L 9 SO 333/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 29 SO 236/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 333/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Rücknahme eines Aufhebungsbescheides im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X, hilfsweise die erneute Gewährung von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 SGB XII.

Der 1947 in E geborene Kläger zu 1 und die 1973 geborene Klägerin zu 2 sind miteinander verheiratet. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, die 2002 geborene Klägerin zu 3 und eine weitere Tochter, die 1992 geboren und am 04.11.2010 aus der elterlichen Wohnung ausgezogen und nach Deutschland zurückgekehrt ist. Die Kläger leben seit dem Jahr 2005 in Spanien, zunächst in A auf der Insel Ibiza. Die Klägerin zu 2 leidet an Epilepsie mit täglich mehrfachen Grand-Mal Anfällen sowie Absencen, einem Gehirntumor und psychischen Störungen. Bei ihr sind seit August 1995 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "H", "RF" und "B" festgestellt. Sie bezieht seit (spätestens) September 2002 ein Pflegegeld aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III (zunächst monatlich 665 €, ab 01.01.2010 685 € und ab 01.01.2015 728 €) und wird von dem Kläger zu 1 gepflegt. Die Rentenversicherung bewilligt der Klägerin zu 2 aufgrund eines Anerkenntnisses vom 11.10.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die ab dem 01.06.2008 laufend gezahlt wird und sich zunächst auf 583,89 € netto belief. Ab dem 01.07.2016 betrug die Rente 673,35 €, sie ist regelmäßig erhöht worden (derzeit 753,09 €).

Der Kläger zu 1 bezieht seit Januar 2010 eine vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit, welche die DRV Rheinland mit Bescheid vom 20.09.2011 rückwirkend ab Januar 2010 bewilligte. Die Höhe der Rente beläuft sich seit dem 01.07.2016 auf 455,02 € netto und ist regelmäßig erhöht worden (derzeit 508,90 €). Für die im Jahr 2002 geborene Tochter erhält die Familie Kindergeld.

Die Kläger beantragten am 26.01.2007 Sozialhilfe bei dem Beklagten. Dem Antrag fügten sie den Bescheid der Pflegekasse vom 13.12.2005 bei, wonach die Pflegestufe III ab dem 01.09.2002 anerkannt und ein Pflegegeld von 665 € gezahlt wird. Weiter legten sie ein ärztliches Attest vom 23.01.2007 vor, wonach der Klägerin zu 2 ein Transport oder eine Reise aus medizinischen Gründen auf längere Zeit nicht zumutbar seien, zumal sich der Zustand weiter verschlechterte. Die Reiseunfähigkeit ist mit ärztlicher Bescheinigung vom 29.01.2007 nochmal bestätigt worden.

Der Beklagte gewährte der gesamten Familie mit Bescheid vom 31.01.2007 seit Januar 2007 Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 SGB XII. In dem erstmaligen Leistungsbescheid vom 31.01.2007 errechnete er einen ungedeckten Bedarf der Kläger iHv 1.636,- €, auf den er das Pflegegeld von 665 €, nicht jedoch das Kindergeld anrechnete, so dass sich ein Anspruch von 971 € ergebe. Der Betrag werde ab Januar 2007 ausgezahlt. Dabei ging der Beklagte davon aus, dass ein Rücktransport der Klägerin zu 2 nach Deutschland aus medizinischen Gründen nicht möglich und die Voraussetzungen des § 24 SGB XII daher für die gesamte Familie erfüllt seien.

Die Kläger legten Widerspruch ein, mit dem sie sich gegen die Anrechnung des Pflegegeldes auf den Bedarf wandten. Der Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 21.03.2007 ab, indem er die Leistungen ohne die Anrechnung des Pflegegeldes gewährte. Die Bewilligung wurde in der Folgezeit mehrfach geändert, ua aufgrund der Rentenbewilligung für die Klägerin zu 2 am 21.05.2008. Pflege- und Kindergeld wurden jedoch weiterhin nicht angerechnet. Gegen den Bescheid vom 25.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2009 erhoben die Kläger am 19.11.2009 bei dem Sozialgericht Köln Klage (S 21 SO 190/09). Nach der Abweisung der Klage war bei LSG Nordrhein-Westfalen ein Berufungsverfahren (L 20 SO 482/11) anhängig. Zuletzt setzte der Beklagte die Leistungen der Kläger mit Bescheid vom 03.03.2010 und Änderungsbescheid vom 10.03.2010 neu fest. Den dagegen eingelegten Widersprüchen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2010 teilweise abgeholfen, im Übrigen wurden sie zurückgewiesen. Auch dagegen erhoben die Kläger beim Sozialgericht Köln Klage(S 21 SO 284/10). Gegen die Abweisung der Klage richtete sich die Berufung L 20 SO 483/11 beim LSG Nordrhein-Westfalen.

Der Beklagte forderte die Kläger mit Schreiben vom 31.05.2010 auf, spanische Sozialleistungen zu beantragen und den Bescheid vorzulegen. Nach Einholung diverser Auskünfte (ua des Auswärtigen Amts vom 09.09.2009, der Deutschen Botschaft in Madrid vom 27.07.2010, der Spanischen Botschaft in Berlin vom 01.07.2010 sowie des Deutschen Generalkonsulats in Barcelona vom 08.03.2010, auf deren Inhalt Bezug genommen wird) hob der Beklagte die zuvor ergangenen Bewilligungsbescheide (ua die Bescheide vom 03.03.2010 und vom 10.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2010) durch den Bescheid vom 29.07.2010 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zum 01.11.2010 auf. Die Sach- und Rechtslage habe sich insofern geändert, als die Kläger nunmehr über einen Zeitraum von fünf Jahren in Spanien lebten und daher nach dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) gegenüber dem spanischen Staat die gleichen Leistungen wie spanische Staatsangehörige beanspruchen könnten. Da entsprechende Leistungen durch die spanischen Sozialbehörden zu erwarten seien, bestehe kein Anspruch mehr auf Sozialhilfe für Deutsche im Ausland (§§ 2 und 24 Abs. 2 SGB XII). Zugleich empfahl der Beklagte, die Leistungen bei den spanischen Behörden umgehend zu beantragen. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Kläger wies der Beklagte unter Beteiligung sozial erfahrener Personen (vgl. § 116 SGB XII) mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 (dem damaligen Bevollmächtigten der Kläger am 02.11.2010 zugestellt) zurück. Nach den beigezogenen Auskünften könnten Deutsche in Spanien als EU-Bürger grundsätzlich Sozialhilfe beanspruchen, sofern sie sich - je nach Region - über einen Zeitraum zwischen drei und maximal fünf Jahren in Spanien aufhielten. Die spanische Sozialhilfe werde beitragsunabhängig gewährt. Die Kläger hätten zudem bislang nicht dargelegt, einen entsprechenden Antrag gestellt zu haben. Ein ablehnender Bescheid der spanischen Behörde sei nicht vorgelegt worden. Die Kläger erhoben am 05.11.2010 bei dem Sozialgericht Köln Klage (S 21 SO 546/10). Sozialhilfe werde in Spanien grundsätzlich nur gewährt, wenn der Anspruchsteller dort eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt habe. Die Kläger zu 1 und 2 seien jedoch zu keinem Zeitpunkt in Spanien versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; Beiträge an Renten- bzw. Sozialversicherungsträger seien daher nicht entrichtet worden. Spanische Sozialhilfe erhalte darüber hinaus nur, wer das 65. Lebensjahr vollendet und über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren in Spanien gewohnt habe; auch diese Voraussetzung erfüllten der Kläger zu 1 und 2 nicht. Sie hätten bei den spanischen Behörden zahlreiche Anträge gestellt. Diese seien dort jedoch schon nicht angenommen worden; schriftliche Ablehnungsbescheide könnten sie daher nicht vorlegen. Mit Urteil vom 20.07.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Dem Kläger und seiner Familie stehe über den 31.10.2010 hinaus keine Sozialhilfe für Deutsche im Ausland zu. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung Bezug genommen. Die Kläger legten dagegen Berufung (LSG Nordrhein-Westfalen L 20 SO 484/11) ein.

Die Kläger befanden sich vom 19.08.2011 bis zum 25.08.2011 vorübergehend in Deutschland, nachdem sie ihre Unterkunft in Spanien aus finanziellen Gründen verlassen mussten und ihnen eine Zwangsausweisung drohte. Während des Aufenthalts in Deutschland fand am 23.08.2011 ein Gerichtstermin vor dem LSG in einem Verfahren statt, in dem die Klägerin zu 2 einen Anspruch auf einen früheren Beginn ihrer Rente wegen Erwerbsminderung geltend machte. Die DRV gab in dem Termin ein Anerkenntnis ab, das die Klägerin annahm. Sie erhielt die Rente bereits ab dem 01.07.2004, daraus ergab sich eine Nachzahlung iHv ca. 14.000 €. Die Kläger kehrten daraufhin mit Hilfe eines Vorschusses ihres damaligen Bevollmächtigten nach Ibiza zurück. Dort bewohnten sie zunächst diverse Ferienwohnungen, bevor sie im Oktober 2011 nach F (Provinz U, Andalusien) verzogen.

Die Berufungsverfahren L 20 SO 482/11 und L 20 SO 483/11, die sich gegen die Höhe der bis Oktober 2010 bewilligten Leistungen richteten, wurden in einem Erörterungstermin am 20.02.2014 von den Klägern für erledigt erklärt. Die Berufung L 20 SO 484/11, die sich gegen die Aufhebung der Leistungen richtete, wies das LSG mit Urteil vom 10.11.2014 zurück. Die Aufhebung der Bewilligung sei rechtmäßig erfolgt, da die Voraussetzungen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nicht mehr vorlägen. Das BSG wies die Revision der Kläger mit Urteil vom 09.12.2016 zurück (B 8 SO 1/15 R). Die Klage sei unzulässig gewesen, da der Bescheid vom 29.07.2010 gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 21 SO 190/09 geworden sei. Nachdem dieses Verfahren durch Rücknahme der Berufung beendet worden sei, sei auch der Bescheid vom 29.07.2010 in Bestandkraft erwachsen. Eine zulässige Klage könne daher erst dann erhoben werden, wenn zuvor ein neues Verwaltungsverfahren zur Überprüfung des bestandskräftigen Bescheids durchgeführt worden sei.

Die Kläger beantragten am 23.12.2016 nach § 44 SGB X die Rücknahme des Bescheides vom 29.07.2010, hilfsweise eine erneute Zahlung Sozialhilfe. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.02.2017 ab, der Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2017 zurückgewiesen.

Die Kläger haben am 01.06.2017 Klage bei dem Sozialgericht Köln erhoben. Diese ist mit Urteil vom 14.06.2019 abgewiesen worden, das Sozialgericht hat sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und das Urteil des 20. Senates in dem Verfahren L 20 SO 484/11 bezogen. Das Urteil ist dem Zustellungsbevollmächtigten am 19.08.2019 zugestellt worden.

Dagegen haben die Kläger am 10.09.2019 Berufung eingelegt. Sie gehen weiter davon aus, der Aufhebungsbescheid vom 29.07.2010 sei rechtswidrig. Jedenfalls sei ihnen ab Dezember 2016 wieder Sozialhilfe für Deutsche im Ausland zu bewilligen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2019 zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 09.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, seinen Bescheid vom 29.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 zurückzunehmen,

hilfsweise ihnen ab Dezember 2016 Leistungen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht erhobene (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 SGG) Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid vom 09.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2017 ist rechtmäßig.

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 09.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2017 mit dem der Beklagte den Antrag der Kläger auf Rücknahme des Bescheides vom 29.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 und den hilfsweisen Antrag auf erneute Bewilligung von Sozialhilfe ab Dezember 2016 ablehnte.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Klage nicht nur von dem Kläger zu 1, sondern auch von den Klägern zu 2 und 3 erhoben worden. Das im Streitgegenstand identische Verfahren L 9 SO 484/11 ist von den drei Klägern geführt worden. Der über § 44 SGB X zu Überprüfung gestellte Aufhebungsbescheid vom 29.07.2010 ist ausdrücklich an die „Eheleute“ gerichtet und betrifft – ebenso wie der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 – ausdrücklich Leistungen für „Sie und Ihre Familie“, also alle drei Haushaltsangehörigen. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb nun das Verfahren ausschließlich Leistungen des Klägers zu 1 betreffen sollte. Die Klage der zum damaligen Zeitpunkt noch unvertretenen Kläger ist daher im Wege der Meistbegünstigung (BSG Urteil vom 23.03.2021 – B 8 SO 16/19 R mwN) so auszulegen, dass sie von allen drei Klägern erhoben wurde. Das gilt auch für das Berufungsverfahren. Zwar nennt der Berufungsschriftsatz – entsprechend dem fehlerhaften Rubrum des Sozialgerichts – nur den Kläger zu 1. Hierbei handelt es sich aber um eine unbeachtliche – weil für beide Seiten erkennbare – Falschbezeichnung. Zudem nimmt der Bevollmächtigte in der Berufungsbegründung Bezug auf die Verhältnisse der Klägerin zu 2 und er stellt dar, dass die „Eheleute N“ in Spanien keine Sozialhilfe erhalten könnten.

Es ist unschädlich, dass das Sozialgericht nur über die Ansprüche des Klägers zu 1 entschieden hat. Nach der Rechtsprechung des BSG kann ein Verfahrensgegenstand – über ein Rechtsmittel des durch die Nichteinbeziehung Beschwerten – in die nächste Instanz "heraufgeholt" werden, wenn alle Beteiligten zugestimmt haben. Diese Zustimmung kann auch konkludent erfolgen (BSG Beschluss vom 18.12.2019 – B 14 AS 317/18 B). So liegt der Fall hier, denn die Kläger haben im Berufungsverfahren ausdrücklich moniert, dass nur über die Ansprüche des Klägers zu 1 entschieden wurde, und der Beklagte ist dem nicht entgegen getreten.

Mit dem Hauptantrag begehren die Kläger die Rücknahme des Aufhebungsbescheides vom 29.07.2010 im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Insoweit ist die von den Kläger erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft. Die Anfechtungs- und Leistungsklage ist für den zulässigen Hilfsantrag statthaft.

2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 29.07.2010. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn der Bescheid vom 29.07.2010 ist rechtmäßig.

Der Bescheid vom 29.07.2010 ist formell rechtmäßig. Der Beklagte war als für die Erbringung der in Rede stehenden Leistungen gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 SGB XII sachlich und örtlich zuständiger überörtlicher Sozialhilfeträger auch für die Entscheidung nach § 48 SGB X zuständig (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 1 iVm § 44 Abs. 3 SGB X). Seine örtliche Zuständigkeit beruht darauf, dass der Kläger zu 1 als ältestes Familienmitglied in Düsseldorf und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten geboren ist (vgl. § 24 Abs. 4 Satz 2 iVm Abs. 5 Satz 1 SGB XII).

Ungeachtet des Umstands, dass eine unterbliebene Anhörung einen Aufhebungsanspruch nach § 44 SGB X ohnehin nicht begründen kann (BSG Urteil vom 19.02.2009 – B 10 KG 2/09 R), ist der Anhörungsmangel gem. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden, denn den Klägern wurde im Widerspruchsverfahren zu allen wesentlichen Tatsachen, auf welche der Beklagte seine Entscheidung gestützt hat, rechtliches Gehör gewährt.

Der Bescheid vom 29.07.2010 ist auch materiell rechtmäßig, denn der Beklagte konnte die Aufhebung der Bewilligungsbescheide zum 01.11.2010 auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X stützen. Der 20. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen hat dazu in seinem Urteil vom 10.11.2014 in dem Verfahren L 20 SO 484/11 ausgeführt:

„Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X sind erfüllt. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

a) Es handelt sich bei dem zuletzt - für die Zeit ab dem 01.04.2010 - ergangenen Bewilligungsbescheid vom 03.03.2010 in der Fassung des Bescheides vom 10.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2010, welchen der Beklagte durch die hier angefochtenen Bescheide zum 01.11.2010 aufgehoben hat, um einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (s.o.).

Dass der Beklagte in dem (Ausgangs-)Bescheid vom 03.03.2010 darüber hinaus (nahezu) sämtliche früheren Leistungsbescheide aufgehoben hat, mit welchen er den Klägern in dem Zeitraum seit Januar 2007 Sozialhilfe zuerkannt hat, ist unschädlich. Diese Aufhebung geht - ebenso wie die eines (auch nach dem Vorbringen des Beklagten) nicht existenten Bescheides vom 20.04.2009 - lediglich "ins Leere"; denn die früheren Bewilligungsbescheide wurden bereits durch die nachfolgend ergangenen Leistungsbescheide, mit denen die Leistungen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland jeweils für spätere Zeiträume "neu festgesetzt" wurden, konkludent aufgehoben.

b) In den tatsächlichen bzw. rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 03.03.2010 in der Fassung des Bescheides vom 10.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2010 vorgelegen haben, ist insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als die Voraussetzungen des § 24 SGB XII (jedenfalls) zum 01.11.2010 entfallen sind.

Nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland wegen eines der in § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 SGB XII genannten Hinderungsgründe nicht möglich ist (vgl. § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII). Dabei richten sich Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und Vermögens nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland (§ 24 Abs. 3 SGB XII). Leistungen in das Ausland werden nicht erbracht, soweit sie von dem hierzu verpflichteten Aufenthaltsland oder von anderen erbracht werden oder zu erwarten sind (§ 24 Abs. 2 SGB XII).

aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X allerdings - ohne dass es hierauf letztlich ankommt - nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die Klägerin zu 2 (und damit die gesamte Familie) nach den Feststellungen des Senats in dem anhängig gewesenen Parallelverfahren (L 20 SO 481/11) bereits in dem dort streitbefangenen Zeitraum (von 2008 bis 2010) nicht im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII an einer Rückkehr nach Deutschland gehindert war. Bestand das Rückkehrhindernis schon im Zeitpunkt des Erlasses der aufgehobenen Bescheide über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 01.04.2010, so ist gerade keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten. Dass sich die tatsächlich bereits anfänglich vorhandene Rückkehrfähigkeit erst später - etwa wie hier nach weiteren Ermittlungen - erwiesen hat, ist unbeachtlich; denn entscheidend sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts (vgl. BSG Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R).

Eine Umdeutung der streitbefangenen Bescheide in einen - bei anfänglicher Rechtswidrigkeit allein in Betracht kommenden - Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X kommt nicht in Betracht. Gleiches gilt unter dem Gesichtspunkt des "Nachschiebens von Gründen" (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21.06.2011 - B 4 AS 21/10 R). Stützt die Behörde ihre Aufhebungsentscheidung (wie hier) auf § 48 SGB X, obwohl § 45 SGB X hätte Anwendung finden müssen, so wäre dies bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit nur dann unbeachtlich, wenn es einer Ermessenentscheidung nicht bedurfte hätte (vgl. BSG, a.a.O.); denn sowohl eine Umdeutung als auch ein Nachschieben von Gründen ist nur denkbar, wenn der Wesensgehalt des Verwaltungsakts hierdurch nicht verändert wird (vgl. zum Nachschieben von Gründen Schütze, a.a.O., Rn. 12 m.w.N., und zur Umdeutung auch § 43 Abs. 3 SGB X). Vorliegend würde der angefochtene Bescheid durch eine Umdeutung bzw. ein Nachschieben von Gründen aber in seinem Wesensgehalt verändert. Denn § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X setzt - abweichend von § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X - auch bei einer Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft die Ausübung von Ermessen voraus; der Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden jedoch kein Ermessen ausgeübt. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null, welche die fehlende Ermessensausübung unbeachtlich erscheinen ließe (vgl. dazu Schütze, a.a.O.), sind zugleich nicht ersichtlich.

bb) In den Verhältnissen, die bei Erlass der hier maßgeblichen, für die Zeit ab April 2010 Leistungen zuerkennenden Bewilligungsbescheide bestanden, ist jedoch insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als seit dem 01.11.2010 Leistungen des Aufenthaltslandes zu erwarten waren (§ 24 Abs. 2 SGB XII). Das gilt für die Klägerin zu 3 nur bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland am 04.11.2010 (dazu weiter unten), für die übrigen Kläger auch darüber hinaus.

(1) Im Sinne dieser Vorschrift "zu erwarten" sind Leistungen, insbesondere der Sozialhilfeträger des Aufenthaltslandes, wenn sie überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 24 Rn. 22; Bieback in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 24 SGB XII Rn. 29). Der Annahme einer niedrigeren Wahrscheinlichkeitsstufe (einfache oder hinreichende Wahrscheinlichkeit) steht die mit § 24 SGB XII intendierte generelle Zielsetzung entgegen, Leistungen für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland ausschließlich in den gesetzlich bestimmten drei Ausnahmefällen (vgl. § 24 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB XII) zu erbringen (Hohm, a.a.O.). Andererseits ist eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit schon nach dem eindeutigen Wortlaut ("zu erwarten") nicht zu verlangen (Hohm, a.a.O.).

Für die Beurteilung, ob Leistungen zu erwarten sind, bedarf es einer gerichtlich überprüfbaren Prognoseentscheidung des Trägers der Sozialhilfe (Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 24 Rn. 51; Bieback, a.a.O., Rn. 29; vgl. ferner Hohm, a.a.O., Rn. 23). Dabei reicht indes die rechtliche Verpflichtung des Aufenthaltslandes zur Leistungserbringung - sei es aufgrund innerstaatlicher Regelungen des Landes oder aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen - nicht aus. Weigert sich das Aufenthaltsland rechts- oder vertragswidrig, Fürsorgeleistungen zu erbringen, so greift der Anspruchsausschluss nach § 24 Abs. 2 SGB XII nicht ein (Hohm, a.a.O., Rn. 24; Bieback, a.a.O., Rn. 31 m.w.N.; vgl. ferner Coseriu, a.a.O., Rn. 52 für den Fall, dass eine öffentliche Stelle Leistungen abgelehnt hat); denn derartige Leistungen müssen auch tatsächlich erwartbar sein. Hat der Betroffene Sozialhilfeleistungen im Ausland schon nicht beantragt, obwohl ein Anspruch hierauf besteht, so sind Leistungen nach § 24 Abs. 2 SGB XII hingegen nicht zu erbringen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 09.03.2011 - L 12 SO 634/10 B ER; ferner Bieback, a.a.O., Rn. 31); denn dann hat der Betroffene nicht alles ihm Zumutbare getan, um seinen Leistungsanspruch zu verwirklichen.

Ausgehend von der insoweit zu treffenden Prognoseentscheidung war es vorliegend schon im Zeitpunkt der Leistungseinstellung überwiegend wahrscheinlich, dass den Klägern nach fünfjährigem dauerhaften Aufenthalt in Spanien (am 22.07.2010) und damit auch ab dem 01.11.2010 Anspruch auf spanische Sozialhilfe zustand. Es lässt sich zudem (auch in der Rückschau) nicht feststellen, dass die spanischen Behörden den Klägern entsprechende Leistungen trotz Antragstellung rechts- oder vertragswidrig versagt hätten.

(a) Es spricht mehr dafür als dagegen, dass die Kläger spätestens ab dem 01.11.2010 spanische Sozialhilfe beanspruchen konnten. Dabei kommt es lediglich darauf an, dass die Kläger seither die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllten, ihnen spanische Sozialhilfe also dem Grunde nach mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit zustand. Dass sie - insbesondere unter Berücksichtigung etwaiger eigener Einkünfte - auch der Höhe nach leistungsberechtigt, also bedürftig waren, ist hingegen nicht erforderlich; denn Art und Maß der Leistungserbringung richten sich gemäß § 24 Abs. 3 SGB XII nach den Verhältnissen des Aufenthaltslandes. Leistungen, die über Art und Umfang der Leistungen in Spanien hinausgehen, muss der deutsche Sozialhilfeträger daher grundsätzlich nicht erbringen. Den Betroffenen steht kein Wahlrecht zwischen der Sozialhilfe nach § 24 SGB XII und Leistungen nach den rechtlichen und sonstigen Verhältnissen des Aufnahmelandes zu (vgl. zu letzterem u.a. Hohm, a.a.O., Rn. 21 und BT-Drucks. 15/176 S. 6).

Zu Recht ist der Beklagte im Rahmen seiner Prognoseentscheidung davon ausgegangen, dass die Kläger (spätestens) zum 01.11.2010 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dem Grunde nach die Voraussetzungen für den Erhalt spanischer Sozialhilfe erfüllten; denn sie hielten sich seit dem 21.07.2005 und damit zum 01.11.2010 bereits über einen Zeitraum von fünf Jahren in G (Ibiza) auf und waren dort gemeldet. Entgegen dem Vorbringen der Kläger setzt spanische Sozialhilfe auch nicht voraus, dass der Betroffene Beiträge zur dortigen Rentenversicherung oder zu einem sonstigen dortigen Sozialversicherungssystem entrichtet hat. Es bedarf vielmehr - neben der Antragstellung und einer Anmeldung - lediglich eines Mindestaufenthalts in Spanien, der sich an dem damaligen Wohnort der Kläger jedenfalls nach der Verwaltungspraxis der örtlichen Behörden auf fünf Jahre belief.

(aa) Dass es sich bei der spanischen Sozialhilfe um eine beitragslose Leistung handelt, steht insbesondere nach den übereinstimmenden Auskünften der Spanischen Botschaft in Berlin vom 01.07. und 19.11.2010, der Deutschen Botschaft in Madrid vom 27.07.2010 sowie des Deutschen Generalkonsulats Barcelona vom 08.03.2010 fest, welche der Beklagte im Verwaltungsverfahren beigezogen hat und die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat. Die Richtigkeit der dortigen Angaben wird durch die im Berufungsverfahren beigezogene Auskunft der Spanischen Botschaft in Berlin vom 23.05.2012 bestätigt. Danach handelt es sich bei der spanischen Sozialhilfe (= auf den Balearen "renta minima de inserción", in Andalusien "salario social") um eine Leistung, die von der jeweiligen regionalen Regierung geregelt und bewilligt wird, und die lediglich eine Meldung, z.T. auch eine Wohnsitznahme in der jeweiligen Provinz für eine gewisse Dauer, nicht hingegen die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen bzw. die vorherige Ausübung einer Erwerbstätigkeit erfordert.

In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob Hilfebedürftige, die (wie zunächst die Kläger) auf den Balearen wohnen, nicht - wie in anderen Provinzen Spaniens - erst nach fünfjährigem Aufenthalt, sondern bereits sechs Monate nach Wohnsitznahme spanische Sozialhilfe beanspruchen können (so die Auskunft der Spanischen Botschaft vom 23.05.2012). Gleiches gilt für die Frage, ob es eines Mindestaufenthalts in der jeweiligen Provinz bei Minderjährigen bzw. solchen Personen, die Minderjährige unterhalten, nicht bedarf (vgl. die Auskunft der Spanischen Botschaft vom 19.11.2010); denn der Senat hält es im Hinblick auf die Auskünfte der Sozialbehörde am damaligen Wohnort der Kläger (G) für überwiegend wahrscheinlich, dass die Kläger - unabhängig von einer etwaigen früheren Leistungsverpflichtung der Regionalregierung - erst nach fünfjährigem Aufenthalt auf Ibiza tatsächlich Zugang zum spanischen Sozialhilfesystem hätten erhalten können. Denn bereits unter dem 27.01.2006 hatte die Stadt G dem Beklagten insofern mitgeteilt, dass eine beitragsunabhängige "Rente", welche für die Klägerin zu 2 allein in Betracht komme, einen legalen Aufenthalt auf spanischem Territorium von mindestens fünf Jahren voraussetze. An der diesbezüglichen Verwaltungspraxis der örtlichen Behörden hat sich nachfolgend nichts geändert. Der Senat entnimmt dies der in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen, ebenfalls urkundenbeweislich verwerteten E-Mail eines Mitarbeiters des Deutschen Generalkonsulats in Barcelona vom 08.03.2010, welche den entsprechenden Inhalt eines Telefonats mit der zuständigen Sozialbehörde in G wiedergibt.

Keine andere Beurteilung ergibt sich im Übrigen im Hinblick auf das EFA vom 11.02.1953, dem sowohl Spanien als auch Deutschland beigetreten sind. Auch aus Art. 1 EFA hatten die Kläger "dem Grunde nach" Leistungen erst nach fünfjährigem Aufenthalt von den örtlichen Behörden zu erwarten. Zwar entsprechen Voraussetzung, Art und Umfang der Fürsorgeleistungen nach Art. 1 EFA den Leistungen, die den eigenen Staatsangehörigen gewährt werden. Auch diese Leistungen werden nach den Erfahrungen des Deutschen Generalkonsulats jedoch (tatsächlich) erst nach fünfjährigem dortigen Aufenthalt erbracht (vgl. die in den Verwaltungsvorgängen befindliche Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 09.09.2009).

Dass die Klägerin zu 2 von der örtlichen Sozialbehörde bereits zuvor vorübergehend (von Dezember 2008 bis April 2009) Gutscheine zum Erwerb von Lebensmitteln und Hygieneartikeln erhalten hat, lässt eine andere Beurteilung nicht zu; denn es handelte sich dabei - der Auskunft der Stadtverwaltung G vom 21.04.2009 folgend - offenbar um eine freiwillige Leistung im Sinne einer Nothilfe ("Primärversorgung"), welche der Klägerin zu 2 u.a. aufgrund ihrer gesundheitlichen Lage gewährt wurde.

Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kläger nach ihrem Umzug von Ibiza nach U (Andalusien) im Oktober 2011 dem Grunde nach keinen Anspruch mehr auf spanische Sozialhilfe gehabt hätten; denn nach der zweitinstanzlich eingeholten Auskunft der Spanischen Botschaft in Berlin vom 23.05.2012 setzt die Gewährung spanischer Sozialhilfe an Familienverbände in Andalusien - neben Bedürftigkeit - lediglich voraus, dass die Familie unter derselben Anschrift in Andalusien gemeldet ist und bereits ein Jahr oder länger vor Antragstellung eine Familie bildete. Diese Voraussetzung erfüllten die Kläger zu 1, 2 und 4 jedoch schon im Zeitpunkt ihres Umzugs.

(bb) Die von den Klägern im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen und Bescheinigungen spanischer Stellen sind nicht geeignet, die Richtigkeit der erwähnten Auskünfte in Zweifel zu ziehen. Ihnen lässt sich schon nicht entnehmen, dass die spanische Sozialhilfe über die genannten Voraussetzungen hinaus eine zuvor ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung bzw. die Entrichtung von Beiträgen erfordert.

Soweit verschiedene öffentliche Stellen in Spanien in den übersandten Bescheinigungen schriftlich bestätigen, dass die Kläger zu 1 und 2 von dort keine Leistungen beziehen bzw. bezogen haben und auch nicht bezugsberechtigt sind, betreffen diese Schreiben/Auskünfte entweder nicht die spanische Sozialhilfe (so das Schreiben des Leiters des Büros für Leistungen des Arbeitsamtes des öffentlichen Dienstes, Hauptstelle Ibiza, vom 13.10.2010, des Direktors der Leistungsabteilung der öffentlichen Stelle für Arbeit, Leistungsabteilung Ibiza, vom 10. oder 13.10.2010, die Bescheinigung des Regionalleiters des Nationalen Instituts für Soziale Angelegenheiten, Regionaldirektion der Balearen, vom 03.12.2010, die Auskunft der Abteilung für Arbeit und Migration der Botschaft von Spanien - wohl - aus August 2009, das Schreiben des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Hauptschatzamt der Sozialversicherung, vom 02.10.2012, das Schreiben des Staatssekretariats für soziale Angelegenheiten des Ministeriums für Arbeit und Immigration vom 05.10.2012, der Auszug aus www.spanienclub.de und die Arbeitshilfe des Deutschen Caritasverbandes). Oder sie geben keine Auskunft darüber, aus welchen Gründen die Kläger keine Sozialhilfe erhalten (so die Bescheinigung des Leiters des Amtes für Unterstützungsleistungen beim Amt für Soziales, Förderung und Immigration, Balearen, vom 07.12.2010).

Ebenso wenig lässt das Schreiben der Regierung der Balearen (Ministerium für soziale Angelegenheiten, Förderung und Einwanderung, Generaldirektion für soziale Betreuung) mit Registrierung vom 15.10.2010 den Rückschluss zu, dass spanische Sozialhilfe nur gewährt wird, wenn zuvor (Sozialversicherungs-)Beiträge erbracht wurden. Zwar wird darin die Bearbeitung eines Antrags des Klägers zu 1 auf "soziale Leistungen" mit der Begründung abgelehnt, dass er weder in der dortigen Gemeinde noch in Spanien Sozialversicherungsbeiträge geleistet habe. Es ist jedoch schon nicht erkennbar, dass sich das Schreiben auch zu den Voraussetzungen der spanischen Sozialhilfe verhält. Zudem lag der Auskunft - dem Schreiben der Regierung der Balearen (Ministerium für Familie und Soziale Dienste) vom 12.03.2014 folgend - kein Antrag des Klägers zu 1 auf spanische Sozialhilfe zugrunde. Nach der dem Schreiben beigefügten Empfangsbestätigung der Regierung der Balearen vom 17.09.2010 handelte es sich vielmehr um einen allgemeinen, bei der Arbeitsvermittlung der Balearen in Ibiza gestellten, an "sonstige Verwaltungsbehörden" gerichteten Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung, aus der hervorgehen sollte, ob der Kläger zu 1 bzw. die Familie Anspruch auf Erhalt von Leistungen besitze oder diese zu irgendeinem Zeitpunkt in Spanien bezogen habe.

Soweit der Direktor des Nationalen Instituts der sozialen Sicherheit, Provinzverwaltung von Malaga, Ministerium für Arbeit und Soziales, unter dem 05.10.2012 bescheinigt, dass der Kläger zu 1 im Register für öffentliche Sozialangelegenheiten nicht als Berechtigter auf "Leistungen des sozialen Sicherungssystems sowie anderer allgemeiner staatlicher Sozialleistungen" aufgeführt wird, bleibt schon unklar, um welche Leistungen es sich hierbei konkret handelt. Zudem lässt der Umstand, dass der Kläger zu 1 nicht als Berechtigter in dem dortigen Register geführt wird, nicht den Schluss zu, dass er die Voraussetzungen für den Erhalt der spanischen Sozialhilfe nicht erfüllt.

Soweit die Kläger ferner auf angeblich inzwischen berichtigte Hinweise auf der Homepage der Deutschen Botschaft in Madrid Bezug nehmen, nach denen der spanische Staat für die Kläger nicht zuständig und von dort keine Hilfe zu erwarten sei, lässt sich dies dem Internetauftritt der Deutschen Vertretungen in Spanien (Stand November 2012; unter www.madrid.diplo.de/Vertretungen/madrid/de/05/Leben und Arbeiten) nicht entnehmen. Danach können vielmehr auch Residenten aus einem EU-Mitgliedstaat spanische Sozialhilfe beanspruchen, wenn auf Arbeitslosengeld oder -hilfe kein Anspruch (mehr) besteht.

Einzig die "Europa-Beratung" führt in einer E-Mail vom 29.02.2012 zwar aus, dass Anspruch auf spanische Sozialhilfe nur bestehe, wenn zuvor Beiträge in das spanische Sozialsystem geleistet worden seien. Diese allgemeine Behauptung ist jedoch nicht geeignet, die Richtigkeit der hiervon abweichenden und im Wesentlichen übereinstimmenden Auskünfte der sachnäheren Deutschen bzw. der Spanischen Botschaft sowie der örtlichen Sozialbehörde in G zu erschüttern. Das gilt umso mehr, als die Europa-Beratung in ihrer E-Mail selbst darauf hinweist, dass es sich bei ihr um einen unabhängigen Ratgeber handele, der nicht die Auffassung der Europäischen Kommission, einer anderen Einrichtung der EU oder ihrer Mitarbeiter widerspiegele.“

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage an. Ein Anspruch auf spanische Sozialhilfe ergibt sich bereits aus dem EFA. Spanien ist Unterzeichnerstaat des EFA und aus diesem – ebenso wie Deutschland – verpflichtet. Es hat – anders als zB Deutschland zum SGB II – keinen Vorbehalt zum EFA erklärt. Nach Art. 1. des Abkommens verpflichtet sich jeder der Vertragschließenden, den Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge (im Folgenden als "Fürsorge" bezeichnet) zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. Das gilt gem. Art. 6 und 7 des Abkommens uneingeschränkt jedoch erst nach Ablauf von fünf Jahren bzw. nach 10 Jahren, wenn die Einreise nach der Vollendung des 55. Lebensjahres erfolgt ist, da zuvor die Möglichkeit besteht, den Staatsangehörigen des anderen Landes bei der Inanspruchnahme von Sozialhilfe auszuweisen. Der Kläger zu 1 ist erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres nach Spanien gezogen, so dass er selbst zwar noch (innerhalb von zehn Jahren) nach Deutschland hätte ausgewiesen werden können, dies gilt jedoch nicht für die Klägerinnen zu 2 und 3, die nach fünf Jahren vor einer Ausweisung geschützt waren. Von diesem Schutz hätte gem. Art. 7b EFA auch der Kläger zu 1 profitiert. Dies spricht dafür, dass – wie auch vom 20. Senat dargelegt – den Klägern nach der Praxis der spanischen Behörden ein (risikoloser) Fürsorgeanspruch (erst) nach fünf Jahren zustand. Für die Behauptung des Klägers, ein Zugang zur spanischen Fürsorge setze voraus, dass man dort „eingezahlt“ habe, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Eine solche Auffassung/Praxis würde gegen Art. 1 EFA verstoßen und könnte erfolgreich gerichtlich angegriffen werden. Damit stellt der Ablauf des Fünfjahreszeitraums eine wesentliche Änderung hinsichtlich des Leistungsanspruchs dem Grunde nach dar.

Der Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB X steht auch nicht entgegen, dass der Bewilligungsbescheid vom 03.03.2010 in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig war. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Leistungshöhe, denn der Beklagte hätte sich bei der Bewilligung an der spanischen Sozialhilfe orientieren müssen. Nach den Feststellungen des 20. Senates beliefen sich die Höchstsätze der spanischen Sozialhilfe im Jahr 2010 bei einem Dreipersonenhaushalt auf 555 € EUR (370 € für den Haushaltsvorstand, die folgende Person 111 € und für jede weitere Person 74 €), bei einem Vierpersonenhaushalt somit auf 629 €. Hinzu kommt eventuell ein Mietanteil, der sich im Hinblick auf eine in Spanien vorausgesetzte "Großfamilien-Mentalität" und einem damit verbundenen kostenfreien Wohnen im Familienverbund bei einer vierköpfigen Familie auf einen Betrag i.H.v. 100 € bis 200 € beschränkt (so die Auskunft der deutschen Botschaft in Madrid vom 30.04.2010). Daraus folgt ein Höchstbetrag einschließlich von Unterkunftskosten für eine vierköpfige Familie von ca. 830 €, demgegenüber hat der Beklagte seinem Bewilligungsbescheid einen Bedarf von 1.744 € zugrunde gelegt, also mehr als das Doppelte. Der Bescheid vom 03.03.2010 war darüber hinaus rechtswidrig, weil der Beklagte das Kinder- und Pflegegeld nicht auf die Leistungen angerechnet hat. Denn nach den Feststellungen des 20. Senates werden in Spanien sämtliche Zahlungen aus Deutschland – mithin auch das Kinder- und Pflegegeld – als Einkommen gewertet und von einer in Spanien gezahlten Hilfe in Abzug gebracht.

Bei einer tatsächlichen Änderung in den Verhältnissen kann auch ein rechtswidriger Bescheid, der auf einer fehlerhaft angenommenen Leistungsvoraussetzungen beruht, nach § 48 SGB X aufgehoben werden. Denn § 48 SGB X unterscheidet nicht danach, ob der Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X liegen deshalb auch vor, wenn die tatsächliche Änderung jene Leistungsvoraussetzung betrifft, die rechtsfehlerhaft zur Leistungsbewilligung geführt hat (BSG Beschluss vom 19.07.2010 – B 8 SO 22/10 B mwN). Die Beklagte konnte daher auch die rechtswidrige Bewilligung aufgrund des nach Ablauf von fünf Jahren dem Grunde nach gegebenen Anspruchs auf spanische Sozialhilfe nach § 48 SGB X aufheben, denn dies stellt eine wesentliche Änderung dar (zur Unterscheidung zwischen einer nach § 45 SGB X geschützten fehlerhaft festgestellten Leistungshöhe einerseits und Aufhebungen nach § 48 SGB X zugänglichen Änderungen bei den Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach andererseits vergl. BSG Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 6/12 R).

3. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.

Die Kläger haben am 23.12.2016 einen neuen Antrag auf Sozialhilfe gestellt, der gem. § 24 Abs. 4 SGB XII vorausgesetzt wird. Die Kläger erfüllen jedoch ab Dezember 2016 nicht mehr die Voraussetzungen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist:1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, 2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder 3. hoheitliche Gewalt.

Es kann offen bleiben, ob die Kläger an der Rückkehr in das Inland aus einem von den in § 24 Abs. 1 SGB XII genannten Gründen gehindert waren oder sind. Insoweit kommt nur die Schwere der Pflegebedürftigkeit der Klägerin zu 2 nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 in Betracht, die auch die anderen Kläger aufgrund von Art. 6 GG ebenfalls an der Rückkehr hindern würde (vgl. Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, 04/20, § 24 SGB XII, Rn. 34). Es kommt bei der Prüfung, ob stationäre Behandlungsbedürftigkeit oder Pflegebedürftigkeit iS des § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XII an einer Rückkehr hindert, nicht auf die Zumutbarkeit der Rückkehr, sondern ausschließlich auf die Unmöglichkeit einer Rückkehr aus objektivierbaren (medizinischen) Gründen an. Die Schwere der Pflegebedürftigkeit stellt nur dann ein Rückkehrhindernis iS des § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XII dar, wenn Art und Ausmaß der erforderlichen Pflege einen Rücktransport nicht zulassen. Darüber hinaus kann das Merkmal der Unmöglichkeit der Rückkehr auch dann erfüllt sein, wenn eine Rückkehr einen Schaden hervorruft, der bei wertender Abwägung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 24 SGB XII ein Rückkehrverlangen der Behörde schlechthin ausschließt, etwa wenn im Falle einer Rückkehr schwere gesundheitliche Schäden zu erwarten sind (vgl. BSG Urteil vom 21.09.2017 – B 8 SO 5/16 R).

Im vorliegenden Verfahren bestehen Zweifel, dass die Klägerin zu 2 diese Voraussetzungen erfüllt, denn sie ist im Jahr 2011 gemeinsam mit den beiden anderen Klägern vorübergehend nach Deutschland zurückgekehrt, nachdem der Beklagte die Leistungsbewilligung aufgehoben hatte. Darüber hinaus haben sie in dem Verfahren S 42 SO 398/19 ER vor dem Sozialgericht Köln selbst beantragt, dass die Kosten für einen Ambulanzjet übernommen werden, damit sie sich in Deutschland einer zahnärztlichen Behandlung unterziehen kann. Demnach wäre nicht davon auszugehen, dass die Rückkehr in das Inland aus medizinischen Gründen unmöglich ist. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, denn ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland scheitert schon aus anderen Gründen. Der Senat musste daher auch nicht das nach § 109 SGG beantragte Gutachten zur Reisefähigkeit der Klägerin einholen, da diese Tatsachen nicht erheblich sind. Als Ausnahme von der fehlenden Bindung an Beweisanträge regelt § 109 SGG die Pflicht des Gerichts, unter den dort näher genannten Voraussetzungen dennoch einen „bestimmten“ Arzt gutachtlich zu hören. Die Ausnahmeregelung soll aber nicht von dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz entbinden, dass nur über solche Tatsachen Beweis zu erheben ist, die für die Entscheidung erheblich sind (BSG Urteil vom 20.04.2010 − B 1/3 KR 22/08 R). Das ist vorliegend nicht der Fall, denn der Anspruch auf Sozialhilfe für Deutsche im Ausland scheitert schon aus anderen Gründen.

Die Kläger haben ab Dezember 2016 keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe für Deutsche im Ausland, denn es lag und liegt keine außergewöhnliche Notlage vor. Da in Durchbrechung des völkerrechtlich anerkannten Territorialprinzips nur ausnahmsweise Leistungen gewährt werden sollen, um in Not geratene Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland anders als durch die Ermöglichung einer Rückkehr zu unterstützen, ist der Begriff der außergewöhnlichen Notlage restriktiv auszulegen. Gemeint sind besondere Umstände, die sich ihrer Art nach von Situationen, die im Inland einen sozialhilferechtlichen Bedarf hervorrufen, deutlich abheben. Bezogen auf die Leistungen zur Sicherung der physischen Existenz (also Leistungen für Nahrungsmittel und Getränke, Bekleidung, Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung sowie Gesundheit) müssen besondere Lebensumstände in der Person des Leistungsberechtigten vorliegen, die das physische Existenzminimum konkret und unmittelbar gefährden. Da die um Sozialhilfe nachsuchende Person im Fall des § 24 Abs. 2 SGB XII ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hat, ist die außergewöhnliche Notlage nicht allein und in erster Linie durch das vom Gesetzgeber für das Inland bestimmte Existenzminimum geprägt, das an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen in Deutschland ausgerichtet ist. Schon die Frage nach der außergewöhnlichen Notlage bestimmt sich vielmehr auch nach dem allgemeinen Lebensstandard und den Anschauungen im Aufenthaltsland; nur im Ausnahmefall (etwa bei Gefährdung von Leib und Leben durch die im Aufenthaltsland allgemein herrschenden Lebensbedingungen) können diese von vornherein nicht Maßstab sein. Keine Rolle spielt bei Prüfung einer außergewöhnlichen Notlage deshalb auch, wie sich nach Rückkehr im Inland die Lebensverhältnisse darstellen würden und ob insbesondere auch hier Sozialhilfebedürftigkeit bestehen würde; dies wird schon daraus deutlich, dass jede Rückkehrmöglichkeit Ansprüche auf Grundlage von § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ausschließt (vgl. BSG Urteil vom 21.09.2017 – B 8 SO 5/16 R).

Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob eine außergewöhnliche Notlage nur vorliegt, wenn existenzielle Rechtsgüter in erheblicher Weise betroffen sind bzw. eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter droht, insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und/oder die Grundvoraussetzungen einer menschenwürdigen Existenz, betroffen sind (so LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 11.08.2014 – L 20 SO 481/11). Denn jedenfalls wenn das soziokulturelle Existenzminimum gedeckt ist, liegt keine außergewöhnliche Notlage vor.

Maßstab für die Bedarfsdeckung sind die im Ausland gewährten Sozialleistungen, denn nach § 24 Abs. 3 SGB XII richten sich Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und des Vermögens nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland. Demnach ist die Bedarfsdeckung ab Dezember 2016 anhand der beitragsunabhängigen Altersrente (pension de jubilación no contributiva) zu messen. Diese Leistung, die auch Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedsstaaten von der spanischen Sozialversicherung INSS beanspruchen können, soll für die für ältere Bürgerinnen und Bürger die Sozialhilfe ersetzen (vgl. Merkblatt Sozialhilfe in Spanien, abrufbar unter spanien.diplo.de).Der Kläger zu 1 hatte im Dezember 2016 bereits das 65. Lebensjahr vollendet, so dass für ihn nur noch diese Leistung in Betracht kam und nicht mehr die spanische Sozialhilfe. Die Klägerin zu 2 hätte aufgrund ihrer Erwerbsminderung nur noch die vergleichbare beitragsunabhängige Invalidenrente (pension de invalidez no contributiva) beziehen können und ebenfalls keine Sozialhilfe mehr. Dies deckt sich mit der Auskunft, die die Kläger selbst von der Stadtverwaltung A bei einer Vorsprache erhalten haben (Bescheinigung vom 27.01.2006). Die beitragsunabhängige Altersrente wird für 14 Monate gewährt, der Monatsbetrag beläuft sich im Jahr (vgl. Merkblatt Sozialhilfe in Spanien, abrufbar unter spanien.diplo.de)

2016 auf 367,90 € (insgesamt 5.150,60 €)

2017 auf 368,90 € (insgesamt 5.164,60 €)

2018 auf 380,10 € (insgesamt 5.321,40 €)

2019 auf 392,00 € (insgesamt 5.488,00 €)

2020 auf 395,57 € (insgesamt 5.537,98 €)

2021 auf 402,80 € (insgesamt 5.639,20 €)

 

Der Kläger zu 1 hat im Jahr 2016 Renteneinkünfte von der DRV Rheinland iHv 5.351,02 € (2x 437,47 €, 4x 436,49 € und 6x 455,02) € erhalten. Damit ist der Bedarf, der durch die spanische beitragsunabhängige Altersrente definiert wird, gedeckt. Die Rente des Klägers zu 1 ist zum 01.01.2017 auf 454 € festgesetzt worden, zum 01.07.2017 wurde sie auf 462,50 € erhöht, sodass sich im Jahr 2017 ein Gesamtbetrag von 5.499,90 € ergibt, der wiederum oberhalb der spanischen Mindestrente liegt. Zum 01.07.2018 hat sich die Rente auf 477,55 € erhöht, zum 01.01.2019 auf 477,82 €, zum 01.07.2019 auf 493,04, zum 01.07.2020 auf 510,04 und zum 01.03.2021 auf 508,90 €. Damit war der Bedarf in allen Jahren gedeckt.

Weitere Bedarfe des Klägers zu 1 sind nicht ersichtlich, insbesondere war er aufgrund des Rentenbezuges kranken- und pflegeversichert. Als weitere spanische Sozialleistungen kommen lediglich noch Wohnbeihilfen (complemento de vivienda) in Betracht. Diese sind jedoch sehr gering (für 2020 belaufen sie sich auf 525 € im Jahr, vgl. Merkblatt „Ihre Rechte der sozialen Sicherheit in Spanien“ der Europäischen Kommission, abrufbar unter ec.europa.eu). Der zusätzliche Wohnbedarf kann daher aus dem überschießenden Einkommen der Klägerin zu 2 gedeckt werden. Sie bezog im Jahr 2017 Erwerbsminderungsrenten iHv 8.138,88 € (6 x 671,84 € + 6 x 684,64 €) und lag damit deutlich über dem Existenzminimum, das durch die beitragsunabhängige Rente definiert wird.

Damit war der Bedarf der Kläger zu 1 und 2 in der Zeit ab dem 01.01.2016 durch die Renten gedeckt. Der Bedarf der im Jahr 2002 geborenen Tochter wird durch das Kindergeld und das überschießende Renteneinkommen der Mutter gedeckt. Dabei kann offen bleiben, wie der Bedarf der Tochter zu bemessen ist. Selbst wenn man den Bedarf eines Erwachsenen zugrunde legen würde, der durch die Höhe der beitragsunabhängigen Renten definiert wird, wäre er mit dem Kindergeld (ab 2016 190 €) und dem überschießenden Renteneinkommen der Mutter deckt. Auf die Frage, ob auch das Pflegegeld der Klägerin zu 2 zur Bedarfsdeckung einzusetzen ist (bejahend BSG Beschluss vom 04.02.2015 – B 8 SO 1/15 R; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 10.11.2014 – L 20 SO 484/11), kommt es daher nicht mehr an.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf 193 SGG.

IV. Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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