Einzelfall eines Schockschadens in dem das Sekundäropfer das Ausmaß der Schädigung des Primäropfers spät wahrgenommen hat.
Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 15. August 2018 wird aufgehoben.
Der Bescheid des beklagten Landes vom 1. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2016 und des Anerkenntnisses vom 2. August 2017 wird geändert.
Das beklagte Land wird verurteilt, die bei der Klägerin anerkannte Schädigungsfolge „Restsymptomatik einer psychoreaktiven Störung“ ab Februar 2014 mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 30 zu bewerten und der Klägerin ab diesem Zeitpunkt entsprechend Beschädigtenrente zu gewähren.
Das beklagte Land hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um die Feststellung von Schädigungsfolgen nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) sowie um die Gewährung von Beschädigtenrente.
Die im November 1973 geborene Klägerin, bei der schwerbehindertenrechtlich ein Grad der Behinderung von 50 wegen einer seelischen Behinderung mit körperlichen Beschwerden festgestellt ist (Bescheid vom 5. Oktober 2017), beantragte im Oktober 2013, ihr Leistungen nach dem OEG zu gewähren. Zur Begründung wies sie darauf hin, ihre Tochter sei im April 2012 sexuell missbraucht worden. Als sie davon erfahren habe, habe dies bei ihr zu einem Schock geführt. Dessen gesundheitliche Folgen müssten als Schädigungsfolgen anerkannt werden.
Das beklagte Land leitete Ermittlungen ein und zog Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte sowie Unterlagen aus dem Strafverfahren gegen den Täter im strafrechtlichen Verfahren bei. In diesem Verfahren ist der geständige Täter mit Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 13. Februar 2014 u.a. wegen der Straftat zum Nachteil der Tochter der Klägerin zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 7 Monaten verurteilt worden. Seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist angeordnet worden.
Hinsichtlich der gegenständlichen Beschwerden gelangten u.a. Berichte der H. Klinik in I. über den stationären Aufenthalt der Klägerin zusammen mit ihrer Tochter vom 16. Oktober bis zum 11. Dezember 2012 sowie der Nervenklinik Dr. J. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 25. September bis zum 11. November 2014 zu den Unterlagen. Hierin wird berichtet, die Klägerin habe angegeben, nach der Behandlung in der H. Klinik in I. seien die dort geklagten Beschwerden nicht mehr aufgetreten. Dies habe sich aber im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an der Hauptverhandlung gegen den Schädiger geändert.
Das beklagte Land veranlasste die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. K.. Dieser gelangte aufgrund seiner Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis, bei der Klägerin seien eine Persönlichkeitsstörung vom Borderline Typ sowie eine Angststörung von überwiegend sozialphobischen mit rezidivierend panikartigen Verschlimmerungen sowie auch kurzfristige depressive Verschlimmerungen zu diagnostizieren. Diese Funktionsstörungen seien indessen biographisch bedingt und nicht auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen. Möglicherweise sei es zu einer vorübergehenden Verschlimmerung gekommen; diese sei aber innerhalb von sechs Monaten wieder abgeklungen.
Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens gelangte noch das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Privatdozent Dr. L. vom 3. Juni 2015 zum Verwaltungsvorgang. Dieser hatte die Klägerin am 28. Mai 2015 im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung (DRV) untersucht. Er hatte bei der Klägerin eine Agoraphobie mit Panikstörung, ein depressives Syndrom sowie eine mögliche PTBS diagnostiziert; darüber hinaus war er der Auffassung, die Klägerin habe die zur Verfügung stehenden Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft.
Das beklagte Land lehnte den Antrag der Klägerin nach Beteiligung seines medizinischen Dienstes mit Bescheid vom 1. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2016 ab. Zur Begründung bezog es sich im Wesentlichen auf die gutachtlichen Ausführungen von Prof. Dr. K.; bei der Klägerin lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die auf die angeschuldigten Ereignisse zurückzuführen seien. Die jetzt vorliegenden Funktionsstörungen seien vielmehr auf die Biographie der Klägerin zurückzuführen.
Am 11. April 2016 ist Klage erhoben worden.
Die Klägerin hat im Klageverfahren zunächst ein Gutachten der Psychiaterin Dr. M. vom 10. August 2016 vorgelegt, welches diese in einem rentenversicherungsrechtlichen Klageverfahren der Klägerin für das Sozialgericht (SG) Hildesheim erstattet hatte. Diese war nach einer ausführlichen Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, bei dieser seien folgende Diagnosen zu stellen: Panikstörung mit Agoraphobie, generalisierte Angststörung, leichte depressive Episode, PTBS in Teilremission. Aufgrund dieser Funktionsstörungen sei die Klägerin derzeit nicht mehr als erwerbsfähig anzusehen. Anlässlich ihrer Ausführungen hatte Dr. M. unter anderem auch darauf hingewiesen, die Auslösung einer PTBS durch das von der Tochter erlebte Geschehen sei aus ihrer Sicht plausibel. Sie habe keine Anzeichen von Aggravation oder Simulation feststellen können.
Sodann hat sich das SG auf Antrag der Klägerin ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin N. vom 31. Mai 2017 nebst ergänzender Stellungnahme vom 28. September 2017 erstatten lassen. Die Sachverständige gelangte aufgrund ihrer Untersuchung der Klägerin zu der Auffassung, bei dieser lägen auf psychiatrischen Fachgebiet folgende Funktionsstörungen vor: Andere Reaktion auf eine schwere Belastung, Panikstörung und Angststörung, depressive Episode. Den GdS schätzte die Sachverständige gestaffelt ein. Nach der stationären Behandlung 2012 sei zunächst von einem GdS von 10 auszugehen. In der Folge sei es zu einer allmählichen Verschlimmerung gekommen. Diese sei durch die Teilnahme der Klägerin an der mündlichen Verhandlung gegen den Schädiger gefördert worden. Nach der stationären Behandlung 2014 habe ein GdS von 30 vorgelegen. Die Sachverständige hat sich auch intensiv mit dem Gutachten von Professor Dr. K. und dem Befundbericht der Diplompsychologin O. auseinandergesetzt. Sie hat insbesondere nicht dessen Auffassung geteilt, bei der Klägerin habe eine Vorschädigung vorgelegen. Insoweit wies sie auf die Biografie der Klägerin hin, aus der sich ergebe, wie sie sich immer wieder mit Schwierigkeiten auseinander zu setzen gehabt habe und dies auch gemeistert habe. Im Gegensatz zu Professor Dr. K. hat sie die Diagnosekriterien für eine Borderlinestörung nicht als vorliegend angesehen. Auch die Sachverständige N. konnte bei der Klägerin keine Aggravationstendenzen feststellen.
Im Klageverfahren hat das beklagte Land zwei Stellungnahmen seines medizinischen Dienstes durch den Psychiater Dr. P. vorgelegt. Dieser ist in einer ersten Stellungnahme vom 11. Februar 2017 – in Unkenntnis des Gutachtens der Sachverständigen N. – zu dem Ergebnis gelangt, er könne sich den Diagnosen von Professor Dr. K. nicht anschließen. Die einschlägigen Diagnosekriterien seien nicht erfüllt. Es lasse sich auch kein Vorschaden feststellen. Er gehe vom Vorliegen eines GdS von 30 seit der mündlichen Verhandlung gegen den Schädiger aus. In einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21. Juli 2017 ist Dr. P. nach Kenntnisnahme des zwischenzeitlich eingeholten Gutachtens der Sachverständigen N. zu der Auffassung gelangt, diese habe seine erste Einschätzung bestätigt. Es lasse sich kein Vorschaden feststellen. Auch im Übrigen sehe er eine weitgehende Übereinstimmung.
Das beklagte Land hat unter dem 2. August 2017 ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben. Darin hat es bei der Klägerin ab Oktober 2013 eine „Restsymptomatik einer psychoreaktiven Störung“ als Schädigungsfolge anerkannt. Diese bedinge indessen keinen messbaren Grad der Schädigungsfolgen (GdS). Dieses Anerkenntnis ist von der Klägerin im Verlauf des Berufungsverfahrens angenommen worden.
In der Zeit vom 7. Juni bis zum 26. Juli 2017 hat sich die Klägerin erneut zur stationären Behandlung in der Q. -Klinik aufgehalten. Hierüber liegt der Entlassungsbericht vom 23. August 2017 vor.
Das SG hat die weiter geführte Klage mit Urteil vom 15. August 2018 abgewiesen. Es hat sich zunächst der Auffassung der Sachverständigen N. und des Psychiaters Dr. P. angeschlossen, bei der Klägerin könnten – im Gegensatz zur Auffassung des Gutachters Prof. Dr. K. - keine Vorschäden vor den angeschuldigten Ereignissen festgestellt werden. Sodann war es indessen der Auffassung, die Sachverständige habe nicht genügend differenziert zwischen den Schädigungsfolgen einerseits und den Folgen der weiteren Entwicklung und der veränderten Lebensumstände andererseits. Allein letztere hätten zur Verschlimmerung der nunmehr vorliegenden psychiatrischen Funktionsstörungen geführt. Dies könne aber opferentschädigungsrechtlich nicht berücksichtigt werden.
Gegen das am 30. August 2018 zugestellte Urteil ist am 5. September 2018 Berufung eingelegt worden.
Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen ohne sich mit der Entscheidung des SG auseinander zu setzen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
- den Bescheid des beklagten Landes vom 1. Juli 2015 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 14. März 2016 und das Teilanerkenntnis vom 2. August 2017 gefunden hat, zu ändern,
- das beklagte Land zu verurteilen, die bei der Klägerin festgestellte Schädigungsfolge mit einem Grad der Schädigungsfolgen von zumindest 30 zu bewerten sowie der Klägerin Beschädigtenrente zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich auf seine angefochtenen Bescheide und das erstinstanzliche Urteil. Es ist der Auffassung die jetzt noch vorliegenden Schädigungsfolgen seien in ihrem Ausmaß nicht auf das schädigende Ereignis, sondern auf die Teilnahme der Klägerin an der Hauptverhandlung gegen den Täter zurückzuführen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet in Anwendung von § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Berufung ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Das SG hat die Klage mit seinem Urteil vom 15. August 2018 zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des beklagten Landes vom 1. Juli 2015 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 14. März 2016 und das Teilanerkenntnis vom 2. August 2017 gefunden hat, ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat aus § 1 OEG weitere Ansprüche im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang –insbesondere auf Beschädigtenrente - gegen das beklagte Land.
Zur Begründung bezieht sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die grundsätzlich zutreffenden Ausführungen des SG in seinem angefochtenen Urteil vom 15. August 2018. Das SG legt darin zutreffend die hier heranzuziehenden Rechtsgrundlagen und deren ständige Auslegung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, der auch der erkennende Senat in ständiger Praxis folgt.
Voraussetzung für die Feststellung von Schädigungsfolgen gemäß § 1 OEG ist danach, dass die Klägerin an Gesundheitsstörungen leidet, die rechtlich wesentlich durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff verursacht worden sind. Dies setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2002, B 9 VG 7/01 R, SozR 3-3800 § 1 Nr. 23) eine unmittelbare Schädigung des Opfers voraus, was grundsätzlich einen engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zwischen dem Schädigungstatbestand und der schädigenden Einwirkung ohne örtliche und zeitliche Zwischenglieder bedingt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 7. November 1979, 9 RVg 1/78, SozR 3800 § 1 Nr. 1) kann als unmittelbare Schädigung auch ein gesundheitlicher Schaden angesehen werden, der durch den Erhalt der Nachricht über einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff verursacht worden ist (sog. „Schockschaden“). Dies setzt voraus, dass die psychischen Auswirkungen einer schweren Gewalttat auf das Sekundäropfer als mit der Gewalttat so unmittelbar verbunden betrachtet werden können, dass beide – die Gewalttat und die Auswirkungen auf das Sekundäropfer – eine natürliche Einheit bilden. Zu den Schockschäden gehören aber nicht solche psychischen Beeinträchtigungen von nahen Familienangehörigen, die aufgrund der veränderten Lebensumstände infolge der Schädigung des Primäropfers eingetreten sind (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Dezember 1997, 9 BVg 5/97 sowie Urteil vom 12. Juni 2003, B 9 VG 8/01 R; dem folgend, Senatsurteil vom 30. November 2016 – L 10 VE 41/13, welches sowohl dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin als auch dem beklagten Land bekannt ist).
Das BSG hat diese Rechtsprechung zum sogenannten „Schockschaden“ in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2003 (B 9 VG 1/02 R zitiert nach juris) dahingehend zusammengefasst, eine zu einem Schockschaden führende Schädigung im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes liege vor, wenn das belastende Ereignis eine – unter Umständen zunächst weitgehend symptomlose – seelische Reaktion des Sekundäropfers von einigem Gewicht bewirkt habe. L. hat in seiner zusammenfassenden Besprechung der diesbezüglichen Rechtsprechung des BSG (NZS 2004,516 ff) zutreffend darauf hingewiesen, für das Sekundäropfer sei der schädigende Vorgang gesondert zu betrachten. Hier könne die schädigende Einwirkung erst zu einem späteren Zeitpunkt – weit nach der Schädigung – erreicht werden. Bei sogenannten Schockschadensopfern könne dies zum Beispiel der Erhalt der Nachricht über die Schädigung des Primäropfers sein (vergleiche zu diesem Begriff der Unmittelbarkeit des Zusammenhangs auch Rademacker in Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, § 1 OEG Rn 17 ff). Sekundäropfer können demnach auch durch eine sonstige Kenntnisnahme von dem schädigenden Vorgang geschädigt werden.
Das SG hat zunächst nicht genügend berücksichtigt, dass das beklagte Land durch sein Teilanerkenntnis vom 2. August 2017 eine Schädigungsfolge in Gestalt einer „Restsymptomatik einer psychoreaktiven Störung“ anerkannt hat. Nach Annahme dieses Teilanerkenntnisses durch die Klägerin stellt sich zunächst nur noch die Frage, wie diese Schädigungsfolge unter Berücksichtigung der Maßstäbe der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) zu bewerten ist. Insoweit teilt der Senat die Auffassung des SG und aller beteiligten Mediziner, dass sich nach Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme in I. im Dezember 2012 kein rentenberechtigender GdS feststellen lässt. Ausweislich dieses Entlassungsberichts hatten sich die Auswirkungen der Kenntnisnahme vom Missbrauch der Tochter der Klägerin zunächst einmal weitgehend zurückgebildet.
Der Senat hat aber nach Auswertung des gesamten medizinischen Akteninhalts festgestellt, dass die Schädigungsfolge ab dem Zeitpunkt der Teilnahme der Klägerin an der Hauptverhandlung gegen den Täter in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen N. und des Psychiaters Dr. P. für den medizinischen Dienst des beklagten Landes mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 30 zu bewerten sind und der Klägerin damit auch in Anwendung von § 1 OEG in Verbindung mit §§ 30, 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Beschädigtenrente zusteht.
Der Senat teilt zunächst auch die Auffassung des SG im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr. K., wonach dessen Annahme von Vorschäden bei der Klägerin nicht überzeugend ist. Er nimmt insoweit auf die Ausführungen des SG in seinem Urteil vom 15. August 2018 auf S. 5 der Urteilsausfertigung Bezug, in denen sich das SG auf die auch den Senat überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen N. in ihrem Gutachten vom 31. Mai 2017 sowie in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28. September 2017 bezogen hat. Diese Einschätzung hat auch der der Psychiater Dr. P. aufgrund eigener Bewertung in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11. Februar 2017 geteilt - bevor ihm das Gutachten von Frau N. bekannt geworden war. In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21. Juli 2017 hat er sodann das Gutachten von Frau N. lediglich noch als Bestätigung seiner zuvor geäußerten versorgungsmedizinischen Einschätzung angesehen.
Die Klägerin hat anlässlich ihrer diversen Untersuchungen und Explorierung durch die Sachverständigen immer wieder durchgehend berichtet, anlässlich der Teilnahme an der Hauptverhandlung habe sie erst das ganze Ausmaß des Missbrauchs ihrer Tochter zur Kenntnis genommen. Diese Schilderungen sind durchgängig als nicht aggravierend bewertet worden (vergleiche etwa Seite 9 des Gutachtens von Frau N. und Seite 37 des Gutachtens von Frau Dr. M.). Diese Kenntnisnahme von dem Maß des Übergriffs auf ihre Tochter hat nach ihren Angaben noch am Abend des Verhandlungstages zu einem Zusammenbruch geführt (vergleiche dazu etwa auch die Schilderung der Klägerin im Entlassungsbericht der Nervenklinik Dr. R. vom 9. Dezember 2014). Dieser Zusammenbruch und der Umstand, dass die Klägerin sich hiervon nicht wieder vollständig erholt hat, hat dann auch zur Einleitung weiterer medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen geführt. Die Klägerin hat diesbezüglich etwa immer wieder geschildert, wie sie durch das Erscheinungsbild bestimmter älterer Männer (im Jogginganzug), die sie an das Erscheinungsbild des ihr bekannten Täters erinnert haben, in ihrer psychischen Konstitution nachhaltig beeinträchtigt wird.
Diese nunmehr eingetretene Verschlimmerung der bereits anerkannten Schädigungsfolge ist nicht – wie das SG anzunehmen scheint – auf veränderte Lebensumstände infolge der Schädigung des Primäropfers, sondern auf die verzögerte Kenntnisnahme vom Umfang der Schädigung des Primäropfers zurückzuführen, wie sowohl die Sachverständige N. als auch der Versorgungsmediziner Dr. P. herausgearbeitet haben (vergleiche insoweit inhaltlich auch die Einschätzung von Dr. M. in ihrem Gutachten vom 10. August 2016). Insoweit kommt die oben zitierte Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, zur Anwendung, wonach bei genügender personaler Nähe des Sekundäropfers zum Primäropfer (vergleiche dazu nochmals Rademacker a.a.O. Rn 18) auch eine verzögerte Kenntnisnahme von den Umständen der Schädigung aus rechtlicher Sicht ausreichend für die Annahme eines „Schockschadens“ sein kann. Dabei geht der Senat umstandslos davon aus, dass die Nähe zwischen Mutter und Tochter – wie sie hier vorliegt – ausreicht um das Kriterium der Unmittelbarkeit auch in dieser Konstellation zu erfüllen (vergleiche dazu nochmals Loytved a.a.O.).
Die Klägerin hat daher ab dem Zeitpunkt ihrer Teilnahme an der Hauptverhandlung gegen den Schädiger einen Anspruch auf Beschädigtenrente nach einem GdS von 30 gegen das beklagte Land.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG. Der Senat hat bei der Ausübung des ihm insoweit eingeräumten Ermessens berücksichtigt, dass die Klägerin in weit überwiegendem Umfang obsiegt hat. Er hat insoweit den Rechtsgedanken von § 155 Absatz 1 Satz 2 VwGO berücksichtigt.
Anlass die Revision in Anwendung von § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.