehe. § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II setze zudem voraus, dass diese Ausbildung im Einzelfall für die Eingliederung des Auszubildenden in das Erwerbsleben zwingend erforderlich sei und ohne die Erbringung von Leistungen zum Lebensunterhalt der Abbruch der Ausbildung drohe. Dass ein Abschluss eines Studiums sich regelmäßig auf die Chancen im Erwerbsleben positiv auswirken dürfe, möge eine Förderung grundsätzlich wünschenswert erscheinen lassen, führe aber nicht notwendig zur lnpflichtnahme des SGB-II-Leistungsträgers. Die vom SGB II angestrebte Integration in den Arbeitsmarkt setze, wie nicht zuletzt die von der Antragstellerin ausgeübte Erwerbstätigkeit zeige, ein abgeschlossenes Studium nicht notwendig voraus. Das Englisch-Studium der Antragstellerin könne daher nicht als zwingend erforderlich für die Integration in den Arbeitsmarkt angesehen werden.
Die Antragstellerin hat eine Bescheinigung der Universität zu N vom 15.06.2022 vorgelegt, wonach die Antragstellerin unter der Voraussetzung, dass sie noch eine Modulprüfung mit mindestens 4,0 bestehe (Vertiefung 2 Sprachwissenschaft), zum Ende des Sommersemesters 2022 ihr Studium erfolgreich abschließen werde. Ferner hat die Antragstellerin Kontoauszüge für den Zeitraum vom 01.03.2022 bis 19.06.2022 eingereicht. Auf die Bescheinigung und die Kontoauszüge wird Bezug genommen.
Das SG Düsseldorf hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 23.06.2022 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 10.06.2022 für sechs Monate zu gewähren und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Die Antragstellerin habe im tenorierten Umfang einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, und soweit Zweifel verblieben, erscheine das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs als hinreichend möglich, um im Wege der Folgenabwägung zu ihren Gunsten zu entscheiden. Vorliegend habe die Antragstellerin eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 3 SGB II glaubhaft gemacht. Ausweislich der Bescheinigung der Universität zu Köln stehe sie in der Tat unmittelbar vor Abschluss ihres Studiums zum Ende des laufenden Sommersemesters am 30.09.2022. Ob die Antragstellerin in der Vergangenheit ihr Studium stets kontinuierlich und ernsthaft betrieben habe, wirke sich deswegen nicht entscheidend aus. Ohne die Leistungsgewährung durch den Antragsgegner drohe auch der Abbruch der Ausbildung, insbesondere vor dem Hintergrund der weit fortgeschrittenen Schwangerschaft. Ob der Studienabschluss im Einzelfall für die Eingliederung der Antragstellerin in das Erwerbsleben zwingend erforderlich sei, mag offen sein, erscheine der Kammer aber auch nicht ausgeschlossen. Alleine, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit auch ohne Studienabschluss erwerbstätig gewesen sei, stehe dem nicht entgegen. Denn unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebensumstände der wohl meisten Studenten, die während ihres Studiums zu dessen Finanzierung einer Nebenerwerbstätigkeit nachgingen, würde die Vorschrift mit dieser Argumentation sonst weitestgehend leerlaufen. Jedenfalls sehe die Kammer sich im Wege der Folgenabwägung veranlasst, zugunsten der Antragstellerin zu entscheiden, und halte die Kammer einen Anordnungsgrund für glaubhaft gemacht. Die Folgenabwägung falle zugunsten der Antragstellerin aus. Sollte eine einstweilige Anordnung im Ergebnis zu Unrecht abgelehnt werden, so entstünden der Antragstellerin schwerwiegende Nachteile. Es stünde zu befürchten, dass das Existenzminimum der Antragstellerin in dem in diesem Verfahren streitbefangenen Zeitraum sowie – mangels Krankenversicherungsschutzes – ihre Gesundheit und die des werdenden Babys nicht gewährleistet seien. Zudem sei es befremdlich, wenn die für die speziellen Zwecke im Zusammenhang mit der Schwangerschaft und Geburt gewährten Mittel zweckwidrig eingesetzt werden sollen. Für die Antragstellerin täte sich eine Rechtsschutzlücke auf, die vor dem Hintergrund einer möglichen Verletzung von Art. 1 und 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht hingekommen werden dürfe. Demgegenüber wögen die Folgen, die bei einer zu Unrecht ergangenen einstweiligen Anordnung zum Nachteil des Antragsgegners einträten, weniger schwer. Zwar entstünde ihm in diesem Falle ein finanzieller Schaden. Diesen könnte er aber von der Antragstellerin ersetzt verlangen, wenn sich im anschließenden Verfahren der Hauptsache herausstellte, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht begründet war. Für die Zeit bis zum 10.06.2022 ziele der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in die Vergangenheit. Eine in der Vergangenheit eingetretene Notlage, die in die Gegenwart existenzgefährdend hineinwirke, habe die Antragstellerin weder glaubhaft gemacht, noch sei dies der Kammer ersichtlich, so dass der Antrag insoweit abzulehnen sei.
Gegen den vorgenannten Beschluss hat der Antragsgegner am 27.06.2022 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Antragsgegner seinen erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend führt er aus, das SG Düsseldorf habe außer Acht gelassen, dass es sich bei der Regelung in § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II um eine Ermessensleistung handele. Eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift sei nicht gegeben, da eine Eingliederung der Antragstellerin in das Erwerbsleben kurzfristig nicht zu erwarten sei. Auch eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht gegeben. Die Antragstellerin müsse sich insoweit vorhalten lassen, dass sie durch den Zuzug nach Deutschland die Unterschreitung ihres Existenzminimums erkennbar in Kauf genommen habe. § 27 Abs. 3 S. 2 SGB II sei für Hochschulstudenten nicht einschlägig. Spätestens mit dem – insoweit unstreitigen Zuzug des Ehemanns im Juli 2022 in die von der Antragstellerin genutzte Wohnung – sei ein Härtefall, wenn man ihn annähme, entfallen, da der Ehemann Teil ihrer Bedarfsgemeinschaft sei und die Antragstellerin über ihn familienversichert werden könne. Auch wenn die Situation der Antragstellerin belastend sei, handele es sich um keinen Härtefall, sondern um einen gesetzlich vorgesehenen Regelfall, der auch schwangere Studentinnen erfasse. Anders sei es nicht zu erklären, dass § 27 Abs. 2 SGB II zwar einen zuschussweisen Bezug des Mehrbedarfs für die Schwangerschaft vorsehe, nicht jedoch eine grundsätzliche Rückausnahme. Die Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses stehe auch im Interesse der Antragstellerin. Der Darlehensanspruch, der allenfalls vorliegen könne, könne der Antragstellerin im Hauptsachverfahren gar nicht mehr zugesprochen werden, weil er nach Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 SGB II für die Vergangenheit sinnentleert wäre. Die Antragstellerin würde auch den Schutz des § 42a Abs. 2 SGB II verlieren. Sie müsste kurzfristig sämtliche vom Antragsgegner angewiesenen Zahlungen in einer Summe zurückzahlen, wenn sie in der Hauptsache unterläge.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des SG Düsseldorf vom 23.06.2022 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie teilt ergänzend mit, dass ihr Ehemann und sie sich das Sorgerecht für das Kind teilen werden, so dass sie ab März (2023) wieder arbeiten gehen könne. Ihr Ehemann habe kein erhebliches Vermögen. Das Ermessen des Antragsgegners sei auf Null reduziert, da sie und ihr ungeborenes Kind ohne Krankenversicherungsschutz in Lebensgefahr schwebten. § 27 Abs. 3 S. 2 SGB II sei tatbestandlich einschlägig.
Die Mutter der Antragstellerin schloss einen Nutzungsvertrag über eine möblierte Wohnung zu einer Pauschalmiete von 630,- Euro ab, in welche die Antragstellerin und ihr Ehemann im Juli 2022 eingezogen sind. Auf den Vertrag wird Bezug genommen.
Mit Änderungsbescheid vom 19.07.2022 bewilligte der Antragsgegner dem Ehemann der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Juli bis August 2022 in Höhe von jeweils 719,- Euro (Regelbedarf: 404,- Euro und anteilige Grundmiete: 315,- Euro) und der Antragstellerin einen Mehrbedarf für werdende Mütter in Höhe von 76,33 Euro für den August 2022. Einen weitergehenden Leistungsanspruch für die Antragstellerin für die Zeit vom 01.03.2022 bis 31.08.2022 lehnte der Antragsgegner nach § 7 Abs. 5, 6 SGB II ab.
Unter Hinweis auf den Beschluss des SG Düsseldorf vom 23.06.2022 und unter Übersendung von Berechnungsbögen teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit einem Schreiben vom 28.07.2022 mit, dass ihr und ihrem Ehemann Leistungen für den Zeitraum vom 10.06.2022 bis 09.12.2022 bewilligt würden (anteilige Miete ab Juli 2022 und Regelbedarf, für den Ehemann wurden Leistungen bis zum 31.12.2022 gewährt).
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
1. Streitgegenstand sind allein der vorläufig zu erbringende Regelbedarf sowie die notwendigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für sechs Monate ab dem 10.06.2022, weshalb der Senat aus Gründen der Klarstellung den Tenor insoweit berichtigt hat. Nur in diesem Umfang hat das SG Düsseldorf eine Entscheidung getroffen, die vom Antragsgegner mit der Beschwerde angefochten werden kann. Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung hat die Antragstellerin in erster Instanz nicht beantragt und sind vom SG Düsseldorf folgerichtig nicht geprüft worden. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat zwar vor Erlass des Beschlusses vom 23.06.2022 mitgeteilt, dass sie eine Wohnung gefunden habe, in die sie ziehen wolle. Sie hat aber weder einen Mietvertrag eingereicht noch ihren Antrag ausdrücklich auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung erweitert. Der von der Mutter der Antragstellerin abgeschlossene Nutzungsvertrag wurde erst zum Juli 2022 unterzeichnet. Dementsprechend hat die Antragstellerin auch erst nach Erlass des erstinstanzlichen Beschlusses im laufenden Beschwerdeverfahren auf ihre (konkreten) Unterkunftsaufwendungen verwiesen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsgegner in Verkennung der Reichweite des erstinstanzlichen Beschlusses für die Antragstellerin auch von der vorläufigen Verpflichtung zur Bewilligung anteiliger Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab Juli 2022 ausgeht. Der allgemein formulierte Tenor im Beschluss vom 23.06.2022 („Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II“) kann schließlich nicht darüber hinweghelfen, dass das SG inhaltlich in keiner Weise auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung (und die insoweit spezifischen Anforderungen eines Anordnungsgrundes) eingegangen ist. Die Frage, ob die Antragstellerin angesichts des Nutzungsvertragsabschlusses zwischen ihrer Mutter und dem Vermieter bzgl. der von ihr mitgenutzten Wohnung einer auch für § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II erforderlichen wirksamen rechtlichen Verpflichtung zur Mietzahlung ausgesetzt sein kann (vgl. zu § 22 Abs. 1 SGB II: BSG Urteile vom 03.03.2009, B 4 AS 37/08 R, Rn. 24, juris; und vom 22.09.2009, B 4 AS 8/09 R, Rn. 16, juris), und die damit im Zusammenhang stehende Frage, ob insoweit auch ein Anordnungsgrund vorliegt, kann deshalb dahinstehen.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. dazu BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, Rn. 35, juris; BSG Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, Rn. 5, juris).
Wenn – wie hier – existenzsichernde Leistungen im Streit stehen, ergeben sich jedoch aus Art. 19 Abs. 4 GG einerseits und Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG andererseits besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens. Aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG folgen dabei Vorgaben für den gerichtlichen Prüfungsmaßstab. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, Rn. 10, juris; und vom 21.04.2021, 1 BvR 683/21, Rn. 4, juris). Wenn es um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Dies bedeutet, dass das Fachgericht diejenigen Ermittlungsmaßnahmen von Amts wegen (vgl. § 103 S. 1 Hs. 1 SGG) durchführen muss, die aus seiner Sicht zur Überzeugungsbildung und zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind, wobei eine Entscheidung aufgrund objektiver Indizien oder der Beweislastverteilung, vor allem bei nicht ausreichender Mitwirkung des Antragstellers bei der Aufklärung des Sachverhalts, zulässig ist (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 05.05.2009, 1 BvR 255/09, Rn. 3 f., juris; und vom 01.02.2010, 1 BvR 20/10, Rn. 2, juris). Kann die Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig aufgeklärt werden, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG Beschlüsse vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 26, juris; und vom 14.09.2016, 1 BvR 1335/13, Rn. 20, juris; vgl. auch Senatsbeschluss vom 12.07.2017, L 12 AS 596/17 B ER, L 12 AS 597/17 B, Rn. 21, juris). Aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgen darüber hinaus inhaltliche Anforderungen an die Feststellung der Hilfebedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht: Es darf nur auf die gegenwärtige Lage abgestellt werden; Umstände der Vergangenheit dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Hilfesuchenden ermöglichen. Existenzsichernde Leistungen dürfen dabei nicht aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere wenn sich diese auf vergangene Umstände stützen (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 28, juris).
Nach diesen Maßstäben spricht nach einer summarischen Prüfung viel für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (dazu 2.) und eines Anordnungsgrundes (dazu 3.). Angesichts des im Eilverfahren nicht ausreichend ermittelbaren Sachverhalts ist dennoch eine Folgenabwägung geboten, die zugunsten der Antragstellerin ausfällt (dazu 4.). Auf Rechtsfolgenseite ist die Begrenzung der vorläufigen Verpflichtung für sechs Monate durch das SG Düsseldorf nicht zu beanstanden (dazu 5.).
2. Ein Anordnungsanspruch besteht nicht nach § 7 SGB II (dazu a.) und § 27 Abs. 3 S. 2 SGB II (dazu c.), aber möglicherweise nach § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II (dazu b.).
a. Die Antragstellerin erfüllt grundsätzlich die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (Nr. 1), sie ist ferner erwerbsfähig (2.) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4). Die Antragstellerin hat ebenso ihre Hilfebedürftigkeit nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Davon ist nach summarischer Prüfung auszugehen. Aus den aktenkundigen, für den Zeitraum bis Mitte Juni 2022 vorliegenden Kontoauszügen ist ersichtlich, dass die Antragstellerin über kein Einkommen oder Vermögen verfügt. Auch finanzielle Zuwendungen dritter Personen sind aktuell nicht festzustellen. Der Bruder der Antragstellerin hat dieser zuletzt am 06.04.2022 einen Betrag in Höhe von 200,- Euro überwiesen. Weitere Überweisungen des Bruders an die Antragstellerin erfolgten zuvor am 04.01.2022, 01.02.2022 und 08.03.2022 jeweils in gleicher Höhe. Diese familiären Zuwendungen sind lebensnah angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin als schwangere Studentin ohne Erwerbseinkommen von Ägypten nach Deutschland zugezogen war. Da es jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass seit Beginn des Streitzeitraums finanzielle Zuwendungen erfolgten, ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Antragstellerin über kein anrechenbares Einkommen und Vermögen verfügt. Die Antragstellerin hat ferner glaubhaft angegeben, dass der im Juli 2022 zu ihr gezogene Ehemann ebenfalls einkommens- und vermögenslos ist. Infolgedessen hat der Antragsgegner dem Ehemann der Antragstellerin mit Bescheid vom 19.07.2022 Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Auf die Inanspruchnahme der Leistungen für die Erstausstattung bei Schwangerschaft sowie eine Erstausstattung bei Geburt des Babys kann die Antragstellerin nicht verwiesen werden, weil diese Leistungen einem anderen Zweck dienen. Angesichts der Höhe dieser Leistungen könnte die Antragstellerin daraus ihren laufenden Bedarf auch nicht decken.
Zu Lasten der Antragstellerin greift aber der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Es kommt dabei nur darauf an, dass die Ausbildung dem Grunde nach gefördert werden kann, auch wenn der Betroffene konkret (aus den unterschiedlichsten Gründen wie etwa Fachrichtungs- oder Ausbildungswechsel gemäß § 7 Abs. 2 und 3 BAföG oder Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15a BAföG) keinen Anspruch auf BAföG hat. Es ist mithin allein aufgrund abstrakter Kriterien, losgelöst von der Person des Auszubildenden, über die Förderfähigkeit der Ausbildung nach dem BAföG zu befinden (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 102/11 R, Rn. 14, juris). Die Ausbildung der Antragstellerin ist danach dem Grunde förderungsfähig. Die Antragstellerin studiert im 9. Fachsemester an der Universität zu N und damit an einer nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BAföG objektiv bzw. sachlich grundsätzlich förderungsfähigen Bildungseinrichtung. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach § 10 Abs. 3 S. 1 BAföG die Regelaltersgrenze überschritten hat, ist unschädlich. Die Rechtsfolge nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II wird auch in solchen Fällen ausgelöst (Becker in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 7 Rn. 194). Die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 6 SGB II, der Rückausnahme vom Ausschluss nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II, liegen nicht vor.
b. Zugunsten der Antragstellerin kann jedoch ein Anordnungsanspruch gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II in Betracht kommen. Danach können Leistungen für Regelbedarfe, den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7, Bedarfe für Unterkunft und Heizung, Bedarfe für Bildung und Teilhabe und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Darlehen erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet. Der Begriff der „besonderen Härte“ ist als unbestimmter Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite gerichtlich voll überprüfbar (BSG Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 36/06 R, Rn. 22, juris). Keine „besondere“ Härte begründet die üblicherweise mit dem Ausschluss von SGB-II-Leistungen einhergehende Beschränkung der dem Auszubildenden zur Verfügung stehenden Mittel, da der Gesetzgeber diese gerade bezweckt hat. Allein der Umstand, dass eine Ausbildung aus finanziellen Gründen nicht absolviert werden kann, stellt mithin noch keine besondere Härte dar (BSG Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 28/06 R, Rn. 34, juris). Ein Fall besonderer Härte setzt vielmehr voraus, dass der Ausschluss von SGB-II-Leistungen auch unter Berücksichtigung des § 7 Abs. 5 SGB II zugrunde liegenden Zwecks, eine verdeckte Ausbildungsförderung über das SGB II zu verhindern, übermäßig hart, d.h. unzumutbar und in hohem Maße unbillig erscheint (BSG Urteile vom 01.07.2009, B 4 AS 67/08 R, Rn. 17, juris; und vom 30.09.2008, B 4 AS 28/07 R, Rn. 20, juris). Verfehlt ist auch der Ansatz des Antragsgegners, die Situation schwangerer Studierender als Regelfall einzuordnen. Es entspricht gerade der gesetzgeberischen Wertung, im Einzelfall zu prüfen, ob es im konkret-individuellen Fall besondere Umstände gibt, die eine besondere Härte – auch bei schwangeren Studentinnen – begründen. Die Einstufung als Regelfall ohne nähere Prüfung der Umstände, die für eine besondere Härte sprechen könnten, entspricht nicht der gesetzgeberischen Wertung, für atypische Fälle ausnahmsweise Leistungen vorzusehen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (zusammenfassend: BSG Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 67/08 R, Rn. 19 ff., juris; vgl. auch BSG Urteil vom 02.04.2014, B 4 AS 26/13 R, Rn. 46, juris), der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, kommt eine besondere Härte in drei (wenn auch nicht abschließenden) Fallgruppen in Betracht:
Fallgruppe 1: Es ist wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden, der nicht (mehr) durch BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), eigenes Einkommen, familiäre Unterstützung oder sonstige Finanzierungsquellen gedeckt werden kann, und es besteht deswegen begründeter Anlass zu der Annahme, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werden kann und das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht. Hierbei muss die durch objektive Gründe belegbare Aussicht bestehen (z.B. durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen erfüllt sind), dass die Ausbildung mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in absehbarer Zeit abgeschlossen wird (BSG Urteile vom 06.09.2007, B 14/7b AS 28/06 R, Rn. 35, juris; und vom 30.09.2008, B 4 AS 28/07 R, Rn. 22, juris).
Fallgruppe 2: Eine bereits weit fortgeschrittene, bisher kontinuierlich betriebene Ausbildung ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung, Krankheit oder der Geburt eines Kindes gefährdet, wobei die Behinderung oder Krankheit nur in Bezug auf die Verzögerung der Ausbildung angeführt werden können und hinzukommen muss, dass die Ausbildung in absehbarer Zeit zu Ende gebracht wird (BSG Urteile vom 06.09.2007, B 14/7b AS 28/06 R, Rn. 35, juris; und vom 01.07.2009, B 4 AS 67/08 R, Rn. 20, juris).
Fallgruppe 3: Nur eine nach den Vorschriften des BAföG oder des SGB III förderungsfähige Ausbildung stellt objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt dar und der Berufsabschluss kann auch nicht auf andere Weise, insbesondere durch eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erreicht werden (BSG Urteile vom 06.09.2007, B 14/7b AS 28/06 R, Rn. 37, juris; und vom 30.09.2008, B 4 AS 28/07 R, Rn. 26, juris).
Vorliegend kommt die erste Fallgruppe in Betracht. Die Antragstellerin hat eine Bescheinigung ihrer Universität vom 15.06.2022 vorgelegt, aus der hervorgeht, dass sie 80 % ihrer Prüfungsleistungen, die zum Abschluss des Master-Studiums erforderlich sind, bereits erfüllt hat und bei Bestehen einer weiteren, letzten Modulprüfung (Vertiefung 2 Sprachwissenschaft) voraussichtlich im Sommersemester 2022 das Studium beenden wird. Die Antragstellerin befindet sich damit im Endstadium nicht nur ihrer gesamten Ausbildung, sondern auch im letzten Fünftel ihres Masterstudiums. Damit besteht die begründete Aussicht, dass die Ausbildung in absehbarer Zeit abgeschlossen werden kann, dass dies aber ohne die Gewährung vorläufiger Leistungen nicht möglich ist und das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht. Es ist dabei unerheblich, dass die Antragstellerin wegen der anstehenden Geburt ihres Kindes unter Umständen nicht unmittelbar nach Ausbildungsende eine Erwerbstätigkeit wird ausüben können, auch wenn sie andererseits angegeben hat, im Frühjahr 2023 wieder arbeiten zu wollen. Entscheidend ist, dass die gesetzliche Ausnahmevorschrift trotz ihrer Erwerbszentriertheit generell die bisherigen weitreichenden Ausbildungserfolge sichern will. Im Hauptsacheverfahren wird noch aufzuklären sein, um welche fehlende Prüfungsleistung es sich konkret handelt, insbesondere wie viel Aufwand sie aus Sicht des Prüflings auslöst und die Antragstellerin prognostisch (bei einer Ex-ante-Betrachtung) in der Lage war, diese Prüfung im Sommersemester 2022 erfolgreich zu absolvieren.
In Betracht kommt auch die Fallgruppe 2. Nach summarischer Prüfung kann das Vorliegen einer kontinuierlich betriebenen Ausbildung nicht ausgeschlossen werden. Entscheidend ist insofern nur die Fachsemesterzahl zum konkreten Studium, weil sie Aufschluss über die Kontinuität der bisherigen Ausbildung liefert. Gleichwohl wird in der Hauptsache die Ausbildungs- und Erwerbsbiographie der Antragstellerin genauer zu ermitteln sein, um auch das Vorliegen dieser Fallgruppe umfassend bewerten zu können. Wegen der anstehenden Geburt des Kindes der Antragstellerin ist deren Studienabschluss gefährdet. Angesichts der Tatsache, dass der Antragstellerin nur noch eine Prüfung zum Bestehen fehlt, kann auch von einem baldigen Studienabschluss ausgegangen werden.
Dem Anordnungsanspruch steht nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II die Darlehensgewährung im Ermessen der Behörde liegt. Denn das Entschließungsermessen wird hinsichtlich des „Ob“ der Leistungsgewährung bei Vorliegen einer besonderen Härte im Regelfall auf Null reduziert sein (BSG Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 36/06 R, Rn. 21, juris; Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 27 (Stand: 18.07.2022) Rn. 32; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 08/2021, § 27 Rn. 42; Silbermann in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 27 Rn. 38).
Anders als nach § 22 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) ist die Gewährung eines Zuschusses im Rahmen des § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II zwar nicht möglich. Wegen der für Leistungsberechtigte nach dem SGB II bestehenden Erwerbsperspektive ist diese Ungleichbehandlung aber sachlich gerechtfertigt (BSG Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 36/06 R, Rn. 20, juris).
c. Entgegen der Ansicht des SG Düsseldorf liegen die Voraussetzungen des Härtefallzuschusses nach § 27 Abs. 3 S. 2 SGB II nicht vor. Danach ist eine besondere Härte auch anzunehmen, wenn Auszubildenden, deren Bedarf sich nach §§ 12 oder 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG bemisst, aufgrund von § 10 Abs. 3 BAföG keine Leistungen zustehen, diese Ausbildung im Einzelfall für die Eingliederung der oder des Auszubildenden in das Erwerbsleben zwingend erforderlich ist und ohne die Erbringung von Leistungen zum Lebensunterhalt der Abbruch der Ausbildung droht; in diesem Fall sind Leistungen als Zuschuss zu erbringen. Nicht von § 27 Abs. 3 S. 2 SGB II erfasst werden Studierende an höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen, da die Norm nicht auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG verweist (vgl. Breitkreuz in BeckOK Sozialrecht, 65. Edition Stand: 01.03.2022, § 27 SGB II, Rn. 6). Diesem Personenkreis kann daher auch bei Vorliegen einer spezifischen besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 3 S. 2 nur das allgemeine Härtefalldarlehen nach S. 1 gewährt werden (Silbermann in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 27 Rn. 44). Wegen seiner systematischen Stellung direkt im Anschluss an § 27 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 SGB II bezieht sich Hs. 2 allein auf den im vorangehenden Halbsatz genannten Personenkreis (vgl. insoweit auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 18/8909, S. 31, die allein auf die Ausbildung von Schülern verweist).
Vor diesem Grund kommt eine zuschussweise Gewährung von vornherein nicht in Betracht, sondern nur eine darlehensweise. Insoweit ist der Antrag der Antragstellerin abzulehnen und der Tenor des Beschlusses vom 23.06.2022 entsprechend zu berichtigen. Allein die Vorläufigkeit der im Eilverfahren gewährten Leistungen macht eine Klarstellung im Tenor hinsichtlich der darlehensweise zu erfolgenden Bewilligung nicht entbehrlich (vgl. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 17.08.2005, L 7 SO 2117/05 ER-B, Rn. 13, juris; VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 19.11.1993, 6 S 2371/93, Rn. 12, juris; SG Wiesbaden Beschluss vom 19.10.2006, S 12 AS 427/06 ER, Rn. 18, juris; a.A. LSG NRW Beschlüsse vom 28.08.2017, L 7 AS 1248/17 B ER, Rn. 19, juris; und vom 27.02.2012, L 7 AS 119/12 B ER, Rn. 4, juris). Im Hinblick auf die Vorläufigkeit einer einstweiligen Anordnung ist in der Regel bei Sozialleistungen nur eine darlehensweise Gewährung auszusprechen, um eine spätere Rückgängigmachung nicht unnötig zu erschweren (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Neben diesen allgemeinen Erwägungen spricht in diesem Fall auch das materielle Recht für den Ausspruch der darlehensweisen Bewilligung im Tenor. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ist eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen, die Arbeitslosengeld II nur darlehensweise erhalten, ausgeschlossen. In solchen Konstellationen ist es für den Leistungsempfänger von Vorteil, bereits frühzeitig etwaige Rückabwicklungen im Krankenversicherungsverhältnis zu vermeiden, indem zeitnah andere Gestaltungsoptionen geprüft werden, wie etwa in diesem Fall die beitragsfreie Familienversicherung über den Ehemann der Klägerin nach § 10 Abs. 1 SGB V (siehe dazu auch sogleich unter Punkt 5.). Das Argument des Antragsgegners, dass bei einem Fehlen der nur darlehensweisen vorläufigen Bewilligung eine spätere Bewilligung für die Vergangenheit sinnentleert wäre, geht dagegen fehl. In der Hauptsache würde es dann nicht mehr um die Verurteilung zur Leistungserbringung gehen, sondern um das grundsätzliche Behaltendürfen der bereits vorläufig (darlehensweise) gewährten Leistungen (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, Rn. 8, juris).
3. Aufgrund des im Eilverfahren festgestellten Sachverhalts spricht Einiges für die Annahme eines Anordnungsgrundes. Ein Anordnungsgrund ist dann glaubhaft gemacht, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragstellerin bei einem Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens unzumutbare Nachteile entstünden. Ein solcher wesentlicher Nachteil liegt insbesondere vor, wenn die Antragstellerin konkret in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht ist oder ihr sogar die Vernichtung der Lebensgrundlage droht. Auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile, die entstehen, wenn das Ergebnis eines langwierigen Klageverfahrens abgewartet werden müsste, können ausreichen (Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage 2017, § 86b SGG (Stand: 28.03.2022), Rn. 353 m.w.N.). Die persönlichen Lebensumstände der Antragstellerin sprechen für das Vorliegen einer solchen Eilbedürftigkeit. Dazu gehört insbesondere der Umstand, dass sie erst seit Januar 2022 (wieder) nach Deutschland eingereist ist, hochschwanger ist, angesichts ihrer gastroenterologischen Grunderkrankung und der bevorstehenden Geburt ihres Kindes dringend auf durchgehende medizinische Behandlung angewiesen ist und wegen fehlender finanzieller Mittel für den eigenen und den Lebensunterhalt ihres ungeborenen Kindes nicht ohne weiteres sorgen kann.
4. Da trotz der gewichtigen Umstände, die für das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sprechen, eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist nach den oben dargelegten Grundsätzen auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG Beschluss vom 14.09.2016, 1 BvR 1335/13, Rn. 20, juris). In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Folgenabwägung fällt danach zugunsten der Antragstellerin aus. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, mithin der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 28, juris). Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung wäre das menschenwürdige Existenzminimum der Antragstellerin möglicherweise längere Zeit nicht gedeckt. Diese erhebliche Beeinträchtigung kann auch nachträglich bei einem erfolgreichen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr ausgeglichen werden, weil der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er entsteht (BVerfG, a.a.O., Rn. 19, juris). Der zu befürchtenden Beeinträchtigung der Menschenwürde durch die Vorenthaltung von Leistungen zur Existenzsicherung steht lediglich die Möglichkeit ungerechtfertigter Geldzahlungen seitens des Antragsgegners gegenüber. Vor dem Hintergrund, dass dieser im Falle des Obsiegens im Hauptsacheverfahren von der Antragstellerin grundsätzlich die Rückzahlung der gewährten Leistungen verlangen kann, die einstweilige Anordnung überdies zeitlich begrenzt ist, ist diese Möglichkeit im Rahmen der Folgenabwägung indes von geringem Gewicht und in Kauf zu nehmen.
5. Liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung vor, bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche konkreten Anordnungen zur Erreichung des Anordnungszwecks erforderlich sind (§ 938 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG). In Anwendung dieser Grundsätze hat das SG Düsseldorf die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zu Recht auf die Zeit vom 10.06.2022 bis 09.12.2022 begrenzt. Dabei durfte sich das Gericht an der regelmäßigen Bewilligungsdauer für vorläufige Leistungen nach dem SGB II von sechs Monaten gemäß § 41 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II orientieren. Dem steht die Regelung des § 41 Abs. 3 S. 1 SGB II nicht entgegen. Danach werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zwar in der Regel für zwölf Kalendermonate bewilligt, ein abweichender Bewilligungszeitraum ist unter Zugrundelegung eines sachlichen Grundes indes möglich (vgl. Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 41 (Stand: 31.03.2022) Rn. 49 ff.). Dann ist – je nach Einzelfall – auch eine monats-, wochen- oder tageweise Bewilligung zulässig. Insgesamt legt der Senat die Erwartung zu Grunde, dass in dem nun angeordneten Bewilligungszeitraum eine weitgehende Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts gelingen kann. Die Klärung des weitergehenden Anspruchs seit Antragstellung (März 2022) bleibt ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Senat hat aus Gründen der Klarstellung den Tenor dahingehend ergänzt, dass die gerichtliche Anordnung längstens bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung (Az.: S 18 AS 1139/22) wirkt. Gegenstand dieses Klageverfahrens ist auch der hier streitgegenständliche Anspruch nach § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II (Regelbedarf und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung), weil es sich insoweit – gegenüber dem Anspruch nach § 7 SGB II – um keinen abtrennbaren Streitgegenstand handelt. Dafür spricht, dass § 37 Abs. 1 S. 2 SGB II einen gesonderten Leistungsantrag nur für Ansprüche nach § 24 Abs. 1 und 3 und nach § 28 Abs. 5 SGB II vorsieht, nicht aber für § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II. Andererseits ist anerkannt, dass auch für andere, in § 37 Abs. 1 S. 2 SGB II nicht genannte Leistungen ein gesonderter Antrag notwendig ist, wie etwa für Ansprüche nach § 16, § 22 Abs. 8 oder § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II (vgl. die Nachweise bei Silbermann in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 37 Rn. 40 ff.). Daraus lässt sich schließen, dass es sich bei den in § 37 Abs. 1 S. 2 SGB II genannten Leistungen nicht um einen abschließenden Katalog handelt. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die sonstigen – nicht in § 37 Abs. 1 S. 2 SGB II genannten – Leistungen ihrem Sinn und Zweck nach vom allgemeinen Arbeitslosengeld-II-Antrag umfasst sind (vgl. Silbermann, a.a.O., Rn. 40). Das ist vorliegend anzunehmen, weil in § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II eine relativ umfassender Leistungskatalog aufgeführt ist, der mit § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II vergleichbar ist und es insofern rechtfertigt, die Bedarfe nach § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II dem allgemeinen Antrag auf SGB-II-Leistungen zuzuordnen. Wie oben bereits angeführt, kommt wegen der darlehensweisen Bewilligung des Arbeitslosengeldes II eine Pflichtversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V nicht in Betracht. Es gibt nach dem bisher feststehenden Sachverhalt keine Anhaltspunkte, die gegen eine (beitragsfreie) Familienversicherung über den Ehemann der Antragstellerin nach § 10 Abs. 1 SGB V ab Juli 2022 sprechen würden. Der Senat hat insoweit von seinem Ermessen Gebrauch gemacht und die Übernahme von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung (etwa für den Fall, dass eine Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in Betracht käme) oder für den Fall, dass die Antragstellerin als Auslandsrückkehrerin und aufgrund einer etwaigen Vorversicherung dem System der privaten Krankenversicherung zuzuordnen wäre, davon abhängig gemacht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Familienversicherung nach § 10 SGB V nicht vorliegen. Nur dann ist eine vorläufige Inpflichtnahme des Antragsgegners zur Abwendung wesentlicher Nachteile in Bezug auf den Krankenversicherungsschutz der Antragstellerin gerechtfertigt.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt den überwiegenden Erfolg des Begehrens der Antragstellerin in beiden Gerichtszügen.
7. Der Antragstellerin war ungeachtet der Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverteidigung (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K aus O nach § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO zu bewilligen.
8. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.