L 12 R 829/19 und L 12 R 830/19

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 2 R 365/19 und S 2 R 1983/18
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 12 R 829/19 und L 12 R 830/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Abs

 

Die Berufungen der Klägerin (L 12 R 829/19 und L 12 R 830/19) gegen die Urteile des Sozialgerichts Altenburg vom 21. Mai 2019 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für die Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Altersrente durch die Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten bzw. durch die Berücksichtigung höherer Arbeitsverdienste.

Die Klägerin ist am ……………… in Bulgarien geboren. Bis zum 6. März 1996 hatte sie die bulgarische und seitdem die deutsche Staatsangehörigkeit. In Bulgarien war die Klägerin zunächst gegen Entgelt in der Zeit vom 7. April 1970 - 28. September 1970 und vom 1. August 1972 - 12. Juni 1973 beschäftigt. Vom 13. Juni 1973 - 30. Juni 1974 befand sich die Klägerin in der ehemaligen DDR. 1973 heiratete sie dort; am 8. Februar 1974 wurde ihre Tochter in ……………. geboren  (Geburtsurkunde der Tochter der Klägerin vom 8. Februar 1974 Bl. 73 der Beklagtenakte). Der Ehemann der Klägerin war bis zum 30. Juni 1974 in der ehemaligen DDR versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Juli 1974 bis zum 17. Mai 1979 befanden sich die Klägerin, ihr Ehemann und die gemeinsame Tochter in Bulgarien. Der Ehemann der Klägerin war in diesem Zeitraum in Bulgarien beschäftigt, für ihn wurden Beiträge zur bulgarischen Sozialversicherung entrichtet. Die Klägerin war ab dem 2. September 1974 wieder in Bulgarien gegen Entgelt tätig. Am 18. Mai 1979 zog die Familie wieder in die ehemalige DDR.

Der bulgarische Versicherungsträger bescheinigte der Beklagten auf Formularen P5000 (ua) die Versicherungszeiten der Klägerin in Bulgarien. Danach war die Klägerin vom 7. April 1970 - 28. September 1970, 1. August 1972 - 12. Juni 1973 und 2. September 1974 - 18. Mai 1979 im Sinne des bulgarischen Rentenrechts versicherungspflichtig beschäftigt. Der Zeitraum vom 25. Dezember 1973 - 2. September 1974 wurde in einem der Formulare nach den Regelungen des bulgarischen Rentenrechts als Zeiten von Schwangerschaft und Mutterschaft bescheinigt. Nach den Regelungen des bulgarischen Rentenrechts werden Kindererziehungszeiten auch ohne Beitragsleistungen rentenrechtlich berücksichtigt (vgl. Protokoll der Deutsch-Bulgarischen Verbindungsstellenbesprechung vom 12. - 14. Oktober 2010 Bl. 374 ff. der Prozessakte L 12 R 829/19).

Ab dem 11. Juli 1979 war die Klägerin bis zum 30. Juni 1990 im Bezirkskrankenhaus G bzw. in der Gesundheitseinrichtung G als Kinderkrankenschwester tätig. Bezüglich der von der Klägerin erzielten Verdienste wird auf die übereinstimmenden Arbeitsentgeltbescheinigungen der Waldklinikum G GmbH vom 2. August 2002 und der Stadt G vom 30. Juli 2002 und 17. Januar 2006 Bezug genommen. Die Klägerin ist der freiwilligen zusätzlichen Altersversicherung der ehemaligen DDR (FZR) nicht beigetreten. Ein Antrag auf Feststellung der Zeit vom 11. Juni 1979 - 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem für Angehörige der medizinischen Intelligenz wurde mit Bescheid vom 5. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 abgelehnt.

Im Juli 2002 beantragte die Klägerin eine Kontenklärung sowie eine Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (Bl. 8 der Beklagtenakte). Im Rahmen der Kontenklärung füllte die Klägerin ferner einen Fragebogen zur Klärung und Prüfung von Zeiten im Beitrittsgebiet aus (Bl. 10 der Beklagtenakte). Die Klägerin machte ferner auf einem Fragebogen zur Herstellung von Versicherungsunterlagen nach dem Fremdrentengesetz im Hinblick auf ihre Beschäftigungszeiten in Bulgarien Angaben. Im Rahmen des Verfahrens legte die Klägerin ihren Sozialversicherungsausweis vor (Bl. 19 ff. der Beklagtenakte). Beigefügt waren ferner Kopien ihres bulgarischen Sozialversicherungsausweises. Im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens bescheinigte die Stadt G Personalamt mit Datum vom 30. Juli 2002 die Entgelte der Klägerin für Zeiten im Beitrittsgebiet (Bl. 49 ff. der Beklagtenakte).

Mit Bescheid vom 19. Mai 2006 (Bl. 190 der Beklagtenakte) erließ die Beklagte einen Vormerkungsbescheid nach § 149 Abs. 5 SGB VI. Als Anrechnungszeiten wurden anerkannt der Zeitraum vom 28. April 1973 - 28. Februar 1974 und vom 1. März 1974 - 3. Mai 1974 als Zeiten der Schwangerschaft/Mutterschutz, Ausbildungszeiten als Anrechnungszeittatbestände wurden vorgemerkt vom 11. März 1967 - 30. April 1968 und 1. Mai 1968 - 30. Juni 1969 als Schulausbildung und vom 1. Oktober 1970 - 12. Juli 1972 als Fachschulausbildung. Für den Zeitraum vom 11. Juni 1979 - 30. Juni 1990 wurden Arbeitsverdienste nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark berücksichtigt, weil ein Beitritt der Klägerin zu FZR nicht erfolgt sei, obwohl dieser möglich gewesen sei. Die Zeit vom 1. Juli 1967 - 28. September 1970, vom 1. August 1972 - 12. Juni 1973 und 2. September 1974 - 21. Mai 1979 wurde nicht als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit anerkannt, weil die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Fremdrentengesetz (FRG) nicht erfülle. Der Zeitraum vom 30. September 1982 - 12. Dezember 1983 und 30. September 1982 - 12. Dezember 1984 wurde nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt, weil die zurückgelegte Ausbildungszeit im Fernstudium/Abendstudium neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet ausgeübt worden sei. Die Zeit vom 1. März 1974 - 30. Juni 1974 wurde als Kindererziehungszeit, die Zeit vom 8. Februar 1974 bis 30. Juni 1974 und vom 18. Mai 1979 - 7. Februar 1984 wurde als Berücksichtigungszeit anerkannt. Die Anerkennung der Zeit vom 1. Juli 1974 - 18. Februar 1975 als Kindererziehungszeit und vom 1. Juli 1974 - 17. Mai 1979 als Beitragszeit wurde abgelehnt, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Die Klägerin erhielt ferner unter dem 19. Mai 2006 eine Rentenauskunft einschließlich eines Versicherungsverlaufs (Bl. 90 ff. der Beklagtenakte). Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Im Dezember 2006 ging die Beklagte von einer Erledigung des Widerspruchs aus.

Die Beklagte erließ unter dem 9. März 2011 und 7. Mai 2015 weitere Kontenklärungsbescheide nach § 149 Abs. 5 SGB VI. Der Bescheid vom 7. Mai 2015 enthält ausdrücklich den Hinweis, dass die Zeit vom 1. März 1975 - 29. Februar 1976 nicht als Kindererziehungszeit vorgemerkt werden könne, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Der Bescheid enthielt als Anlage wiederum einen Versicherungsverlauf vom 7. Mai 2015. Die Klägerin erhob hiergegen „Einwendungen“, die von der Beklagten als Widerspruch gewertet wurden.

Auf ihren Antrag bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27. August 2015 der Klägerin ab dem 1. August 2015 Regelaltersrente i.H.v. 947,96 Euro monatlich. Die Rentenberechnung beruht ausschließlich auf den Regelungen des SGB VI. Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung wurden in dem Umfang berücksichtigt, wie sie in den Vormerkungsbescheiden festgestellt worden waren. Die Klägerin äußerte sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mehrfach. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Hiergegen hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen S 2 R 365/16 beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben.

Nachdem der bulgarische Versicherungsträger auf den Formularen P 5000 der Beklagten die bulgarischen Versicherungszeiten der Klägerin gemeldet hatte, stellte sie mit Datum vom 11. Februar 2016 den Regelaltersrentenanspruch ab dem 1. August 2015 neu fest. Die Rentenberechnung erfolgte unter Anwendung der Verordnung EG Nr. 883/2004 einschließlich der Durchführungsverordnung Nr. 987/2009 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit. Die Beklagte führte der EU-Verordnung entsprechend eine innerstaatliche und eine zwischenstaatliche Berechnung durch. Grundlage der Berechnung waren die bereits durch die im Vormerkungsbescheid festgestellten rentenrechtlichen und im Hinblick auf die zwischenstaatliche Berechnung die vom bulgarischen Rentenversicherungsträger gemeldeten Zeiten. Auf die Anlagen zum Rentenbescheid vom 11. Februar 2016 wird Bezug genommen. Die monatliche Rente betrug ab dem 1. März 2016 953,63 Euro. Die innerstaatliche Berechnung ergab persönliche Entgeltpunkte von insgesamt 38,9167, die persönlichen Entgeltpunkte für die zwischenstaatliche Rente betrugen 38,9669. Der Klägerin wurde eine Rente in Höhe der zwischenstaatlichen Berechnung zuerkannt. Außerdem bezieht sie – nach eigenen Angaben - vom bulgarischen Rentenversicherungsträger eine Altersrente.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2016 stellte die Beklagte auf der Grundlage des EU-Rechts den Anspruch neu fest und zahlte höhere Rente ab dem 1. August 2016 1.014,21 Euro. Die innerstaatliche Berechnung ergab persönliche Entgeltpunkte von insgesamt 38,9167, die persönlichen Entgeltpunkte für die zwischenstaatliche Rente betrugen 38,8116. Aus dem pro – rata – Verhältnis folgten 0,4579 Entgeltpunkte für die zwischenstaatliche Berechnung (statt 0,1696 mit Bescheid vom 11. Februar 2016). Der Klägerin wurde wiederum die höhere Rente aufgrund zwischenstaatlicher Berechnung gezahlt.

Gegen den Rentenbescheid vom 22. Juli 2016 machte die Klägerin im Klageverfahren nunmehr die Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte für die Zeit vom 11. Juni 1979 - 30. Juni 1990 geltend und legte gesondert Widerspruch ein.

Das Sozialgericht hat den Beteiligten unter dem 27. April 2018 unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14. Dezember 2011, B 5 R 36/11 R) die Auffassung vertreten, dass in dem vorliegenden Verfahren nur die Nichtanerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten streitig sei. Im Hinblick auf das Begehren der Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte müsse ein Überprüfungsverfahren durchgeführt werden. Mit Bescheid vom 12. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2018 hat die Beklagte im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Berücksichtigung weiterer Arbeitsentgelte im Zeitraum vom 1. März 1971 - 30. Juni 1990 abgelehnt. Die Klägerin habe die Möglichkeit der Beitragszahlung zur FZR nicht genutzt. Der beitragspflichtige Arbeitsverdienst sei nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze Ost, 600 Mark monatlich, zu berücksichtigen. Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht unter dem Aktenzeichen S 2 R 1983/18 Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2018 hat die Beklagte der Klägerin wegen der geänderten Bewertung von Erziehungszeiten – sogenannte Mütterrente – höhere Leistungen bewilligt.

Mit Urteil vom 21. Mai 2019 hat das Sozialgericht die Klage in der Sache S 2 R 365/16 abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens seien nach § 96 SGG der Rentenbescheid vom 22. Juli 2016, soweit er auf der Nichtberücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten und von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung beruhe, sowie in diesem Umfang auch der Überprüfungsbescheid vom 14. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2018. Die von der Klägerin zu 1. und 2. gestellten Klageanträge seien unzulässig. Die von der Klägerin gestellten Anträge zu 3. und 4. seien zulässig aber unbegründet. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung können diesen Anträgen gerade noch hinreichend deutlich das Begehren entnommen werden, höhere Altersrente unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zu gewähren und dabei alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zu prüfen. Hierbei handele es sich um eine zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Ein Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ergeben sich weder aus deutschem Recht noch aus Europarecht und auch nicht aus Völkerrecht. Nach § 56 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI werde eine Kindererziehungszeit nur angerechnet, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei oder dieser gleichstehe. Nach § 57 Abs. 1 SGB VI müsse diese Voraussetzung auch für die Berücksichtigungszeit vorliegen. Die Tochter der Klägerin sei im strittigen Zeitraum jedoch weder in der Bundesrepublik Deutschland erzogen worden, noch habe die Erziehung in Bulgarien  einer solchen gleichgestanden. Eine Erziehung sei nach § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten habe. Zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gehörten alle Gebiete, für die das SGB VI am 1. Januar 1992 in Kraft getreten sei, einschließlich des Beitrittsgebietes. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Im strittigen Zeitraum habe sich die Klägerin mit ihrem Kind in Bulgarien aufgehalten. Dies sei auch nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt, sondern der Aufenthalt sei auf längere Zeit angelegt gewesen, wie nicht zuletzt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Klägerin und des Ehegatten verdeutlichten. Eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stehe nach § 56 Abs. 2 SGB VI gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten habe und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten habe. Das gelte nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten habe oder nur deshalb nicht habe, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehöre oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Es müsse sich um Pflichtbeitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung handeln, ausländische Pflichtbeiträge seien auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie nach den Vorschriften eines EU-Mitgliedsstaates oder eines Staates begründet würden, mit dem ein Sozialversicherungsabkommen bestehe. Während des strittigen Zeitraums habe weder die Klägerin noch ihr Ehemann Pflichtbeitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung, sondern es seien lediglich Beiträge zur bulgarischen Sozialversicherung entrichtet worden. Der Ehemann der Klägerin habe zwar unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten in der Sozialversicherung der DDR. Es handele sich jedoch nicht um Beitragszeiten aus einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung. Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit stehe der Erziehung im Inland nach § 249 Abs. 2 SGB VI auch die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies habe hier ebenfalls nicht zugetroffen. Die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach Europarecht lägen ebenfalls nicht vor. Auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob dieses Recht überhaupt anwendbar sei, komme es insofern nicht an. Die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten sei in Art. 44 der Verordnung EG Nr. 987/2009 geregelt. Im Sinne dieses Artikels bezeichne nach dessen Abs. 1 der Ausdruck „Kindererziehungszeit“ jeden Zeitraum, der im Rahmen des Rentenrechts eines Mitgliedsstaats ausdrücklich aus dem Grunde angerechnet werde oder ein Recht auf eine Zulage zu einer Rente gebe, dass eine Person ein Kind aufgezogen habe, unabhängig davon, nach welcher Methode diese Zeiträume berechnet würden und unabhängig davon, ob sie während der Erziehungszeit anfielen oder rückwirkend anerkannt würden. Werde nach den Rechtsvorschriften des gemäß Titel II der Grundverordnung zuständigen Mitgliedsstaates keine Kindererziehung berücksichtigt, so bleibe nach Art. 44 Abs. 2 VO 987/2009 der Träger des Mitgliedsstaates, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung auf die betreffende Person anwendbar waren, weil diese Personen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten für das betreffende Kind nach diesen Rechtsvorschriften begannen, eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, zuständig für die Berücksichtigung dieser Zeit als Kindererziehungszeit nach seinen eigenen Rechtsvorschriften, so als hätte diese Kindererziehungszeit in seinem eigenen Hoheitsgebiet stattgefunden. Art. 44 Abs. 2 VO 987/2009 finde nach Art. 44 Abs. 3 VO 987/2009 keine Anwendung, wenn für die betreffende Person die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaates aufgrund der Ausübung einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit anwendbar seien oder anwendbar gewesen seien. Die Voraussetzungen von Art. 44 Abs. 2 VO 987/2009 lägen schon deshalb nicht vor, weil die Rechtsvorschriften des nach der Grundverordnung zuständigen Mitgliedsstaates die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vorsehen. Auf die Ausschlussnorm des Art. 44 Abs. 3 VO 987/2009 und damit auch auf die Frage, ob die Klägerin im Privathaushalt der Schwiegermutter geringfügig beschäftigt gewesen sei, komme es damit nicht an. Nach der Grundverordnung - Verordnung EG Nr. 883/2004 zuständiger Staat sei im strittigen Zeitraum Bulgarien gewesen. Nach Art. 11 Abs. 3 lit. e) dieser Verordnung unterliege jeder grundsätzlich den Rechtsvorschriften seines Wohnmitgliedsstaates, sofern er nicht unter Art. 11 Abs. 3 lit. a) bis e) falle oder ausnahmsweise anderslautende Bestimmungen der Verordnung gelten, nach denen ihm Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedsstaaten zustünden. Eine dieser Ausnahmen treffe auf die Klägerin nicht zu. In Bulgarien würden Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Dies ergebe sich aus der bulgarischen Sozialversicherungsordnung. Art. 9 Abs. 7 dieses Gesetzes bestimme in der hier zur Verfügung stehenden, vom Ministerium für Arbeit und Soziales der Republik Bulgarien veröffentlichten englischen Übersetzung und auch der von der Beklagten vorgelegten intern erstellten deutschen Übersetzung, dass Zeiten, in denen eine nicht erwerbstätige Mutter ihr Kind bis zum Alter von drei Jahren betreue, als Beitragszeit in Bulgarien berücksichtigt würden. Weitergehende Ansprüche ergäben sich auch nicht aus der Garantie der gleichen rechtlichen Behandlung bei Ausübung der Freizügigkeit. Es bestehe nunmehr seit dem 1. Mai 2010 mit Art. 44 VO 987/2009 eine ausdrückliche Regelung, unter welchen Voraussetzungen Kindererziehungszeiten anzuerkennen seien, was einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen der Union zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ausschließe. Zudem beruhe der Aufenthalt der Klägerin in Bulgarien schon deshalb nicht auf einer Ausübung des Freizügigkeitsrechts, weil Bulgarien damals noch nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft gewesen sei. Eine völkerrechtliche Grundlage für die Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung bestünde nicht (Urteil des Sozialgerichts vom 21. Mai 2019 in der Sache S 2 R 365/16, der Klägerin am 15. Juni 2019 zugestellt).

Hiergegen hat die Klägerin am 15. Juli 2019 Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren wurde beim Thüringer Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 12 R 829/19 geführt.

Die Klage mit dem Aktenzeichen S 2 R 1983/18 hat das Sozialgericht ebenfalls mit Urteil vom 21. Mai 2019 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2018 sei rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung höherer Arbeitsverdienste im Zeitraum vom 11. Juni 1979 - 30. Juni 1990 bei Berechnung ihrer Altersrente. Die Beklagte habe im Sinne des § 44 SGB X bei Erlass des Rentenbescheides vom 22. Juli 2016 weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Die Berücksichtigung der Arbeitsverdienste der Klägerin lediglich in der im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung dokumentierten Höhe entspreche der Sach- und Rechtslage. Als Verdienst zählten nach § 256a Abs. 2 Satz 1 SGB VI der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Pflichtbeiträge gezahlt worden seien, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur FZR oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 oder danach bis zum 31. März 1999 zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gezahlt worden seien. Nach § 256a Abs. 1 SGB VI erfolge eine Hochwertung durch Multiplikation mit den Faktoren der Anlage 10 zum SGB VI. Die Arbeitsverdienste der Klägerin, für die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden seien, seien bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden. Für die darüber hinausgehenden Verdienste sei keine Beitragszahlung zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung erfolgt. Als Verdienst zählten nach § 256a Abs. 3 Satz 1 SGB VI auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 1. Juli 1990, für die wegen der im Beitragsgebiet jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze oder wegen in einem Sonderversorgungssystem erworbene Anwartschaften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur FZR nicht gezahlt werden konnten. Für Versicherte, die berechtigt waren, der FZR beizutreten, gelte dies für Beiträge oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze zur FZR jedoch nach § 256a Abs. 3 Satz 2 SGB VI nur, wenn die zulässigen Höchstbeiträge zur FZR gezahlt worden seien. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Die Klägerin sei der FZR nicht beigetreten, obwohl dies möglich gewesen wäre. Im Beitrittsgebiet sei die FZR ab dem 1. März 1971 durch die Verordnung über die Verbesserung der freiwilligen Zusatzrentenversicherung und der Leistungen der Sozialversicherung bei Arbeitsunfähigkeit vom 10. Februar 1971 eingeführt worden. Beitrittsberechtigt seien alle Pflichtversicherten in der Sozialversicherung, deren Arbeitsentgelt die Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark monatlich oder 7.200 Mark jährlich überstiegen habe. Da die regelmäßigen Arbeitsentgelte der Klägerin 600 Mark monatlich überstiegen hätten, sei ihr der Beitritt zur FZR damit möglich gewesen. Dass im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in der Sozialversicherung unter 7.200 Mark jährlich eingetragen worden sei, beruhe auf dem Vorhandensein von Arbeitsausfalltagen, für die nach § 17 der Verordnung zur Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17. November 1977 i.V.m. § 15 der ersten Durchführungsbestimmung keine Sozialversicherungspflicht bestanden habe. Die anhand der beitragspflichtigen Arbeitstage berechnete Beitragsbemessungsgrenze der Sozialversicherung habe dadurch teilweise unter 600 Mark im Monat gelegen. Den Beitritt zur FZR habe dies jedoch nicht ausgeschlossen, da hierfür nur maßgeblich gewesen sei, dass das regelmäßige Bruttoarbeitsentgelt die Beitragsbemessungsgrenze überstiegen habe. Dass dies der Fall sei, sei den Arbeitsentgeltbescheinigungen der Waldklinikum G GmbH und der Stadt G vom 2. August 2002 bzw. 30. Juli 2002 zu entnehmen. Die Klägerin habe auch nicht zu einer vom Beitritt zur FZR ausgeschlossenen Personengruppe gehört oder zu einer Personengruppe, für die höhere Einkommensgrenzen galten. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht (unter Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2002, Az.: 1 BvR 1144/09 [Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 21. Mai 2019 in der Sache S 2 R 1983/18, der Klägerin am 15. Juni 2019 zugestellt]). Hiergegen hat die Klägerin am 15. Juli 2019 Berufung eingelegt. Das Verfahren wurde unter dem Az.: L 12 R 830/19 geführt.

Die Klage S 2 R 365/16 (Berufungssache L 12 R 829/19) betreffend trägt die Klägerin vor, sie begehre die Widereinsetzung in den vorigen Stand zu 1. und 2. im Urteil des SG Altenburg zu Unrecht abgewiesene Klageanträge aus Gründen der Nichtnachvollziehbarkeit für eine Bürgerin und einen Bürger. Die dort gestellten Anträge auf Feststellung der dort genannten Sachverhalte hält sie für zulässig und begründet. Sie ist der Meinung, dass ihr eine höhere Altersrente zusteht, weil Kindererziehungszeiten für die Erziehung ihres Kindes in Bulgarien nach deutschem wie nach europäischem oder Völkerrecht anzurechnen seien. Die Klage S 2 R 1983/18 sei begründet, weil bei der Rentenberechnung höhere Arbeitsverdienste zu berücksichtigen seien (Berufungssache L 12 R 830/19).

Die Klägerin beantragt in der Berufungssache L 12 R 829/19 ausdrücklich

            das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 21. Mai 2019 aufzuheben und

  1. „auf Feststellung gegenüber der Beklagten auf die Anerkennung und Berücksichtigung einer geringfügigen Beschäftigung in privaten Haushalten in der Zeit vom 18. August 1973 bis zum 30. Juni 1974 als Grundlage für die Anerkennung der Erziehungszeiten nach Europarecht (Verordnung 883 in Verbindung mit Verordnung 987,
    Artikel 44 Abs. 2),
  2. das zweite Formular P 5000 für nichtig und ungültig zu erklären und das erste vorliegende Formular zu berücksichtigen, da es dem bulgarischen Originalrentenbescheid entspricht,
  3. falls aus Gründen der Ablehnung der Kindererziehungszeiten in Verbindung mit der Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung in privaten Haushalten vom 18. August 1973 bis 30. Juni 1974 nicht anerkannt wird, kann demzufolge die Verordnung 883 und 987 als Rechtsgrundlage nicht angewandt werden,
  1. die Kindererziehungszeiten nach § 56 SGB VI haben nicht auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland, sondern auf dem Territorium der DDR stattgefunden und zur Feststellung, dass die DDR ein Drittstaat mit Völkerrechtssubjektivität gewesen ist, stellt die Klägerin nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als subjektive Rechtsverletzung eine Ungleichbehandlung gegenüber Müttern und Vätern von mindestens 2,4 Millionen dar, die ihre Kinder vor dem 30.06.1990 auf dem Territorium des Drittstaats DDR außerhalb der Europäischen Union, außerhalb der Hoheitsgewalt der BRD und außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes dar und die Anwendung des Völkerrechts begehrt“.

 

Die Klägerin beantragt in der Berufungssache L 12 R 830/19

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 21. Mai 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Überprüfungsbescheid vom 12. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2018 aufzuheben, den Rentenbescheid vom 22. Juli 2016 abzuändern und ihr höhere Altersrente unter Berücksichtigung höherer Arbeitsverdienste im Zeitraum vom 11. Juli 1979 - 30. Juni 1990 zu zahlen.

In beiden Verfahren unter folgender Bedingung: Um den Art. 44 Abs. 2 der Verordnung 987 wirksam werden zu lassen, ist die Voraussetzung, dass Zeiten zwischen dem 13. Juli 1973 bis 30. Juni 1974 der Rentenversicherung an den bulg. Rentenversicherungsträger mitgeteilt haben, unter Berücksichtigung der zurückgelegten Wohnzeiten, Schwanger- und Mutterschaftszeiten sowie der Beschäftigungszeiten gemäß § 8 a SGB IV zurückgelegt worden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend.

Der Senat hat mit Beschluss vom 12. Juni 2022 die Berufungen mit den Aktenzeichen L 12 R 829/19 und L 12 R 830/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. Führend ist das Aktenzeichen L 12 R 829/19.

Entscheidungsgründe

Gegenstand dieses Verfahrens sind zwei Berufungen der Klägerin (L 12 R 829/19 und L 12 R 830/19) die der Senat zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung miteinander verbunden hat.

Beide Berufungen sind zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat im Ergebnis keinen Anspruch auf höhere Altersrente.

Gegenstand beider Verfahren ist der Rentenbescheid vom 22. Juli 2016, den die Klägerin mit dem Begehren auf die Bewilligung höherer Altersrente angefochten hat. Dieser Bescheid hat den Bescheid vom 11. Februar 2016 ersetzt (§ 96 SGG), mit dem zuvor ein geringerer Anspruch bewilligt worden war. Der Bescheid vom 19. Mai 2018 über die Mütterrente ist nicht Gegenstand des Verfahrens, weil er den Bescheid vom 22. Juli 2016 weder abgeändert noch ersetzt hat. Sein Verfügungssatz beschränkt sich auf die Änderung der Rentenhöhe wegen der Neubewertung von Kindererziehungszeiten (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2018 - B 5 R 12/17 R, Rn. 11).

Der Senat ist wie das Sozialgericht der Auffassung, dass, soweit die Klägerin die Höhe der mit Bescheid vom 22. Juli 2016 bewilligten Rente mit der Begründung beanstandet, es seien höhere Arbeitsverdienste anzuerkennen, ein gesondertes Verfahren nach § 44 SGB X erforderlich war. Grundsätzlich gilt, dass, soweit der Verfügungssatz eines Rentenbescheids im Hinblick auf die Höhe beanstandet wird, höhere Rente mit der Begründung geltend gemacht werden kann, dass von dem Rentenversicherungsträger einzelne Rentenberechnungselemente (z.B. Anerkennung von Kindererziehungszeiten oder Anerkennung höherer Arbeitsverdienste) unzutreffend berücksichtigt wurden. Nach § 77 SGG ist, wenn der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt ist, der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend. Grundsätzlich erstreckt sich die Bindungswirkung eines Rentenbescheids in der gesetzlichen Rentenversicherung aber nur auf den Verfügungssatz, d.h. auf die Entscheidung über die Höhe, die Dauer und die Art der Rente. Hingegen nimmt die Begründung, d.h. die rechtliche Beurteilung von Vorfragen sowie den Bescheid zugrundeliegende Erwägungen und insbesondere die Berechnungsfaktoren nicht an der Bindungswirkung teil. Zu der Bindungswirkung nicht fähigen Begründung des Rentenbescheids ist vom Bundessozialgericht die Entscheidung über die Anerkennung von Versicherungszeiten gerechnet worden. Die Bindungswirkung erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die maßgebend gewesenen rechtlichen Erwägungen für die bei der Rentenberechnung berücksichtigten einzelnen Versicherungszeiten, die in dem Rentenbescheid beigefügten Berechnungsbogen angeführt sind (vgl. Vorlagebeschluss des 1. Senats des BSG vom 28. Juni 1979 - 1 RA 109/76, Rn. 33). Das Sozialgericht hat jedoch zutreffend auf die Entscheidung des BSG vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 hingewiesen, der auf die hier vorliegende Fallkonstellation zutrifft. Danach können bei verschiedenen verfahrensrechtlichen Konstellationen auch Rentenberechnungselemente in eine gewisse „Bestandskraft“ erwachsen, auch wenn der Verfügungssatz „Rentenhöhe“ streitig ist. Eine ähnliche Konstellation betraf die Entscheidung des Bundessozialgerichts bei den sogenannten Mütterrenten (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2018 - B 5 R 12/17 R, Rn. 11). Die vorbezeichnete Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist sowohl für die Gerichte als auch für die Verwaltung einzig praktikabel und deshalb uneingeschränkt zutreffend. Der Versicherte hat es in der Hand, etwa im Rahmen eines Vormerkungsverfahrens oder im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens zu begründen bzw. zu beanstanden, weshalb aus seiner Sicht der Rentenversicherungsträger die Rentenhöhe unzutreffend festgestellt hat. Versäumt er dies, bleibt ihm - wie hier - die Möglichkeit eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X. Ursprünglich hat die Klägerin die Rentenhöhe nur wegen der Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten beanstandet, erst im Laufe des Klageverfahrens hat sie zusätzlich geltend gemacht, es seien höhere Arbeitsverdienste trotz entgegenstehender bestandskräftiger Vormerkungsbescheide zu berücksichtigen.

Die Berufung L 12 R 829/19 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die unter 1. und 2. ausdrücklich gestellten Klageanträge unzulässig sind. Für den Feststellungsantrag unter Nr. 1. fehlt schon deshalb jegliches Feststellungsinteresse, weil dieser Antrag die Frage betrifft, ob die Kindererziehung in Bulgarien rentenrechtlich zu berücksichtigen ist. Es handelt sich hierbei um eine Frage, die materiell-rechtlich im Rahmen einer möglichen Anspruchsgrundlage nach § 56 SGB VI zu klären ist. Soweit eines der vom bulgarischen Versicherungsträger ausgefüllten Formulare P 5000 für „ungültig“ erklärt werden soll, gilt Folgendes: Um die in anderen Mitgliedsstaaten zurückgelegten Zeiten (hier: Bulgarien) berücksichtigen zu können, bedarf es der Kenntnis des zuständigen Trägers (hier: der Beklagten) von den fremdmitgliedschaftlichen Zeiten. Hierzu wendet sich der zuständige Träger (hier: die Beklagte) nach Art. 12 Abs. 1 der VOEG 987/2009 (die Durchführungsverordnung zu der VO [EG] 883/2004) an den Mitgliedsstaat (hier: Bulgarien), in dem die betreffende Person Zeiten zurückgelegt hat, um sich diese Zeiten bescheinigen zu lassen. Zwecks Vereinfachung des Rechtsverkehrs und dessen Beschleunigung wurde hierfür ein standardisiertes Formular (P 5000) entwickelt. Die von anderen Mitgliedsstaaten darauf mitgeteilten Zeiten muss der zuständige Träger grundsätzlich ohne Infragestellung ihrer Qualität bei der Zusammenrechnung zugrunde legen. Es handelt sich nicht um einen für die Behörden und Gerichte des anderen Mitgliedsstaates unwiderlegbaren Beweis, weil der Rentenversicherungsträger die Ansprüche eines Betroffenen nach eigenen Rechtsvorschriften zu bestimmen hat, er hat deshalb auch die Möglichkeit, alle relevanten Gesichtspunkte zu prüfen, die sich aus dem ihnen übermittelten Dokument ergeben (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2019 - L 13 R 53/19). Auf beiden Formularen P 5000 wurden vom bulgarischen Versicherungsträger alle für die Beklagte nach Art. 52 VOEG 883/2004 erforderlichen Daten für die zwischenstaatliche Berechnung, nämlich die Versicherungszeiten, übermittelt. Soweit eines der Formulare auch einen Hinweis auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten enthält, ist dies für den hier zuständigen Rentenversicherungsträger ohne Belang. Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus dem Formular P 5000 nicht, dass der deutsche Rentenversicherungsträger verpflichtet wäre, Kindererziehungszeiten, die nach bulgarischem Recht anzuerkennen sind, zu berücksichtigen. Aus den Formularen ergibt sich ferner nicht, wie die Klägerin meint, dass Kindererziehungszeiten in Bulgarien nach dem bulgarischen Rentenrecht nicht zu berücksichtigen sind. Das Gegenteil ist der Fall. Nach den Regelungen des bulgarischen Rentenrechts, die sich in Übersetzung in den Akten befinden (die Regelungen können als sogenannte allgemeingültige Tatsachen zugrunde gelegt werden) folgt eindeutig, dass Zeiten der Mutterschaft, Schwangerschaft und Kindererziehung rentensteigernde Berücksichtigung für eine bulgarische Rente finden. Auf einem der Formulare wurden die nach bulgarischem Rentenrecht anzuerkennenden Kindererziehungszeiten bescheinigt, aus den oben genannten Gründen war dies für den deutschen Rentenversicherungsträger überflüssig, macht die Bescheinigung aber nicht falsch. Abgesehen von der Frage, ob es eine Rechtsgrundlage dafür gibt, ein Formular für ungültig erklären zu können, gibt es dafür jedenfalls verfahrensrechtlich kein Bedürfnis und würde zu keinem rechtlichen Vorteil für die Klägerin führen. Soweit die Klägerin schließlich beanstandet, dass in dem Formular P 5000 Kindererziehungszeiten vom bulgarischen Versicherungsträger u.a. zu einem Zeitpunkt bescheinigt wurden, als die Familie bereits in der DDR war und das Kind dort erzogen wurde (was die Beklagte anerkannt hat), liegt hier kein Fehler. Vielmehr beruht die Bescheinigung auf dem bulgarischen Recht.

 

Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Rentenbescheid vom 22. Juli 2016 nicht zu beanstanden ist. Zutreffend hat das Sozialgericht begründet, dass die Erziehung der Tochter der Klägerin in Bulgarien keine rentenrechtliche Zeit im Sinne des § 56 SGB VI ist. Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Mai 2019 Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Bei dem Bescheid vom 22. Juli 2016 ist außerdem Folgendes ergänzend auszuführen: Die Beklagte hat zutreffend den Rentenanspruch unter Anwendung der koordinationsrechtlichen Verordnung EGVO Nr. 883/2004 und ihrer Durchführungsbestimmung 987/2009 errechnet. Sie hat die Rentenhöhe zutreffend aus einer Vergleichsberechnung bestimmt. Das hier anzuwendende Europarecht erfordert es, die Renten in mehreren Schritten zu berechnen. Bei der Ermittlung der innerstaatlichen Rente hat die Beklagte zutreffend entschieden, dass die Erziehung der Tochter der Klägerin in Bulgarien nicht als Kindererziehungszeit zu berücksichtigen ist. 

Für die Bestimmung der Höhe des monatlichen Zahlbetrags war die EGVO 883/2004 anzuwenden. Es liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt innerhalb der EU vor. Die Klägerin hat in Bulgarien zunächst Versicherungszeiten zurückgelegt, ist in die ehemalige DDR übergesiedelt, dann wiederum nach Bulgarien und hat schließlich ihren Wohnsitz in der ehemaligen DDR genommen. Auch in Bulgarien und nicht nur in der ehemaligen DDR  hat die Klägerin ihr Kind erzogen. Die Klägerin hat mithin sowohl in Bulgarien als auch in Deutschland eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, für die in beiden Staaten jeweils innerstaatlich rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt worden sind und bezieht neben der deutschen Rente nach ihren eigenen Angaben auch eine Rente aus dem bulgarischen System der sozialen Sicherheit. Einschlägig sind daher die auf der Grundlage des Art. 48a EUV erlassenen sekundärrechtlichen Regelungen zur Koordinierung des Systems der sozialen Sicherheit. Dazu zählen die Bestimmungen der EGVO 883/2004, die seit dem 1. Mai 2010 die Bestimmungen der EWGV 1408/71 abgelöst haben, sowie die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen (hier: EGVO 987/2009).

Die EGVO 883/2004 ist auf die Klägerin persönlich anwendbar (Art. 2 Abs. 1 der EGVO 883/2004). Der sachliche Geltungsbereich der Verordnung ist für Leistungen bei Alter eröffnet (Art. 3 Abs. 1 Nr. d) EGVO 883/2004. Nach der genannten Verordnung sind auch die Versicherungszeiten, die bereits vor Beginn der Anwendung der EGVO 883/2004 in dem Mitgliedsstaat, d.h. auch Zeiten, die vor dem Beitritt Bulgariens zu Europäischen Union zum 1. Januar 2007 zurückgelegt worden sind, zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 -  C-396/05).

Nach den Koordinierungsregelungen der Verordnung ist grundsätzlich eine Vergleichsberechnung in mehreren Schritten durchzuführen, wenn - wie hier - ein Rentenanspruch bereits alleine mit inländischen Versicherungszeiten erfüllt ist.

Bei der im Rahmen dieser Vergleichsberechnung nach Art. 52 Abs. 2 und 3 EGVO 883/2004 zunächst durchzuführenden innerstaatlichen Berechnung werden allein die für die Rentenberechnung maßgeblichen innerstaatlichen, d.h. im vorliegenden Fall deutschen Rechtsvorschriften, angewendet. Die Berechnung der deutschen autonomen Rente erfolgt nach §§ 64 - 78 SGB VI (Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung) allein aus deutschen rentenrechtlichen Zeiten. Im Hinblick auf die hier geltend gemachten Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sind hier mithin die §§ 56 und 57 SGB VI und deren Auslegung maßgeblich. Im Anschluss daran wird eine „anteilige“ Leistung (Art. 52 Abs. 1b EGVO 883/2004) entsprechend der zwischenstaatlichen Berechnung im Sinne des damaligen Art. 46 EGVO 1408/71 ermittelt. Dazu wird zunächst ein „theoretischer Betrag“ errechnet, bei dem alle nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates zurückgelegten Versicherungs- bzw. Wohnzeiten einbezogen werden, als ob der Versicherte auch die fremdmitgliedsstaatlichen Zeiten in Deutschland zurückgelegt hätte. Für die Feststellung des tatsächlichen Betrages sind anschließend die Entgeltpunkte für die deutschen Zeiten ins Verhältnis zu den Entgeltpunkten aus allen Zeiten zu setzen (pro-rata-Verhältnis). Noch bevor schließlich der endgültige Vergleich der autonomen mit der anteiligen Rente zur Bestimmung der Rentenhöhe erfolgt, ist die Anwendung aller Bestimmungen über die Kürzung, das Ruhen oder die Entziehung der Leistungen bei den jeweiligen Beträgen anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2018 - B 13 R 15/16 R, Rn. 24). Zuständig hierfür ist die Beklagte (BSG, Urteil vom 26. Februar 2020 – B 5 R 21/18 R). Die Voraussetzungen des § 128 Abs. 3 Nr. 3 SGB VI sind nicht erfüllt.

Die Beklagte hat die innerstaatliche (autonome Leistung) zutreffend ermittelt. Sie hat insbesondere im Zeitraum, in dem die Klägerin ihre Tochter in Bulgarien erzogen hat, weder als Kindererziehungszeit noch als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehungszeit berücksichtigt. Die Voraussetzungen der §§ 56, 57 SGB VI liegen nicht vor. Das Sozialgericht hat sein Urteil hierzu ausführlich und zutreffend begründet. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf es nicht. Es wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts.

Verfassungsrechtliche Fragen wirft dieser Rechtstreit nicht auf. Das BVerfG hat es ausdrücklich gebilligt, dass Kindererziehung grundsätzlich nur im Inland rentenrechtlich relevant ist, weil der gewöhnliche Aufenthalt einer Person im jeweiligen Staatsgebiet systemgerechter Anknüpfungspunkt für die mitgliedschaftliche Einbeziehung in nationale Sozialversicherungssysteme ist. Nur wer sich noch im sozialen Verantwortungsbereich der Bundesrepublik Deutschland aufhält, soll auch im Falle der Kindererziehung abgesichert sein (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. März 2017 – 1 BvR 2740/16). Der Gesetzgeber will als Ausfluss des in Deutschland geltenden Territorialitätsprinzips ausschließlich die Erziehungsleistung in der Bundesrepublik Deutschland honorieren. Die Erziehung in der ehemaligen DDR wird gleichgestellt. Er knüpft für den Erwerb von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung bewusst an die Person des Erziehenden und an den Erziehungsort Bundesrepublik Deutschland an, weil grundsätzlich nur hier für die Zeit der Kindererziehung der Nachteil in der Altersversorgung eintreten kann (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 2021 – B 5 R 28/21 R, Rn. 19).

Die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten im Ausland verstößt in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht gegen Europarecht. Eine Fallkonstellation, wie sie den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zugrunde lag, liegt hier nicht vor (vgl. zu den Fallkonstellationen Schuler in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 45. Aufl., zu Art. 45 der Verordnung (EWG) 1408/71 - entspricht Art. 52 der EWG VO 883/2004 - Rn. 22 ff). Weder die Klägerin noch ihr Ehemann waren im Übrigen sogenannte Grenzgänger (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2000 – C 135/99).

Die Voraussetzungen des Art. 44 der Durchführungs-VO 987/2009 liegen ebenfalls nicht vor. Auch dies hat das Sozialgericht in seinem Urteil ausführlich und zutreffend begründet. Ergänzend ist hier nochmals darauf hinzuweisen, dass es schlicht nicht zutrifft, dass im Rahmen des bulgarischen Rentenrechts Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt werden. Hierzu wird ausdrücklich nochmals auf den Akteninhalt und die Übersetzung der entsprechenden bulgarischen Rechtsvorschriften verwiesen. Sie finden auch ihre Bestätigung in den vom bulgarischen Sozialversicherungsträger übermittelten Daten im Formular P 5000, in dem die Kindererziehungszeiten bescheinigt wurden.

Nicht ansatzweise ist eine Verletzung von sonstigem Europarecht (Diskriminierungsverbot, Grundsatz der Freizügigkeit) oder Völkerrecht durch die Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten in Bulgarien verletzt. Europarecht ist (nur) koordinierendes Recht. Bei Kindererziehungszeiten handelt es sich in jedem System einer Alterssicherung grundsätzlich um sogenannte versicherungsfremde Leistungen. Das Europarecht schreibt keinem Vertragsstaat den Umfang der Berücksichtigung solcher Zeiten vor. Mögliche europarechtliche „Unstimmigkeiten“ bzw. „Ungerechtigkeiten“ werden über Art. 44 der Durchführungs-VO 987/2009 gelöst. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2022 erklärt, er „bestätige“ die Anträge (gemeint waren die Prozessanträge) „nur unter folgender Berücksichtigung“. Anschließend hat er seine Rechtsauffassung zu Art. 44 der Durchführungs-VO 987/2009 vorgetragen, die schlicht unzutreffend ist. Sinngemäß meint er, die Vorschrift werde nur „wirksam“, wenn die Beklagte dem bulgarischen Versicherungsträger ua bestimmte Kindererziehungszeiten übermittelt hat. Die Voraussetzungen von Art. 44 Abs. 2 VO 987/2009 liegen hier aber schon deshalb nicht vor, weil die Rechtsvorschriften des nach der Grundverordnung zuständigen Mitgliedsstaates die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vorsehen. Für den hier vorliegenden Rechtsstreit kommt es folglich nicht darauf an, ob bzw. welche Daten die Beklagte nach Bulgarien übermittelt hat. Es ist auch nicht nachvollziehbar, welche Konsequenzen es für den vorliegenden Rechtsstreit haben soll, wenn die Beklagte die vom Prozessbevollmächtigten genannten Zeiten nicht oder unvollständig gemeldet haben sollte. Die Klägerin ist schon gar nicht verpflichtet, beim bulgarischen Versicherungsträger eine Rente zu beantragen, dies bleibt ihr überlassen. Ob der bulgarische Versicherungsträger die Altersrente der Klägerin richtig berechnet hat, ob er Europarecht angewandt hat, ob Kindererziehungszeiten dabei berücksichtigt wurden, hat der Senat nicht zu prüfen und nicht zu entscheiden. Vielmehr liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin vom bulgarischen Versicherungsträger nach Anwendung von Europarecht wesentlich höhere Leistungen bezieht.

Das hier vorliegende Ergebnis ist auch sachgerecht. Sowohl nach dem Rentenrecht der Bundesrepublik Deutschland als auch nach bulgarischem Sozialversicherungsrecht wird Kindererziehung rentenrechtlich honoriert, also in beiden Mitgliedstaaten. Bezieht die Klägerin auch eine bulgarische Altersrente (auch nach Europarecht), wurden oder müssen nach dem bulgarischen Rentenrecht die Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden. Wäre der deutsche Versicherungsträger verpflichtet, auch die Erziehung in Bulgarien zu berücksichtigen, würde das hier zu einer doppelten Berücksichtigung solcher Zeiten führen. Es mag zutreffen, dass die Berücksichtigung von Kindererziehung nach deutschem Rentenrecht günstiger ist als nach bulgarischem. Es gibt allerdings auch keinen europarechtlichen Grundsatz, wonach rentenrechtliche Zeiten von dem Mitgliedstaat zu berücksichtigen sind, nach dessen Recht sich dies für den Altersrentner am günstigsten auswirkt.

Die Berufung L 12 R 830/19 ist ebenfalls unbegründet. Auch hierzu wird Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 21. Mai 2019 (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Beklagte hat weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist (§ 44 SGB X). Die von der Klägerin im Beitrittsgebiet erzielten Einkünfte wurden zutreffend nach der Vorschrift des § 256a Abs. 2 Satz 1 SGB VI berücksichtigt, entsprechend dem Sozialversicherungsausweis und den Entgeltbescheinigungen (u.a. des Waldklinikums G vom 2. August 2002). Danach waren bei der Klägerin Verdienste höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze (600 Mark monatlich, 7.200 Mark jährlich) der Rentenberechnung zugrunde zu legen. Höhere Verdienste wären nur berücksichtigungsfähig, wenn die Klägerin zur FZR beigetreten wäre. Hierzu wäre sie berechtigt gewesen, sie ist trotzdem nicht beigetreten. Die Klägerin übersieht, dass bei der Rentenberechnung nicht das erzielte Bruttoarbeitsentgelt, sondern das sozialversicherungspflichtige Entgelt zugrunde zu legen ist. Die Differenz zwischen Bruttoarbeitsentgelt und sozialversicherungspflichtigem Entgelt beruht hier offensichtlich darauf, dass bei der Klägerin in erheblichem Umfang Arbeitsunfähigkeit bestand, bzw. Arbeitsausfalltage bescheinigt wurden (dokumentiert im Sozialversicherungsausweis und den Entgeltbescheinigungen). Während einer Arbeitsunfähigkeit wurde nach § 282 Arbeitsgesetzbuch der ehemaligen DDR Krankengeld i.H.v. 90% des auf einen Arbeitstag entfallenden Nettodurchschnittsverdienstes gezahlt. Diese Zahlungen unterlagen nicht der Sozialversicherung (vgl. insgesamt hierzu: Püschel, Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten, S. 70 ff.; Lexikon des Arbeitsrechts der ehemaligen DDR, 1972, S. 347 „Sozialversicherungspflichtbeitrag“ § 69 der Sozialversicherungsordnung der DDR). Die im Sozialversicherungsausweis als Summe eingetragenen und u.a. in der Bescheinigung des Waldklinikums G vom 2. Oktober 2002 bestätigten Arbeitsausfalltage werden im Übrigen nach § 252a Abs. 2 SGB VI als pauschale Anrechnungszeiten rentensteigernd berücksichtigt (vgl. hierzu, BSG, Urteil vom 18. Mai 2006 - B 4 RA 40/05 R). So wurde auch bei der Rente der Klägerin verfahren. Höhere Verdienste, als die Klägerin versichert hat, können allerdings mangels Rechtsgrundlage nicht zugrunde gelegt werden.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 183, 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen. Die Sache wirft auch keine europarechtlichen Fragen auf.

Rechtskraft
Aus
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