Beschluss:
Auf die Erinnerung vom 10.11.2020 und die Anschlusserinnerung vom 19.11.2020 werden die vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten
auf 791,11 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
I.
Zwischen den Beteiligten ist der Anfall einer (fiktiven) Terminsgebühr Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) streitig sowie der Anfall einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG in Verbindung mit Nr. 1006 VV RVG.
Der Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner ist der mit Beschluss des Sozialgerichts vom 31.07.2019 beigeordnete Bevollmächtigte der Klägerin aus dem Rechtsstreit , in dem die Beteiligten wegen eines Anspruchs auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auf Dauer stritten.
Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gab die Beklagte mit Schreiben vom 07.02.2020 ein Teilanerkenntnis dahingehend ab, dass bei der Klägerin ab 11.09.2018 ein Leistungsvermögen von arbeitstäglich unter 3 Stunden befristet bis zum 31.12.2021 anzunehmen sei und deshalb ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.04.2019 bis 31.12.2021 bestehe. Weiter erklärte sich die Beklagte bereit, der Klägerin 4/5 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner antwortete hierauf mit Schreiben vom 14.04.2020, dass der Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt werde. Angesichts der Mitteilungen des gerichtlichen Sachverständigen sei vielmehr von einem negativen Leistungsbild der Klägerin vor dem 11.09.2018, spätestens aber zu Beginn der Reha-Maßnahme, auszugehen.
Die Beklagte erweiterte daraufhin mit Schreiben vom 06.05.2020 ihr Teilanerkenntnis und erklärte sich bereit, bei der Klägerin ab 31.07.2018 (Datum der Aufnahme in die psychosomatische Fachklinik B1) ein Leistungsvermögen von arbeitstäglich unter 3 Stunden befristet bis zum 31.12.2021 anzunehmen und damit der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung ab 01.02.2019 bis 31.12.2021 eine Rente zu gewähren.
Mit Schreiben vom 10.06.2020 erklärte anschließend der Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner den Rechtsstreit für erledigt und beantragte, im Wege einer Kostengrundentscheidung der Beklagten entsprechend ihres Teilanerkenntnisses vom 07.02.2020 die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in Höhe von 4/5 aufzuerlegen.
Das Gericht teilte dem Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner hieraufhin mit, dass die Beklagte ein Kostenanerkenntnis dem Grunde nach abgegeben habe und sie sich darin bereit erklärt habe die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren zu 4/5 zu erstatten, sodass der Antrag auf Erlass einer Kostengrundentscheidung als erledigt betrachtet werde.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 30.06.2020 beantragte der Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner die vom Erinnerungsgegner und Anschlusserinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf 1.124,31 € festzusetzen. Dies begründete er unter anderem mit dem Anfall einer (fiktiven) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 280,00 € und dem Anfall einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 300,00 €.
Mit Beschluss vom 30.10.2020 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom Erinnerungsgegner und Anschlusserinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf 755,41 € fest.
Angefallen sei zwar neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,00 € auch eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG, nicht jedoch eine Erledigungsgebühr. Erforderlich für die Entstehung einer solchen Gebühr sei nämlich eine Mitwirkung des Rechtsanwalts, die nicht nur allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet sei, sondern gerade auf den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung. Eine besondere Mühewaltung sei jedoch in der Annahme des Teilanerkenntnisses nicht zu erkennen.
Dagegen hat der Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner am 16.11.2020 Erinnerung beim Sozialgericht Augsburg eingelegt.
Lediglich die festgesetzte Verfahrensgebühr gelte die Führung des Verfahrens ab, nicht jedoch die Erledigung des Verfahrens. Sobald der Anwalt bei der Erledigung qualifiziert mitgewirkt habe, das heiße, bei der Entschlussfassung der Partei hinsichtlich der Erledigung mitwirke, entstehe die Erfolgsgebühr, nämlich die Erledigungsgebühr wegen der durch Mitwirkung entstehenden Befriedigung des Rechtsstreits. Vorliegend habe er die Schreiben des Gerichts erst vom 19.02.2020 übermittelt mit der Empfehlung, das erste Angebot gerade nicht anzunehmen. Die Klägerin habe daraufhin erklärt, der Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner möge im eigenen Ermessen handeln. Daraufhin sei im eigenen Ermessensspielraum der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden, nachdem aufgrund des zweiten Schriftsatzes das Teilanerkenntnis der Beklagten ergangen sei, welches nach entsprechender Prüfung anzunehmen gewesen sei, weshalb sich der Rechtsstreit dann ohne Urteil erledigt habe.
Mit Schreiben vom 19.11.2020 hat sodann der Erinnerungsgegner und Anschlusserinnerungsführer ebenfalls Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 30.10.2020 eingelegt.
Diverse Landessozialgerichts (LSG) hätten für die Konstellation einer Erledigungserklärung nach Teilanerkenntnis entschieden, dass dafür eine (fiktive) Terminsgebühr nicht anfalle. Aus Sicht des Erinnerungsgegners und Anschlusserinnerungsführers seien daher vom Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner 321,30 € zu erstatten.
Der Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner hat dazu mit Schreiben vom 21.12.2020 erwidert, dass auch bei einem Teilanerkenntnis nach Meinung in der Literatur die fiktive Terminsgebühr anfalle.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird im Übrigen auf die beigezogene Gerichtsakte aus dem Verfahren Bezug genommen.
II.
Sowohl die Erinnerung als auch die Anschlusserinnerung sind begründet.
1. Anfall einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG
Voraussetzung für die Entstehung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG in Verbindung mit Nr. 1006 VV RVG ist, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtssbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordert sodann die anwaltliche Mitwirkung hierbei ein qualifiziertes erledigungsgerichtetes Tätigwerden das Rechtsanwalts, das über das Maß desjenigen hinausgeht, welches bereits durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialgerichtlichen Widerspruchs- bzw. Klageverfahren abgegolten wird (vergleiche hierzu BSG, Urteil vom 04.02.2013 - B 14 AS 62/12 R - sowie Müller-Rabe in: Gerold /Schmidt, RVG, 24. Aufl., Nr. 1002 VV RVG Rdnr. 40). Zudem muss die Tätigkeit auf die außergerichtliche Erledigung des Verfahrens gerichtet sein.
Vorliegend hat sich der Rechtsstreit dadurch erledigt, dass die Beklagte teilweise den geltend gemachten Rechtsanspruch anerkannt hat, also teilweise den abgelehnten Verwaltungsakt nachgehend erlassen hat. Die Erledigung erfolgte aber nicht bereits durch das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 07.02.2020, sondern erst auf Grundlage des Teilanerkenntnisses vom 06.05.2020. Dass es zu diesem gekommen ist, ist aber auf eine qualifizierte Mitwirkung des Erinnerungsführers und Anschlusserinnerungsgegners zurückzuführen. Dieser hat nämlich unter Auswertung des eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachtens einen eigenen Erledigungsvorschlag dahingehend gemacht, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich zum Zeitpunkt der Aufnahme der Klägerin zur stationären Reha-Maßnahme, von einem rentenberechtigenden Leistungsbild der Klägerin auszugehen sei. Damit hat er nach Ansicht des Gerichts auch zum Ausdruck gebracht, da weitere Einwendungen gegen das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 07.02.2020 nicht erhoben worden sind, dass für ihn bei entsprechender Erweiterung eines Angebots der Beklagten eine außergerichtliche Erledigung in Betracht kommt. Dem Vortrag zum früheren Beginn der rentenberechtigenden Leistungsminderung der Klägerin ist die Beklagte sodann auch mit ihrem Teilanerkenntnis vom 06.05.2020 vollumfänglich gefolgt.
Das Schreiben des Erinnerungsführers und Anschlusserinnerungsgegners vom 14.04.2020 war nach Überzeugung des Gerichts auch daraufhin ausgerichtet, hierdurch eine Erledigung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung zu erreichen. Dies ergibt sich für das Gericht daraus, dass er nach Erweiterung des Teilanerkenntnis der Beklagten im Rahmen des ihm von der Klägerin eingeräumten Ermessensspielraums sodann den ganzen Rechtsstreit auch in der Hauptsache für vollumfänglich erledigt erklärt hat.
Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Erledigungsgebühr nach Nr.1006 VV RVG liegen somit vor.
2. Anfall einer (fiktiven) Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG
Nach der genannten Gebührenziffer entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis endet. Aus diesem Wortlaut wird erkennbar, dass der Gesetzgeber hierdurch Bezug genommen hat auf § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach erledigt das angenommene Anerkenntnis insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache von Gesetzes wegen, also ohne dass es noch weiterer prozessualer Handlungen der Beteiligten bedarf. Auch wird hierdurch ein Vollstreckungstitel gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG geschaffen. Genau diese Wirkungen entfaltet aber ein Teilanerkenntnis nicht, da es für die vollständige Erledigung des Rechtsstreits - und nur diese dient dem Zweck der Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG, nämlich der Entlastung des Gerichts vor mündlichen Verhandlungen (siehe hierzu auch Beschlüsse des BayLSG vom 05.05.2020 - L 12 SF 180/19 - und vom 06.07.2020 - L 12 SF 330/18) - noch einer Erledigungserklärung des Rechtsstreits bedarf. Von der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung wird daher bei Annahme eines Teilanerkenntnisses nicht die Entstehung einer (fiktiven) Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG anerkannt (siehe hierzu Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 15.07.2019 - L 10 SF 1298/19 E-B - sowie Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.01.2020 - L 39 SF 91/17 B E, m.w.N.).
Abgesehen davon, liegt hier auch tatsächlich kein vom Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner angenommenes Anerkenntnis vor. Denn die Annahme stellt wie die Abgabe des Anerkenntnisses eine ausdrückliche Prozesserklärung dar (siehe hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl., Rn. 21). Eine solche ausdrückliche Prozesserklärung ist vom Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner aber nicht abgegeben worden, da er vielmehr mit Schreiben vom 10.06.2020 lediglich den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat.
Die vom Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner angesetzte (fiktive) Terminsgebühr ist somit nicht entstanden.
Damit errechnet sich für den Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner ein Gebührenanspruch in Höhe von insgesamt 791,11 € (Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG: 300,00 € zuzüglich Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 300,00 € sowie Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG und Nr. 7000 VV RVG einschließlich Umsatzsteuer nach Nr.7008 VV RVG).
Der Beschluss ergeht gebühren- und kostenfrei.