L 3 U 119/21 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 141/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 119/21 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

 

Auf die Beschwerde  der Klägerin wird die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. Juni 2021 abgeändert und der  Streitwert für das Verfahren vor dem Sozialgericht auf  322.472,28 Euro festgesetzt.

 

            Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten

Gründe

 

I.

 

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung des Streitwertes für eine Klage bei dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 67 U 141/17), die gegen die Veranlagung des Unternehmens der Klägerin nach dem ab dem 01. Januar 2017 gültigen Gefahrtarif der Beklagten für den Zeitraum ab 01. Januar 2017 gerichtet war. Mit der Klage hatte die Klägerin eine Veranlagung statt zur Gefahrtarifstelle 07 für Sicherheitsunternehmen mit der Gefahrklasse 4,05 zur Gefahrtarifstelle 01 für Finanzdienstleistungs- und Versicherungsunternehmen mit einer Gefahrklasse von 0,41 begehrt.

 

Das SG hatte den Streitwert zunächst vorläufig auf den dreifachen Betrag der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 04. Juli 2017 für das Jahr 2017 angegebenen Beitragsdifferenz i.H.v. 107.490,76 Euro, mithin auf 322.472,28 Euro festgesetzt.  Mit Urteil vom 22. September 2020 wurde die Klage abgewiesen. Nach Beendigung des Verfahrens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2020 die Beitragsdifferenz zwischen der tatsächlichen Veranlagung und der gewünschten Gefahrenklasse für das Jahr 2017 mit 176.091,70 Euro, für 2018 mit 189.347,85 Euro und für das Jahr 2019 mit 237.561,88 Euro beziffert. Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 08. Juni 2021 den Streitwert in Höhe der Summe der fiktiven Beitragsersparnis für die Jahre 2017, 2018 und 2019 auf 603.001,43 Euro festgesetzt.

 

Gegen den ihr am 12. Juni 2021 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 12. Juli 2021 Beschwerde erhoben. Sie ist der Meinung, der Streitwert sei zu hoch bemessen. Aus Sicht der Klägerin gebe es bezüglich der unrichtigen Veranlagung keine betragsmäßige Bezifferung; eine solche ergebe sich erst nach den vom Veranlagungsteil abgetrennten Beitragsbescheiden. Mangels genügender Anhaltspunkte sei daher für eine Klage gegen die Veranlagung an sich allein der Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) anzunehmen. Allenfalls sei ein dreifacher Auffangstreitwert, der sich dann auf 15.000 Euro belaufen würde, zugrunde zulegen. Jedenfalls aber sei höchstens der vorläufige Streitwert und damit die vom Gericht bei Eingang der Klage angenommenen Wertigkeit i.H.v. 322.472,28 Euro maßgeblich. Die nunmehr erfolgte Verdoppelung der Streitwertes stehe in keinem Verhältnis zu der bei Klageerhebung zu unterstellenden Bedeutung der Sache für die Klägerin.

 

Die Klägerin beantragt,

 

  1. den Beschluss vom 08. Juni 2021 aufzuheben und den Streitwert auf 5.000 Euro festzusetzen,

 

  1. hilfsweise, den Beschluss vom 08. Juni 2021 aufzuheben und den Streitwert auf 15.000 Euro festzusetzen,

 

  1. hilfsweise den Beschluss vom 08. Juni 2021 aufzuheben und den Streitwert auf 322.472,28 Euro festzusetzen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Sie meint, der Streitwert sei durch den angegriffenen Beschluss aufgrund einer fiktiven Berechnung des Differenzbetrages unter Zugrundelegung der begehrten Gefahrklasse von 0,41 richtig festgesetzt worden. Die unterschiedlichen Mitteilungen der Differenzbeträge in den Schriftsätzen von 04. Juli 2017 und vom 13. Oktober 2020 beruhe darauf, dass die zunächst erfolgte Mitteilung auf der Berechnungsgrundlage der Entgelthöhe aus dem Jahr 2016 erfolgt sei. Die im Jahr 2020 mitgeteilten Differenzbeträge beruhten auf den tatsächlichen Entgelthöhen für die Jahre 2017 bis 2019.

 

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren und zum Verfahren S 67 U 141/17 verwiesen, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

 

 

 

II.

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes - wie hier - 200 Euro übersteigt.

 

Die Beschwerde ist im Hilfsantrag zu 3. begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die  Klägerin hat einen Anspruch auf eine geringere Festsetzung des Streitwerts.

 

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Dabei ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes geregelt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Nur wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein Streitwert von 5.000 Euro (Auffangstreitwert) anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

 

Die Bedeutung der Sache i.S. des § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011 – B 2 U 18/10 R –, juris). Gegenstand der Klage war die Veranlagung der Klägerin für die Zeit ab dem 01. Januar 2017 nach einer günstigeren Gefahrklasse. In derartigen Fällen bestimmt sich das wirtschaftliche Interesse und damit der Streitwert nach der Differenz zwischen den mit der festgestellten Veranlagung verbundenen und den aufgrund der erstrebten Veranlagung zu zahlenden Beiträge (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013 – B 2 U 8/12 R –, und Beschluss vom 13. Dezember 2016 – B 2 U 135/16 B -, juris; Beschluss des Senats vom 29. Mai 2017 – L 3 U 100/15 B –, Rn. 7, juris).

 

Das SG hat in dem angegriffenen Beschluss den Streitwert in Höhe der Summe der Beitragsersparnis für die Jahre 2017 bis 2019 festgesetzt. Damit hat es zwar zutreffend auf die konkrete Beitragsersparnis abgestellt, es hat dabei aber fehlerhaft die zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht bekannte tatsächliche Beitragsersparnis für die Jahre 2017 bis 2019 zu Grunde gelegt. Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet. Das war hier der Zeitpunkt der Klageerhebung. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 18. April 2017 waren weder die konkrete Beitragsersparnis der Klägerin für ein Veranlagungsjahr ab dem 01. Januar 2017 noch die Laufzeit des Gefahrtarifes und damit die Dauer der Veranlagung in der Gefahrenklasse bekannt. Die nachträglichen Erkenntnisse zur Beitragsersparnis können auf Grund des eindeutigen Wortlauts der Streitwertfestsetzung nicht zu Grunde gelegt werden.

 

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt dennoch eine Festsetzung des Streitwertes in Höhe des Auffangwertes nicht in Betracht. Nach  § 52 Abs. 2 GKG ist ein Streitwert von 5.000 Euro (Auffangstreitwert) nur anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Im Zeitpunkt der Klageerhebung lagen genügende Anhaltspunkte für das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Klage vor. Die Beklagte hat die auf der Grundlage der Entgelthöhe aus dem Jahr 2016 errechnete Beitragsersparnis in ihrem Schriftsatz vom 07. Juli 2017 für das Jahr 2017 mit 107.490,76 Euro angegeben. Fehler in der Berechnung der von der Beklagten mitgeteilten Beitragsdifferenzen sind von der Klägerin nicht aufgezeigt worden und auch sonst nicht erkennbar. Die prognostische Beitragsberechnung auf Grund der bisherigen Entgelte stellt einen ausreichenden Anhaltspunkt für die zukünftige jährliche Beitragsersparnis dar (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – B 2 U 135/16 B -, juris). Für die bei Klageerhebung ebenfalls nicht bekannte Dauer der Beitragsersparnis bei Streitigkeiten zur Veranlagung legt der Senat nach dem Rechtsgedanken des §§ 52 Abs. 3 Satz 2, 42 Abs. 1 GKG eine Beitragsersparnis, die auf drei Jahre entfällt, zu Grunde (so auch Becker/Spellbrink, Die Streitwertbestimmung in unfallversicherungsrechtlichen Streitigkeiten, NZS 2012, 283 ff.).

 

Der Streitwert war daher endgültig mit 322.472,28 Euro (3 x 107.490,76 Euro) in gleicher Höhe festzusetzen wie der vorläufige.

 

Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gebührenfrei.

 

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG.

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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