Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 21.09.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren noch die Gewährung von Kosten der Unterkunft i.H.v. 100 € pro Monat für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021.
Der im Haus seiner Eltern wohnende Kläger bezieht - mit geringfügigen Unterbrechungen - seit dem 01.01.2005 von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Eltern sind an dem Grundstück, auf dem sich das Haus befindet, erbbauberechtigt. Jedenfalls bis zum Jahr 2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in wechselnder Höhe von ca. 100 bis 130 €. Im weiteren Verlauf forderte die Beklagte vom Kläger mehrfach die Vorlage der Belege über die tatsächlich an seine Eltern zu zahlenden Neben- und Wärmekosten an. Der Kläger hatte vorgetragen, er trage die Heiz- und Nebenkosten des Hauses seiner Eltern zu einem Drittel.
Für die Zeit ab dem 01.01.2021 beantragte der Kläger am 27.11.2020 die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II. In seinem Antrag gab er an, dass ihm monatliche Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft in Form von Nebenkosten in Höhe von ca. 60 € und Heizkosten in Höhe von ca. 40 € entstehen würden. Dem Antrag beigefügt war ein Schreiben des Klägers vom 25.11.2020 mit „Hinweisen zum SGB II Antrag vom 26.11.2020“. Darin verwies der Kläger für die Belege zu den Wohnungskosten auf die bereits eingereichten Unterlagen im Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 30.06.2013. Da die Nachweise für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021 für die tatsächlichen Kosten erst im Jahr 2022 vorgelegt werden könnten und auf dieser Grundlage sowieso immer eine Neuberechnung wegen der schwankenden Verbräuche und der steigenden Energiekosten erfolgen müsse, könnten auch ältere Nachweise, z.B. aus dem Jahr 2010/2011 zum Ansatz gebracht werden. Das Jobcenter habe dies bereits in der Vergangenheit so praktiziert und – trotz der vorliegenden aktuellen Belege – die veralteten Belege von vor zwei Jahren zugrunde gelegt. Zudem könnten die Kosten der Unterkunft mittels einer vorläufigen Abschlagszahlung von monatlich 100 € erfolgen. Die etwaig zu viel gezahlten Leistungen könnten dann zurückgefordert werden.
Dem Antrag ebenfalls beigefügt war eine Bestätigung der Eltern des Klägers vom 26.11.2020, wonach zwischen ihnen und dem Kläger eine Vereinbarung nach § 550 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehe. Diese habe den Inhalt, dass der Kläger sich zu einem Drittel an den entstehenden Heiz- und Nebenkosten zu beteiligen habe. Es werde darüber hinaus bestätigt, dass diese anteiligen Kosten des Klägers seit dem 01.01.2017 gestundet würden, da die Beklagte diese nicht mit den entsprechenden Bescheiden bewilligt habe. Als Mitglieder der Gemeinschaft würden sie somit seit dem 01.01.2017 genötigt, den Anteil des Klägers mitzutragen und würden dementsprechend in Sippenhaft genommen. Der Kläger erhalte seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II. Von den Eltern seien mehrere Rentabilitätsberechnungen eingereicht und zuletzt durch die Beklagte mit Bescheid vom 25.4.2012 Leistungen i.H.v. 135,12 € endgültig bewilligt worden. Die von dem Kläger benannte Abschlagszahlung von 100 € könne daher ohne weiteres erfolgen. Nach Erhalt der Zahlungen würden die erst im Jahr 2022 zugehenden Nachweise über die tatsächlichen Kosten für das Jahr 2021 noch vorgelegt.
Mit Bescheid vom 01.12.2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021 in Höhe von 432 € pro Monat. Die Erhöhung der Regelsätze zum 01.01.2021 sei in dem Bescheid noch nicht dargestellt. In Bezug auf die Kosten der Unterkunft erfolgte keine Leistungsbewilligung.
Hiergegen legte der Kläger am 21.12.2020 Widerspruch ein und verwies auf die seinem Antrag beigefügten Unterlagen. Der Bescheid enthalte die Höhe des Regelsatzes für 2020. Es sei zwar auch ein Hinweis auf die Erhöhung der Regelsätze zum 01.01.2021 enthalten; dabei bleibe aber unklar, ob noch ein neuer Bescheid erteilt oder der höhere Regelsatz zum 01.01.2021 überwiesen werde. Damit der Bescheid mit „dem alten Regelsatz“ keine Rechtskraft erlange, sei der Widerspruch notwendig. Durch den angefochtenen Bescheid werde er zudem in seinen und seine Eltern in ihren Rechten verletzt. Er verweise dazu auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.05.2013 – B 4 AS 67/12 R - und auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 05.11.2019 – 1 BvL 7/16. Regelleistungen dürften danach nur um max. 30% gesenkt werden und Dritte nicht von Leistungskürzungen berührt werden. Die Höhe des Regelsatzes biete auch keine Grundsicherung mehr, da in dem Regelsatz die durch „Corona“ aufzubringenden notwendigen Kosten für Mund- und Nasenmasken (≥ FFP 2) sowie für Desinfektionsmittel nicht enthalten seien.
Mit Bescheid vom 22.12.2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs in Höhe von 446,00 Euro monatlich. Die Regelsätze seien zum 01.01.2021 erhöht worden. Seinem Widerspruch sei damit teilweise abgeholfen worden. Kosten seien nicht zu erstatten, da der Widerspruch nicht erforderlich gewesen sei. Die höheren Regelleistungen wären auch ohne Widerspruch ausgezahlt worden. Die technische Anpassung auf die erhöhten Regelsätze sei erst nach der Erstellung des Bewilligungsbescheides vom 01.12.2020 erfolgt. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides wies die Beklagte auf die Zulässigkeit des Widerspruchs hin.
Mit Schreiben vom 28.12.2020 teilte der Kläger mit, den Widerspruch vom 17.12.2020 zu erweitern auf den Bescheid vom 22.12.2020. Diesem sei nur teilweise abgeholfen worden. Ihm seien sowohl für den Widerspruch vom 17.12.2020 Kosten entstanden als auch für das aktuelle Schreiben. Die Eingabe der höheren Regelleistungen hätte schon deutlich vor seinem Widerspruch vom 17.12.2020 erfolgen können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2021 wies die Beklagte die Widersprüche vom 17.12.2020 und 28.12.2020 zurück. Der Kläger wohne im Eigenheim seiner Eltern. Er habe bislang keinen Mietvertrag vorgelegt und mache auch keine Mietzahlungen geltend. Vielmehr müsse sich der Kläger offenbar lediglich an den anteiligen Kosten für Nebenkosten und Heizkosten beteiligen. Hierzu habe der Kläger eine Bestätigung vorgelegt, wonach er sich zu 1/3 an den anfallenden Kosten zu beteiligen habe. Diese Kosten würden seit dem 01.01.2017 gestundet. Es sei jedoch ein Nachweis erforderlich, welche Abschläge gezahlt werden müssen, um dies dann anteilig zu bewilligen. Eine pauschale Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung komme nicht in Betracht, da dies gesetzlich nicht vorgesehen sei. Die Beklagte sei nur verpflichtet, die tatsächlich nachgewiesenen Kosten zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund komme der Kläger nicht umhin, die tatsächlich angefallenen Kosten des Hauses nachzuweisen. Bereits in der Vergangenheit sei er regelmäßig aufgefordert worden, diese Nachweise zu erbringen oder eine Genehmigung zu erteilen, damit die Beklagte die Kosten bei seinen Eltern selbst erfragen könne. Bisher seien weder Nachweise vorgelegt noch eine Genehmigung erteilt worden. Eine Erhöhung der Regelleistung wegen der Kosten für Desinfektionsmittel und FFP2-Masken komme nicht in Betracht. Das Jobcenter habe keine Möglichkeit, die vom Gesetzgeber festgelegte Regelleistung selbständig zu erhöhen. Ein Mehrbedarf sei nicht beantragt worden, liege aber auch nicht vor. Das Sozialgericht Dresden habe in dem Verfahren S 29 AS 289/21 ER entschieden, dass eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken nicht bestehe. Im Hinblick auf die Regelleistungshöhe ab 2021 sei es unerheblich, ob bereits am 01.12.2020 die Möglichkeit bestanden hätte, die Erhöhung zu berücksichtigen. Jedenfalls sei der Widerspruch vom 17.12.2020 nicht kausal gewesen für den Änderungsbescheid vom 22.12.2020, so dass ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht bestehe. Soweit der Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 22.12.2020 Widerspruch eingelegt habe, sei dieser unzulässig, da der Bescheid von Gesetzes wegen Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 22.12.2020 geworden sei. Die insoweit fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung führe weder zu einer Zulässigkeit noch zum Erfolg des weiteren Widerspruchs.
Hiergegen hat der Kläger am 30.03.2021 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben. Kosten der Unterkunft und Heizung seien nicht bewilligt worden. Der Leistungsbezug sei hinreichend sicher und die Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 100 € nachvollziehbar. Dies ergebe sich auch aus der „Bestätigung“ seiner Eltern vom 26.11.2020 sowie aus seinem Schreiben vom 25.11.2020 überschrieben mit „Hinweise zum SGB II Antrag vom 26.11.2020“. Diese Unterlagen seien von der Beklagten nicht hinreichend berücksichtigt worden. Auch auf die von ihm genannten Entscheidungen des BSG und des BVerfG sei der Widerspruchsbescheid nicht eingegangen. Darüber hinaus fehle eine Bewilligung der beantragten Corona-bedingten Mehrkosten für Mund- und Nasenmasken und Desinfektionsmittel. Auch sei der Widerspruch gegen die Höhe der Regelleistung notwendig gewesen. Die Beklagte habe zwischen Erlass des Bescheides vom 01.12.2020 bis zum Eingang seines Widerspruchs am 21.12.2020 20 Tage Zeit gehabt, die Anpassung der Regelleistung vorzunehmen, habe dies aber erst nach Eingang des Widerspruchs gemacht und auch auf diesen Bezug genommen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.12.2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2021 zu verurteilen, ihm Kosten der Unterkunft und Heizung für das Jahr 2021 in Höhe von monatlich 100 € zu gewähren sowie seinen Regelbedarf wegen der Anschaffung medizinischer Masken und Desinfektionsmittel zu erhöhen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Der Kläger sei aufgrund der dauerhaften Stundung der Forderungen durch seine Eltern schon keiner aktuellen Zahlungsforderung ausgesetzt. Dies sei auch vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) wiederholt so entschieden worden. Auch eine Übernahme der Kosten für medizinische Masken oder Desinfektionsmittel komme nicht in Betracht. Insoweit habe ebenfalls das LSG NRW am 06.05.2021 – L 21 AS 525/21 B ER - bereits entschieden, dass ein solcher Mehrbedarf nicht bestehe.
Nach Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 10.08.2021 hat das SG Münster die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.09.2021 abgewiesen. Solange der Kläger sich weigere, belastbare und nachvollziehbare Unterlagen und Belege über die angeblich von seinen Eltern getätigten Aufwendung vorzulegen, sei von einer anderweitigen Bedarfsdeckung auszugehen. Im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Erhöhung des Regelbedarfs zur Deckung der Corona-bedingten Mehrkosten werde auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Gegen den Gerichtsbescheid, dem Kläger zugestellt am 22.09.2021, hat der Kläger am 23.09.2021 Berufung eingelegt und eine Begründung der in der Berufungsschrift gestellten Anträge angekündigt. Trotz Erinnerung durch das Gericht mit Schreiben vom 13.12.2021 ist keine Begründung mehr erfolgt.
Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 23.09.2021 sinngemäß,
1. die Beklagte unter Abänderung des Gerichtsbescheides des SG Münster vom 21.09.2021 und unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.2020 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 22.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2021 zu verpflichten, ihm die beantragten und von den Vermietern geforderten Abschlagszahlungen in Höhe von monatlich 100 € für Unterkunft und Heizung zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Beklagte die von den Vermietern geforderten Abschlagszahlungen von monatlich 100 € für Unterkunft und Heizung zu zahlen hatte und die damit verbundenen Weigerungen der Beklagten rechtswidrig waren,
3. der Beklagten seine außergerichtlichen Kosten für alle eingelegten Rechtmittel und Rechtsbehelfe (Widersprüche, Klagen usw.) aufzuerlegen,
4. sämtliche Zahlungen an ihn bzw. an den Vermieter seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer Auffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Streitsache entscheiden, obwohl für den Kläger niemand zum Termin erschienen ist, denn der Kläger ist mit Postzustellungsurkunde, die am 26.02.2022 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 01.12.2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.12.2020, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2021 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Er hat keinen Anspruch auf die im Berufungsverfahren alleine noch streitige Zahlung eines Abschlags von monatlich 100 € für Heiz- und Nebenkosten.
I. Die Klage ist insgesamt als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 1. Fall, § 54 Abs. 4, § 56 SGG) statthaft. Mit dem Klageverfahren und im Berufungsverfahren mit dem Antrag zu 1. begehrt der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Zahlung eines monatlichen Abschlags an Heiz- und Nebenkosten in Höhe von 100 €. Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 2. zudem die „Feststellung“ begehrt, dass die Beklagte die von den Vermietern geforderten Abschlagszahlungen zu zahlen hatte und „die damit verbundenen Weigerungen rechtswidrig waren“, ist darin kein über den Antrag zu 1. hinausgehendes Begehren erkennbar. Der Senat musste daher hierüber – auch im Hinblick auf eine etwaige Feststellungsklage – nicht gesondert entscheiden. Vielmehr geht mit der Prüfung des zu Ziff. 1 gestellten Leistungsantrags auf Gewährung höherer Leistungen zwangsläufig die Prüfung einher, ob die Leistungsfestsetzung der Beklagten den gesetzlichen Vorgaben entsprach. Somit ist die vom Kläger im Antrag zu 2. gesondert aufgeführten „Feststellung“ zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben bzw. zur Rechtswidrigkeit der Bescheide schon in der Prüfung des Antrags zu 1. enthalten bzw. Teil der Prüfung des Antrags zu Ziff. 1. Einer gesonderten „Feststellung“ einer etwaigen Rechtswidrigkeit bedurfte es daher nicht mehr, so dass die gestellten Anträge bei verständiger Würdigung insgesamt als (zulässige) Anfechtungs- und Leistungsklage auszulegen waren.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 01.12.2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.12.2020, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2021 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Er hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung eines Abschlags von 100 € für Heiz- und Nebenkosten im Jahr 2021.
Leistungsberechtigte Personen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II – wie der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum - erhalten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II auch Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Bedarfe für Unterkunft und Heizung bestehen, wenn die leistungsberechtigte Person einem rechtlich wirksamen und ernsthaften Zahlungsverlangen des Vermieters ausgesetzt ist. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist die Person des Vermieters. Auch unter engen Verwandten können rechtlich wirksam Mietverträge geschlossen und damit vertragliche Verpflichtungen, wie beispielsweise die Mietzahlungspflicht, begründet werden. Die mietvertraglichen Vereinbarungen müssen auch nicht in jeder Hinsicht einem sogenannten "Fremdvergleich" standhalten, d.h. den zwischen Fremden üblichen mietvertraglichen Vereinbarungen entsprechen. Eine wegen verwandtschaftlicher Verbundenheit beispielsweise verbilligte Wohnraumüberlassung an Angehörige hindert deshalb nicht das Entstehen von Bedarfen für Unterkunft und Heizung. Entscheidend ist aber, dass trotz verwandtschaftlicher Verbundenheit der Mieter einer ernsthaften und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung des Vermieters ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R).
Der Kläger ist jedoch zur Überzeugung des Senats gegenüber seinen Eltern in dem hier streitigen Zeitraum nicht einem wirksamen und ernsthaften Zahlungsverlangen in Bezug auf die geltend gemachten Nebenkosten ausgesetzt gewesen. Dies ließ sich jedenfalls nicht nachweisen.
Für den hier streitigen Zeitraum fehlen hinreichende Belege oder Nachweise für die tatsächliche Entstehung dieser Kosten im Sinne einer ernsthaften und nicht dauerhaft gestundeten Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen Eltern.
Neben der Frage, ob und in welcher Höhe die Kosten überhaupt entstanden sind, erfolgte nach den Angaben der Eltern des Klägers im Schreiben vom 26.11.2020 eine Stundung der anteiligen Kosten seit dem 01.01.2017, „da“ die Beklagte diese Kosten mit den entsprechenden Bescheiden nicht bewilligt habe. Ein solches Entgegenkommen – mittlerweile über einen Zeitraum von vielen Jahren - ist als unüblich anzusehen, selbst wenn man hierbei die gelockerten Maßstäbe ansetzt, die nicht in jeder Hinsicht einem sogenannten "Fremdvergleich" mit nicht verbundenen Dritten entsprechen müssen. Insbesondere wird auf diese Weise eine direkte Verknüpfung zwischen einem privatrechtlichen Anspruch auf Zahlung der Nebenkosten und dem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hergestellt, obwohl der etwaige Anspruch auf Zahlungen privatrechtlich in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Leistungen des Jobcenters steht. Zudem bleibt unklar, unter welchen weiteren, konkreten Bedingungen eine Stundung vereinbart oder gewährt worden sein soll, z.B. ob hierzu weitere Kosten in Ansatz gebracht werden oder über welche Dauer eine solche Stundung, ggf. einseitig oder durch eine zweiseitige Abrede, vereinbart worden ist. Über das Begehren des Klägers auf Übernahme eines monatlichen Abschlags von 100 € an Kosten der Unterkunft und Heizung hat der Senat bereits mehrfach entsprechend entschieden, zuletzt am 21.01.2022 in dem Verfahren L 21 AS 590/21 für das Jahr 2020. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich hinsichtlich der Stundung insoweit Änderungen gegenüber den Vorjahren ergeben haben. Im Gegensatz dazu ist nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R) aber gerade entscheidend, dass der Mieter trotz verwandtschaftlicher Verbundenheit einer ernsthaften und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Die Eltern des Klägers dürften aber aufgrund der aktuell fortbestehenden Stundung rechtlich gegenüber dem Kläger auf unabsehbare Zeit kaum in der Lage sein, diese Forderung einzufordern. Darüber hinaus wäre im Sinne eines Fremdvergleichs im o.g. Sinne zumindest zu erwarten gewesen, dass eine gewisse Aktivität zur Beitreibung oder jedenfalls Sicherung oder Dokumentation der über Jahre aufgelaufenen Forderungen entfaltet worden wäre, wie z.B. die Vereinbarung einer Ratenzahlung oder die Vereinbarung zur Zahlung eines gewissen Anzahlungsbetrages. In der Gesamtschau genügen daher die zwischen dem Kläger und seinen Eltern getroffenen Vereinbarungen nicht den Anforderungen an eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung im o.g. Sinne. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte auch nicht zu der Gewährung der geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung im Jahr 2021 verpflichtet.
Auch aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des BSG und des BVerfG ergibt sich keine andere rechtliche Bewertung. Das BSG hat in dem Urteil vom 23.05.2013 – B 4 AS 67/12 – entschieden, dass eine Abweichung vom „Kopfteilprinzip“ und höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft an die weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder gerechtfertigt sein können, wenn die Sanktion eines SGB II-Trägers gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dem Wegfall der Leistungen für Unterkunftsaufwendungen verbunden ist. Parallelen zu dem hier vorliegenden Fall sind nicht erkennbar. Weder lebt der Kläger mit seinen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft noch hat er seinen Kopfteil an Unterkunftskosten durch eine Sanktion verloren. Vielmehr fehlt es hier nach den obigen Ausführungen bereits an der ernsthaften Zahlungsverpflichtung, die einen solchen Anspruch überhaupt erst begründen könnte.
Gleiches gilt für die Entscheidung des BVerfG vom 04.11.2019 – 1 BvL 7/16. Das Vorlageverfahren betraf die Frage, ob die Minderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund der Verletzung der in § 31 Abs. 1 SGB II normierten Mitwirkungsanforderungen nach § 31a Abs. 1, § 31b SGB II mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Schwerpunkt der Entscheidung war die Frage der Verhältnismäßigkeit der konkreten Ausgestaltung der dort geregelten Sanktionen. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch keine Sanktion zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten des § 31 Abs. 1 SGB II streitig. Vielmehr ist der Anspruch des Klägers auf Kosten der Unterkunft und Heizung abgelehnt worden, weil die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen – hier insbesondere die ernsthafte Zahlungsverpflichtung - nicht nachgewiesen sind. Der Grundsatz der objektiven Beweislast, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 103 Rn. 19a mwN), gilt, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht aufklären kann. Dann trägt derjenige die Beweislast, zu dessen Gunsten das Tatbestandsmerkmal im Prozess wirkt. Dieser Grundsatz begegnet keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken und war nicht Gegenstand der Entscheidung des BVerfG.
III. Das Begehren des Klägers zu Ziff. 4 seines Antrags, die Beklagte zu einer Verzinsung etwaiger rückständiger Leistungen zu verpflichten, ist bereits – unabhängig von dem nicht bestehenden Zahlungsanspruch – unstatthaft. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Verzinsung eines Nachzahlungsbetrages kann sich allenfalls aus § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ergeben, da in Verfahren betreffend Sozialleistungsansprüche vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit keine Prozesszinsen entsprechend § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anfallen (vgl. BSG Urteil vom 13.07.2010 - B 8 SO 10/10 R). Eine Entscheidung der Beklagten über einen Zinsanspruch des Klägers nach § 44 SGB I ist bislang nicht ergangen. Damit ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2 und 4 SGG wegen des Fehlens eines Verwaltungsaktes unzulässig. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht in Form einer reinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG verfolgen, da zwischen ihm und der Beklagten hinsichtlich des Zinsanspruchs aus § 44 SGB I kein Gleichordnungsverhältnis besteht (vgl. LSG NRW, Urteil vom 12.01.2012 – L 19 AS 1473/11).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
V. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.