Der GBA hat nicht die Regelungskompetenz nach § 92 ABs 1 S 1, S 2 Nr 6 SGB in die Hilfsmittelrichtlinie den Satz einzufügen "Erst nach Abnahme des angepassten Hörgerätes durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt darf die endgültige Abgabe an die Versicherte oder den Versicherten erfolgen".
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Beanstandungsverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG).
§ 30 der Hilfsmittel-Richtlinie in der Fassung vom 17. Juli 2014 lautete:
Die Hörgeräteversorgung setzt eine sorgfältige Testung voraus. Zur Qualitätssicherung ist das Ergebnis der Testung zu dokumentieren. Hat die Hörgeräteakustikerin oder der Hörgeräteakustiker aufgrund einer ärztlichen Verordnung ein Hörgerät angepasst, muss sich die verordnende Fachärztin oder der verordnende Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder die verordnende Fachärztin oder der verordnende Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen mit den dokumentierten Ergebnissen (einer sorgfältigen Hörgeräteauswahl) auseinandersetzen und durch audiometrische Untersuchung vergewissern, dass
- die von der Hörgeräteakustikerin der von dem Hörgeräteakustiker vorgeschlagene Hörhilfe den angestrebten Verstehensgewinn nach § 19 erbringt und
- die selbst erhobenen Messwerte mit denen der Hörgeräteakustikerin oder des Hörgeräteakustikers übereinstimmen.
Ergänzend zur audiometrischen Untersuchung kann der APHAB-Fragebogen (Abbreviated Profile of Hearing Aid Benefit) verwendet werden.
Am 17. Oktober 2019 beschloss der Kläger, § 30 der Hilfsmittel-Richtlinie um folgenden Satz 5 zu ergänzen:
„Erst nach Abnahme des angepassten Hörgerätes durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt darf die endgültige Abgabe an die Versicherte oder den Versicherten erfolgen.“
(Beschluss zur Änderung der Richtlinie über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (HilfsM-RL): Ärztliche Abnahme von Hörhilfen nach § 30 vom 17. Oktober 2019).
In den tragenden Gründe zum Beschluss hieß es:
„Die Regelungen der Vertragspartner nach § 127 Absatz 2 SGB V zur ohrenärztlichen Endabnahme von Hörhilfen stehen nicht im Einklang mit dem hier in Rede stehenden § 30 der Hilfsmittel-Richtlinie des G-BA.
Die Hilfsmittel-Richtlinie des G-BA besagt in § 30, dass sich die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt vergewissern muss, ob für die Versicherte oder den Versicherten der angestrebte Verstehensgewinn mit der von der Hörakustikerin oder dem Hörakustiker vorgenommenen Hörhilfenversorgung tatsächlich erreicht wurde. Im Gegensatz dazu ist jedoch gemäß den Verträgen nach § 127 Absatz 2 SGB V eine Versorgung mit Hörhilfen in der Regel ohne eine nachgehende Prüfung durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt möglich.
Diese Regelung der Vertragspartner nach § 127 Absatz 2 SGB V führt dazu, dass die
Vertragsärztin oder der Vertragsarzt nicht feststellen kann, ob
- die angepassten Hörhilfen im Sinne der Hilfsmittel-Richtlinie wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig sind.
- ein Versorgungserfolg, beispielsweise hinsichtlich der Verbesserung der Sprachverständlichkeit ohne und mit Störschall, erreicht werden konnte.
- die oder der Versicherte genau die Hörhilfen erhalten hat, die einen weitgehenden Behinderungsausgleich ermöglichen (ggf. Fehlversorgung vorliegt).
- die von ihr oder ihm erforderlichenfalls gegebenen Hinweise auf spezifische Bedarfe umgesetzt wurden.
Vor diesem Hintergrund wurde mit dem neu angefügten Satz in § 30 der Hilfsmittel-Richtlinie noch einmal explizit das Erfordernis einer fachärztlichen Abnahme der angepassten Hörhilfe vor der endgültigen Abgabe durch die Hörakustikerin oder den Hörakustiker an die Versicherte oder den Versicherten klargestellt.
Erst nach Abnahme des angepassten Hörgerätes durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt darf die endgültige Abgabe an die Versicherte oder den Versicherten erfolgen.“
Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 28. November 2019 gemäß § 94 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine ergänzende Stellungnahme an. Der Unterausschuss Veranlasste Leistungen des Klägers gab diese mit Schreiben vom 24. April 2020 ab.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2020 beanstandete die Beklagte den Beschluss des Klägers vom 17. Oktober 2019. Zur Begründung führte sie aus, der Beschluss verstoße gegen das Gebot einer wirtschaftlichen Verordnungsweise und der damit einhergehenden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach §§ 12 i.V.m. 106b SGB V. Die Versorgung mit dem verordneten Hilfsmittel erfolge durch einen Leistungserbringer, der mit der jeweiligen Krankenkasse einen Vertrag nach § 127 SGB V geschlossen habe. Vertragspartner könnten nach § 126 Abs. 1 S. 2 SGB V nur die Leistungserbringer sein, die die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllten. Zum Nachweis der Erfüllung dieser Voraussetzungen werde der Leistungserbringer durch eine geeignete, unabhängige Stelle präqualifiziert. Dadurch sei eine qualitativ hochwertige Versorgung mit dem verordneten Hilfsmittel durch die Leistungserbringer grundsätzlich gewährleistet. Der Kläger verkenne mit seiner Regelung, dass die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht ärztlicherseits im Nachhinein zu prüfen sei, sondern bereits vor der Verordnung des Hilfsmittels. Ein Hilfsmittel, das nicht ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei, dürfe erst gar nicht verordnet werden. Sofern eine Ärztin oder ein Arzt nach der auf Grund einer Verordnung erfolgten Hilfsmittelversorgung feststelle, dass die Versorgung nicht ausreichend, unzweckmäßig oder unwirtschaftlich sei, liege ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor. Eine unwirtschaftliche Verordnungsweise dürfe der Vertragsarzt jedoch nicht dadurch ausgleichen, indem die Abnahme verweigert werde. Durch die beabsichtigte Ergänzung könne sich die Ärztin oder der Arzt dieses Risikos rechtswidrig zu Lasten des Leistungserbringers entledigen.
Mit dem vorliegenden Beschluss überschreite der Kläger seine Regelungskompetenz aus § 92 Abs.1 SGB V und verstoße gegen die Vorgaben des § 127 SGB V. Mit der Verordnung der Hörhilfe unter Berücksichtigung der Vorgaben der HilfsM-RL habe die Ärztin oder der Arzt den erforderlichen Beitrag zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Hilfsmittelversorgung geleistet. Daran anschließend seien die Leistungserbringer und die Krankenkassen für die Versorgung mit dem verordneten Hilfsmittel zuständig. Nach § 127 Abs. 1 SGB V schlössen die Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften im Wege von Vertragsverhandlungen Verträge mit Leistungserbringern, oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln sowie die Qualität der Hilfsmittel. Die Qualitätssicherung der Hilfsmittelversorgung obliege nach § 127 Abs. 7 SGB V explizit den Krankenkassen als Vertragspartnern und nicht den Ärztinnen und Ärzten. An dieser Vorgabe müsse sich auch die HilfsM-RL als untergesetzliche Norm orientieren und dürfe nicht in die gesetzlich festgelegten Rechte und Pflichten der Vertragspartner eingreifen. Die ärztliche Prüfung nach § 30 S. 3 HilfsM-RL sei unabhängig von dem Vertragsverhältnis nach § 127 SGB V, sodass das ärztliche Prüfergebnis keinen Einfluss auf die abschließende Versorgung mit Hörhilfen durch den Hörakustiker habe. Es sei aber rechtswidrig, die Abnahme der Hörhilfe von einem weiteren Arztbesuch abhängig zu machen. Es erschließe sich zudem nicht, inwiefern das Fehlen der Abnahme der Hörhilfe durch den Arzt das rechtzeitige Diagnostizieren einer schweren Ohrenerkrankung erschweren solle. Die vom Kläger hierzu im Verwaltungsverfahren angeführte Studie beziehe sich auf eine Hörgeräteversorgung, die ohne ärztliche Verordnung erfolgt sei. Die mit dem Beschluss beabsichtigte Regelung, dass die endgültige Abgabe und damit der Eigentumsübergang erst dann erfolgen könne, wenn eine Abnahme erfolgt sei, könne rechtlich nicht durchgesetzt werden. Der Kläger könne sein Ziel, dass das Eigentum an der Hörhilfe dem Versicherten erst nach der ärztlichen Überprüfung verschafft werde, nicht erreichen. Nach § 69 Abs.1 SGB V gälten für die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem vierten Kapitel des SGB V vereinbar seien. Im BGB gelte das Abstraktionsprinzip. Im sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft werde das Eigentum unabhängig von der schuldrechtlichen Vereinbarung übertragen durch Einigung und Übergabe, § 929 BGB. Der Eigentumsübergang erfolge unabhängig von einer Abnahme, die ausschließlich das Kausalgeschäft betreffe. Lediglich der Hörakustiker und der Versicherte könnten sich in ihrem Verfügungsgeschäft für den Eigentumsübergang auf eine Bedingung wie die der vorherigen ärztlichen Abnahme einigen. Sie könnten dazu aber nicht durch Vertrag oder die HilfsM-RL verpflichtet werden, da ein Verstoß hiergegen dennoch zum Eigentumsübergang führen würde, der nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar sei.
Gegen diese am selben Tag zugegangenen Entscheidung hat der Kläger am 18. Juni 2020 Klage vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) erhoben.
Zu deren Begründung führt er unter anderem unter Bezugnahme auf den „Zusammenfassenden Standpunkt des 1., 3. und 6. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 10 Abs. 2 SGG“ aus, zuständig zur Entscheidung dieses Rechtsstreits sei nicht der erkennende Senat, sondern der Senat für Vertragsarztstreitigkeiten.
In der Sache sei die Beanstandung der Beklagten rechtswidrig. Das Beanstandungsrecht nach § 94 Abs. 1 SGB V beschränke sich auf eine Prüfung der Vereinbarkeit der von dem Kläger beschlossenen Richtlinie mit höherrangigem Recht. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liege jedoch nicht vor.
Aufgrund deutlicher Hinweise von Vertragsärzten sowie Betroffenenverbänden auf Fehlversorgungen im Bereich der Hörgeräteversorgung habe der Kläger zur Kenntnis genommen, dass das in § 30 Satz 3 HilfsM-RL vorgesehene Instrument der vertragsärztlichen Vergewisserung darüber, dass der angestrebte Verstehensgewinn mit der vorgeschlagenen Hörhilfe erreicht werden könne, in der Praxis nicht die gewünschte Wirkung entfalte. In den Versorgungsverträgen nach § 127 SGB V sei eine Wiedervorstellung des Patienten bei dem verordnenden Arzt nicht vorgesehen. Dies habe häufig dazu geführt, dass die regelhafte ärztliche Untersuchung als Abschluss des Verordnungsprozesses nicht mehr habe durchgeführt werden können. Diese sei jedoch ein unerlässlicher Baustein zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Hörgeräteversorgung. Es komme deshalb in besonderem Maße darauf an, dass der Vertragsarzt sich nach der Versorgung mit dem verordneten Hörgerät eines Therapieerfolges vergewissern könne und in die Lage versetzt werde, den Behandlungsplan zu überprüfen und nachzusteuern.
Mit der neu beschlossenen Regelung überschreite der Kläger seine Kompetenzen nicht. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V umfasse im Bereich der Verordnung von Hilfsmitteln insbesondere auch solche Regelungen, die der Sicherung einer qualitativ ausreichenden Hörgeräteversorgung im Rahmen einer wirtschaftlichen Versorgung dienten. Der Richtlinienauftrag sei auf die Konkretisierung der anspruchsbegründenden Normen der §§ 27 Abs. 1 Nr. 3, 33 SGB V gerichtet. Die Richtlinie habe zwangsläufig unmittelbare Auswirkungen auf den Versorgungsprozess, denn eine richtlinienkonforme Verordnung der Hörhilfe sei Voraussetzung für die nachfolgende Leistungserbringung. Aufgrund der der Verordnung nachgelagerten Leistungserbringung wirkten die in der HilfsM-RL normierten Anforderungen an die Verordnung in die Umsetzungsebene hinein, selbst wenn dies für die Verträge nach § 127 SGB V nicht explizit so geregelt sei wie in § 125 Abs.1 S. 4 SGB V für die Heilmittelverträge. Als untergesetzlicher Normgeber komme dem Kläger hierbei ein weites Gestaltungsermessen zu. Vielen Stellen des SGB V sei der Grundgedanke eines Zusammenwirkens der ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringer zu entnehmen. Die Regelungskompetenz werde auch nicht durch § 33 Abs. 5a SGB V verdrängt. § 33 Abs. 5a SGB V treffe lediglich eine Regelung über die Erforderlichkeit einer vertragsärztlichen Verordnung. Als Normgeber sei der Kläger verpflichtet, Hinweisen auf Umsetzungsschwierigkeiten von Richtlinienregelungen in der Praxis nachzugehen. Mit der Ergänzung des § 30 HilfsM-RL habe er eine Regelung getroffen, die sowohl geeignet als auch erforderlich sei, um die ärztliche Untersuchung als Abschluss des Verordnungsvorganges zu stärken und eine Verwirklichung in der Versorgungspraxis sicherzustellen. Durch die beschlossene Regelung in § 30 S. 5 HilfsM-RL erfolge somit auch kein Eingriff in die Regelungskompetenzen der Partner der Verträge nach § 127 Abs.1 SGB V. Bei den Verträgen handele es sich um Rahmenverträge, die nur allgemein die Befugnis des Leistungserbringers zur Abgabe von Leistungen und die dabei zu beachtenden Modalitäten regelten. Der Begriff „Einzelheiten" verdeutliche, dass ein gewisser übergeordneter Regelungsrahmen im Rahmen der HilfsM-RL nicht per se ausgeschlossen sei. Einzelheiten der Versorgung habe der Kläger mit der beschlossenen Regelung in § 30 HilfsM-RL gerade nicht normiert. Der Auffassung der Beigeladenen, dass dem § 127 Abs. 1 SGB V als Spezialregelung gegenüber § 92 Abs. 1 SGB V Vorrang zukomme, könne nicht gefolgt werden.
Die abstrakt generell getroffene Regelung in § 30 HilfsM-RL sei auch sachgerecht. Die Hörgeräteanpassung stelle lediglich einen Bestandteil eines jeweiligen ärztlichen Behandlungsplans dar, auch wenn Hörhilfen primär dem unmittelbaren Behinderungsausgleich und nicht zwangsläufig der Behandlung einer Erkrankung dienten. Aus ärztlicher Sicht sei die Hörhilfenversorgung immer im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Versicherten zu beurteilen. Hörakustiker seien für die Überprüfung zum Abschluss der Anpassung auch fachlich geeigneter als HNO-Ärzte. Sinn und Zweck der Neuregelung sei es, die Anpassung der Hörhilfe nochmals ärztlich zu überprüfen, sodass sichergestellt sei, dass die Hörhilfe korrekt auf das jeweilige Krankheitsbild des Versicherten zugeschnitten und im individuellen Fall ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Der entsprechende Grundgedanke einer Zusammenarbeit zwischen Vertragsarzt und Hörakustiker sei bereits der Regelung in § 5 Nr. 2 der Qualitätssicherungsvereinbarung-Hörgeräteversorgung in der Fassung vom 1. April 2019 zu entnehmen. Darin sei eine Rücksprache zwischen Hörakustiker und Vertragsarzt vorgesehen. Ärztliche Verordnung der Hörhilfe, Auswahl und Anpassung eines Hörsystems für den jeweiligen Versicherten durch den Hörakustiker und abschließende ärztliche Prüfung bedingten sich insoweit gegenseitig, sodass sich Fehlversorgungen vor Beginn der Hörgeräteanpassung vermeiden ließen. Der Beklagten könne auch zugestimmt werden, dass zu erwarten sei, dass eine offensichtliche Fehlversorgung zumindest bei Gelegenheit im Rahmen der lebenslangen ärztlichen Begleitung der Versicherten auffalle. Eine zufällig im Rahmen der ärztlichen Behandlung auffallende Fehlversorgung käme für den Versicherten aber womöglich deutlich zu spät. So führe z.B. eine nicht rechtzeitig gut behandelte Schwerhörigkeit zu einer stetigen weiteren Abnahme der Hörfähigkeit.
Die Regelung verletze auch nicht das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Mit der bereits bestehenden Regelung in § 30 S. 3 HilfsM-RL habe der Kläger zur Sicherung der Versorgungsqualität festgelegt, dass der verordnende Facharzt sich mit den dokumentierten Ergebnissen auseinandersetzen müsse und sich durch audiometrische Untersuchungen zu vergewissern habe, dass die vorgeschlagene Hörhilfe den angestrebten Verstehensgewinn nach § 19 HilfsM-RL erbringe. § 30 S. 5 HilfsM-RL solle sicherstellen, dass die ärztliche Vergewisserung im Rahmen einer audiometrischen Untersuchung als entscheidender Bestandteil der Qualitätssicherung.
Die Regelung führe ferner nicht zu einer unzulässigen Beschränkung des Leistungsanspruchs des Versicherten nach § 33 SGB V. Der Leistungsanspruch beziehe sich auf die Leistung „eines Hörgerätes" und werde nicht tangiert. Selbst im Falle der Versagung der Abnahme bleibe der Leistungsanspruch des Versicherten auf Versorgung mit einer Hörhilfe erhalten. Die Ausführungen der Beigeladenen in ihrem letzten Schriftsatz zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Beschlusses seien vorsorglich zu bestreiten.
§ 30 S. 5 HilfsM-RL schränke zudem nicht die freie Arztwahl der Versicherten gemäß § 76 Abs. 1 SGB V ein. Die Wortwahl „durch die verordnende Fachärztin oder den verordnenden Facharzt" bilde lediglich den Regelfall ab. § 30 S. 5 HilfsM-RL habe ebenso wie der dieselbe Formulierung enthaltende § 9 HilfsM-RL nicht das Ziel, den Versicherten davon abzuhalten, einen anderen als den verordnenden Arzt aufzusuchen. Derartiges sei der Vorschrift durch Auslegung nicht zu entnehmen und nicht Regelungsintention des Klägers. Dass angeblich § 30 HilfsM-RL bisher im Lichte des § 9 HilfsM-RL als „Soll"-Regelung auszulegen gewesen sei, übersteige die Grenzen der zulässigen Normauslegung. § 9 HilfsM-RL sei eine Regelung des Allgemeinen Teils der Richtlinie. § 30 HilfsM-RL treffe hingegen spezifische Vorgaben für den Bereich der Hörhilfen, die wiederum Regelungen des Allgemeinen Teils ergänzten beziehungsweise überlagerten.
Schließlich hätte die Beklagte statt einer Beanstandung auch andere Mittel ergreifen können.
Der Kläger beantragt,
die Beanstandung vom 25. Mai 2020 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie zunächst auf ihren Bescheid. Ergänzend führt sie aus, eine Rechtfertigung für einen Eingriff in die Freiheiten der Versicherten sei nicht ersichtlich. In der Folge sei deshalb kein Kompromiss oder vermittelnde Lösungen erkennbar gewesen.
Der Kläger spreche von deutlichen Hinweisen von Vertragsärzten sowie Betroffenenverbänden auf Fehlversorgungen. Er bleibe es jedoch schuldig, diese Hinweise oder die Art und Häufigkeit der berichteten Fehlversorgungen zu konkretisieren. Aus dieser pauschalen Behauptung lasse sich daher kein Handlungsbedarf ableiten. Die im Antwortschreiben des Klägers an die Beklagte vom 24. April 2020 aufgeführten Beispiele für Fehlversorgungen beträfen Patientinnen und Patienten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit an der Grenze zur Versorgung mit Cochlea-lmplantaten sowie solche mit neu auftretendem Tinnitus. Der Kläger trage aber in dem gleichen Schreiben vor, dass schwerhörende Patientinnen und Patienten lebenslang auf HNO-ärztliche Begleitung angewiesen seien. Spätestens im Rahmen dieser regelmäßigen ärztlichen Begleitung fielen Fehlversorgungen auf und könnten korrigiert werden. Auch sei es schwer vorstellbar, dass Versicherte, die sich mit einem Wunsch auf Verbesserung ihres Hörvermögens oder Linderung ihrer Beschwerden im Zusammenhang mit einem Tinnitus in HNO-ärztliche Behandlung begäben, nicht erneut ärztlich vorstellig würden, wenn keine Besserung ihres Zustandes eintrete. Laut einer repräsentativen Versichertenbefragung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/pressemitteilungen/2019/PM 2019-06-24_GKV-Hoerhilfenversorgung_Bericht_Kurzfassung.pdf) aus dem Jahr 2019 könne es sich bei den von der Klägerin vorgetragenen Beispielen auch allenfalls um Einzelfälle handeln, die nicht geeignet seien, einen generellen Zwang auf ärztliche Wiedervorstellung zu begründen. Ein strukturelles Problem, das nur mittels eines Eingriffs in die Freiheiten der Versicherten gelöst werden könne, zeige sich daher gerade nicht.
Im Hinblick auf die Regelungskompetenz des Klägers führt die Beklagte aus, der Arzt stelle nur die Notwendigkeit einer Hörhilfenversorgung fest. Die individuelle Hörhilfe passe die Hörakustikerin bzw. der Hörakustiker nach weiteren Untersuchungen an Ohr und Gehörgang sowie der Erhebung von Messdaten an auf Grundlage des ihnen durch die Hörgeräterakustikermeisterverordnung (HörgAkMstrV) zugewiesenen Leistungsspektrums. Die Vorgehensweise möge starr erscheinen, sichere aber ausreichend eine erfolgreiche Hörhilfenversorgung. Da die Hörhilfe im Regelfall primär dem Behinderungsausgleich und nicht der Behandlung einer Erkrankung diene, gebe es keine Notwendigkeit einer verpflichtenden ärztlichen Abnahme. Geeignet sei als milderes Mittel eine weitergehende ärztliche Begleitung des Versicherten. Mit dem Beispiel der latenten Gefahr einer stetigen weiteren Abnahme der Hörfähigkeit könne die Dringlichkeit einer Abnahme im direkten Anschluss an die Versorgung nicht gerechtfertigt werden.
Auch sei der klägerischen Auffassung, es gebe ungeachtet des § 127 Abs. 1 SGB V in Ausübung der Kompetenz aus § 92 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 6 SGB V hinsichtlich der Konkretisierung des Erfordernisses einer wirtschaftlichen, ausreichenden und zweckmäßigen Versorgung der Hörhilfe auf abstrakt-genereller Ebene einen Regelungsspielraum, zu widersprechen. Die Regelungsbereiche seien vom Gesetzgeber eindeutig den Krankenkassen und Leistungserbringern als Vertragspartner zugeordnet. Diese Kompetenzzuordnung erkläre sich vor allem mit Blick auf die jeweils beteiligten Akteure: So solle es gerade den Vertragsparteien in Gestalt der Leistungserbringer und Krankenkassen selbst obliegen, die Rechte- und Pflichtenkataloge der jeweiligen vertraglichen Rahmenbedingungen in der Hilfsmittelversorgung festzulegen. Durch die Verträge selbst seien die Hörakustiker durch umfangreiche Dokumentationspflichten gegenüber den Krankenkassen als Vertragspartner zum Nachweis verpflichtet. Die Verträge eröffneten den Krankenkassen dabei außerdem die Möglichkeit, die Qualität der Versorgung in der ihnen geeignet erscheinenden Form nachzuprüfen oder nachprüfen zu lassen. Die streitgegenständliche Regelung stelle zudem unmittelbar einen Eingriff in die inter-partes-Beziehung der Vertragspartner der Verträge zur Leistungserbringung in der Hilfsmittelversorgung nach § 127 Absatz 1 SGB V dar. Gleiches gelte für die Vereinbarungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Vergütung. Eine gesetzlich geregelte Ausnahme zu dieser regelmäßigen Parteienzuordnung lasse sich lediglich in den Verträgen zum sogenannten „verkürzten Versorgungsweg" und nur unter den ergänzenden Voraussetzungen des § 128 Abs. 4a SGB V finden, der besondere Anforderungen an die unmittelbare Abgabe der Hilfsmittel durch die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte an die Versicherten stelle.
Der Kläger wolle die Grundsätze des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts nicht konkretisieren, sondern einschränken. Der Leistungsanspruch der Versicherten auf Hörhilfen gemäß § 33 SGB V werde davon abhängig gemacht, dass sie erneut - im Zweifel auch gegen ihren Willen - den verordnenden Facharzt zum Zwecke einer Endabnahme aufsuchten. Kämen sie dem nicht nach, könne die Hörhilfenversorgung nicht abgeschlossen werden und die Grundlage für das Behaltendürfen und Nutzen der medizinisch notwendigen Hörhilfe entfalle. Dabei sei es durchaus möglich, dass Versicherte unverschuldet nicht mehr in der Lage seien, den Verordner aufzusuchen, etwa infolge einer Praxisaufgabe oder aufgrund eines Umzugs.
Soweit der Kläger vortrage, der Beschluss vom 17. Oktober 2019 sei zur Durchsetzung der Qualitätssicherungsvereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 1. April 2012 notwendig, sei dem entgegenzuhalten, dass die Qualitätssicherungsvereinbarungen nur die an ihr partizipierenden Parteien binden könnten.
Die streitgegenständliche Ergänzung des § 30 HilfsM-RL sei darüber hinaus hinsichtlich ihrer weiteren, vom Kläger beabsichtigten Rechtsfolgen zu unbestimmt. Soweit damit eine Bedingung des Zahlungsanspruches der Hörakustikerinnen und Hörakustiker aufgestellt werden sollte, erscheine dies nicht nur systemfremd, sondern schaffe eine Dreiecksbeziehung zwischen Krankenkassen, gesundheitshandwerklichen und ärztlichen Leistungserbringern, die zu unverhältnismäßigen Vorleistungs- und Zahlungsrisiken für die betroffenen Hörakustiker und Hörakustikerinnen führe.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht sich ihre Stellungnahme nach § 92 Abs. 7a SGB V vom 17. Juni 2019 zu eigen. § 30 HilfsM-RL sei bisher im Lichte des § 9 HilfsM-RL als „Soll" -Regelung zu verstehen gewesen und so auch angewendet worden. In Übereinstimmung mit § 9 HilfsM-RL sei deshalb auch die entsprechende Regelung im bisherigen § 30 HilfsM-RL nicht als zwingende Regelung zu verstehen. Der Kläger könne sich weiter nicht auf die Regelungen zur Qualitätssicherungsvereinbarung zu Hörsystemversorgung vom 01. April 2012 berufen. Da die Vertragspartner der Qualitätssicherungsvereinbarung nur die gesetzlichen Krankenkassen und die Ärzte seien, sei es diesen untersagt gewesen, Verträge zu Lasten Dritter zu schließen. Mit dem Beschluss habe der Kläger seine Kompetenz überschritten. Es würden auch nicht die anspruchsbegründenden Normen der §§ 27 Abs. 1 Nr. 3, 33 SGB V konkretisiert. Diese beträfen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenbehandlung des Versicherten gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse sowie dessen konkreten Umfang. Sie regelten, wann der Versicherte welche Leistungen verlangen könne. Davon sei der vorliegende Fall zu unterscheiden, bei dem das Ob und Wie der endgültigen Abgabe an den Versicherten und die damit verbundene Abrechnung (Voraussetzungen, Fälligkeit) der erbrachten Leistungen zwischen dem Leistungserbringer und der gesetzlichen Krankenkasse geregelt werden solle. Dieses Verhältnis sei der Regelungskompetenz des Klägers entzogen. Dem § 127 Abs. 1 SGB V komme als speziellerer, detaillierterer Regelung gegenüber § 92 Abs. 1 SGB V Vorrang zu. Die Frage der endgültigen Abgabe an den Versicherten und die damit verbundene Abrechnung sei den Verträgen nach § 127 SGB V zugewiesen, ebenso wie die Einzelheiten der Qualitätssicherung. Dem Kläger fehle auch vor dem Hintergrund der Wertung des § 33 Abs. 5a SGB V in Verbindung mit dem aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgenden Vorrang des Gesetzes in der Ausprägung des Wesentlichkeitsgrundsatzes die Regelungskompetenz für eine ärztliche Abnahmepflicht. Eine für das Gesamtsystem der Hilfsmittelversorgung und für die Rechtspositionen der Betroffenen derart grundlegende Entscheidung wie die Einführung einer ärztlichen Abnahme bedürfte zudem einer Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers. Dies gelte insbesondere, wenn man die unzureichende verfassungsrechtliche Legitimation des Klägers betrachte. Weder aus personeller noch aus sachlicher Perspektive sei dieser als Gremium einer verbindlichen, außenwirksamen Normsetzung hinreichend demokratisch legitimiert. Die geplante, § 30 HilfsM-RL ergänzende Vorschrift greife in den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Die Folgen bedeuteten ein erhebliches wirtschaftliches Risiko und stellten eine mögliche Existenzgefährdung für die Hörakustiker dar. Die Einführung einer Kontrolle zur Qualitätssicherung bevorzuge zudem insbesondere HNO-Ärzte als Marktteilnehmer des „verkürzten Versorgungsweges“. § 30 Abs. 5 HilfsM-RL sei zu unbestimmt und genüge nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sie führe zu erheblichen Mehrkosten. Der Angemessenheit der neuen ergänzenden Regelung stehe auch die allgemeine Handlungsfreiheit der Patienten aus Art. 2 Abs. 1 GG, entgegen. Durch das Erfordernis der ärztlichen Abnahme werde zudem die Dauer, bis die Leistung den Versicherten zur Verfügung stehe, verlängert.
Die von dem Kläger ins Internet eingestellten Dokumente zur HilfsM-RL sowie deren Ausdruck durch den Kläger und der Verwaltungsvorgang der Beklagten lagen zur mündlichen Verhandlung vor und waren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
I. Über die Klage hat nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das hiesige Gericht zu entscheiden.
Intern ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des LSG Berlin-Brandenburg der 1. Senat berufen, weil sich der Streit auf dem Gebiet des Krankenversicherungsversicherungsrechts nach Abschnitt II Nr. 2 S. 2 und 3, Nr. 2.5 lit. h des Geschäftsverteilungsplans (sonstige Rechtsstreitigkeiten aus dem SGB V, sofern sie nicht dem Vertragsarztrecht zuzuordnen sind) abspielt.
Es handelt sich nicht um eine Vertragsarztstreitigkeit nach § 10 SGG Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und Nr. 1 SGG:
§ 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGG ordnet den Vertragsarztstreitigkeiten die Klagen gegen Richtlinien des hiesigen Klägers (nur) zu, „soweit“ die Regelungen der Richtlinien die vertragsärztliche Versorgung betreffen. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollte damit klargestellt werden, dass es auf die einzelne streitgegenständliche Regelung ankommt und nicht auf die Zuordnung der gesamten Richtlinie zur vertragsärztlichen Versorgung (vgl. BT-Drucks. 17/7991 S. 17). Maßgeblich für die Abgrenzung nach § 10 Abs. 2 S. 2 SGG ist damit nur die konkrete Regelung (vgl. Nguyen in Schlegel/Voelzke, jurisPK 2. Aufl. § 10 SGG Rdnr. 39). Das Urteil des BSG vom 6. Mai 2009 – B 6 A 1/08 R – betrifft die Rechtslage vor der Novellierung des § 10 SGG zum 1. Januar 2012 und kann deshalb zur Abgrenzung nicht mehr herangezogen werden. Der „Zusammenfassende Standpunkt des 1., 3. und 6. Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG“ enthält bereits keine Auffassung zur Einordnung der HilfsM-RL. Der streitgegenständliche Beschluss fügt in § 30 HilfsM-RL lediglich eine das Verhältnis des Leistungserbringers zum Versicherten betreffende Regelung ein, welche die vertragsärztliche Versorgung unberührt lässt.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht, wenn der neue Satz im Zusammenhang mit § 30 S. 3 HilfsM-RL gesehen werden müsste. Denn eine Vertragsarztstreitigkeit nach § 10 Abs. 2 S. 2 SGG soll nur bei Entscheidungen und Richtlinien des G-BA „mit primärem Bezug zur vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung“ vorliegen (vgl. BT-Drucks. 17/6764 S. 26). Ein solcher primärer Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung fehlt hier indes. Die vertragsärztliche Versorgung betrifft im Hilfsmittelbereich die Verordnung der Hilfsmittel. Die HilfsM-RL regelt „die Verordnung von Hilfsmitteln“. § 30 HilfsM-RL lässt in seinem S. 3 jedoch die Verordnung des Hörmittels unberührt. Die Abnahme soll insbesondere nicht der Überprüfung der Verordnung dienen.
II. Die Klage ist zulässig.
Sie ist als Anfechtungsklage in Form der Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthaft. Die Beanstandung nach § 94 Abs. 1 S. 2 SGB V ist als eine bindende Anordnung zu verstehen, die Richtlinie nicht in Kraft zu setzen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R –, BSGE 119, 57-79, Rdnr. 45). Die streitgegenständliche Beanstandung stellt sich somit im Verhältnis zum Kläger als Verwaltungsakt dar (vgl. Hannes in: Hauck/Noftz SGB V, § 94 Rdnr. 18; ebenso Joussen in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching <Hrsg.>, BeckOK SGB V § 94 Rdnr. 5; Hencke in Peters, SGB V § 94 Rz. 4). Die Klagefrist von einem Monat nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGG ist eingehalten (Eingang der Klage gegen die Beanstandung vom 25. Mai 2020 am 17. Juni 2020).
III. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Beanstandung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Zunächst enthält der Verwaltungsakt der Beklagten vom 25. Mai 2020 keine formellen Fehler. Insbesondere die Beanstandungsfrist des § 94 Abs. 1 S. 2 SGB V von zwei Monaten ist eingehalten. Der Kläger hat seinen Beschluss am 28. Oktober 2019 vorgelegt. Die Frist lief damit bis 29. Dezember 2019, wurde aber nach einem Monat durch die Anforderung einer ergänzenden Stellungnahme mit Schreiben vom 28. November 2019 nach § 94 Abs. 1 S. 3 SGB V unterbrochen. Die daraufhin verfasste Stellungnahme des Klägers vom 24. April 2020 ging am 29. April 2020 beim BMG ein. Die Beanstandung selbst hat dem Kläger noch am 25. Mai 2020 vorgelegen, also innerhalb eines kürzeren Zeitraums als eines weiteren Monats.
2. Die Beanstandungsverfügung vom 25. Mai 2020 ist auch materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.
Die Rechtmäßigkeit der Beanstandung nach § 94 Abs. 1 S. 2 SGB V setzt voraus, dass die Handlung des Klägers rechtlich fehlerhaft ist (vgl. Hannes, a. a. O., Rdnr. 20 mit Bezugnahme auf BSGE 108, 183, 191). Denn die Beklagte übt beim Ausspruch einer Beanstandung nach § 94 Abs. 1 S. 2 SGB V eine reine Rechtsaufsicht aus (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 – B 6 KA 25/10 R –, BSGE 108, 183-194, juris- Rdnr. 35, Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R –, BSGE 113, 1-23, juris-Rdnr. 30; Urteil vom 15. Dezember 2015 – B 1 KR 30/15 R –, BSGE 120, 170-189, Rdnr. 48, Joussen a.a.O. Rdnr. 3). Die Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums soll nach dem Willen des historischen Gesetzgebers maßvoll sein (vgl. BT-Drucks. 18/10605, S. 21). Prüfungsmaßstab ist damit, ob sich das Handeln des Klägers noch im Bereich des rechtlich Vertretbaren bewegt (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 6 A 1/08 R – juris Rdnr. 51; vgl. auch zu § 87 SGB V: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2021 – L 7 KA 47/18 KL – juris Rdnr. 44). Dabei ist zu beachten, dass der Kläger bei der ihm zugewiesenen Normsetzung durch Erlass von Richtlinien einen Bewertungsspielraum hat, wie er jedem Normgeber zukommt (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 – B 6 KA 25/10 R –, BSGE 108, 183-194, juris-Rdnr. 35). Die aufsichtsrechtliche Überprüfung der Richtlinienbeschlüsse des GBA durch das BMG beschränkt sich mithin regelmäßig darauf, ob die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten wurden. Dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und die maßgeblichen Verfahrens- und Formvorschriften sowie die Grenzen des dem Normgeber zukommenden Gestaltungsspielraums beachtet worden sind (BSG, a.a.O., Rn. 46 f.).
Hieran gemessen erweist sich die Beanstandungsverfügung der Beklagten als rechtmäßig, weil der Kläger mit dem Beschluss vom 17. Oktober 2019 die Grenzen seiner Rechtssetzungsbefugnis überschritten hat. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich § 92 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 6 SGB V vorliegend nicht als hinreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Der Kläger hat die daraus folgende zustehende Regelungskompetenz mit dem Beschluss vom 17. Oktober 2019 überschritten und die Befugnisse der Vertragspartner nach § 127 SGB V missachtet (nachfolgend 2.1.).
Gleichzeitig verstößt der Kläger mit dem Beschluss gegen das Wirtschaftlichkeitsgebots und greift unverhältnismäßigen in die Rechte der Hörakustikerinnen und Hörakustiker sowie der Versicherten ein (dazu 2.2.). Zuletzt verletzt die Einfügung das Recht auf freie Arztwahl nach § 76 SGB V (siehe 2.3.).
2.1. Die Einfügung des Satzes 5 in § 30 HilfsM-RL – in ihrem Zweck als Ergänzung des § 30 S. 3 HilfsM-RL - greift rechtswidrig in die Kompetenzen der Vertragspartner nach § 127 SGB V ein und steht nicht im Einklang mit der dem Kläger zustehenden Kompetenz aus § 92 Abs.1 S. 1, S. 2 Nr. 6 SGB V. Sie dient nicht der Sicherung der ärztlichen Versorgung und ist keine Regelung zur Verordnung von Hörhilfen nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V.
Nach § 92 Abs. 1 S. 1 1. HS beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Er soll nach § 92 Abs. 2 S. 2 Nr. 6 SGB V insbesondere Richtlinien beschließen über die Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes. Die vom Kläger danach zu erlassenden Richtlinien konkretisieren, was zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots gehört (Noftz in Hauck/Noftz SGB V, § 92, Rdnr. 1; Joussen, a.a.O. § 92 Rdnr. 1). Sie dürfen die Grundsätze des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts nicht verdrängen, einschränken oder ergänzen, weil sie diesen untergeordnet sind (BSG, Urteil vom 23. März 1988 - 3/8 RK 5/87, juris-Rdnr. 20 noch zu den vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 368p Abs. 1 Reichsversicherungsverordnung erlassenden Richtlinien). Speziell hinsichtlich des Satzes 2 Nr. 6 des § 92 Abs. 1 SGB V kommt dem Kläger in diesem Umfang (nur) die Aufgabe zu, die anspruchsbegründenden Normen der §§ 27 Abs. 1 Nr. 3, 33 SGB V zu konkretisieren (vgl. Sproll, in: Krauskopf, SGB V, 103. EI-Juni 2019, § 92 Rdnr. 38). Dementsprechend sieht § 6 Abs. 1 Satz 1 der HilfsM-RL vor, dass die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte die Verordnung von Hilfsmitteln nach pflichtgemäßem Ermessen innerhalb des durch das Gesetz und diese Richtlinie bestimmten Rahmens treffen, um den Versicherten eine nach den Regeln der ärztlichen Kunst und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung mit Hilfsmitteln zukommen zu lassen. Gemäß § 6 Abs. 4 der HilfsM-RL sind bereits bei der Verordnung von Hilfsmitteln die Grundsätze von Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten.
Die Aufgabe, für eine funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung eines Hilfsmittels zu sorgen, haben demgegenüber die (Hilfsmittel-) Leistungserbringer nach § 126 Abs. 1 S. 2 SGB V zu erfüllen. Die Regelungen hierzu unter anderem betreffend die Qualität obliegen deshalb den Vertragspartnern nach § 127 Abs. 1 SGB V oder den Vereinbarungen im Einzelfall zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer, § 127 Abs. 3 SGB V. § 127 Abs. 1 SGB V legt insoweit bindend fest, dass die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung von den Krankenkassen zusammen mit den Verbändern der Leistungserbringer zu regeln sind. § 127 Abs. 1 SGB V ist somit die speziellere und auch detailliertere Regelung der Versorgung mit Hilfsmitteln gegenüber § 92 Abs. 1 SGB.
Die Regelung der „endgültige Abgabe“ des Hörgerätes betrifft eine Einzelheit der Hörgeräteversorgung, nicht der ärztlichen Verordnung. Der Kläger ist anlässlich einer früheren Änderung des (heutigen) S. 3 des § 30 HilfsM-RL selbst davon ausgegangen, dass die Regelung im Nachgang der Verordnung, wonach sich die Vertragsärztin bzw. der Vertragsarzt von der Geeignetheit der konkreten Hörhilfe vergewissern muss, die Kompetenz der Vertragspartner nach § 127 Abs. 1 SGB V unberührt lasse, weil die Vergewisserungspflicht „deklaratorisch" sei (siehe Tragende Gründe zum Beschlussentwurf vom 06.November 2013 über eine Änderung der HilfsM-RL: Verordnung und Auswahl von Hörhilfen, S. 6). Soweit die Beklagte den beschlossenen S. 5 des § 30 HilfsM-RL in diesem Zusammenhang für zu unbestimmt hält, vermag dem der Senat an sich nicht zu folgen. Der direkte Regelungsgehalt ist vielmehr durchaus bestimmbar. Nach dem Wortlaut („endgültige Abgabe“) darf das Akustikunternehmen dem Versicherten den Besitz am Hörgerät erst nach der vertragsärztlichen Abnahme endgültig einräumen. Die Neuregelung des Satzes 5 in § 30 HilfsM-RL ist auch nur sinnvoll, wenn sie – wie vom Kläger beabsichtigt - im Zusammenhang mit der sogenannten Vergewisserungspflicht des Satzes 3 gesehen wird, die Regelung also eine Wiedervorstellung des Versicherten erzwingen soll, indem die Hörakustikerin bzw. der Hörakustiker das Gerät erst nach der Abnahme durch die Ärztin oder den Arzt endgültig überlassen darf. Die geplante Regelung enthält damit eine Vorgabe an das (schuldrechtliche und das dingliche) Vertragsverhältnis zwischen Leistungserbringer und versicherter Person. Diese Beziehung steht aber außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung und darf bereits deshalb nicht Gegenstand einer Richtlinie nach § 92 SGB V sein. Zwar geht der Kläger formal mit Recht davon aus, dass die Regelungen nicht unmittelbar und direkt den Besitzübergang zwischen Hörakustikerin bzw. Hörakustiker und versicherter Person tangiert. Die Regelung setzt aber voraus, dass das Verbot einer endgültigen Abgabe vor der Abnahme von der Hörakustikerin bzw. vom Hörakustiker beachtet wird.
So betrachtet, wirft die Beklagte dem Kläger zutreffend vor, eine unklare Norm vorzusehen. Wie das Ziel solcher vertraglicher Vereinbarungen erreicht werden soll, bleibt nämlich offen. Eine Fälligkeitsbestimmung, wonach die Hörakustikerin oder der Hörakustiker erst nach erfolgter Abnahme von der Kasse bezahlt werden darf, ist weder ausdrücklich normiert, noch ergibt sich zwangsläufig eine Umsetzungsnotwendigkeit im Verhältnis Krankenkasse zu Leistungserbringer. Sähen die Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V eine Fälligkeit bereits vor der endgültigen Abnahme vor, liefe die Neuregelung als Druckmittel zur Sicherstellung der gewollten vertragsärztlichen Abnahme ins Leere. Eine solche Fälligkeitsregelung zwischen Krankenkassen und Leistungserbringer ist durchaus denkbar. Im Hilfsmittelbereich ist nicht selten unklar, wer Eigentümer eines Hilfsmittels ist, nämlich die Krankenkasse, der Leistungserbringer oder die versicherte Person. Das Hilfsmittel erfüllt regelmäßig für alle Beteiligten seinen Zweck, auch wenn nicht geklärt ist, ob es der Versicherten oder dem Versicherten als Eigentum zur Verfügung steht oder nur zur (Dauer-)“Leihe“. Da der Beschluss des Klägers jedoch die Wiedervorstellung der oder des Versicherten erzwingen soll, stellt sie keine nur „deklaratorische“ Regelung dar, sondern betrifft die Versorgung selbst und nicht nur die Verordnung mit Hörgeräten.
Der geplante S. 5 des § 30 HilfsM-RL regelt auch keine Einzelheiten des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach §§ 27 Abs. 1 Nr. 3, 33 SGB V. Es geht nicht um die Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs der oder des Versicherten gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse oder dessen konkreten Umfang. Bestimmt werden soll vielmehr (nur) die endgültige Abgabe an die oder den Versicherten. Eine Mitwirkung der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte an der Durchführung der Versorgung über die ihnen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung obliegenden Aufgaben ist jedoch ohne vertragliche Vereinbarung mit Krankenkassen nicht erlaubt, § 128 Abs. 4 S. 1 SGB V. Die Beschränkung der Mitwirkung der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte an der Versorgung mit Hilfsmitteln ergibt sich in systematischer Betrachtung zudem aus § 33 Abs. 5a S. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift bedarf es nicht bei jedem Antrag auf Leistung eines Hilfsmittels einer vertragsärztlichen Verordnung, sondern nur, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist.
Die Frage der endgültigen Abgabe an die oder den Versicherten und der damit verbundenen Bezahlung der Hörakustiker ist im Ergebnis den Verträgen nach § 127 SGB V zugewiesen und fällt nicht in die Richtlinienkompetenz des Klägers.
Ob die Einführung einer vertragsärztlichen Abnahme eines Hilfsmittels, das primär dem Behinderungsausgleich dient, eine so gewichtige Veränderung des bisherigen Regelungssystems darstellt, dass sie nur vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgenommen werden darf, kann letztlich dahingestellt bleiben.
2.2. Die Verknüpfung der endgültigen Abgabe des Hörgerätes an die oder den Versicherten mit einer vorherigen zwingenden vertragsärztlichen Abnahme stellt sich auch unter Beachtung der Einschätzungsprärogative des Klägers aufgrund der allenfalls geringen Vorteile für die Versorgung bei gleichzeitiger Belastung der Hörakustikerinnen und Hörakustiker sowie der Versicherten und der erhöhten Kosten als unverhältnismäßig dar.
Die Annahme des Klägers, dass sich bei jedem Versorgungsfall nur nach einer vertragsärztlichen Überprüfung (Abnahme) der von der Hörakustikerin bzw. vom Hörakustiker in einem recht langwierigen Prozess ausgewählten und angepassten Hörgeräte ein angemessener Versorgungserfolg einstellt, ist in keiner Weise gerechtfertigt. Selbst wenn man die in den Tragenden Gründen aufgeführten Zwecke zugrunde legt, ist die Regelung weder erforderlich noch unter Betrachtung der Belange der Leistungserbringer und der Versicherten angemessen:
Der Kläger verfolgt mit § 30 S. 5 HilfsM-RL das Ziel, das Erfordernis einer fachärztlichen Abnahme der angepassten Hörsysteme vor der endgültigen Abgabe durch den Hörakustiker an den Versicherten explizit klarzustellen, um die Qualität der Hörgeräteversorgung zu kontrollieren. Denn nach den derzeitigen Verträgen nach § 127 Abs. 2 SGB V sei eine Versorgung in der Regel auch ohne nachträgliche vertragsärztliche Prüfung möglich (vgl. Tragende Gründe S. 2 zu 2. Eckpunkte der Entscheidung).
Die vom Kläger behaupteten deutlichen Hinweise, auch von betroffenen Verbänden, auf Fehlversorgungen sind allerdings unkonkret. Die Verordnung eines Hörgerätes dient ganz überwiegend dem Behinderungsausgleich (§ 33 Abs. 1 S. 1 Var. 3 SGB V) und ist nicht Teil einer kontinuierlichen ärztlichen Behandlung einer Krankheit (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 KR 15/19 R – juris Rn. 18 zu GPS-Uhr, BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – juris Rn. 31 zu Hörgeräten). Hörgeräte sind in der Regel nicht Teil einer Therapie, die zur Gesundung führen soll und die ärztlich überwacht werden muss. Es gibt insoweit keinen Unterschied zu anderen Hilfsmitteln wie Brillen bzw. Kontaktlinsen oder Prothesen. Eine verpflichtende Abnahme ist deshalb in aller Regel zur Beurteilung der Versorgungsqualität unnötig. Die Umstände, welche der Kläger für seine gegenteilige Auffassung angeführt hat, bleiben sehr vage. Mit Recht bemängelt die Beigeladene, dass die Darlegung des Klägers, es gebe deutliche Hinweise, dass es im Bereich der Hörgeräteversorgung Fehlversorgungen gebe, weithin eine bloße Behauptung ist. Die von der KBV im Stellungnahmeverfahren zitierte Studie von Kronlachner et al. (vgl. Tragende Gründe S. 22) stützt sich nach unwidersprochenem Beigeladenenvortrag auf eine Probandenzahl von lediglich 40 Personen im Alter von über 65 Jahren. Ebenfalls unwidersprochen hat die Beigeladene dabei noch darauf hingewiesen, dass geeignete Studienteilnehmer sogar nur 25 Probanden gewesen seien. Diese sehr kleine Studie ist daher nicht geeignet, eine allgemeingültige Aussage zur Hörgeräteversorgung zu treffen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger bestätigt, dass es keine weiteren Studien gibt. Die „deutlichen Hinweise auf Fehlversorgungen im Bereich der Hörgeräteversorgung“ sind von Patientenvertretern und Vertragsärztinnen in den Unterausschüssen erfolgt, ohne dass dies schriftlich niedergelegt wurde.
Gegen eine Fehlversorgung in einer relevanten Größenordnung spricht, dass die vom GKV-Spitzenverband 2019 durchgeführte Versichertenbefragung „Die Hörhilfenversorgung im Rahmen des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung“ vom Juni 2019 von hoher Zufriedenheit ausgeht. Danach waren knapp 90% der Befragten mit ihrer Hörhilfenversorgung zufrieden, lediglich 1,4% unzufrieden. Soweit der Kläger in seiner ergänzenden Stellungnahme auf Fehlversorgungen bei Patienten und Patientinnen mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit an der Grenze zur Notwendigkeit der Versorgung mit Cochlea-lmplantaten verweist, sowie solchen mit neu auftretendem Tinnitus, ist – worauf die Beklagte hingewiesen hat - davon auszugehen, dass die Patientinnen und Patienten bei Unzufriedenheit von selbst den Arzt aufsuchen.
Aus Sicht der Hörakustikerinnen und Hörakustiker stellt sie sich die geplante Regelung als erheblicher Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Position als Leistungserbringer dar, weil – jedenfalls nach dem Sinn der Vorschrift - die Entstehung oder jedenfalls die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs nicht nur von der ordnungsgemäßen Erbringung der eigenen Leistung, sondern auch von weiteren, für den Leistungserbringer ungewissen Umständen, abhängig gemacht wird. Denn die oder der Versicherte muss zunächst erneut die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt aufsuchen. Die Beigeladene hat zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Arztvorstellung durch vielerlei Faktoren gehemmt sein kann wie der Immobilität der Patientin oder des Patienten und der Verfügbarkeit von ärztlichen Sprechzeiten. Die Hörakustikerinnen und Hörakustiker sollen durch die neue Regelung (noch) länger in Vorleistung treten. Sie haben ihren Kunden die Hörgeräte nicht nur kostenfrei zur Testung bis zum Abschluss der Anpassung zu überlassen, sondern darüber hinaus bis zur erfolgten ärztlichen Abnahme. Ob und wann diese erfolgt, hängt unter anderem von der oder dem Versicherten ab. Es sind eine Vielzahl von Gründen denkbar, die die Patientinnen und Patienten vom Besuch der HNO-Ärztin bzw. des HNO-Arztes abhalten können. Diese müssen auch adäquat bei den Tests mitwirken wollen und können. Auf den Einwand der Beigeladenen, für einen kleineren Hörakustikbetrieb könne die wirtschaftliche Existenz gefährdet sein, ist der Kläger nicht eingegangen. Zutreffend weist sie auch darauf hin, dass die Hörakustikerin bzw. der Hörakustiker ein nicht vom Arzt abgenommenes Hörsystem vom Versicherten zurückfordern müsste, was weitere wirtschaftliche Risiken mit sich bringt. Soweit die Beigeladene die Regelung zur Förderung des Zieles der Qualitätssicherung auch deshalb für ungeeignet hält, weil den HNO-Ärztinnen und Ärzten die erforderliche fachliche Qualifikation im Bereich der Hörsystem-Versorgung fehle und sie nicht über die erforderlichen Apparaturen verfügten, kann dies dahingestellt bleiben.
Auch aus Sicht der versicherten Patientinnen und Patienten stellt es keine Lappalie dar, sich nochmals um einen Termin beim Facharzt bemühen zu müssen, der regelmäßig bereits für die Verordnung erforderlich gewesen ist. Die Auswahl, Erprobung und Anpassung der Hörgeräte erfordern wiederholte Besuche bei der Hörakustikerin bzw. beim Hörakustiker, bis das Hörgerät ausgewählt, angepasst und getestet ist. Ein weiterer Besuch der Fachärztin oder beim Facharzt stellt damit für die Versicherten, gerade für Patientinnen und Patienten im ländlichen Bereich und für ältere Menschen, einen beträchtlichen Aufwand dar, den viele Versicherte als reine Schikane empfinden würden.
Der in Einzelfällen eintretende Qualitätsgewinn durch eine Verweigerung der Abnahme steht im Ergebnis in keinem auch nur annähernd adäquaten Verhältnis zu den mit der Neuregelung verbundenen Beeinträchtigungen für die Versicherten sowie die Hörakustikerinnen und Hörakustiker. Ob der Beschluss als „Zwang zur Wiedervorstellung" das Wesentlichkeitsgebot verletzt und allenfalls vom materiellen Gesetzgeber eingeführt werden könnte, kann dahingestellt bleiben. Die Unverhältnismäßigkeit der Regelung ergibt sich auch aus einer Betrachtung des Verhältnisses des mutmaßlichen allenfalls geringen Qualitätssicherungsgewinns in einzelnen Fällen und der damit verbundenen verbesserten Wirtschaftlichkeit mit den negativen Folgen aus wirtschaftlicher Sicht. Das Gebot einer wirtschaftlichen Verordnungsweise nach § 12 Abs. 1 SGB V ist von allen Akteuren im Gesundheitssystem zu beachten. Die neue Regelung stellt sich – wie dargelegt - für die Hörakustikerinnen und Hörakustiker als erhebliche Belastung dar. Die angestrebte Verlängerung der Zeit kostenfreien Überlassung der Hörhilfen und dem auch für diese Zeit bestehenden Ausfallrisikos erhöhen zwangsläufig die für die Hörgeräteversorgung aufzuwenden Kosten. Ob die von der Beigeladenen hierzu auf Bitten des Senats im Detail angestellten Berechnungen zutreffend sind, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Dass sich der Kläger der Mehrkosten überhaupt bewusst gewesen ist, lässt sich überdies weder den Tragenden Gründen noch dem späteren Vorbringen entnehmen.
2.3. Zuletzt greift die geplante Neuregelung unzulässig in das Recht der Versicherten auf freie Arztwahl (§ 76 Abs. 1 SGB V) ein. Die endgültige Abgabe soll nicht etwa nach Überprüfung durch jede geeignete Vertragsärztin oder jeden geeigneten Vertragsarzt erfolgen können, sondern speziell durch „die Verordnerin/den Verordner“. Der Begriff „Verordnerin/Verordner“ ist nach dem Wortlaut und dem Sinn nicht auslegungsfähig. Nicht jede geeignete Vertragsärztin bzw. jeder geeignete Vertragsarzt ist derjenige, der die Verordnung ausgestellt hat. Der Kläger kann in diesem Rechtsstreit deshalb nicht mit Erfolg vortragen, die Regelung sei nicht in ein solchem Sinne gemeint. Dies hieße, sich gänzlich vom Regelungstext zu lösen. Ob auch weitere Regelungen in der HilfsM-RL § 76 SGB V missachten, ist nicht Gegenstand dieses Urteils.
2.4. Der Senat kann es abschließend dahingestellt sein lassen, ob der Beklagten bei der Ausübung der Beanstandung nach § 94 Abs. 1 S. 2 SGB V ein (Auswahl-)Ermessen eingeräumt ist oder ob die Beanstandungsmöglichkeit nur in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt wird (vgl. zu § 87 SGB V: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2021 – L 7 KA 47/18 KL – juris Rn. 68 ff.). Ob und wann das BMG eine als rechtswidrig erkannte Richtlinie tolerieren dürfte, braucht nicht erörtert zu werden.
Jedenfalls im vorliegenden Fall ist ein etwa bestehendes Ermessen auf Null reduziert, die Beklagte war zum Einschreiten verpflichtet (im Ergebnis ebenso: Sproll, a. a. O. § 94 Rdnr. 7; Hecheltjen in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 322 SGB V Rdnr. 17 zur Aufsicht über Schlichtungsstellen). Angesichts der Kompetenzüberschreitung mit Auswirkungen sowohl für die Hörakustikerinnen und Hörakustiker als auch die Versicherten war die Beanstandung sowohl objektiv als auch aus Beklagtensicht zwingend.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
IV. Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.