L 8 R 880/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 44 R 99/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 880/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 4.7.2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.147,26 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) in ihrer Tätigkeit im Internetcafé des Klägers sowie die hierauf beruhende Beitragsnachforderung.

Der Kläger betrieb vom 8.6.2007 bis 4.3.2010 ein Internetcafé mit Wettannahmestelle in M. In diesem war die Beigeladene zu 1), die polnischer Staatsangehörigkeit ist und am 19.10.2006 bei der Stadt E ein Gewerbe im Bereich Gastronomieservice angemeldet hatte, von Januar 2008 bis Februar 2010 tätig. Für ihre Arbeitsleistungen, die in Rechnungen als „Betreuung und Reinigung“ bezeichnet wurden, machte sie einen Stundenlohn von sechs Euro geltend. In der Regel wiesen die Rechnungen (zunächst unter Angabe von 150 Stunden pro Monat) einen monatlichen Betrag von 900,00 Euro aus.

Am 12.6.2009 stellte die Beigeladene zu 1) bei der Beigeladenen zu 4) für die Tätigkeit als „Gastronomiemitarbeiterin“ im Beschäftigungsbetrieb des Klägers einen Antrag auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU. Dieser wurde mit Bescheid vom 2.9.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.9.2009 abgelehnt. Am 16.11.2009 beantragte sie zusammen mit dem Kläger erneut eine derartige Genehmigung. In dem sowohl von ihr als auch vom Kläger unterschriebenen Antragsformular wurde die Art der Tätigkeit als „Betreuung und Bedienung“ angegeben.

Das Hauptzollamt (HZA) Dortmund führte beim Kläger im Jahr 2011 eine Prüfung gemäß §§ 2 ff. Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) durch. In diesem Rahmen wurden u.a. die Gewerbeanmeldung der Beigeladenen zu 1) und ein von ihr an das Finanzamt Lüdenscheid verfasstes Schreiben vom 5.5.2007 einschließlich Gewinnermittlungen zu den Akten genommen. In dem von der Zöllnerin Y gefertigten Aktenvermerk vom 1.4.2011 gab diese die Angaben des Klägers in einer Befragung vom 30.3.2011 wieder. Hiernach sei das ca. 53 qm große Ladenlokal täglich von 9.00 Uhr bis 23.00 Uhr, gelegentlich auch länger, betrieben worden. Gearbeitet hätten er selbst, ab und zu seine Ehefrau für maximal 1-2 Stunden, sein Schwiegervater und die Beigeladene zu 1). Alle tätigen Personen hätten an Arbeiten „Kasse bedienen, Wettannahme, Gewinnauszahlung, Geldwechsel, Reinigungsarbeiten im Ladenlokal (Boden wischen, Tische säubern)“ zu verrichten gehabt. Der Arbeitsplan sei von ihm oder seinem Schwiegervater erstellt und die Beigeladene zu 1) hierin eingeteilt worden. Im Betriebsablauf sei sie integriert gewesen. Eigene Arbeitsmaterialien habe sie nicht benötigt. Die Ausgaben eines gelegentlichen Einkaufs von Reinigungsmitteln seien ihr erstattet worden. Die Rechnungen der Beigeladenen zu 1), die nicht über einen Computer verfügt habe, seien von ihm bzw. meist seinem Schwiegervater geschrieben worden. Auf Hinweis des Steuerberaters habe man ab Januar 2009 auf die Angabe von Arbeitsstunden verzichtet.

Am 16.5.2011 wurde die Beigeladene zu 1) durch das HZA Dortmund befragt und hierbei ein auch in polnischer Sprache formuliertes Formular ausgefüllt und von ihr unterschrieben. An Tätigkeiten sind hier „Aschenbecher leeren, Computer angestellt, Wettscheine angenommen, Kaffee kochen, putzen, Geld wechseln“ angegeben. Über Büroräume verfüge sie nicht. Ihr eigener Computer sei kaputt.

Die Beklagte führte beim Kläger am 26.4.2012 eine Betriebsprüfung durch. Nach Anhörung mit Schreiben vom 24.7.2012 forderte sie von ihm mit Bescheid vom 26.9.2012 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 13.147,26 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 4.004,00 Euro für die im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 28.2.2010 von der Beigeladenen zu 1) ausgeübte Tätigkeit nach. Ausweislich des Ermittlungsverfahrens des HZA Dortmund sei die Beigeladene zu 1) vom Kläger unter anderem mit der Wettannahme, der Gewinnauszahlung, dem Geldwechsel, Reinigungsarbeiten im Ladenlokal sowie der Bedienung der Kasse betraut worden. Bereits die Art der Arbeit lasse erkennen, dass es sich dabei um Arbeitnehmerbeschäftigungen handele. Sie sei für 150 Arbeitsstunden im Monat tätig geworden und damit wesentlich vom Kläger abhängig gewesen, da weitere Auftraggeber von wirtschaftlicher Bedeutung nicht existiert hätten. Die Beigeladene zu 1) habe kein eigenes Kapital aufgewandt und keinerlei Investitionen getätigt. Gerade der Einsatz von Eigenkapital sei für eine selbständige Tätigkeit aber typisch. Sie habe damit keine Werk- bzw. Dienstleistungen erbracht, sondern lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Es stehe auch außer Frage, dass mit dem Stundenlohn von sechs Euro die notwendigen Ausgaben eines Selbstständigen einschließlich der Kosten der Lebensführung nicht annähernd finanziert werden könnten. Insoweit habe die Gewerbeanmeldung lediglich die Ausübung einer Beschäftigung verschleiern sollen. Gesichtspunkte für eine selbständige Tätigkeit seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe sich im Fall von Zweifeln an der Beitragspflicht bei der Einzugsstelle vergewissern müssen.

Mit dem von ihm am 22.10.2012 erhobenen Widerspruch hat der Kläger geltend gemacht, dass die Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei. Zudem habe sie ihre Arbeitsmittel mitgebracht. Sie sei auch nicht mit dem Kerngeschäft des Gewerbes betraut gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2013 zurück. Dass die Beigeladene zu 1) auch andere Auftraggeber gehabt habe, werde nicht bestritten, habe jedoch keine Auswirkung auf die Beurteilung der Tätigkeit für den Kläger. Auf die Gewerbeanmeldung komme es nicht an, weil hierbei die tatsächliche Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nicht geprüft werde. Ein unternehmerisches Risiko sei bei einer Bezahlung nach festen Sätzen unabhängig vom Arbeitsergebnis nicht zu erkennen. Eine eigene Betriebsstätte habe die Beigeladene zu 1) nicht unterhalten, vielmehr lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Hinzuweisen sei auch auf den Antrag zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU, der belege, dass sie selbst sich auch als Beschäftigte gesehen habe.

Mit der am 20.1.2014 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger wiederholend geltend gemacht, dass die Beigeladene zu 1) für verschiedene Gastronomieunternehmen Reinigungsarbeiten angeboten habe. Die notwendigen Reinigungsmittel habe sie selbst mitgeführt. Weder hinsichtlich des zeitlichen Rahmens ihrer Tätigkeit, noch hinsichtlich der Tätigkeiten sei sie weisungsgebunden gewesen. Seien ihre Dienste nicht in Anspruch genommen worden, habe sie allein das Ausfallrisiko getragen. Sie sei vom Kläger auch nicht für Urlaubs- oder Krankheitszeiten bezahlt worden. Von den Betriebseinnahmen habe sie die Kosten für Betriebsbedarf, Bürobedarf, Fahrtkosten, Telefonkosten und Kontoführungsgebühren selbst getragen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 26.9.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für ihn, verrichtet vom 1.1.2008 bis 28.2.2010, nicht sozialversicherungspflichtig in der gesetzlichen Renten-, gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und Arbeitslosenversicherung ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen in den streitigen Bescheiden Bezug genommen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 4.7.2017 abgewiesen. Der Bescheid sei hinreichend bestimmt. Dessen Auslegung ergebe, dass neben der Festsetzung der Gesamtversicherungsbeiträge auch die Versicherungspflicht festgestellt worden sei. Im Übrigen werde auf die Begründung im Bescheid vom 26.9.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2013 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Gegen das ihm am 14.8.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.9.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass die Beigeladene zu 1) unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Er sei schon nicht der alleinige Auftraggeber gewesen. Sie sei in der Organisation ihrer Tätigkeit in dem von ihm betriebenen Wettbüro frei gewesen. Die Zeiteinteilung habe sie nach ihrem Gutdünken vornehmen können. Maßgeblich sei allein gewesen, dass sie ihre werkvertraglichen Verpflichtungen der Reinigung und Bestückung eigenverantwortlich vorgenommen habe. Die Reinigungsarbeiten habe sie mittels eigener Betriebsmittel erbracht. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Werkleistung in Person zu erbringen. Es komme hinzu, dass im Rahmen der von ihr angebotenen Leistungen das Unterhalten einer eigenen Betriebsstätte nicht erforderlich gewesen sei. Soweit sich die Beklagte auf die Aktenlage beziehe, werde darauf hingewiesen, dass die Beigeladene zu 1) seinerzeit noch schlecht deutsch gesprochen habe. Die Angaben auf dem Fragebogen des Hauptzollamtes stammten auch augenscheinlich nicht von ihr. Ein Dolmetscher sei nicht zugegen gewesen. Daher seien die Angaben nicht zu verwerten. Schließlich sei davon auszugehen, dass sie in der Regel nur um die 50 Prozent ihres Gesamtumsatzes bei ihm erzielt habe. Damit aber fehle es an einer Abhängigkeit von ihm.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 4.7.2017 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 26.9.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16.12.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) im Rahmen ihrer Tätigkeit für ihn im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 20.2.2010 nicht der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitslosenförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen in ihren Bescheiden sowie auf das Urteil des SG Bezug. Soweit der Kläger und die Beigeladene zu 1) im Rahmen der gerichtlichen Befragung erheblich von den Feststellungen des HZA abweichende Ausführungen gemacht hätten, würden diese Aussagen nach Ablauf von mehr als zehn Jahren angezweifelt.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Der Senat hat den Kläger und die Beigeladene zu 1) in den Erörterungsterminen vom 21.9.2020 und 12.5.2021 persönlich gehört sowie die Zeugin Y am 12.5.2021 vernommen. Auch sind Steuerbescheide und Gewinnermittlungen der Beigeladenen zu 1) beigezogen worden.

Mit Schreiben vom 5.6.2022 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe und beabsichtigt sei, diese gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird vollumfänglich auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

 

II.

Die zulässige Berufung des Klägers wird durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG zurückgewiesen.

Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 S. 1 SGG, die Berufung zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Im Klageverfahren hat das SG nach mündlicher Verhandlung entschieden. Die Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nicht für erforderlich. Der Sachverhalt ist umfassend ermittelt, eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht mehr erforderlich. Der anwaltlich vertretene Kläger ist mit gerichtlichem Schreiben vom 5.6.2022 auf die fehlenden Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels hingewiesen und zur beabsichtigten Entscheidung gem. § 153 Abs. 4 S. 2 SGG angehört worden. Das erstmalige Vorbringen noch nicht vorgetragener Tatsachen oder rechtlicher Gesichtspunkte ist nicht zu erwarten. Andere Aspekte, die nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig erscheinen lassen könnten, sind nicht erkennbar.

Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend Beiträge in Höhe von 13.147,26 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 4.004,00 Euro aufgrund von Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) in ihrer Tätigkeit als Bedienung und Reinigungshilfe für den Kläger im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 28.2.2010 nacherhoben. Der Kläger ist durch die Bescheide nicht gem. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert, weil diese formell (hierzu unter 1.) und materiell (hierzu unter 2.) rechtmäßig sind.

1. Der Bescheid vom 26.9.2012 ist formell rechtmäßig ergangen; insbesondere ist der Kläger vor dem Erlass des ihn belastenden Verwaltungsakts mit Schreiben vom 24.7.2012 gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angehört worden.

2. Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.

Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung einschließlich der Säumniszuschläge ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungs­beiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungs­pflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide erlassen. § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleich (vgl. BSG Urt. v. 10.12.2019 – B 12 R 9/18 R – juris Rn. 12).

Die Beigeladene zu 1) unterlag im streitigen Zeitraum vom 1.1.2008 bis 28.2.2010 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung (hierzu unter a.). Versicherungsfreiheitstatbestände (hierzu unter b.) bestehen nicht. Die Berechnung der Nachforderung (hierzu unter c.) und die Erhebung von Säumniszuschlägen (hierzu unter d.) sind nicht zu beanstanden.

a. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).

Die Beigeladene zu 1) war beim Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) beschäftigt.

Das Vorliegen einer Beschäftigung beurteilt sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn – wie im vorliegenden Fall – in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status fehlen.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG Beschl. v. 20.5.1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 15 m.w.N.; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn.47).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und Abgrenzungskriterien ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Beigeladene zu 1) im Rahmen ihrer Tätigkeit als Bedienung und Putzhilfe beim Kläger beschäftigt und nicht selbstständig tätig geworden ist.

Ausgehend von der gelebten Vertragspraxis hat die Beigeladene zu 1) ihre Aufgaben weisungsgebunden und eingegliedert in die Betriebsorganisation des Klägers wahrgenommen (hierzu unter aa). Eine selbstständige Tätigkeit ergibt sich auch nicht aus sonstigen Umständen (hierzu unter bb). In der Gesamtschau überwiegen die für eine abhängige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte deutlich (hierzu unter cc).

aa) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beigeladene zu 1) im Internetcafé des Klägers täglich etwa 5 Stunden gearbeitet und dort Reinigungsarbeiten durchgeführt sowie die Bedienung übernommen hat. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Vermerk der Zollbeamtin Y vom 1.4.2011 sowie ihrer Aussage vor dem Senat im Erörterungstermin vom 12.5.2021, die in sich widerspruchsfrei und ohne Belastungstendenzen war. So hat sich der Kläger im Verlauf der Befragung vom 30.3.2011 dahingehend eingelassen, dass alle im Wettbüro tätigen Personen einschließlich der Beigeladenen zu 1) die gleichen Arbeiten ausgeführt hätten. Hierbei habe es sich um das Bedienen der Kasse, die Annahme von Wetten, die Auszahlung von Gewinnen, den Wechsel von Geld sowie die Durchführung von Reinigungsarbeiten wie Boden wischen und Tische säubern gehandelt. Auch auf weitere Nachfrage hat er mehrfach betont, dass die Beigeladene zu 1) „nicht auf irgendwelche speziellen Dinge abgestellt“ worden sei, sondern die gleichen Tätigkeiten verrichtet habe wie die anderen auch.

Soweit der Kläger und die Beigeladene zu 1) – später – (nur noch) Reinigungstätigkeiten angegeben haben, erachtet der Senat diese Einschränkung als reine Schutzbehauptung. So decken sich die zeitnahen Aussagen des Klägers beim HZA im Jahr 2011 mit dem Wortlaut der Rechnungen der Beigeladenen zu 1) („Betreuung und Reinigung“) und auch den Angaben der Beigeladenen zu 1) in dem – auch in polnischer und damit für sie auf jeden Fall verständlicher Sprache – ausgefüllten Fragebogen des HZA. Darüber hinaus vermochten weder der Kläger noch die Beigeladene zu 1) nachvollziehbar darzustellen, dass das Putzen des kleinen Internetcafés täglich fünf Stunden benötigte und insbesondere auch, welche Putzarbeiten in einem Umfang von drei Stunden trotz entsprechender Arbeiten vor und nach den Öffnungszeiten auch noch während dieser durchzuführen waren. Auch hat die Beigeladene zu 1) in einem Schreiben an das Finanzamt vom 5.5.2007 zu ihrer Tätigkeit (beim Vorbesitzer des Cafés) mitgeteilt, dass sie die Kunden betreue, die Arbeitsabläufe organisiere und die Räumlichkeiten pflege. Schließlich hat sie ihre Tätigkeit beim Kläger in dem im Juni 2009 bei der Beigeladenen zu 4) gestellten Antrag auf Arbeitsgenehmigung-EU als „Gastronomiemitarbeiterin“ und auch noch einmal in dem gemeinsam mit dem Kläger ausgefüllten weiteren Antrag aus November 2009 als „Betreuung und Bedienung“ bezeichnet.

Bei der Ausführung der von ihr zu erfüllenden Aufgaben des Putzens und Bedienens war die Beigeladene zu 1) einem weitreichenden Weisungsrecht des Klägers und dessen Schwiegervaters bzw. seiner Ehefrau unterworfen. Ebenso war sie in die Organisationsstruktur des klägerischen Betriebs in einer Weise eingebunden, die keinen Raum für eine eigenständige Arbeitsorganisation ließ (vgl. BSG Urt. v. 27.4.2021 – B 12 R 16/19 R – juris Rn. 21). Dies ergibt sich sowohl aus der Art der im Café zu erbringenden Tätigkeiten als auch aus der Einlassung der Klägers gegenüber dem HZA, dass er bzw. sein Schwiegervater einen Arbeitsplan erstellt und die Einsatzzeiten der Beigeladenen zu 1) festgelegt hätten. Letztere hat – arbeitnehmertypisch – ausschließlich ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt.

bb) Indizien, die für eine Selbstständigkeit sprechen, liegen hingegen nicht in relevantem Maße vor.

(1) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt zunächst dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig geworden ist, kein entscheidendes Gewicht zu. Vielmehr erhält dieses Kriterium erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotene Leistung, an Gewicht (vgl. z.B. BSG Urt. v. 7.6.2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 33; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 63 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 12.2.2020 – L 8 BA 157/19 B ER – juris Rn. 19 m.w.N.). Derartige Umstände sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

(2) Auch verfügte die Beigeladene zu 1) weder über eine eigene Betriebsstätte noch trug sie ein Unternehmerrisiko.

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grund­sätzen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 31.3.2017 – B 12 KR 16/14 R – juris Rn. 33 m.w.N.), denen sich der Senat in seiner ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. z.B. Senatsurt. v. 29.1.2020 – L 8 BA 153/19 – juris Rn. 64 m.w.N.), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstmöglichkeiten gegenüberstehen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 31.3.2017 – B 12 KR 16/14 R – juris Rn. 33; Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 36).

Kapital für eigene Betriebsmittel hat die Beigeladene zu 1) nicht eingesetzt. Soweit zuletzt behauptet worden ist, sie habe Reinigungsmittel auf ihre Kosten besorgt und mitgebracht, widerspricht dies bereits den früheren Angaben des Klägers beim HZA, dass die Beigeladene zu 1) keine Arbeitsmittel benötigt habe und die ab und an gekauften Reinigungsmittel erstattet worden seien. Die jetzige Behauptung ist zudem auch deshalb nicht glaubhaft, weil die für die streitigen Jahre vorliegenden Gewinnermittlungen der Beigeladenen zu 1) keine entsprechenden Betriebskosten ausweisen.

Ihre Arbeitskraft musste die Beigeladene zu 1) angesichts der vertraglich vereinbarten Gegenleistung in Form einer Festvergütung nicht mit der Gefahr des Verlustes einsetzen. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrag- bzw. Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise (vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 37; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 55).

(3) Die Beigeladene zu 1) hat für ihre Tätigkeit keine dritten Personen eingesetzt, sondern ihre Leistungen vielmehr arbeitnehmertypisch höchstpersönlich erbracht.

(4) Soweit eine Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub nicht gewährt worden ist, bleibt dieser Umstand ohne Relevanz. Vertragsklauseln bzw. vertragliche Vereinbarungen, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden, lassen, auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu. Darüber hinaus haben sie bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung. Vielmehr setzen derartige Regelungen bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter voraus und sind daher eher Folge einer rechtsirrigen Statuseinschätzung als Indiz für eine solche. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 27 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 7.4.2021 – L 8 BA 58/20 B ER – juris Rn. 21 m.w.N.; Senatsurt. v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 93 m.w.N.).

(5) Der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) ein Gewerbe angemeldet hat, spricht gleichfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit ohne wesentliche Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft. Sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungen können vielmehr ausschließlich in den Verfahren nach §§ 7a, 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erfolgen (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 14.3.2022 – L 8 BA 110/21 – juris Rn. 47 m.w.N.).

(6) Ebenso wenig ist das Erstellen von Rechnungen durch die Beigeladenen zu 1) ein für Selbstständigkeit sprechendes Indiz. Vielmehr handelt es sich hierbei letztlich nur um eine Folge der rechtlich fehlerhaften Statuseinordnung (vgl. Senatsurt. v. 30.10.2019 – L 8 R 838/16 – juris Rn. 79).

cc) Nach der gebotenen Gesamtbetrachtung aller wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte überwiegen die Kriterien, die für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) sprechen.

Angesichts des Umstandes, dass sich die in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV gesetzlich ausdrücklich hervorgehobenen ("insbesondere") Kriterien für eine abhängige Beschäftigung einer Weisungsgebundenheit und Eingliederung feststellen lassen und die Beigeladene zu 1)  im Streitzeitraum weder über eine eigene Betriebsstätte verfügt noch ein unternehmerisches Risiko getragen hat, sprechen alle wesentlichen Abgrenzungskriterien für eine abhängige Beschäftigung und damit gegen eine selbstständige Tätigkeit. Eine Selbstständigkeit kann demzufolge auch nicht dadurch begründet werden, dass dies von ihr und dem Kläger möglicherweise so gewünscht war, nachdem die Beigeladene zu 4) den Antrag auf Arbeitsgenehmigung-EU abgelehnt hatte. Der Wille der Beteiligten kann generell nur dann von Bedeutung sein, wenn der Abwägungsprozess – anders als hier – kein Überwiegen von Gesichtspunkten für den einen oder den anderen Status ergibt (vgl. z.B. BSG Urt. v. 14.3.2018 – B 12 R 3/17 R – juris Rn. 13 m.w.N.; Senatsurt. v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 105). Der sozialversicherungsrechtliche Status unterliegt keiner uneingeschränkten Dispositionsfreiheit der Beteiligten (vgl. z.B. Senatsurt. v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 105; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 68 m.w.N.; BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 37 m.w.N.). Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (vgl. z.B. BSG Urt. v. 3.4.2014 – B 5 RE 9/14 R – juris Rn. 47 m.w.N.; Senatsurt. v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 105).

b. Anhaltspunkte für Versicherungsfreiheitstatbestände sind nicht erkennbar. Die Beschäftigung erfolgte unstreitig gegen Entgelt, so dass eine Versicherungspflicht nach §§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XI grundsätzlich bestanden hat.

Insbesondere ist die Beigeladene zu 1) nicht als hauptberuflich selbstständig erwerbstätig im Sinne von § 5 Abs. 5 SGB V anzusehen. Die dafür notwendige hauptberufliche Ausübung der selbstständigen Tätigkeit (vgl. BSG Urt. v. 29.4.1997 – 10/4 RK 3/96 – juris Rn. 18) liegt ausweislich der Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 sowie der der Beitragserhebung zugrundeliegenden Rechnungen nicht vor. Danach hat sie vielmehr den überwiegenden Anteil ihrer Einnahmen im Rahmen ihrer Beschäftigung beim Kläger erzielt, zumal auch im Übrigen nicht ersichtlich ist, dass sie neben der täglichen Arbeitsleistung für diesen noch in relevanten Umfang weitere Arbeiten bei anderen Auftraggebern übernehmen konnte bzw. übernommen hat.

Ebenso wenig lag eine unständige Tätigkeit im Sinne von § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III vor, da die Beigeladene zu 1) nach dem Vortrag des Klägers nahezu täglich bei ihm tätig geworden ist. Ein Anhaltspunkt für eine befristete Beschäftigung ergibt sich damit nicht (vgl. BSG Urt. v. 31.3.2017 – B 12 KR 16/14 R – juris Rn. 41; Urt. v. 14.3.2018 – B 12 KR 17/16 R – juris Rn. 20; LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 14.2.2019 – L 18 AL 80/18 – juris Rn. 19).

c. Gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbei­trag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für diese zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d S. 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Einwände gegen die konkrete Beitragsberechnung für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sind vom Kläger nicht erhoben worden und Fehler auch nicht ersichtlich.

d. Die Voraussetzungen für die Festsetzung von Säumniszuschlägen in Höhe von 4.004,00 Euro lagen vor.

Nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV).

Der Kläger kann sich nicht im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV exkulpieren, da er seine unverschuldete Unkenntnis nicht glaubhaft gemacht hat.

Spätestens ab Übernahme des Internetcafés mit Wettannahmestelle lagen erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er eine notwendige Beitragsentrichtung für die Beigeladene zu 1) mindestens im Sinne bedingten Vorsatzes (zu diesem Erfordernis BSG Urteil vom 12.12.2018 – B 12 R 15/18 R – juris Rn. 13) für möglich gehalten und die Verletzung dieser Pflicht billigend in Kauf genommen hat. So ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich auch – und sogar gerade – ein juristischer Laie, der eine Firma übernimmt, um mit dieser am kaufmännischen Verkehr teilzunehmen, spätestens dann, wenn er zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten weitere (Hilfs-)Personen heranziehen will, mit den hierfür erforderlichen arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen ebenso vertraut macht wie (zuvor) mit den Erfordernissen einer Firmenübernahme. Tut er dies nicht, liegt die Möglichkeit von Pflichtverletzungen und deren billigende Inkaufnahme zwingend auf der Hand, da Säumnisse und Fehler evident umso häufiger auftreten, je höher der Grad der Unkenntnis des Unternehmers ist. Werden für arbeitnehmerübliche Tätigkeiten gleichwohl Einzelpersonen als „Unternehmer“ beauftragt, ist entsprechend regelmäßig darauf zu schließen, dass der Firmeninhaber eine Verletzung möglicher Melde- und Beitragspflichten zur Sozialversicherung billigend in Kauf nimmt (vgl. Senatsbeschl. v. 13.6.2022 – L 8 BA 142/21 B ER – juris Rn. 20). Dies gilt vorliegend um so mehr als Kläger und Beigeladene zu 1) (erfolglos) versucht haben, für diese eine Arbeitsgenehmigung-EU zu erwirken und zudem Rechnungen im Jahre 2009 auf Wunsch des Klägers bzw. Hinweis des Steuerberaters fortan ohne Angabe geleisteter Arbeitsstunden ausgestellt worden sind, ohne dass sich am Arbeitsumfang oder der Rechnungssumme etwas geändert hätte.

Eine andere Beurteilung kann nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn konkrete, belastbare Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die ausnahmsweise eine abweichende Einschätzung nahelegen, so z.B. wenn der Unternehmer auf die eingeholte Auskunft eines Steuerberaters vertraut hat, an deren Richtigkeit er nicht zweifeln musste und zudem in anderen rechtlichen Bereichen „Wohlverhalten“ bestand (vgl. Senatsbeschl. v. 13.6.2022 – L 8 BA 142/21 B ER – juris Rn. 20; Beschl. v. 10.7.2013 L 8 R 205/13 B ER – juris Rn. 17 f.). An solchen konkreten Umständen mangelt es vorliegend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind weder erstattungsfähig noch sind diese mit Kosten zu belasten, da sie von einer Antragstellung abgesehen haben (vgl. § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 1 u. 3, 63 Abs. 2 S. 1 Gerichtskostengesetz.

 

Rechtskraft
Aus
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