Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Verletztenrente nach einer von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit - BK - (Borrelien-Infektion) 3102 (= von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV -.
Der 1975 geborene Kläger ist selbstständig als Landwirt tätig und in dieser Eigenschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Am 24.11.2007 meldete er bei der Beklagten eine bei ihm festgestellte Borreliose und beantragte die Anerkennung als Berufskrankheit. Er gab an, Anfang Mai 2000 beim Einzäunen einer Wiese einen Zeckenstich erlitten zu haben; die Zecke sei damals nach der Arbeit umgehend von seiner Mutter entfernt worden. In der Folgezeit sei keine Rötung aufgetreten. Seit 2001/2002 leide er an Gelenkschmerzen – hauptsächlich seien die Knie betroffen -, für die weder vom Hausarzt noch von verschiedenen Orthopäden eine Ursache habe festgestellt werden können. Anlässlich einer FSME-Impfung habe er von dem Krankheitsbild Borreliose erfahren und eine Blutuntersuchung veranlasst. Hierbei sei eine Borrelioseerkrankung festgestellt und mit oraler Antibiotikatherapie behandelt worden, später sei eine antibiotische Infusionstherapie durchgeführt worden, da die Borreliose weiterhin aktiv gewesen sei.
Der von der Beklagten vom behandelnden Arzt des Klägers E. angeforderte Befundbericht vom 25.1.2008 bestätigte die Gabe von drei Wochen Antibiotikum im Mai 2007 sowie eine vierwöchige intravenöse antibiotische Therapie im September 2007. Der Allgemeinmediziner E. benannte als Beschwerden des Klägers wechselnde Arthralgien (Kniegelenke, rechter Ellenbogen) sowie zeitweise Müdigkeit. Er diagnostizierte eine chronische Borreliose und gab an, dass ein positiver Borrelientiter vorliege; serologisch bestehe jedoch kein Anhalt für eine Borrelieninfektion. Der vom Kläger ebenfalls konsultierte Dr. D. vom Krankenhaus A-Stadt stellte in seinem Arztbrief vom 20.9.2007 als Diagnose den dringenden Verdacht auf chronische Borreliose mit Arthralgien und radikulärer Symptomatik. Er empfahl aufgrund des Beschwerdebildes eine vierwöchige antibiotische Behandlung, die der Kläger im September 2007 auch durchführte.
In der Folge beauftragte die Beklagte Dr. H. mit der Erstellung eines internistisch-rheumatologischen Gutachtens (Gutachten vom 17.3.2008). Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine Borrelieninfektion stattgefunden habe, „am ehesten“ im Jahre 2000. Dazu passe der serologische Befund einer länger zurückliegenden Infektion (nur IgM-Antikörper, keine hohen Titer). Im Bereich der Knie lägen Verschleißerscheinungen vor, es bestehe aber keine Lyme-Arthritis. Insgesamt bestehe ein Zustand nach Infektion, aber keine fortschreitende oder chronische Borreliose.
Mit Bescheid vom 19.8.2008 erkannte die Beklagte bei dem Kläger die BK 3102 (Borreliose) an und stellte fest, dass der Versicherungsfall am 11.5.2007 eingetreten sei. Die Kosten wegen der BK (Heilbehandlung) würden übernommen, ein Anspruch auf Rente wegen der BK bestehe nicht. Die Borreliose sei serologisch festgestellt worden, jedoch nach Antibiose vollständig ausgeheilt. Unabhängig von der BK lägen folgende Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes des Klägers vor: Chondropathie patellae bds, Tendomyose am Latissimus dorsi rechts.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er führte aus, dass die Borreliose nicht ausgeheilt sei. Zwar seien im Dezember 2007 die Borreliose serologisch nicht mehr nachweisbar gewesen, jedoch im September 2008 sei bei fortbestehenden Beschwerden eine erneute Blutuntersuchung mit erneut positiven Borreliennachweis durchgeführt worden. Eine Chondropathia patella habe der Orthopäde bei ihm nicht feststellen können. Für die persistierenden Beschwerden komme daher allein eine Borreliose als Ursache in Betracht. Hierzu reichte er einen Arztbrief des Orthopäden Dr. K. ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.6.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend führte sie aus, dass nicht Streitgegenstand sei, ob es vor der serologischen Untersuchung von September 2008 zu einer erneuten Borrelieninfektion gekommen ist. Darüber hinaus stütze die gewerbeärztliche Stellungnahme vom 7.5.2008 von Dr. J. ihre Auffassung. Dr. J. habe sich der Beurteilung des Gutachters Dr. H. angeschlossen.
Hiergegen hat der Kläger am 8.7.2009 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Er trägt weiterhin vor, an Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen zu leiden und reicht hierzu ein Attest von Dr. M. vom 16.9.2009 ein, worin vermutet wird, dass eine Gelenk- und Neuroborreliose des Klägers vorliege.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19.8.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.6.2009 zu verurteilen, ihm aufgrund der Berufskrankheit 3102 der BKV Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide. Die Vermutung des Hausarztes des Klägers, dass eine Gelenk- bzw. Neuroborreliose vorliege, reiche nicht aus, denn das Vorliegen der Erkrankung müsse im Vollbeweis gesichert sein. Hiergegen spreche weiterhin das Gutachten von Dr. H.
Das Gericht hat Beweis erhoben und Dr. N. mit der Erstellung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat den Kläger am 15.3.2010 untersucht und sein Gutachten am 9.3.2011 bei Gericht eingereicht. In seinem achtseitigen Gutachten ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass der klinische Untersuchungsbefund die Diagnose einer Gelenk- bzw. Neuroborreliose nicht zweifelsfrei stütze. Im Bereich der beiden Kniegelenke sei ein Gelenkaufbrauchschaden festzustellen. Einen Anhalt für chronische Polyarthrithis oder einer anderen entzündlichen rheumatischen Erkrankung hat der Sachverständige nicht gesehen.
Der Kläger hat gegen das Gutachten von Dr. N. eingewandt, dass dieser keine Röntgenbilder gemacht habe und während der Untersuchung sich anders geäußert habe als im Gutachten niedergelegt. Das Gutachten sei darüber hinaus bereits deshalb nicht verwertbar, weil zwischen Untersuchung und Erstellung des schriftlichen Gutachtens ein Jahr gelegen habe.
Daraufhin hat das Gericht Dr. P. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 8.2.2012 ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger Antikörper gegen Borrelia burgdorferi der Klassen IgM und IgG nachgewiesen seien, jedoch keine Hinweise auf eine krankheitsaktive Borreliose vorlägen. Im Weiteren hat er eine Überfunktion der Schilddrüse diagnostiziert. Er führt aus, dass allein der positive Nachweis borrelienspezifischer Antikörper – seien es IgM oder IgG - keine aktive Infektion mit Borrelien burgdorferi nachweise. Abzustellen sei bei der Diagnose auf richtungsweisende klinischen Beschwerden, die hier jedoch nicht vorlägen. Ein Erythema migrans sei beim Kläger zu keinem Zeitpunkt dokumentiert worden, so dass sich bereits hieraus die Wahrscheinlichkeit, dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine frische Borreliose entstanden sei, um mindestens 50 % gemindert sei. Anschwellungszustände oder Ergussbildung großer tragender Gelenke seien zu keinem Zeitpunkt objektiviert, so dass keine gesicherten Hinweise auf die Entstehung einer Lyme-Arthritis vorlägen. Eine „chronische Borreliose“ könne nicht vorliegen, da hier zu erforderlich sei, dass zuvor eine akute Borreliose nicht oder nur unzureichend behandelt wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der gerichtlicherseits eingeholten Gutachten, die dem Gericht vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 19.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.6.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente. Zwar hat die Beklagte die BK 3102 anerkannt, jedoch ist diese Erkrankung folgenlos ausgeheilt.
Nach Auswertung der seitens des Gerichts vorgenommenen medizinischen Ermittlungen konnte zur Überzeugung der Kammer nicht im Sinne eines Vollbeweises nachgewiesen werden, dass eine krankheitsaktive Borreliose – in der Form einer Neuro- bzw. Gelenkborreliose – beim Kläger besteht bzw bestanden hat. Mangels MdE-bedingender Erkrankung besteht damit auch kein Anspruch auf Rentengewährung.
Nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch - SGB VII - haben diejenigen Versicherten Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist. Die MdE richtet sich nach dem Umfang, der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 7 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen. BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 2, 3 und 6 SGB VII) erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", “Verrichtung“, “Einwirkungen“ und „Krankheit“ müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt dagegen schon die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings reicht die bloße Möglichkeit aus (vgl. BSGE SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernstliche Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 9.5.2006, B 2 U 1/05 R -, Rn 17, zitiert nach juris). Auch hinsichtlich der Frage, ob eine „Krankheit“ im Sinne der maßgeblichen BK vorliegt ist auf die herrschende ärztlich-wissenschaftliche Lehrmeinung zu rekurrieren, die sich am aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand orientieren muss. Ausgangsbasis für die Feststellung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes müssen die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich sein (vgl. u.a. Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Aufl. 2010; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010). Außerdem sind, soweit sie vorliegend einschlägig sind, die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen, sowie andere aktuelle Veröffentlichungen (vgl. BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rn 17 mwN). Die verschiedenen Veröffentlichungen sind jeweils kritisch zu würdigen. Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand stellt die wissenschaftliche Grundlage dar, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das objektivierte individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (vgl. BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 aaO)
Ein Versicherungsfall iSd § 7 SGB VII in Form einer BK ist vorliegend zwar gegeben. Die Beklagte hat mit hier angefochtenem Bescheid vom 19.8.2008 eine BK 3102 mit der folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigung: „Serologisch festgestellte und nach Antibiose vollständig ausgeheilte Borreliose“ anerkannt. Es ist insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig, dass tatsächlich eine Borrelien-Infektion des Klägers stattgefunden hat. Während die Beklagte davon ausgeht, dass aufgrund einer antibiotischen Therapie das Auftreten einer klinisch manifesten Infektion verhindert worden sei, sieht der Kläger bei ihm weiter bestehende Erkrankungen, die ihre Ursache in der vormaligen Borrelieninfektion haben.
Zur Überzeugung der Kammer fehlt es unter Zugrundelegung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes im vorliegenden Fall allerdings an der Sicherung einer manifesten Erkrankung des Klägers in Form einer Lyme-Borreliose bzw. einer Neuroborreliose (= eine Manifestationsform der Lyme-Borreliose) im Vollbeweis. Die Kammer stützt sich hierbei in erster Linie auf das von Dr. P. erstellte Gutachten. Das Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar. Bei der gutachterlichen Einschätzung werden die einschlägigen medizinischen Leitlinien in nachvollziehbarer Weise zu Grunde gelegt.
Die Lyme-Borreliose ist eine infektiöse Systemerkrankung mit vorwiegendem Befall von Haut, Nervensystem, Herz und Bewegungsapparat. Erreger ist die durch Zeckenstiche übertragene Spirochäte Borrelia burgdorferi sensu lato. Die Diagnose einer Lyme-Borreliose muss auf der Grundlage der Leitlinien in erster Linie durch die klinische Symptomatik begründet sein. Laborbefunde dienen dann zur Untermauerung oder zum Ausschluss der klinischen Verdachtsdiagnose. Der positive Nachweis Borrelien-spezifischer IgM- und/ oder IgG-Antikörper allein weist keine aktive Infektion mit Borrelia burgdorferi nach, da
- Borrelieninfektionen mit asymptomatischer Serokonversion vorkommen und
- über Jahre anhaltende erhöhte IgG und IgM- Antikörpertiter (im Serum oder Liquor) nach ausreichend behandelter Borreliose bei gesunden Personen keine Seltenheit darstellen.
(vgl. die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie - DGN - Neuroborreliose - Diagnostik, Stand 2008, im Internet dokumentiert unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-071.html).
Die frühe Borrelieninfektion manifestiert sich bei 80-90 % der Patienten als lokales Erythema migrans (Stadium I). Gelegentlich kommt es wenige Tage bis Wochen nach der Infektion zu Allgemeinsymptomen wie Krankheitsgefühl, Arthralgien, Myalgien, subfebrilen Temperaturen oder Nachtschweiß. Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich kann eine disseminierte Infektion auftreten, die überwiegend das Nervensystem, die Gelenke und das Herz betrifft (Stadium II). In seltenen Fällen kann es nach Monaten bis Jahren zu einer späten bzw. chronischen Manifestation kommen mit Beteiligung der Haut, des Nervensystems und der Gelenke (Stadium III). Da diese Stadien nur in wenigen Fällen durchlaufen werden und darüber hinaus der Infektionszeitpunkt häufig unbekannt ist, kommt der Einteilung aus klinischer Sicht nur bedingt Bedeutung zu. Angaben über einen Zeckenstich helfen ebenfalls wenig, den Infektionszeitpunkt zu bestimmen, da häufig unbemerkte Zeckenstiche zur Infektion führen (vgl. die Leitlinien der DGN 2008, Neuroborreliose, aaO, - Klinische Manifestation -).
Unter Zugrundelegung der Leitlinien der DGN führt der gerichtliche Gutachter Dr. P. – dessen überzeugenden Ausführungen die Kammer folgt - aus, dass es vorliegend an richtungsweisenden klinischen Beschwerden des Klägers fehlt, die auf eine krankheitsaktive Borreliose hindeuten. Die beim Kläger vorliegenden Beschwerden können einer krankheitsaktiven Borreliose nicht zugeordnet werden, vielmehr sind hierfür andere Ursachen verantwortlich.
Eine Neuroborreliose konnte der Sachverständige beim Kläger nicht feststellen.
Hinsichtlich des Verlaufs einer Neuroborreliose führt Dr. P. aus, dass die Symptomdauer in 90-95 % der Fälle unter sechs Monate liege, die neurologische Symptomatik trete wenige Wochen bis einige Monate nach dem Zeckenstich auf, typische Manifestation sei dabei Folgendes: Schmerzhafte Meningopolyradikulitis spinaler Nerven in Verbindung mit einer einseitigen oder beidseitigen Faszialisparese; häufige radikuläre Schmerzen mit einer Symptomdauer über sechs Monate, was nur 5-10 % der Fälle betrifft. Zu den Kriterien der Neuroborreliose führt der Sachverständige aus, dass bereits eine nur „mögliche“ Neuroborreliose ein typisches klinisches Bild (Hirnnervenausfälle, Meningitis/Meningoradikulitis fokale neurologische Ausfälle) erfordere. Im Fall des Klägers wurden solche Diagnosen indessen nicht gestellt, so hat insbesondere schon eine entsprechende fachneurologische Untersuchung nicht stattgefunden. Damit fehlt es bereits an den wissenschaftlich zu fordernden Kriterien einer „möglichen“ Neuroborreliose. Hinzu kommt, dass das Vorliegen der BK bzw. der sich hieraus entwickelten Folge, im Vollbeweis d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesichert sein muss, was hier nicht der Fall ist.
Auch eine Lyme-Arthritis ist vorliegend zur Überzeugung der Kammer unter Zugrundelegung des Gutachtens von Dr. P. nicht nachgewiesen.
Die Definition der Lyme-Arthritis setzt nach den Ausführungen von Dr. P. folgende klinische Kriterien voraus: Wiederkehrende Attacken objektiver Gelenkschwellungen mit Ergussbildung und Geschichte einer anderen Manifestation der Lyme-Borreliose im Lauf des Vorjahres. Hierbei weist der Gutachter darauf hin, dass entsprechend der Literatur in weniger als 5 % der Fälle des Stadiums III der Borreliose eine solche Erkrankung auftrete. Weiter träten die Gelenkergussbildungen vorzugsweise in den Kniegelenken auf (bis zu 80 %). Im vorliegenden Fall liegen aus ärztlich-medizinwissenschaftlicher Sicht jedoch keine gesicherten Hinweise auf die Entstehung einer Lyme-Arthritis vor. Anschwellungszustände oder Ergussbildung großer tragender Gelenke wurden zu keinem Zeitpunkt objektiviert.
Selbst der den Kläger behandelnde Hausarzt M. stellt in seinem ärztlichen Befundbericht vom 16.9.2009 nur die Vermutung des Vorliegens einer Gelenk- bzw. Neuroborreliose. Er schließt u.a. deshalb auf eine Borreliose, da Schmerztherapien beim Kläger nicht greifen würden. Diese Auffassung und Ableitung steht jedoch nicht mit den entsprechenden Leitlinien der DGN (s. aaO) in Einklang. Soweit der Hausarzt M. ausführt, dass für die Kniegelenkbeschwerden des Klägers keine Ursache gefunden worden sei und er dies als „typisch“ für eine Borreliose ansieht, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie oben ausgeführt, gibt es nämlich auch im Bereich der Borrelioseerkrankung durchaus festgelegte Kriterien für die Diagnostik. Es darf daher nicht leichtfertig und vorschnell auf die Diagnose chronische Borreliose zurückgegriffen werden, nur weil die Ursache verschiedener gesundheitlicher Beschwerden – so auch beim Kläger - bisher nicht festgestellt wurden; Borreliose ist in diesem Sinne keine „Auffangerkrankung“. Entgegen der Auffassung des Klägers kann gerade nicht schon vom Bestehen chronischer unspezifischer Beschwerden einhergehend mit einer positiven Borrelienserologie auf eine krankheitsaktive Borreliose geschlossen werden. Maßgeblich für den Krankheitsnachweis – in Übereinstimmung mit den vorgenannten Leitlinien der DGN - ist vielmehr das klinische Bild und nicht die Borrelienserologie; Letztere kann ggf. unterstützend herangezogen werden, begründet aber nicht schon für sich genommen einen Nachweis für das Vorliegen einer krankheitsaktiven Borreliose.
Insoweit ist mit Dr. P. auch - nachvollziehbar - davon auszugehen, dass weitergehende antibiotische Therapien beim Kläger nicht angeschlagen und keine Besserung erbracht haben, weil eine krankheitsaktive Borreliose nicht vorlag und aktuell nicht vorliegt.
Auch unter Beachtung der sich in den Akten befindenden übrigen medizinischen Unterlagen ergeben sich für die Kammer schließlich keine weiteren Hinweise darauf, dass eine krankheitsaktive Borreliose des Klägers vorliegt. Außer dem den Kläger behandelnden Allgemeinmediziner E. gibt es keinen Arzt, der positiv und eindeutig das Vorliegen einer Gelenk- oder Neuroborreliose feststellt. Es wird maximal ein Verdacht hierauf geäußert. Die Laborbefunde aus Mai 2007 (Befund vom 11.5.2007) belegen einen positiven serologischen Borrelienbefund, der jedoch nur bei entsprechender Klinik für eine Borreliose Infektion im Stadium I/II spräche. Es wird darin auch sogleich darauf hingewiesen, dass Borrelienantikörper auch nach spontan ausgeheilter oder erfolgreich therapierter Infektion mehrere Jahre persistieren können. Der Laborbefund aus Dezember 2007 ergab dagegen, dass serologisch zur Zeit kein Anhalt für eine Borrelieninfektion bestehe. Der Laborbefund von September 2008 ergab, dass IgM Antikörper gegen Borrelien nachweisbar seien und Verdacht auf ein frühes Infektionsstadium bestehe; eine chronische Borreliose sei eher unwahrscheinlich. Diese in den Akten befindlichen Laborbefunde sind von Dr. P. in seinem Gutachten berücksichtigt worden. Im Ergebnis stimmt das Gutachten Dr. P. auch mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten Dr. H. überein. Beide verneinen das Vorliegen einer krankheitsaktiven „chronischen“ bzw. Lyme-/Neuroborreliose.
Auf das Gutachten Dr. N. stützt die Kammer ihre Entscheidung demgegenüber ausdrücklich nicht, da aufgrund der verzögerten Bearbeitung des Gutachtens Zweifel an seiner Verwertbarkeit bestehen. Lediglich in dem hier nicht entscheidungserheblichen Bereich - nämlich einer möglichen Ursache für die Kniebeschwerden des Klägers - weist das Gericht darauf hin, dass sowohl Dr. H. als auch Dr. N. Verschleißerscheinungen als Ursache der Kniegelenksbeschwerden ansehen.
Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.