Die Antibiotika-augmentierte Thermoeradikation (ATT) bei Borreliose stellt eine neue Behandlungsmethode dar, die nach § 135 SGB V nicht von den gesetzlichen Krankenkassen zu erbringen ist, weil es an einer Empfehlung der Gemeinsamen Bundesausschusses fehlt und zudem die Hyperthermie von der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich ausgeschlossen ist.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über die Kosten der Behandlungsmethode der Antibiotika-augmentierten Thermoeradikation (ATT) bei Borreliose nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Der 1947 geborene Kläger litt seit Zeckenbiss 2019 unter chronischer Borreliose. Im März 2021 kam es zu starken Schmerzen, so dass der Kläger kaum noch Treppen steigen und nur noch mit Mühe aus dem Bett aufstehen konnte. Im April 2021 wurde er deshalb zwei Wochen lang mit Antibiotika-Infusionen behandelt, die jedoch nur zu kurzzeitiger Besserung führten.
Am 06.07.2021 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Antibiotika-augmentierte Thermoeradikation (ATT) bei der Klinik G., Fachklinik für Innere Medizin der M. Kliniken GmbH & Co. KG in A-Stadt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.07.2021 ab.
Vom 09.08.2021 bis zum 20.02.2021 wurde die Behandlung an der Klinik G., A-Stadt, ambulant durchgeführt. Der Kläger war während dieses Zeitraums in einem Zimmer der Klinik mit Verpflegung untergebracht.
Am 26.08.2021 rechnete die Klinik G. für die Behandlung einen Betrag in Höhe von 10.051,67 € ab (9500 € Pauschale zuzüglich weiterer Einzelposten). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2022 seine Gesamtkosten auf 10.661,33 € (9500 € Pauschale zuzüglich Kosten der Unterkunft und Verpflegung in einem Zimmer der Klinik) beziffert.
Am 18.02.2021 fand eine zweite Anwendung der Therapie statt. Seitdem fühlt sich der Kläger völlig schmerzfrei und kann wieder Sport treiben.
Mit Schreiben vom 17.01.2022 stellte der Kläger Antrag auf Übernahme der Kosten in Höhe von 10.661,33 €.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.01.2022 ab. Den dagegen am 16.02.2022 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2022 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 02.06.2022 beim Sozialgericht München Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat den Befundbericht des Facharztes für innere und Allgemeinmedizin W. vom 12.09.2022 eingeholt. Demnach sei der Patient durch die Borreliose-Therapie mit täglichen Infusionen von 2 g Rocephin nicht ausreichend beschwerdefrei geworden, sodass eine Therapie mit Antibiotikagabe unter Hyperthermie nötig geworden sei. Nach dieser sehr gut wirksamen Behandlung sei der Patient rasch beschwerdefrei geworden und sei seither wieder altersentsprechend gut belastbar.
Weiter hat das Gericht den Befundbericht des D. von der Klinik G., A-Stadt, vom 18.08.2021 eingeholt. Dieser lag der Abschlussbericht vom 23.08.2021 über die ambulante Behandlung vom 09.08.2021 bis zum 20.08.2021 bei. Darin heißt es, leider sei die Antibiotikatherapie bei der chronischen Borreliose oft ineffektiv, da sich die Borrelien bereits intrazellulär aufhielten oder an Stellen, die für die Antibiotika nicht erreichbar seien. Die Klinik G. habe vor 15 Jahren ein effektives Therapieverfahren entwickelt und seither mehrere hundert Patienten erfolgreich behandelt. Bei diesem Therapieverfahren handle es sich um die Antibiotika-augmentierte Thermoeradikation (AAT). Diese Therapie sei wissenschaftlich abgesichert. Es sei wissenschaftlich belegt, dass die Borrelien sehr thermolabil seien und bei einer Temperatur von 41,6 °C nahezu vollständig abstürben. Weiterhin sei wissenschaftlich belegt, dass Antibiotika durch eine Temperaturerhöhung sehr stark aktiviert würden. Ceftriaxon (Rocephin) zum Beispiel pro Grad Celsius um den Faktor 16, d. h. es würden zwei sehr aktive Therapien gekoppelt, wodurch ein maximaler Ansprecheffekt und die höchstmögliche Chance erreicht werde, die Borrelien aus dem Körper zu eliminieren.
Entsprechend sei bei dem Patienten die erste Ganzkörperhyperthermie am 12.08.2021 durchgeführt worden mit einem Temperaturmaximum von 42,0 °C über einen Zeitraum von 10 Minuten und einem Temperaturplateau von 41,6 °C über 120 Minuten. Die zweite Ganzkörperhyperthermie habe am 18.08.2021 stattgefunden mit einem Temperaturmaximum von 41,8 °C über einen Zeitraum von 20 Minuten und einem Temperaturplateau von 41,6 °C über 120 Minuten.
Das weitere Procedere sehe eine Entgiftung der Neurotoxine (Kontrolle und Überwachung von Herz-Kreislauf-Reaktionen) und die Überwindung der Blutliquorschranke sowie die anschließende Ausscheidung von Endotoxinen über Leber und Galle als Hauptziel vor. Weiterhin erfolge eine Unterstützung der pathogenen Entgiftung über das Cytochromoxidasen-Glutationssystem bei gleichzeitiger Schwermetallentgiftung. Zugleich seien Hydrocolontherapien und eine enterale mikrobiologische Sanierung eingeleitet worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagte vom 24.01.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten der Antibiotika-augmentierten Thermoeradikations-Behandlung vom 09.08.2021 bis zum 20.08.2021 inklusive Kosten der Unterkunft und Verpflegung in Höhe von insgesamt 10.661,33 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Für die Entscheidung war das Sozialgericht München örtlich (§ 57 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und sachlich (§ 8 SGG) zuständig.
Die Klage ist zulässig. Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 SGG statthaft. Die Klage wurde gemäß §§ 87, 90 und 92 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten für die Antibiotika-argumentierte Thermoeradikation bei Borreliose. Die ablehnenden Bescheide sind rechtmäßig.
Ein Erstattungsanspruch besteht insbesondere nicht nach § 13 Abs. 3 SGB V, da die Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse nicht zu Unrecht erfolgte. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V mittels Antibiotika-augmentierter Thermoeradikation. Bei der ambulant durchgeführten Behandlung handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des § 135 SGB V, die zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden darf, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einer Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V entsprechende Empfehlungen abgegeben hat. Dass die Behandlungsmethode neu ist, ergibt sich ohne jeden Zweifel aus den Ausführungen des D. im Abschlussbericht der Klinik G. vom 23.08.2021: so sei das Therapieverfahren vor 15 Jahren an der Klinik G. entwickelt worden. Eine entsprechende Empfehlung ist jedoch in der G-BA-Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung nicht enthalten. Eine Internetabfrage des Gerichts hat ergeben, dass beim G-BA auch kein Bewertungsverfahren für diese Behandlungsmethode anhängig ist; dies hat das Gericht mit Schreiben vom 11.08.2022 den Beteiligten mitgeteilt; insofern kommt auch keine Verletzung der in § 135 Abs. 1 oder Abs. 1a SGB V genannten Fristen durch den G-BA in Betracht. Dagegen wird die Hyperthermie (u. a. Ganzkörperhyperthermie, regionale Tiefenhyperthermie, Oberflächenhyperthermie, Hyperthermie in Kombination mit Radiatio und/oder Chemotherapie) in Anlage II Nr. 42 der genannten Richtlinie von der vertragsärztlichen Behandlung ausdrücklich ausgeschlossen.
Ein Anspruch auf die begehrte Behandlung kam auch nicht nach § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht. Bei der Borreliose handelt es sich weder um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch um eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.