L 3 U 13/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 98/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 13/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die Voraussetzungen eines Rentenanspruchs aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit (hier: BK Nr. 3102 - von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheit) liegen nicht vor, wenn eine Borreliose im Sinne der BK Nr. 3102 folgenlos ausgeheilt ist. 

2. Bei einer komplett und folgenlos ausgeheilten Borreliose fehlt es einerseits am Fortbestehen einer krankheitsaktiven Borreliose und andererseits an einem hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen der ausgeheilten BK Nr. 3102 und den behaupteten Folgen einer Borreliose-Erkrankung. 
 

I.    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. März 2013 wird zurückgewiesen. 
II.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Rente aufgrund einer bei dem Kläger anerkannten Berufskrankheit (BK) Nr. 3102 nach der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1975 geborene Kläger ist als selbständiger Landwirt gesetzlich unfallversichert. Er teilte der Beklagten im Namen der A. und C. A. GbR am 24. November 2007 mit, dass er eine festgestellte Borreliose-Erkrankung als Berufskrankheit melden wolle. Auf Nachfrage der Beklagten führte der Kläger aus, dass er unter Gelenkbeschwerden und Kopfschmerzen leide. Er sei im Mai 2000 beim Einzäunen einer Wiese von einer Zecke in die rechte Kniekehle gebissen worden. Seine Mutter habe die Zecke umgehend mit einer Zeckenzange entfernt. Um den Zeckenbiss sei auch in der Folgezeit keine Rötung vorhanden gewesen. Er sei nicht arbeitsunfähig, jedoch nicht beschwerdefrei. Seit ca. 2001 bis 2002 leide er an Gelenkschmerzen. Deren Ursache habe man nicht feststellen können. Diese seien jedoch typische Krankheitssymptome einer Borreliose. Nach der serologischen Feststellung der Borreliose sei zunächst eine orale Antibiotika-Therapie durchgeführt worden und später eine Infusionstherapie. 

Die Beklagte trat in die Ermittlungen ein. Eine Nachfrage bei der Krankenkasse ergab, dass der Kläger im März 2003 mit einer Rolle für die Schuhsohlen versorgt worden ist, sowie bis 2007 auch mit Abrollsohlen und Einlagen. Dr. D. von der Abteilung Innere Medizin des Kreis- & Stadtkrankenhauses A-Stadt übersandte der Beklagten medizinische Unterlagen, insbesondere den Arztbrief vom 20. September 2007, wonach ein „dringender Verdacht auf chron. Borreliose mit Arthralgien und radikulärer Symptomatik“ geäußert wurde. In einem Bericht von dem Allgemeinmediziner E. vom 25. Januar 2008 wurde ausgeführt, dass der Kläger unter wechselnden Arthralgien (Kniegelenke, rechter Ellenbogen) und zeitweiser Müdigkeit leide. Die Arthralgien seien auf den Zeckenbiss zurückzuführen. Die chronische Borreliose sei serologisch gesichert. Aus einem Arztbrief des Orthopäden F. vom 5. November 2007 ergibt sich, dass der Kläger auch an einem Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndrom bei Fehlstatik der Wirbelsäule leidet. In einem Arztbrief des Neurologen und Psychiater Dr. G. heißt es, dass vor dem Hintergrund eines negativen Borrelien-serologischen Befundes eine höhergradige Borreliose „zunächst einmal vom Tisch sein [sollte], wiewohl der Patient hierauf fixiert ist und eine erneute Laborkontrolle in 12 Wochen anstrebt“. Bezüglich der Kopfschmerzsymptomatik solle eine HNO-ärztliche Mitbehandlung angestrebt werden, da auch eine „Sinusitis ethomidalis, etc“ für diese mitverantwortlich sein könne. 

Die Beklagte gab sodann ein Gutachten des Dr. H. von der Orthopädischen Klinik in Kassel in Auftrag. Dr. H. untersuchte den Kläger am 4. März 2008 und kam in dem internistisch-rheumatologischen Gutachten vom 17. März 2008 zu dem Ergebnis, dass sicherlich eine Borrelien-Infektion stattgefunden habe. Zu keinem Zeitpunkt hätten die Symptome einer Arthritis vorgelegen. Die Beschwerden im Knie entsprächen Verschleiß-Erscheinungen. Die Borrelien-Infektion spiele keine Rolle. Insbesondere liege keine Lyme-Arthritis vor. Es würden keine Beschwerden der Haut, des Herzens oder von Seiten des Nervensystems vorliegen, die einen Zusammenhang mit der Borrelien-Infektion wahrscheinlich sein lassen. Es bestehe ein Zustand nach einer Borrelien-Infektion, aber nicht eine fortschreitende oder eine chronische Borreliose. Eine Abnutzung der Rückfläche der Kniescheibe sei wahrscheinlicher für die Kniebeschwerden verantwortlich zu machen. Es lägen keine Folgen einer durchgemachten Borrelien-Infektion vor. 

In einer weiteren angeforderten Stellungnahme kam die Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. J. am 7. Mai 2008 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger von einer erfolgreichen Therapie auszugehen sei. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege nicht vor. 

Mit Bescheid vom 19. August 2008 stellte die Beklagte fest, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Berufskrankheiten-Liste vorliegt. Der Versicherungsfall sei am 11. Mai 2007 eingetreten, nämlich am ersten Tag der Behandlung. Die Kosten der Heilbehandlung wegen der Berufskrankheit würden übernommen. Ein Anspruch auf Rente wegen der Berufskrankheit bestehe nicht. Die serologisch festgestellte und nach Antibiose vollständig ausgeheilte Borreliose sei bei der Bewertung berücksichtigt worden. Eine rentenberechtigende MdE bestehe nicht. 

Der Kläger führte in seinem Widerspruch aus, dass er sich gegen die Feststellung wende, dass die Borreliose ausgeheilt sei und dass die übrigen festgestellten Erkrankungen unabhängig von der Borreliose bestünden. Er habe schon kurz nach dem Zeckenbiss im Jahre 2000 Knieschmerzen gehabt. Die Borreliose sei für seine Kniebeschwerden verantwortlich und sie sei nicht ausgeheilt. Ein positiver serologischer Befund sei ein sicherer Nachweis für eine Borreliose, während ein negativer Befund kein sicherer Nachweis sei, dass keine Borreliose vorliege. Der Kläger legte dazu einen weiteren Laborbefund vom 5. November 2008 vor, wonach im Rahmen der serologischen Diagnostik der IgG-Wert negativ und der IgM- Wert positiv war. In der Interpretation des Laborarztes Dr. L. heißt es dazu, dass eine chronische Borreliose unwahrscheinlich sei. Weiter führte der Kläger unter Vorlage eines Befundberichtes des Orthopäden Dr. K. aus, dass bei ihm hinsichtlich der Kniegelenke ein „altersentsprechender Befund“ vorliege. In dem Bericht heißt es weiter, dass die Kniebeschwerden des Klägers auf eine rheumatische Ursache wie z.B. Borreliose hinweisen würden. Der Kläger ist im Übrigen der Auffassung, dass die nachgewiesene Borreliose als einzige Ursache für seine Beschwerden in Frage kommen würde. Er beantrage weiterhin die Übernahme der Kosten der Heilbehandlung wegen der Borreliose und behalte sich vor, zukünftig bei entsprechendem Krankheitsverlauf und vorliegenden Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Rente wegen seiner Berufskrankheit zu stellen. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. H. sowie auf die Stellungnahme von Dr. J. zurück. Die Beklagte habe zu Recht keine Rente gewährt. Die Borreliose sei folgenlos ausgeheilt. 

Der Kläger hat am 8. Juli 2009 Klage bei dem Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhoben. Er hat geltend gemacht, dass er weiterhin an einer Borreliose erkrankt sei und dass er infolge der festgestellten BK Nr. 3102 wenigstens zu 20 vom Hundert (vH) erwerbsgemindert sei. Daher lägen die Voraussetzungen einer Rente vor. Er habe erhebliche Schmerzen, im Wesentlichen in den Gelenken, und darüber hinaus auch wiederholt starke Kopfschmerzen. 

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von dem Allgemeinmediziner M. eingeholt. Dieser hat insbesondere ausgeführt, dass der Kläger seit 2001 an therapieresistenten Knieschmerzen und seit 2007 an therapieresistenten Kopfschmerzen leide. Er vermute, dass bei dem Kläger sowohl eine Gelenk- als auch eine Neuroborreliose vorliege. Die Diagnose der Borreliose sei klinisch zu stellen. Die Krankenkasse des Klägers teilte mit, dass bei dem Kläger keine Arbeitsunfähigkeitszeiten bekannt seien und dass nur eine stationäre Behandlung im November 2002 wegen chronischer Tonsilitis bekannt sei. 

Das Sozialgericht hat sodann zunächst ein orthopädisches Gutachten des Sachverständigen Dr. N. eingeholt. Der Sachverständige hat den Kläger am 15. März 2010 untersucht. Er ist in dem Gutachten vom 9. März 2011 zu dem Ergebnis gekommen, dass sich bei dem Kläger eine chronische Borreliose nicht mit ausreichender Sicherheit nachweisen lasse. Auch eine Gelenk- bzw. Neuroborreliose lasse sich nicht zweifelsfrei annehmen. Nach Einwänden des Klägers hat das Sozialgericht ein Ergänzungsgutachten des Sachverständige Dr. N. eingeholt, der bei seiner Auffassung geblieben ist, dass sich eine chronische Borreliose nicht mit Sicherheit nachweisen lasse. 

Das Sozialgericht hat im Anschluss – wegen der Dauer zwischen der Untersuchung und der Gutachtenerstellung durch den Sachverständigen Dr. N. - ein weiteres Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. P. eingeholt. Dr. P. hat den Kläger am 6. Dezember 2011 untersucht und am 8. Februar 2012 ein Gutachten erstellt, in dem er zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sich bei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt eine krankheitsaktive Borreliose objektivieren lasse. Auch eine chronische Borreliose sei nicht nachweisbar. Bei dem Kläger habe keine Wanderröte vorgelegen. Eine Neuroborreliose sei zu keinem Zeitpunkt objektiviert worden. Es bestünden keine gesicherten Hinweise auf eine Lyme-Arthritis. Anschwellungszustände oder Ergussbildungen seien nicht objektiviert. Bei dem Kläger hätten zwar überhöhte IgG-Antikörper, jedoch keine klinischen Zeichen einer Lyme-Arthritis bestanden. Es sei dabei nicht erstaunlich, dass die zahlreichen antibiotischen Therapien nicht zu einer Besserung bei dem Kläger geführt hätten, da bei diesem zu keinem Zeitpunkt eine krankheitsaktive Borreliose bestanden habe. Im Übrigen sei gesichert, dass nach einer zweiten antibiotischen Therapie eine krankheitsaktive Borreliose mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeheilt sei. Der Nachweis von IgM- und IgG-Antikörper im Blutserum gegen Borrelia burgdorferia sei nicht geeignet, um eine krankheitsaktive Borreliose zu belegen. Vor diesem Hintergrund ist der Sachverständige Dr. P. sodann zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger keine Folgen der BK Nr. 3102 bestehen. Eine MdE lasse sich nicht feststellen. Nach Einwänden des Klägers hat Dr. P. ein Ergänzungsgutachten erstellt, in dem er bei seiner Auffassung geblieben ist. 

Am 6. März 2013 hat das Sozialgericht die Klage auf Gewährung einer Rente nach einer MdE in Höhe von mindestens 20 vH abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig und der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Rente. Ein Versicherungsfall im Sinne der BK Nr. 3102 sei zwar gegeben. Eine krankheitsaktive Borreliose sei nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Mangels MdE-bedingender Erkrankung bestehe daher auch kein Anspruch auf eine Rente. Das Sozialgericht hat seine Auffassung im Wesentlichen auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. P. gestützt. 

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 25. März 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. April 2013 Berufung bei dem Sozialgericht Kassel eingelegt. Der Senat hat das Verfahren durch Beschluss vom 25. Juni 2014 ruhend gestellt, um die Erstellung der Leitlinie „Lyme Borreliose“ abzuwarten. Am 19. Januar 2018 hat der Senat das Verfahren fortgeführt.

Zur Berufungsbegründung führt der Kläger aus, dass das Sozialgericht nicht die Gesamtumstände gewürdigt habe. Die Symptome einer krankheitsbedingten Borreliose seien sehr häufig hinsichtlich ihrer Beweisbarkeit nur schwer darzustellen. Nachgewiesen sei, dass die Borreliose infolge eines Zeckenbisses im Jahre 2000 zumindest vorlag. Der Kläger sei auch damals schon behandelt worden. Der Sachverständige Dr. P. habe keine alternative Diagnose mitgeteilt. Diese hätte er aber benennen müssen. Alternative Ursachen für die Gelenkbeschwerden des Klägers gebe es nicht. Kein Sachverständiger habe Röntgenaufnahmen von den Kniegelenken des Klägers erstellen lassen. Zudem würden sich die Schmerzen des Klägers auch nicht durch eine medikamentöse Therapie reduzieren lassen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass bisher keine ausreichende Gesamtbewertung der Feststellungen im Zusammenhang mit der Erkrankung des Klägers erfolgt sei, so dass keine korrekte abschließende Bewertung der Ursache der Beschwerden des Klägers habe erfolgen können. Insoweit hält der Kläger die Einholung eines weiteren ergänzenden Sachverständigengutachtens für erforderlich. Die Beschwerden an den Kniegelenken und die Kopfschmerzen des Klägers würden unverändert vorliegen. Deren Intensität habe sich jedenfalls nicht verringert. 

Der Kläger beantragt sinngemäß, 

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 19. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2009 aufgrund der Berufskrankheit 3102 der BKV Rente nach einer MdE in Höhe von mindestens 20 vH zu gewähren. 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. 

Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und auf das erstinstanzliche Urteil. 

Auf den Hinweis des Senats zu der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2017 (B 2 U 17/15 R) führt der Kläger ergänzend aus, dass die vom BSG entschiedene Fallgestaltung anders liege. Der Senat hat sodann einen Auszug aus der Patientenakte des Klägers bei dem Allgemeinmediziner E. beigezogen. 

Die Beklagte hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Neurologie Dr. R. vorgelegt. Dieser ging davon aus, dass die Diagnose Borreliose nicht im Vollbeweis zu stellen sei und dass die Beschwerden des Klägers nicht auf eine Borreliose zurückgeführt werden könnten. Der Kläger trägt dazu ergänzend vor, dass die beratungsärztliche Stellungnahme „parteigebunden“ sei und dass diese sich mit den Darstellungen des Klägers nicht auseinandersetze. Diese Stellungnahme dürfe nicht berücksichtigt werden. 

Mit Verfügung vom 4. Februar 2019 hat der Senat die Beteiligten dazu angehört, dass der Senat in Erwägung zieht, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unbegründet zurückzuweisen. Der Kläger hat sich mit Schriftsatz vom 3. März 2019 mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren einverstanden erklärt. 

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.


Gründe

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter durch Beschluss entscheiden. Denn der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden. 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts und der Bescheid der Beklagten vom 19. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dementsprechend hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

Streitgegenstand ist vorliegend der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts, sowie auf Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 19. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2009 sowie auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente aufgrund der BK Nr. 3102. Dieses Klagebegehren verfolgt der Kläger in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG; BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 11/17 R – juris Rn 9; BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R – juris Rn 17). Eine Klage auf Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG, dass die vorgetragenen Gesundheitsstörungen (Kniebeschwerden, Ellenbogenbeschwerden, Kopfschmerzen, Müdigkeit) Folge der anerkannten BK Nr. 3102 sind, hat der anwaltlich vertretene Kläger nicht erhoben, so dass davon auszugehen ist, dass die Anträge des Klägers das Gewollte richtig wiedergeben (vgl Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage, § 123, Rn 3; BSG, Beschluss vom 5. Juni 2014 – B 10 ÜG 29/13 B – juris Rn 12). 

Rechtsgrundlage der von dem Kläger geltend gemachten Rente ist § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Die Regelung des § 80a Abs. 1 SGB VII, welche abweichende Regelungen für landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 a und b SGB VII trifft, findet hier keine Anwendung, da diese Vorschrift nur auf Versicherungsfälle anwendbar ist, die nach dem 31. Dezember 2007 eingetreten sind (§ 221 Abs. 2 SGB VII). Hier ist der Versicherungsfall des Klägers aber ausweislich des Bescheides der Beklagten bereits am 11. Mai 2007 eingetreten. 

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Voraussetzung für den Rentenanspruch ist damit zunächst ein Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung. Darüber hinaus bedarf es länger - über 26 Wochen - andauernder Gesundheitsstörungen bzw. Krankheitsfolgen (BK-Folgen; § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG), die auf den Versicherungsfall der BK Nr. 3102 zurückzuführen sind (haftungsausfüllende Kausalität) und die der Bemessung der MdE zugrunde zu legen sind (vgl etwa: BSG, Urteil vom 8. Dezember 2021 – B 2 U 10/20 R – juris Rn 15; BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 5/16 R – juris Rn 12). Gesundheitsstörungen bzw. Krankheitsfolgen müssen, um als BK-Folgen anerkannt zu werden, zunächst im Vollbeweis nachgewiesen sein, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (stRsp, vgl nur BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 8/20 R – juris Rn 13; BSG, Urteil vom 6. Mai 2021 – B 2 U 15/19 R – juris Rn 13). Für die Kausalitätsfeststellung zwischen der BK und den als BK-Folgen geltend gemachten länger andauernden Krankheitsfolgen gilt wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst (Stufe 1) einen Ursachenzusammenhang im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie voraus, wonach Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, welches nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Die Prüfung dieser ersten Stufe ist eine rein tatsächliche Fragestellung, die seitens des Gerichts mit Hilfe medizinischer Sachverständiger zu erfolgen hat, die dabei den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zugrunde zu legen haben (vgl BSG, Urteil vom 6. Mai 2021 – B 2 U 15/19 R – juris Rn 20; BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 - B 2 U 10/19 R - juris Rn 27). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 – B 2 U 10/19 R – juris Rn 27). Steht fest, dass neben der versicherten auch eine konkurrierende, nicht versicherte Ursache eine Gesundheitsstörung objektiv kausal (mit-)bewirkt hat, ist anschließend - auf der Stufe 2 - juristisch zu entscheiden, welche der Ursachen rechtserheblich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung gewesen sind. Dabei handelt es sich um eine reine Rechtsfrage (vgl dazu etwa: BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 – B 2 U 10/19 R – juris Rn 32). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt als Beweismaßstab die hinreichende Wahrscheinlichkeit, aber nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 6. Mai 2021 – B 2 U 15/19 R – juris Rn 13).

Die dargestellten Voraussetzungen für eine Rente liegen im Fall des Klägers nicht vor. Bei dem Kläger liegt zwar ein Versicherungsfall vor. Denn Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten und die Beklagte hat durch Bescheid bindend festgestellt, dass bei dem Kläger der Versicherungsfall der BK Nr. 3102 in Form einer vollständig ausgeheilten Borreliose vorliegt (vgl zu der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes: § 77 SGG; BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 6/17 R – juris Rn 11; BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 11/17 R – juris Rn 12). Auf die Frage, ob die Anerkennung einer „von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheit“ im Sinne der BK Nr. 3102 zu Recht erfolgt ist, kommt es daher im vorliegenden Fall nicht streitentscheidend an (vgl jedoch zum Begriff der „Krankheit“ im Sinne der BK Nr. 3102, der eine Beeinträchtigung der Körperfunktion erfordert und unter den nach der Rechtsprechung des BSG nicht die symptomlose Borrelieninfektion fällt: BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R – juris Rn 21). Jedoch scheitert der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine Rente daran, dass die Beklagte nach Auffassung des Senats zutreffend festgestellt hat, dass bei dem Kläger die Borreliose im Sinne der BK Nr. 3102 folgenlos ausgeheilt ist. Denn damit fehlt es zum einen an der Voraussetzung eines Fortbestehens oder des erneuten Auftretens einer krankheitsaktiven Borreliose, insbesondere einer chronischen Borreliose, die nicht im dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist. Und zum anderen ist auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung kein hinreichend wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang zwischen der anerkannten BK Nr. 3102 und den vom Kläger vorgetragenen Beschwerden wie etwa Kniebeschwerden, Ellenbogenbeschwerden, rezidivierenden Kopfschmerzen und Müdigkeit gegeben. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist bei dem Kläger die Borreliose komplett und folgenlos ausgeheilt, so dass die vom Kläger vorgetragenen Beschwerden nicht als Folgen einer (ausgeheilten) Borreliose-Erkrankung berücksichtigt werden (vgl im Hinblick auf die BK Nr. 3102 auch: Sächsisches LSG, Urteil vom 21. April 2016 – L 2 U 58/12 – juris Rn 25f.; LSG Darmstadt, Urteil vom 24. März 2015 – L 3 U 90/13) und daher auch zu keinem Zeitpunkt einer MdE-Bemessung zugrunde gelegt werden können.

Diese Auffassung stützt der Senat maßgeblich auf die schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. P. Bei dem Kläger liegt danach weder eine Lyme-Borreliose noch eine Neuroborreliose und auch keine chronische Borreliose vor. Zudem ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. nach der antibiotischen Behandlung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer kompletten Ausheilung einer Borreliose auszugehen. Dies steht in Einklang mit der S2k-Leitlinie „Kutane Lyme-Borreliose“ der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (AWMF-Register Nr. 013/044; im Folgenden: Leitlinie Lyme-Borreliose) und der S3-Leitlinie Neuroborreliose der Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (AWMF-Register Nr. 030/071), die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand auf dem betreffenden Gebiet zusammenfassen.

Dabei ist – entgegen der Auffassung des Klägers – zunächst zu berücksichtigen, dass eine krankheitsaktive Borreliose nicht bereits deshalb nachgewiesen ist, weil bei dem Kläger zeitweise serologisch ein positiver Befund vorlag. Der Nachweis von Antikörpern ist – wie vom Sachverständigen Dr. P. zutreffend ausgeführt – gerade noch kein Beweis für eine klinisch bestehende Borreliose und selbst eine Borrelieninfektion als solche stellt noch keine „Krankheit“ im Rechtssinne dar (vgl dazu auch: BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 17/15 R - juris Rn 16, 21ff.). Diese Ausführungen decken sich auch mit den aktuellen wissenschaftlichen Leitlinien. Insoweit besteht in der Leitlinie Lyme-Borreliose ein „starker Konsens“ (vgl S. 27 der Leitlinie Lyme-Borreliose), ebenso wie in der Leitlinie Neuroborreliose (vgl S. 18 der Leitlinie Neuroborreliose). Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Sachverständigen Dr. P. überzeugend, dass es sich im Falle des Klägers bei den serologischen Befunden lediglich um einen Ausdruck einer früher abgelaufenen Infektion im Sinne eines Durchseuchungstiters (Seronarbe) handelt. Jedenfalls kann alleine mit den vorliegenden serologischen Befunden keine aktive Borreliose-Erkrankung des Klägers nachgewiesen werden. Dies deckt sich auch mit der Rechtsprechung des BSG, wonach die Feststellung einer Lyme-Borreliose voraussetzt, dass beides – nämlich ihre typischen klinischen Symptome und die Borrelieninfektion – belegt sein muss (BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R – juris Rn 17). Somit ist auch die Darstellung des Sachverständigen Dr. P. überzeugend, dass die Diagnose der Lyme-Borreliose richtungsweisende klinische Beschwerden erfordert. Dies hat auch der behandelnde Arzt des Klägers, Herr M. in seinem Befundbericht gegenüber dem Sozialgericht bestätigt. Das klinische Bild bestimmt sowohl die Diagnostik als auch die Therapie bei der Lyme-Borreliose (vgl S. 12 der Leitlinie Lyme-Borreliose). 

Das Vorliegen einer Lyme-Borreliose ist bei dem Kläger vor diesem Hintergrund jedoch gerade nicht nachgewiesen. Die Lyme-Borreliose ist eine entzündliche Multiorganerkrankung (S. 12 der Leitlinie Lyme Borreliose). Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. ist diese bei dem Kläger nicht objektivierbar. Das klinische Bild einer Lyme-Borreliose liegt nicht vor. Nach Nr. 15 des Anhangs zum Merkblatt der BK Nr. 3102 (Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 3102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung, Bek. des BMGS vom 1. September 2003, BArbBl 10/2003, S. 26 ff.), das zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands und als Interpretationshilfe heranzuziehen ist (vgl dazu: BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R – juris Rn 19), zählen zu dem Krankheitsbild der Lyme-Borreliose insbesondere: Erythema migrans (Wanderröte), wandernde Arthralgien, Herzbeschwerden, Magen-Darm-Symptome, Arthritis, Akrodermatidis chronica atrophicans (ACA), Enzephalomyelitis. Nach der Leitlinie Lyme-Borreliose handelt es sich gerade bei den Haut- und Organmanifestationen der ACA, der peripheren Neuropathie und der chronischen Arthritis um klinische Manifestationen im späten Stadium der Lyme Borreliose (vgl S. 12f. der Leitlinie Lyme-Borreliose). Solche klinischen Manifestationen sind aber bei dem Kläger gerade nicht nachgewiesen. Zunächst ist bei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Hautveränderung im Sinne einer Wanderröte (Erythema migrans) dokumentiert, obwohl sich die frühe Borrelieninfektion bei 80 bis 90% der Patienten zunächst als lokale Erythema migrans manifestiert (vgl S. 11 der Leitlinie Neuroborreliose). Vielmehr hat der Kläger selbst angegeben, dass eine Hautrötung bei ihm nicht vorlag. Auch fehlt – ausweislich des vorliegenden Sachverständigengutachtens des Dr. P. und der vorliegenden Befundberichte, etwa von Prof. Dr. O. vom 31. Januar 2008 - der Nachweis von Schwellungszuständen und Gelenkergüssen als Zeichen einer manifesten Arthritis (vgl dazu auch: BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R – juris Rn 19). Auch die weiteren möglichen Manifestationen einer Lyme-Borreliose liegen bei dem Kläger nicht vor. Herzbeschwerden, Magen-Darm-Symptome, Arthritis, ACA, wandernde Gelenkbeschwerden oder eine Enzephalomyelitis sind nicht dokumentiert, geschweige denn nachgewiesen. 

Auch eine Neuroborreliose - im Sinne einer klinischen Manifestation (vgl S. 8 der Leitlinie Neuroborreliose) - ist bei dem Kläger nicht nachgewiesen. Diese ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. zu keinem Zeitpunkt objektiviert. Auch insoweit ist das Gutachten des Sachverständigen Dr. P. überzeugend und deckt sich mit den aktuellen wissenschaftlichen Leitlinien. Der klinische Verlauf der Neuroborreliose stellt sich nach der Leitlinie Neuroborreliose (vgl S. 14 der Leitlinie Neuroborreliose) wie folgt dar: 

Frühe Neuroborreliose: Symptomdauer Wochen bis Monate 
-    die neurologische Symptomatik tritt wenige Wochen bis einige Monate nach dem Zeckenstich auf
-    typische Manifestation: schmerzhafte Meningopolyradikulitis spinaler Nerven in Verbindung mit einer einseitigen oder beidseitigen Fazialisparese (Bannwarth-Syndrom); bei Kindern auch Meningitis
-    häufig: radikuläre Schmerzen
Späte Neuroborreliose (auch als chronische Neuroborreliose bezeichnet): Symptomdauer Monate bis Jahre 
-    neurologische Symptomatik entwickelt sich schleichend über Monate bis Jahre
-    typische Manifestation: Enzephalomyelitis mit spastisch-ataktischer Gangstörung und Blasenstörung
-    sehr selten isolierte Meningitis
-    selten Schmerzen.

Dieses klinische Bild der Neuroborreliose ist bei dem Kläger nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. zu keinem Zeitpunkt objektiviert und damit nicht nachgewiesen. Insbesondere passen die von dem Kläger vorgetragenen Beschwerden gerade nicht zu dem klinischen Verlauf einer späten Neuroborreliose (chronische Neuroborreliose). Denn es ist gerade keine sich schleichend entwickelnde neurologische Symptomatik nachgewiesen. Auch die typische Manifestation der Enzephalomyelitis mit spastisch-ataktischer Gangstörung und Blasenstörung ist bei dem Kläger weder vorgetragen noch nachgewiesen. Soweit der Kläger demgegenüber Schmerzen geltend macht, sind diese ausweislich der Leitlinie Neuroborreliose gerade nur in seltenen Fällen eine typische Manifestation der späten Neuroborreliose, so dass für den Senat die Auffassung des Sachverständigen Dr. P. sehr überzeugend ist, dass sich aus dem Vortrag des Klägers zu den behaupteten Schmerzen nicht der Nachweis einer Borreliose ableiten lässt. 

Auch eine chronische Borreliose liegt bei dem Kläger nicht vor. Wie bereits dargelegt, liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das klinische Bild einer späten Lyme-Borreliose oder einer späten Neuroborreliose nicht vor. Der Sachverständige Dr. P. hat zudem überzeugend dargelegt, dass eine chronische Borreliose bei dem Kläger nicht nachweisbar ist. Denn eine chronische Borreliose kann danach nur dann entstehen, wenn eine zuvor akute Borreliose nicht oder unzureichend behandelt wird. Dies ist aber bei dem Kläger gerade nicht nachgewiesen, zumal der Sachverständige Dr. P. überzeugend ausgeführt hat, dass jedenfalls nach der zweiten antibiotischen Behandlung des Klägers mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer kompletten Ausheilung auszugehen ist. Dem kann der Kläger auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass eine der beiden antibiotischen Behandlungen im Jahre 2007 wegen einer Allergie des Klägers nach 3 Wochen beendet werden musste. Dies hat der Sachverständige Dr. P. ausweislich seiner ergänzenden Stellungnahme bei seiner Bewertung berücksichtigt. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass insoweit auch Dr. R., dessen beratungsärztliche Stellungnahme im Wege des Urkundsbeweis im gerichtlichen Verfahren verwertet werden kann, dargelegt hat, dass der Kläger im Hinblick auf eine mögliche Borreliose trotzdem leitliniengerecht behandelt worden ist. Dies deckt sich auch mit dem Bericht der Abteilung Nephrologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Göttingen vom 14. August 2009, wonach der Kläger nach der 2007 aufgefallenen positiven Borrelienserologie „leitliniengerecht therapiert“ wurde.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige Dr. P. unter Darlegung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nachvollziehbar dargelegt hat, dass eine Borreliose-Erkrankung trotz Nachweis von Borreliose-Antikörpern nur bei einer „deutlichen Minderzahl“ der Betroffenen auftritt. Eine Borreliose-Infektion verläuft vielmehr typischerweise symptomlos (vgl auch BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R – juris Rn 24). Auch dies spricht gegen die Behauptung des Klägers, dass bei ihm eine krankheitsaktive Borreliose oder Folgen einer Borreliose-Erkrankung vorliegen. 

Im Ergebnis hat der Kläger somit weder das Fortbestehen oder das erneute Auftreten einer krankheitsaktiven Borreliose - insbesondere keine chronische Borreliose – nachgewiesen noch ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der anerkannten BK Nr. 3102 und den Beschwerden des Klägers hinreichend wahrscheinlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Befundberichten. Teilweise sprechen die vorliegenden medizinischen Unterlagen und Berichte ausdrücklich gegen eine chronische Borreliose-Erkrankung des Klägers, wie etwa der Laborbefund des Dr. L. vom 30. September 2008, in dem es bereits heißt, dass bei dem Kläger eine chronische Borreliose eher unwahrscheinlich ist. Ebenso kam Dr. G. zu dem Ergebnis, dass eine Borreliose „vom Tisch sein sollte“. Aber auch aus den Berichten der übrigen behandelnden Ärzte des Klägers lassen sich keine nachvollziehbaren Nachweise, sondern nur Vermutungen (vgl. dazu: Befundbericht des M. bzw. Bericht des Dr. D. vom 20. September 2007) oder allenfalls nicht gesicherte oder nachgewiesene Behauptungen einer Borreliose (E.) finden. Eine nachvollziehbar gesicherte Diagnose einer krankheitsaktiven Borreliose findet sich aus den dargelegten Gründen in diesen Arztberichten jedoch nicht. Dass möglicherweise - wie der Kläger vorträgt - die Symptome einer Borreliose nur schwer zu beweisen sind, ändert an den dargestellten Umständen nichts, die klar für eine folgenlos ausgeheilte Borreliose bei dem Kläger sprechen. 

Soweit der Kläger meint, dass es erforderlich sei, eine alternative Diagnose für die vorgetragenen Beschwerden zu finden, verkennt er den dargestellten Prüfungsmaßstab. In einem unfallversicherungsrechtlichen Klageverfahren muss gerade nicht geklärt werden, welche Krankheit für die Beschwerden des Versicherten ursächlich ist, wenn – wie hier – feststeht, dass jedenfalls die versicherte Berufskrankheit folgenlos ausgeheilt ist. Insofern kommt es auch auf die von dem Kläger geforderte „Gesamtwürdigung“ vorliegend nicht maßgeblich an. Und insoweit verfängt auch der Einwand des Klägers nicht, dass weder der Sachverständige Dr. N. noch der Sachverständige Dr. P. eine röntgenologische Untersuchung vorgenommen habe. 

Darüber hinaus vermag der Senat nicht der Behauptung des Klägers zu folgen, dass keine andere Diagnose als eine Borreliose für seine Kniebeschwerden verantwortlich sein könne. Wie bereits dargelegt, passt das Krankheitsbild des Klägers nicht zu einer Borreliose-Erkrankung. Zudem haben alle Sachverständigen dargelegt, dass bei dem Kläger andere Ursachen für die vorgetragenen Gesundheitsstörungen möglich sind. Dies ist für den Senat gerade im Hinblick auf die Gelenkbeschwerden nachvollziehbar, zumal der Kläger seit Jahren in erheblicher Weise körperlich arbeitet und bei ihm auch eine Fehlstatik der Wirbelsäule, ein LWS-Syndrom, ein degeneratives HWS-Syndrom und Knick-Senkfüße diagnostiziert wurden (vgl etwa: Bericht des Orthopäden Dr. F. vom 5. November 2007 und der orthopädischen Praxis Drs. S./T./K./U. vom 28. Februar 2008), die unstreitig mit der BK Nr. 3102 nicht in Zusammenhang stehen. Der Sachverständige Dr. N. hat darüber hinaus auch eine muskuläre Dysbalance als mögliche Ursache der Kniebeschwerden benannt, was auch erklären könne, dass sich kein „pathologischer Befund“ an den Kniegelenken des Klägers finden lässt. Zudem finden sich auch in den vorliegenden Arztberichten der behandelnden Ärzte des Klägers andere mögliche Krankheitsursachen, wie etwa für die vorgetragenen Kopfschmerzen des Klägers, die etwa auch auf einer Sinusitis (vgl Bericht des Dr. G. vom 13. Januar 2008) beruhen können. 
Schließlich hatte der Senat - entgegen der Auffassung des Klägers - keine weiteren Ermittlungen durchzuführen. Insbesondere war auch kein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Das Gericht hat nur diejenigen Ermittlungen durchzuführen, zu denen es sich nach der Sach- und Rechtslage gedrängt fühlen muss. Das Gericht muss sich zudem nur zu solchen Ermittlungen gedrängt sehen, für die es hinreichende Anhaltspunkte gibt. Stehen demgegenüber die entscheidungserheblichen Tatsachen fest, kann das Gericht diese ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen (Mushoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 103 SGG (Stand: 26. September 2022), Rn 78). So verhält es sich im Fall des Klägers. Vor dem Hintergrund der durchgeführten Ermittlungen stehen aus den dargelegten Gründen die entscheidungserheblichen Tatsachen für den Senat fest. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens geboten war, zumal im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens sowohl seitens der Beklagten (im Gerichtsverfahren als Urkundsbeweis verwertbare) und seitens des Gerichts mehrere Sachverständigengutachten eingeholt wurden, nämlich aus dem internistisch-rheumatologischen, aus dem orthopädischen und aus dem internistisch-arbeitsmedizinischen Bereich, die alle zu dem Ergebnis kamen, dass bei dem Kläger keine krankheitsaktive Borreliose vorliegt und auch keine Folgen der Borreliose vorliegen.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der rechtskundig vertretene Kläger einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht gestellt bzw. nicht aufrechterhalten hat. Ein Beweisantrag setzt ein hinreichend konkretes Beweisthema, ein zulässiges Beweismittel und die Angabe des voraussichtlichen Beweisergebnisses voraus (vgl BSG, Beschluss vom 27. August 2020 – B 9 SB 4/20 B – juris Rn 10). Bloße Beweisanregungen - wie hier - haben prozessual nicht dieselbe Bedeutung wie ein förmlicher Beweisantrag (BSG, Beschluss vom 2. Februar 2022 - B 9 SB 47/21 B - juris Rn. 7). Die Warnfunktion eines Beweisantrages verfehlen bloße Beweisgesuche gerade, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, da es sich insoweit nur um Hinweise oder bloße Anregungen handelt (BSG, Beschluss vom 2. Februar 2022 – B 9 SB 47/21 B – juris Rn. 8). Zudem weist der Senat darauf hin, dass den Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren nicht nachzukommen war, weder im Hinblick auf die Einholung eines „ergänzenden Sachverständigengutachtens“ noch im Hinblick auf ein sachverständiges Zeugnis des Dr. K., wonach die Kniegelenke des Klägers im Jahre 2008 noch besser als altersentsprechend gewesen sein sollen. Denn darauf kommt es hier aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich an. 

Abschließend weist der Senat nur ergänzend darauf hin, dass der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf eine Rente auch zusätzlich daran scheitert, dass nicht ersichtlich ist, dass die von dem Kläger vorgetragenen Gesundheitsstörungen bei ihm überhaupt zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH führen oder führten. Dies entspricht dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen Dr. P., wonach bei dem Kläger keine messbare MdE festgestellt werden kann. Zudem hat der Kläger im Widerspruchsverfahren am 18. November 2008, also nach der folgenlosen Ausheilung der Borreliose, selbst vorgetragen, dass allenfalls „zukünftig je nach Krankheitsverlauf ein Anspruch auf Rente wegen der Berufskrankheit entstehen“ könnte. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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