Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 16. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenrente nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes (OEG).
Bei der am 3. Januar G. geborenen Klägerin, die im laufenden Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente steht, ist mit Bescheid des beklagten Landes vom 20. Mai 2010 ab April 2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt. Als Funktionsstörung ist dabei „seelische Krankheit, Suchtkrankheit“ zugrunde gelegt.
Im Dezember 2013 beantragte die Klägerin bei dem nunmehr beklagten Land Niedersachsen, ihr Leistungen nach dem OEG zu gewähren. Zur Begründung legte sie eine Tathergangsschilderung vom 25. November 2013 vor. Darin gab sie an, sie sei von Februar bis Mai 2006 in der Wohnung des von ihr beschuldigten H. in Nürnberg festgehalten worden. Dieser habe sie geschlagen, bedroht und vergewaltigt. Er habe sie manchmal über Stunden genötigt und beschimpft. Der Täter habe ihr zwar ihr Handy abgenommen, sie habe jedoch mit einem zweiten Handy, von dem der Täter nichts gewusst habe, Kontakt zu ihrer Mutter gehalten, die aber ebenfalls hilflos gewesen sei, da sie große Angst gehabt habe. Es habe oft ein falsches Wort genügt und der Täter habe sie stranguliert oder durch die Wohnung geprügelt. Sie habe große Angst gehabt zu fliehen, weil der Täter ihr körperlich überlegen gewesen sei und ihr eingetrichtert habe, sie habe keine Chance, zumal sie ohne Ausweispapiere gewesen sei. Ende April habe Sie einen ersten Fluchtversuch unternommen und sich ins I. Frauenhaus begeben. Dort habe sie eine Nacht verbracht. Am nächsten Tag habe sie zum Amt gewollt, um dort ihre Situation zu schildern und Geld zu besorgen. Der Täter habe ihr aufgelauert und sie ins Auto gezogen. Er habe sie daraufhin erneut in seiner Wohnung eingesperrt. Kurze Zeit später sei ihr erneut die Flucht gelungen. Sie sei in die Innenstadt gelaufen und habe sich innerhalb eines Tages eine Wohnung und einen Mietvertrag mit Wohnungsschlüssel besorgt. Sie habe dort übernachtet und sei am nächsten Tag zum Arbeitsamt gegangen und habe die Übernahme der Miete und der Möbel bewilligt bekommen. Der Täter habe aber noch ihren Hund gehabt und auch ihre persönlichen Sachen. Daher sei es zu einem weiteren Kontakt gekommen, bei dem es um die Herausgabe der Sachen gegangen sei. So habe sich der Täter Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft und sie erneut misshandelt. Der Täter habe dann 2-3 Tage bei ihr verbracht. Sodann habe sie in seinem Beisein einen Suizidversuch verübt, indem sie sich aus dem Fenster habe stürzen wollen. Der Täter habe sie davon abgehalten und die Polizei sei eingetroffen, die dieser selbst gerufen habe. Dies sei im Mai 2006 gewesen. Im Polizeiwagen habe sie den Beamten grob geschildert, was sie durchlebt habe – sie hoffe, dies sei im Polizeibericht vermerkt. Die Polizei habe sie in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie im Klinikum J. untergebracht. Der Albtraum sei beendet gewesen. In der Folge habe sie Strafanzeige bei der I. Polizei erstattet. Direkt im Anschluss danach sei sie zur Traumatherapie in die Hochgratklinik gegangen und nie wieder nach J. zurückgekehrt.
Im Januar 2014 stellt die Klägerin einen weiteren Antrag nach dem OEG. Darin machte sie Vorkommnisse in ihrer Ursprungsfamilie zum Gegenstand des Verfahrens. Auch dort sei es zu Tathandlungen im Sinne des OEG gekommen, welche nach wie vor Folgen bei ihr zeigten.
Das Land Niedersachsen leitete den Antrag der Klägerin aufgrund des von ihr angegebenen Tatorts im Jahre 2006 an die zuständige bayerische Verwaltung weiter. Diese führte umfangreiche Ermittlungen durch und zog zahlreiche medizinische Unterlagen über die Krankheitsgeschichte der Klägerin bei. Hieraus ergibt sich unter anderem:
Die Klägerin hatte sich in dem Zeitraum vom 5. November 1998 bis zum 5. Mai 1999 in der K. -Klinik Mecklenburg zur Entwöhnung aufgehalten. Der diesbezügliche Entlassungsbericht war bereits vernichtet worden und findet sich nicht bei den Akten.
In dem Zeitraum vom 2. Dezember bis zum 5. Dezember und vom 13. Dezember 1999 bis zum 4. Januar auf 2000 hatte sich die Klägerin in der Privatnervenklinik Dr. L. in M. zur Entgiftung aufgehalten.
Vom 1. bis zum 26. Juli 2002 war die Klägerin auf der psychiatrisch- psychotherapeutischen Station im Krankenhaus N. behandelt worden.
In dem Zeitraum vom 31. März bis zum 20. Juli 2004 hatte sich die Klägerin in der Klinik für Psychiatrie in Heiligenhafen aufgehalten. In dem dortigen Entlassungsbericht wird unter anderem über aggressive Impulsdurchbrüche der Klägerin berichtet. Die Klägerin habe von Bedrohungs- und Verfolgungsfantasien berichtet. Weiter habe sie berichtet, direkt nach ihrem in Mecklenburg durchgeführten Entzug, sei sie mit Kokain rückfällig geworden.
Die Klinik für Psychiatrie O. berichtet unter dem 22. Juli 2005 über einen Aufenthalt der Klägerin vom 19. Januar bis zum 8. April 2005. In diesem Bericht wird unter anderem eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) der Klägerin erwähnt, die schon bei einem Voraufenthalt aufgefallen sei. Es sei auffällig gewesen, dass die Klägerin den Kontakt zu männlichen Mitpatienten gesucht habe und auch mehrere Beziehungen zu diesen aufgenommen, aber wieder abgebrochen habe.
Dies Bezirkskrankenhaus P. Abteilung Psychiatrie berichtet über einen Aufenthalt der Klägerin am 14. September 2005. Als Diagnosen werden „Alkoholabhängigkeit und Zustand nach Polytoxikomanie“ mitgeteilt. Dasselbe Krankenhaus berichtet sodann unter dem 4. Oktober 2005 über einen Aufenthalt der Klägerin vom 17. bis zum 23. September 2005. Die Klägerin habe sich dort zu Entgiftung aufgehalten; sich dann aber selbst entlassen.
Das Klinikum J., Klinik für Psychiatrie berichtet über einen Aufenthalt der Klägerin vom 20. April bis zum 20. Juni 2006. Die Klägerin sei wegen einer Suizidandrohung aufgenommen worden. Sie habe berichtet, ihr Partner habe sie fast täglich geschlagen. Bei der Aufnahme habe sie angegeben, sie habe heute Schluss gemacht und wolle nicht mehr leben. In ihrer Kindheit habe ihre Mutter sie mit einem Messer bedroht und zu Alkohol verleitet. Weiter heißt es, nachdem sich in der vorangegangenen Beziehung der Klägerin Streit und einander verstehen abgewechselt hätten, sei die Beziehung vom Partner beendet worden. Die Klägerin sei bereits auf der Station eine neue Beziehung eingegangen.
Im Anschluss hat sich die Klägerin vom 20. Juni bis zum 27. Juli 2006 in der Hochgratklinik in Q. aufgehalten. Anlässlich der Erhebung ihrer biografischen Anamnese hat die Klägerin bei diesem Klinikaufenthalt nichts zu den hier an angeschuldigten Vorfällen in Nürnberg angegeben. In dem Entlassungsbericht vom 22. Januar 2014 heißt es, die Klägerin sei begabt zum Schauspielern. Hinter der Fassade einer freundlich – unbedarften mädchenhaften jungen Frau zeigten sich durchaus gerissen – berechnende Züge.
Das Klinikum R. – psychiatrische Abteilung berichtet unter dem 7. August 2007 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 3. bis zum 26. Juli 2007, der der Entgiftung der Klägerin gedient habe. Sie sei wegen Angstzuständen und Panikattacken seit der Kindheit in Behandlung. Seit August 2006 sei sie in Braunschweig der Prostitution nachgegangen. Von einer PTBS ist in diesem Bericht nicht die Rede.
Die Psychiaterin Dr. S. berichtete in ihrem Befundbericht vom 23. Januar 2014 über die Behandlung der Klägerin von August 2007 bis Mai 2008. Als Diagnosen notierte sie: Benzodiazepinabhängigkeit, Zustand nach Polytoxikomanie, emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwer, Panikstörung. Dort habe die Klägerin angegeben, sie sei als Prostituierte tätig. Die letzte Psychotherapie habe sie 1996 absolviert. Seit Jahren sei eine Borderline Persönlichkeitsstörung bekannt, außerdem immer wieder auftretende Depressionen und Panikattacken. Es sei zu zunehmenden Angstsymptomen und Panikattacken gekommen – ohne spezielle Auslösesituationen.
Der Neurologe und Psychiater Dr. T. berichtete unter dem 9. Oktober 2013, die Klägerin habe sich bei ihm erstmalig am 12. Juni 2008 vorgestellt. Sie habe unter Angst und Panik, Depressionen und einer Borderline-Störung gelitten. Zum Ende seiner Behandlung am 31. Oktober 2008 habe die Klägerin auch über psychotisch anmutende Symptome berichtet. Sie habe das Gefühl gehabt, sie solle von der Mafia erschossen werden. Er habe aber im Rahmen seiner Untersuchung keine sicheren Symptome ersten Ranges für das Vorliegen einer Psychose feststellen können. Daher habe er vermutet, die psychosenahe Symptomatik sei im Rahmen der Borderlineproblematik entstanden. Zuletzt habe sich die Klägerin bei ihm am 12. Dezember 2008 vorgestellt.
Die Psychotherapeutin U. berichtete in ihrem Befundbericht vom 18. Januar 2014, die Klägerin sei bei ihr von Februar 2008 bis März 2009 in Behandlung gewesen. Die Psychotherapeutin berichtete von traumatisierenden Erfahrungen in der Kindheit der Klägerin. Die angeschuldigten Ereignisse von 2006 werden nicht erwähnt.
Das V. - Psychiatriezentrum in W. berichtet unter dem 16. Juni 2009, die Klägerin habe sich dort vom 1. April bis zum 5. Juni 2009 stationär aufgehalten. Dort sei die Diagnose einer bipolaren Psychose mit psychotischer Symptomatik gestellt worden. Die Klägerin sei auch im vorausgegangenen Jahr psychotisch gewesen. Erstmalig sei sie im Alter von 17 Jahren psychotherapeutisch behandelt worden. Seit ihrer Jugend liege bei ihr eine Drogenproblematik vor. Entgiftungen seien bereits 1998 und 2000 vorgenommen worden. Die Klägerin habe berichtet, sie sei in Nürnberg drei Monate von einem Psychopathen eingesperrt worden. Bei der Behandlung sei die durchaus vorhandene Kompetenz der Patientin in Verbindung mit der ebenfalls vorliegenden Antriebslosigkeit aufgefallen. Während der stationären Behandlung sei die Klägerin eine neue Beziehung eingegangen.
Der Psychiater X. berichtete in seinem Befundbericht vom 28. April 2010, er behandle die Klägerin seit Januar 2009. Als Diagnose sah er eine schizoaktive Störung, gegenwärtig depressiv. Außerdem liege eine Polytoxikomanie vor. Seit dem 17. Lebensjahr wiederholten sich psychotische Episoden. In einem weiteren Befundbericht vom 29. Januar 2014 berichtete Herr X., die Klägerin sei bei ihm von Januar 2009 bis Juli 2010 in ambulanter psychiatrischer Behandlung gewesen. Als Diagnosen habe er eine schizoaffektive Störung gegenwärtig depressiv sowie eine Polytoxikomanie gesehen.
Der Neurologe und Psychiater Dr. Y. berichtete dem zuständigen Betreuungsgericht unter dem 29. September 2011, bei der Klägerin liege eine bipolare Psychose vor und sah die Notwendigkeit, die angeordnete Betreuung zu verlängern.
Der Psychiater Z. teilte mit, die Klägerin sei im Jahr 2006 über einen Zeitraum von drei Monaten bei ihm in Behandlung gewesen. In einem weiteren Bericht vom 24. Februar 2013 berichtet der Psychiater Z. weiter, die Klägerin habe anlässlich der Erstvorstellung am 30. September 2013 angegeben, sie sei im Jahr 2006 über einen Zeitraum von drei Monaten von einem Mann gefangen gehalten und wiederholt täglicher Gewalt und sexuellen Übergriffen ausgeliefert gewesen. Erst durch einen Suizidversuch habe sie den Täter bewegen können, Hilfe zu holen und so diesen Zustand beendet. Aber auch bereits in ihrer Kindheit sei sie erheblicher Gewalt ausgesetzt gewesen. Zusammenfassend habe sich bei der Klägerin auf dem Boden früher Bindungs- und Realtraumatisierungen eine Traumafolgestörung mit anhaltender Persönlichkeitsveränderung und eine zeitweilige Substanzabhängigkeit entwickelt.
Auch im Hinblick auf das tatsächliche Geschehen führte das Versorgungsamt Ermittlungen durch. Die Polizeiinspektion Nürnberg- Ost teilte unter dem 28. März 2014 mit, es habe eine Strafanzeige gegeben hinsichtlich des Tatzeitraums 20. Februar bis zum 19. April 2006. Die Anzeige sei fünf Wochen nachdem die Klägerin in der Psychiatrie aufgenommen worden sei erstattet worden. Angezeigt worden seien Körperverletzungen sowie Würgen und ins Gesicht schlagen. Aus der Sicht der Polizeiinspektion hätten erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Angaben bestanden. Zudem sei es in der Strafanzeige um die Unterschlagung des Hundes der Klägerin gegangen. Das Strafverfahren sei nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt worden.
Die Diplom-Psychologin AA. teilte unter dem 16. April 2014 mit, sie rate von einer Befragung der Eltern der Klägerin ab. Bei der Klägerin liege eine komplexe PTBS und eine dissoziative Störung vor. Wenn die Eltern befragt würden, drohe die Gefahr einer Exazerbation. Die Zeugin AB. berichtete in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 9. Mai 2014 über die Verhältnisse in der Ursprungsfamilie der Klägerin. Hierüber berichtete auch die Zeugin AC. in ihrer schriftlichen Aussage vom 30. Juni 2014. Die Zeugin AD. berichtete in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 10. März 2015 über die gemeinsame Zeit mit der Klägerin in einer Pflegefamilie und über den dann lebenslang fortbestehenden gelegentlichen Kontakt.
Sodann hörte das Versorgungsamt den von der Klägerin angeschuldigten Herrn AE. zu deren Vorwürfen an. Dieser teilte in seinem Schreiben vom März 2015 mit, er bestreite alle diese Vorwürfe. Es treffe zu, dass die Klägerin für einen kurzen Zeitraum bei ihm gewohnt habe. Die Beziehung sei äußerst kompliziert und anstrengend gewesen, da die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt viele Probleme hatte – auch psychischer Art. Laut ihren Erzählungen sei dies schon etliche Jahre vorher in ihrem Leben der Fall gewesen. Das Verschwinden der Klägerin über Nacht ins Frauenhaus könne er sich bis heute nicht erklären. Es treffe in keiner Art und Weise zu, dass er die Klägerin mit Gewalt daran gehindert habe, die Wohnung zu verlassen bzw. habe er sie niemals gewürgt. Er wolle anmerken, die Klägerin möge sich bitte daran erinnern, wie sehr er sich um sie und ihren Hund gekümmert habe. Er habe sie nicht nur finanziell unterstützt, sondern sich auch darum bemüht, dass sie ihr Leben wieder auf die Reihe bekomme. Unter anderem sei er mit ihr aus diesem Grund mehrere Male auf dem Arbeitsamt und bei anderen Behörden gewesen. Zudem habe er ihr einige Male das Leben gerettet, da er sie vom Suizid abgehalten habe – dabei sei die Polizei anwesend gewesen.
Daraufhin lehnte das Versorgungsamt den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 30. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2015 ab. Zur Begründung stellte es im Wesentlichen darauf ab, ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff sei nicht nachgewiesen. Bei Auswertung der verschiedenen vorliegenden Aussagen hätten sich Widersprüche in der Aussage der Klägerin ergeben. Deren Aussage hinsichtlich des Geschehens habe sich im Verlauf der Zeit gesteigert. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass es zu Angriffen auf die Klägerin gekommen sei, es lasse sich aber nicht mit genügender Sicherheit feststellen. Hinsichtlich der von der Klägerin weiter zum Gegenstand eines Verfahrens nach dem OEG gemachten Vorfälle in ihrer Kindheit im Elternhaus sei die Versorgungsverwaltung des Landes Niedersachsen für eine Entscheidung zuständig. Daher würden die Akten nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens dorthin abgegeben.
Am 20. August 2015 ist Klage erhoben worden.
Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat das Verfahren auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 21. März 2016 zunächst zum Ruhen gebracht. Während das Verfahren ruhte, führten die niedersächsischen Behörden das Verwaltungsverfahren hinsichtlich des zweiten OEG-Antrages der Klägerin im Hinblick auf Geschehnisse während ihrer Kindheit weiter. In diesem Zusammenhang wurde das aussagepsychologische Gutachten der Diplom-Psychologin AF. vom 7. Mai 2017 erstattet. Diese hatte die Klägerin dreimal aufgesucht und exploriert. Die Ergebnisse dieser Exploration legte die Sachverständige ausführlich schriftlich nieder und kam zu dem Ergebnis, es spreche vieles dafür, dass die Aussagen der Klägerin erlebnisbasiert seien. Ergänzend wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Dieses Gutachten ist dem SG im hiesigen Verfahren indessen erst bekannt geworden, nachdem es selbst eine Beweisanordnung erlassen hatte. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens im April 2019 hat das SG die aussagepsychologische Begutachtung der Klägerin durch die Psychologin Dr. AG. veranlasst. Diese hat die Klägerin am 17. und 20. Mai 2019 untersucht und exploriert. Die Aussagen der Klägerin hat die Sachverständige sehr ausführlich protokolliert und zum Inhalt des Gutachtens gemacht. Auch hierauf wird Bezug genommen. Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, sie könne den Erlebnisbezug der Aussagen der Klägerin über die Geschehnisse im Jahre 2006 mit aussagepsychologischen Mitteln nicht bestätigen. Dem Gutachten von Frau AF. könne sie nicht folgen. Auf Kritik des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an dem Gutachten hat die Sachverständige unter dem 9. Dezember 2019 erneut Stellung genommen. Sie hat im Ergebnis an ihrer Einschätzung festgehalten, wonach mit aussagepsychologischen Mitteln die Erlebnisbasiertheit der Ausführungen der Klägerin zu den Vorfällen im Jahre 2006 nicht bestätigt werden könne. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Erinnerung der Klägerin an diese Ereignisse im Verlauf der Sachexploration plastischer geworden seien. Schon dies löse erhebliche Bedenken bezüglich des Realitätsgehalts der Angaben aus. Aus dem Umstand der später gestellten Diagnose einer PTBS könne nicht rückgeschlossen werden, das angeschuldigte Trauma habe auch stattgefunden. Aus aussagepsychologischer Sicht liege weiterhin das Problem vor, dass es bei der Klägerin wiederholt zu dissoziativen Zuständen gekommen sei. Daher könnten sogenannte Pseudoerinnerungen nicht ausgeschlossen werden. Dissoziationsbedingte Schilderungen seien nach gedächtnispsychologischen Erkenntnissen nicht im Sinne von realitätsbasierten Erinnerungen zu betrachten. Die Klägerin habe zum Beispiel während ihrer Exploration erstmals einen Vorfall mit einer Vergewaltigung unter der Dusche geschildert. Dies sei in der gesamten bisherigen Geschichte vorher nie so dargestellt worden.
Das SG hat die Klage mit hier angefochtenem Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich – nach Darlegung der hier heranzuziehenden rechtlichen Grundlagen und der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung – auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. AG. gestützt, welches es für überzeugend gehalten hat. Es lasse sich daher nicht feststellen, ob die Angaben der Klägerin über das Geschehen zu Beginn des Jahres 2006 in der Wohnung des von der Klägerin angeschuldigten Herrn AE. der Realität entsprächen. Ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, die Klägerin sei bereits vor den hier angeschuldigten Vorfällen vielfach in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Das jetzt vorliegende Beschwerdebild könne also nicht allein auf die hier angeschuldigten Vorfälle zurückgeführt werden. Weiter hat das SG den Bericht des Klinikums J. vom 6. September 2006 ausgewertet und war der Auffassung, die Klägerin habe anlässlich der dortigen Behandlung das hier angeschuldigte Geschehen nicht erwähnt.
Gegen das am 22. Juni 2020 zugestellte Urteil ist am 6. Juli 2020 Berufung eingelegt worden. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, sie sei von Februar bis Mai 2006 in der Wohnung des von ihr angeschuldigten Herrn AE. vielfachen tätlichen Angriffen ausgesetzt gewesen. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. AG. sei unzutreffend.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
- das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 16. Juni 2020 sowie den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz Versorgungsamt vom 30. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2015 aufzuheben,
- das beklagte Land zu verurteilen bei ihr Schädigungsfolgen wegen tätlicher Angriffe des A. im Zeitraum Februar bis Mai 2006 festzustellen und ihr Beschädigtenrente zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich auf den angefochtenen Bescheid sowie auf die erstinstanzliche Entscheidung.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das beklagte Land Niedersachsen ist passivlegitimiert. Durch die Neuregelung des § 4 Abs. 1 OEG seit dem 20. Dezember 2019 und den damit verbundenen Wechsel vom Tatort- zum Wohnortprinzip ist ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel auf Beklagtenseite dergestalt eingetreten, dass nunmehr das Land Niedersachsen zutreffender Beklagter ist.
Streitgegenstand in diesem Verfahren sind lediglich die von der Klägerin in ihrem Antrag an die Versorgungsverwaltung von Dezember 2013 zum Gegenstand gemachten Ereignisse zu Beginn des Jahres 2006 in N.. Allein insoweit ist das Vorbringen der Klägerin in den hier angefochtenen Bescheiden geprüft worden. Allein diese Bescheide sind vom Senat auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Das SG hat die Klage mit seinem hier angefochtenen Urteil vom 16. Juni 2020 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 30. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat aus § 1 OEG in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) keinen Anspruch gegen das nunmehr beklagte Land bei ihr Schädigungsfolgen wegen der in diesem Verfahren angeschuldigten Ereignisse festzustellen und ihr Beschädigtenrente zu gewähren.
Zur Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in Anwendung von § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die zutreffenden und von der Klägerin nicht mit durchgreifenden Argumenten angegriffenen Ausführungen des SG in seinem angefochtenen Urteil. Das SG hat darin ausführlich die hier heranzuziehenden Rechtsgrundlagen sowie die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der auch der erkennende Senat in ständiger Spruchpraxis folgt, dargestellt und diese zutreffend auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt.
Auch der Senat kann – auch unter Berücksichtigung des herabgesetzten Beweismaßstabs wie er sich aus der Anwendung von § 15 KOVVfG ergibt - nicht feststellen, dass es in der Zeit von Februar bis Mai 2006 zu vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffen des A. auf die Klägerin gekommen ist. Auch der Senat kann sich nicht mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit von der Erlebnisbasiertheit der diesbezüglichen Angaben der Klägerin überzeugen. Auch der Senat hält insoweit das erstinstanzlich beigezogene aussagepsychologische Gutachten von DrB. für überzeugend, wonach die Angaben der Klägerin zu dem in diesem Verfahren angeschuldigten Geschehen nicht mit der notwendigen Sicherheit erlebnisbasiert sind.
Das gilt zunächst schon für den Zeitraum vom 20. April 2006 bis Ende Mai 2006, weil sich die Klägerin in diesem Zeitraum bereits in der Klinik für Psychiatrie des Klinikums J. aufgehalten hat (vergleiche insoweit den Entlassungsbericht des Klinikums J. vom 6. September 2006). Dieser Zeitraum wird zwar nach wie vor von der Klägerin geltend gemacht als Zeitraum, in dem sie tätlichen Angriffen des Herrn AE. ausgesetzt gewesen ist. Schon das SG hat indessen darauf hingewiesen, in der Zeit des Krankenhausaufenthalts könne es zu solchen Tätlichkeiten nicht gekommen sein – was auch inhaltlich von der Klägerin nicht behauptet wird. Die Klägerin hat dies im Berufungsverfahren nicht zum Anlass genommen entweder den betroffenen Zeitraum einzuschränken oder ergänzenden Vortrag dergestalt zu halten, dass es auch während der Zeit des Klinikaufenthalts zu tätlichen Übergriffen des Herrn AE. gegen sie gekommen sei. Der Senat sieht schon diese Ungenauigkeit als Indiz dafür, dass die Erinnerungen der Klägerin an den angeschuldigten Zeitraum nicht ganz zuverlässig sind.
Auch der Senat teilt nach sorgfältiger Durchsicht der über die Klägerin vorliegenden medizinischen Unterlagen die Auffassung der Sachverständigen Dr. AG., wonach sich der Vortrag der Klägerin im Hinblick auf die von ihr angeschuldigten Ereignisse im Verlauf der Zeit detailliert und gesteigert hat. Dies gilt zunächst – darauf hat die Sachverständige zutreffend hingewiesen – für die nunmehr anlässlich der Exploration durch Dr. AG. erstmals geschilderte angebliche Vergewaltigung der Klägerin unter der Dusche. Dieses Geschehen war von der Klägerin zuvor niemals präsentiert worden – auch nicht anlässlich der ausführlichen Exploration durch die Diplom-Psychologin C.. Hierin kann auch nach Auffassung des Senats eine Steigerung der Aussage gesehen werden, die darauf hindeuten kann, dass jedenfalls dieses Ereignis nicht erlebnisbasiert geschildert wird.
Die Sachverständige hat für den Senat überzeugend auch darauf hingewiesen, die Klägerin habe anlässlich ihrer Exploration nunmehr auch mehrfach freiwilligen Geschlechtsverkehr (S. 106,108 des Gutachtens) mit Herrn AE. eingeräumt, während dies früher bestritten worden sei. Auch hierin liegt eine Veränderung der Aussagen der Klägerin, die darauf hindeuten kann, dass ihre Erinnerungen nicht erlebnisbasiert sind.
Dr. AG. hat aus ihrer aussagepsychologischen Sicht für den Senat ebenfalls überzeugend weiter darauf hingewiesen, die Schilderungen der Klägerin über die angeschuldigten Umstände seien insofern bemerkenswert gewesen, als sie die Ereignisse aus einer dissoziativen Perspektive (von oben) geschildert habe. Dies könne aus aussagepsychologischer Sicht ebenfalls ein Indiz dafür sein, dass diese Erinnerungen nicht auf reale Erlebnisse zurückgeführt werden könnten. Auffällig waren in diesem Zusammenhang für den Senat auch Darstellungen der Klägerin anlässlich der Exploration durch Frau AF., in der diese dissoziative Wahrnehmungsweise noch nicht zutage getreten ist.
Weiter hat die Sachverständige auf die Genese des ersten Antrags auf Gewährung von Leistungen nach dem OEG hingewiesen. Die Klägerin hat insoweit angegeben, ihre Freundin erhalte ebenfalls Leistungen nach dem OEG und diese habe sie bedrängt, doch ebenfalls einen Antrag zu stellen (vergleiche insoweit S. 65 des Gutachtens von Frau AF.). Dies könnte auf ein Motiv für falsche Angaben der Klägerin hindeuten.
Der Senat hält aber auch schon grundsätzlich die Angaben der Klägerin hinsichtlich ihrer Gefangenschaft zu Anfang des Jahres 2006 für nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin hat zunächst durchgängig angegeben, sie habe den von ihr angeschuldigten Herrn AE. bei vielerlei Lieferfahrten begleitet. Für den Senat ist nicht erkennbar geworden, warum es der Klägerin anlässlich dieser Fahrten nicht möglich gewesen sein soll, sich dem Zugriff des Herrn AE. zu entziehen.
Die Klägerin hat außerdem in ihrer Tathergangsschilderung anlässlich der Antragstellung angegeben, sie habe über beträchtliche Zeit während der fraglichen Zeit über ein zweites Handy verfügt und hierüber sowohl mit ihrer Mutter als auch mit einer Freundin telefoniert und ihnen von ihren Problemen berichtet. Für den Senat ist schon nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin dieses Handy nicht genutzt hat, um sich etwa polizeilicher Hilfe zu versichern. Für den Senat ist auch nicht nachvollziehbar, warum sowohl die Mutter der Klägerin als auch ihre Freundin die Erzählungen der Klägerin nicht genutzt haben sollen, um die Polizei zu kontaktieren. Auch hierüber wäre Hilfe für die Klägerin sicher erreichbar gewesen. Die Erklärung der Klägerin für diesen Umstand, sie habe eben Angst gehabt, ist für den Senat so nicht nachvollziehbar geworden.
Die Klägerin hat in ihrer Tathergangsschilderung auch berichtet, sie habe für eine Nacht das Frauenhaus in Nürnberg aufgesucht. Am nächsten Tag habe der von ihr angeschuldigte Herr AE. sie aber auf der Straße wieder eingefangen. Für den Senat ist schon nicht nachvollziehbar, woher Herr AE. gewusst haben soll, wo die Klägerin zu finden ist. Widersprüchlich sind insoweit auch die Angaben der Klägerin zu dem Anlass für ihr Verlassen des Frauenhauses. In ihrer Tathergangsschilderung gibt sie an, sie sei auf dem Weg zum Arbeitsamt gewesen. Später gibt sie indessen an, sie sei auf dem Weg gewesen, um sich Tabak zu kaufen (S. 58 des Gutachtens von Frau AF.).
Die Klägerin hat auch angegeben, sie habe den Polizeibeamten, die sie nach ihrem Suizidversuch in das Klinikum J. gebracht hätten, berichtet, was ihr widerfahren sei (S. 60 des Gutachtens von Frau A.). Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen (nach den Angaben der Klägerin hat es sich um einen Mann und eine Frau gehandelt), die von einem derartigen Geschehen erfahren, wären verpflichtet – auch ohne Strafanzeige – Ermittlungen einzuleiten. Hiervon ist anlässlich der Recherchen des Versorgungsamtes bei der Polizei in Nürnberg indessen nichts bekannt geworden. Für den Senat kann dies ein Indiz dafür sein, dass die Klägerin eben nichts über diese Vorfälle berichtet hat, was wiederum Zweifel an ihrer Darstellung gebietet.
Für den Senat ist bei Durchsicht der vorliegenden medizinischen Unterlagen auch auffällig, wie wenig die Klägerin die angeschuldigten Umstände zu Anfang des Jahres 2006 zeitnah bei ihren vielfachen psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungen thematisiert hat. Zwar wird im Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie des Klinikums J. vom 6. September 2006 durchaus mitgeteilt, sie habe angegeben, ihr Partner (also Herr AE.) habe sie täglich geschlagen. Von Vergewaltigung in einem Ausmaß, wie es nunmehr geschildert wird, ist indessen in diesem Entlassungsbericht nicht die Rede. Anlässlich der AH. der Klägerin durch die Gutachterin A. hat die Klägerin aber angegeben, sie habe den Behandlern im Klinikum J. erzählt, was sie in der Wohnung von Herrn AE. erlebt habe; insbesondere die Psychologin habe dies detailliert gewusst (S. 62 des Gutachtens von Frau AF.). Für den Senat ist nur schwer vorstellbar, dass dies in einem derartigen Entlassungsbericht – wenn es denn zentraler Bestandteil der Beschwerden der Klägerin in dem langen stationären Aufenthalt (immerhin über zwei Monate) gewesen wäre – nicht eingehender thematisiert worden wäre.
Direkt im Anschluss an ihren Aufenthalt im Klinikum J. hat sich die Klägerin zur Behandlung in die AI. klinik in W. begeben (vom 20. Juni bis zum 27. Juli 2006). Im Entlassungsbericht dieser Klinik finden sich keinerlei Hinweise auf das nunmehr angeschuldigte Geschehen. Die Klinik bescheinigt der Klägerin vielmehr, sie habe eine Begabung zum Schauspielern. Hinter der Fassade einer freundlich-unbedarften mädchenhaften jungen Frau zeige sie durchaus gerissen-berechnende Züge. Bei der Untersuchung durch die Gutachterin AF. hat die Klägerin indessen angegeben, sie habe auch in dieser Klinik die Vorfälle zum Gegenstand gemacht (S. 64 des Gutachtens von Frau A.). Auch insoweit kann sich der Senat nicht die Überzeugung bilden, die angeschuldigten Taten - so sie denn stattgefunden hätten - wären in so geringem zeitlichen Abstand nicht Gegenstand der therapeutischen Arbeit in der Klinik geworden und hätten sodann Eingang in den Entlassungsbericht gefunden.
Auch in dem Entlassungsbericht der psychiatrischen Abteilung des Klinikums R. bezüglich des stationären Aufenthalts der Klägerin vom 3. bis zum 26. Juli 2007 – also auch noch in einem relativ engen zeitlichen Zusammenhang mit den angeschuldigten Ereignissen - werden die Geschehnisse zu Anfang des Jahres 2006 in keiner Weise thematisiert. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin anlässlich dieses Aufenthalts angegeben hat, sie leide seit Kindheitstagen unter anderem unter Panikattacken. Später gibt sie indessen an, sie leide erst seit den von ihr angeschuldigten Taten des Herrn AE. unter Panikattacken (vergleiche S. 61 des Gutachtens von Frau AF.).
Erstmals anlässlich des stationären Aufenthalts im Psychiatriezentrum W. vom 1. April bis zum 5. Juni 2009 – also mehr als drei Jahre nach den angeblichen Ereignissen – taucht in einem ärztlichen Bericht ein Hinweis auf die nunmehr angeschuldigten Ereignisse auf.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat das Gutachten der Sachverständigen Dr. AJ. -AK. im Ergebnis auch für überzeugender als die Ausführungen der Gutachterin A.. Dr. AG. hat in ihrem Gutachten (Seite 30) für den Senat überzeugend auch darauf hingewiesen, die Analyse der Glaubhaftigkeit der Aussage der Klägerin durch Frau AF. greife zu kurz. Die sogenannte Null-Hypothese sei von der Gutachterin offensichtlich nicht in vollem Umfang umgesetzt worden. Insbesondere die Suggestionshypothese habe keine hinreichende Würdigung erfahren, sodass die Hypothese einer partiell auf Suggestionseffekten beruhenden Aussage von ihr nicht geprüft worden sei. Daher müsse man davon ausgehen, dass die Gutachterin die Hypothese der unbewussten Falschaussage nicht als relevant betrachtet habe. Auch die Hypothese der Scheinerrinnerungen sei von der Gutachterin nicht hinreichend in den Fokus ihrer Untersuchung gestellt worden. Dies sei indessen angesichts der therapeutischen Geschichte der Klägerin – wie sie sich nicht zuletzt aus der Darstellung im Tatbestand dieser Entscheidung ergibt – aber bei einer aussagepsychologischen Begutachtung notwendig. Auch die weitere Auseinandersetzung der Sachverständigen mit den Ausführungen der Gutachterin sind für den Senat – nach sorgfältiger Durchsicht beider Gutachten – nachvollziehbar und überzeugend. Der Senat vermag sich daher nicht dem Ergebnis des Gutachtens von Frau AF. anzuschließen und seine Überzeugungsbildung darauf zu stützen, wonach die Aussagen der Klägerin hinsichtlich der Ereignisse zu Beginn des Jahres 2006 wahrscheinlich erlebnisbasiert seien.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.
Anlass die Revision in Anwendung von § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen besteht nicht.