L 16 KR 190/21 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 21 KR 228/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 190/21 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 05.02.2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe:

I.

Streitig ist der Rechtsweg für die Klage einer Krankenkasse gegen die Insolvenzverwalterin (Beklagte) einer Beitragsschuldnerin auf Feststellung, dass Teile des Gesamtsozialversicherungsbeitrags dem Arbeitnehmervermögen zugeordnet sind.

Die Beklagte verlangt in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin von der Klägerin im Wege der Insolvenzanfechtung die Erstattung von der Insolvenzschuldnerin gezahlter Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Daraufhin hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Köln Klage auf Feststellung erhoben, dass der von den Beschäftigten zu tragende Anteil dieser Beiträge dem Arbeitnehmervermögen zuzuordnen ist.

Das Sozialgericht hat den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Bonn verwiesen (Beschluss vom 05.02.2021), weil eine gerichtliche Feststellung zu der Voraussetzung „aus dem Vermögen des Schuldners“ im Sinne des § 143 Abs. 1 InsO und damit eine Elementenfeststellung im Rahmen des insolvenzrechtlichen Erstattungsanspruchs geltend gemacht werde, für den aber die Zivilgerichte zuständig seien.

Mit ihrer Beschwerde rügt die Klägerin, dass das Sozialgericht verkannt habe, dass sie als Einzugsstelle den verfassungsrechtlichen Anspruch ihrer Mitglieder auf beitragskonforme Verwendung der Beitragsmittel zu verteidigen habe und sich die begehrte Feststellung auf einen Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehe. Des Weiteren berücksichtige die angefochtene Entscheidung nicht, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht der zivilgerichtlichen Entscheidungskompetenz unterliegen könnten.

 

II.

Nach § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG spricht das Gericht, wenn der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, dies aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Dies hat das Sozialgericht mit der angefochtenen Entscheidung zutreffend befolgt.

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in – neben den Angelegenheiten der in den Nrn. 1 bis 4 einzeln aufgeführten Sozialversicherungen und weiteren Leistungsträger – sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung. Ob der Rechtsstreit öffentlich-rechtlicher Art ist, hängt dabei maßgeblich von der Natur des Rechtsverhältnisses ab, aus dem der erhobene Anspruch begründet wird, sofern eine ausdrückliche Zuweisung fehlt (GmSOGB SozR 1500 § 51 Nr. 53 S. 108; BSG, Beschluss vom 10.12.2015 - B 12 SF 1/14 R; BSG, Beschluss vom 30.09.2015 – B 3 KR 22/15 B; BSG, Beschluss vom 28.09.2010 – B 1 SF 1/10 R, alle unter juris). Der insoweit maßgebliche Streitgegenstand wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, d.h. durch den Klageantrag und den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Sachverhalts bestimmt (st. Rspr. z.B. BSG SozR 4-1720 § 17a Nr. 9 Rn. 9; BSG SozR 4-1500 § 51 Nr. 4 Rn. 26 m.w.N.; vgl. auch BSG SozR 4-1500 § 51 Nr. 9 Rn. 17 m.w.N.).

Danach handelt es sich vorliegend nicht um eine öffentlich-rechtliche, sondern um eine insolvenzrechtliche Streitigkeit, obwohl sich die Klägerin vordergründig für ihren Klageanspruch auf eine Norm aus dem Zweiten Abschnitt des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) und damit eine Bestimmung des öffentlichen Beitragsrechts beruft. Nach § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV gilt nämlich die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Entgegen dem von ihr erweckten Anschein wird die Klägerin aber nicht als Einzugsstelle im Rahmen der Beitragserhebung tätig, sondern möchte sich für das insolvenzrechtliche Anfechtungsverfahren bezüglich der von der Insolvenzschuldnerin aufgebrachten Beiträge einen Gestaltungstitel durch die Sozialgerichtsbarkeit gegen die Insolvenzverwalterin beschaffen.

Hintergrund hierfür ist die Auslegung der genannten Norm durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung. Der BGH hat der vom Gesetzgeber mit der Einfügung von § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV durch das Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19.12.2007 (BGBl. I 3024) bezweckten Aussonderung der Arbeitnehmeranteile des Gesamtsozialversicherungsbeitrags aus der Insolvenzmasse eine Absage erteilt, weil diese Rechtsfolge und die hieraus resultierenden Beziehungen zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Einzugsstelle nicht hinreichend bestimmt in dem Gesetz zum Ausdruck gekommen seien (BGH, Urteil vom 05.11.2009 – IX ZR 233/08 –, Rn. 9 – 20, BGHZ 183, 86-95; BGH, Urteil vom 07.04.2011– IX ZR 118/10 –, juris).

Da die Klägerin um diese Rechtsprechung, der die Instanzgerichte in ständiger Rechtsprechung folgen, weiß und sie mangels eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zur Insolvenzverwalterin nicht in der Lage ist, durch hoheitlichen Akt das Verfahren zur Sozialgerichtsbarkeit zu verlagern (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 27.07.2006 – IX ZB 141/05 –, Rn.11, ZIP 2006, 1603, 1604 betreffend Finanz- und Zivilgerichtsbarkeit), möchte sie letzteres gleichwohl durch die hier erhobene Feststellungsklage erreichen. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, wie ein entsprechendes Feststellungsurteil Bindungswirkung für die Zivilgerichte begründen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 – IX ZB 36/09 –, Rn. 13, juris), bleibt aber Kern der Rechtsstreitigkeit das Anfechtungsrecht der Insolvenzverwalterin bezüglich der Arbeitnehmeranteile des von der Insolvenzschuldnerin aufgebrachten Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Denn die Insolvenzverwalterin kann die entsprechende Zahlung ungeachtet der Regelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle anfechten, wobei § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV der Annahme einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nicht entgegensteht (BGH, Urteil vom 05.11.2009 a.a.O.; BGH, Urteil vom 07.04.2011 – IX ZR 137/10 –, Rn. 3, juris). Damit hat das Verfahren seine Grundlage nicht im öffentlichen Sozialversicherungsrecht, sondern vielmehr im zivilen Insolvenzrecht, sodass das Sozialgericht zutreffend den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit verneint und den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen hat.

Aus den verfassungsrechtlichen Erwägungen der Klägerin ergibt sich nichts anderes, weil vorliegend nicht die Beurteilung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und das Recht der Klägerin als Einzugsstelle zu dessen Erhebung bzw. die Verwendung der Beitragsmittel im Streit stehen, sondern das Anfechtungsrecht der Insolvenzverwalterin im Insolvenzverfahren Grundlage der hier streitigen Beziehungen ist, sodass Art. 74 Abs. 1, 87 Abs. 2 GG nicht betroffen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 197a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 7504 der Anlage 1 zum GKG für Verfahren über nicht besonders aufgeführte Beschwerden, die nicht nach anderen Vorschriften gebührenfrei sind, eine Festgebühr von 60 Euro erhoben wird, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (BSG, Beschluss vom 4. April 2012 – B 12 SF 1/10 R –, Rn. 23, SozR 4-1720 § 17a Nr. 9).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Für die Zulassung der weiteren Beschwerde zum BSG sieht der Senat keinen Anlass.

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved