S 8 U 28/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 28/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 23/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

1.    Unter Abänderung des Bescheides vom 8. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 wird die Beklagte verurteilt, als Folge des Unfalles der Klägerin vom 3. Januar 2008 den Verlust des Zahnes 23 anzuerkennen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 

2.    Die Beklagte trägt 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Unfallfolgen eines anerkannten Arbeitsunfalles sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII).

Die 1959 geborene Klägerin war ausgebildete Hotelfachfrau und arbeitete in einem Krankenhaus als Hausdame. Am 3. Januar 2008 stürzte die Klägerin auf dem Heimweg auf eisglatten Straßenbahnschienen und schlug zunächst mit der Hand und dann dem Kopf auf den Straßenbahnschienen auf. Der Unfall wurde mit Unfallanzeige vom 13. Februar 2008 gegenüber der Beklagten gemeldet. Aufgrund der erlittenen Verletzungen stellte sich die Klägerin zur Erstbehandlung in der Universitätsklinik Frankfurt am Main vor. Prof. E. diagnostizierte eine Prellung an der rechten Hand. Zudem wurde von Dr. F. vom Zahnärztlichen Univ. Institut der Stiftung H. am 3. Januar 2008 der Oberkiefer der Klägerin geröntgt und eine Prellung und Lockerung der Zähne 21 und 22 diagnostiziert. Der Klägerin wurde zur Stabilisierung eine Bissschiene verschrieben. Zudem erhielt sie Antibiotika. Dennoch kam es zu Entzündungen, so dass ca. 4 Wochen nach dem Unfall ein Abszess im linken Oberkieferbereich geöffnet werden musste. Laut einer zahnärztlichen Auskunft von Dr. G. vom 19. Februar 2008 waren die Zähne 22 und 23 bereits vor dem Unfall behandelt und mit einer Krone versorgt worden. Nachdem es in der Folge zu weiteren Entzündungen und dem Verlust eines Teils des knöchernen Oberkiefers kam, wurden letztlich im Jahr 2008 der Zahn 22 und 2009 der Zahn 21 entfernt. Der Zahn 23 wurde in den ersten Dokumentationen nicht als betroffen beschrieben. Auch bei einer Prüfung am 21. August 2008 wurde der Zahn als vital bezeichnet.  

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 27. Mai 2008 wurde bezüglich der weiteren Behandlung (Knochenaufbau mit Langzeitprovisorium) empfohlen, dass diese in vollem Umfang zu übernehmen sei. Die Unfallschädigung beziehe sich auf die Zähen 21, 22 und 23, wobei zum damaligen Zeitpunkt der Zahn 22 entfernt worden war. Eine Versorgung durch Implantation wurde empfohlen. Auch in der Folgezeit wurde die Übernahme von Behandlungskosten durch Dr. K. empfohlen.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2009 machte die Klägerin die Gewährung einer Verletztenrente geltend, wobei sie den vollständigen Verlust des Geschmacksinnes, Mundtrockenheit sowie den Verlust der Zähne 21 und 22 als Gesundheitsbeschwerden für maßgebliche hielt.

Nach Gutachterauswahl veranlasste die Beklagte ein mund-kiefer-gesichtschirurgisches Gutachten durch Prof. Dr. S. sowie ein hals-nasen-ohrenärztliches Gutachten durch Prof. Dr. J.

Prof. Dr. S. kam in seinem Gutachten vom 17. September 2010 zu dem Ergebnis (Bl. 232 Verwaltungsakte), dass der Verlust der Zähne 21 bis 23 auf den Unfall zurückzuführen seien. Ebenfalls bedinge der Unfall chronische Schmerzen im Bereich der linken Gesichtshälfte inklusive einer Überempfindlichkeit im Bereich des Oberkiefers Regio 21 bis 23, den Verlust des Geruchssinnes und eine erhebliche Reduktion des Geschmackssinns, eine Anästhesie der Oberlippe links und eine Hypästhesie der Haut des Nasenflügels bis zur Wange links. Bei einer erfolgreichen Schmerztherapie sei von einer vollen Erwerbsfähigkeit auszugehen. Prof. Dr. J. stellte in seinem Gutachten vom 21. Januar 2011 fest (Bl. 269 Verwaltungsakte), dass aufgrund der Angaben der Klägerin letztlich keine Beurteilung habe erfolgen können, ob eine Riechstörung vorliege. Eine Störung des Geschmacksinns schloss Prof. Dr. J. aus, da dies ein schweres Schädel-Hirn-Trauma als Auslöser voraussetze und dies nicht vorlag. Auch sei ein verminderter Speichelfluss nicht erkennbar gewesen und lasse sich nicht durch den Unfallhergang erklären. Schließlich stellte Prof. J. einen Zusammenhang zwischen der Gefühlsminderung der linken Wange und dem Trauma aufgrund der räumlichen Entfernung des Nervus infraorbitalis links zur Regio 21 bis 23 in Frage. Soweit sich Prof. Dr. S. zu den Symptomen im HNO-Fachgebiet geäußert habe, seien seine Angaben nicht nachvollziehbar.

Anschließend bat die Beklagte Prof. Dr. R. eine beratungsärztliche Stellungnahme zu den vorliegenden Unterlagen abzugeben. Dieser teilte am 24. März 2011 mit, dass die Befunde zur Erstuntersuchung und den Nachuntersuchungen keine Hinweise auf ein starkes Trauma der linken Gesichtshälfte, wie Prellmarken, Hämatome oder äußere Verletzungen der Gesichtshaut enthielten. Daher sei kein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den beklagten chronischen Schmerzen erkennbar. Eine unfallbedingte Nervschädigung des linken Nervus infraorbitalis erscheine danach ebenfalls unwahrscheinlich. Dies gelte auch für die Schädigung gustatorischer Nerven und sekretorischer Nerven. Sofern jedoch die von der Klägerin angegebenen Beschwerden tatsächlich vorhanden wären, wäre eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 15 von Hundert (v.H.) angemessen. Aus den Gutachten würden sich dafür aber keine eindeutigen Belege ergeben. Auch sei bemerkenswert, dass die neurologischen Ausfälle erstmals im Schreiben der Rechtsanwältin vom 12. Mai 2009 und mithin 1 ½ Jahre nach dem Unfallereignis vorgetragen worden seien. Dr. D. (Neurologische Gemeinschaftspraxis A-Stadt) stellte laut eines Schreibens vom 19. Mai 2011 ein rechts gegenüber links verzögertes Antwortpotential des Nervus trigeminus.

Anschließend hielt auch nach Auswertung weiterer bildgebender Unterlagen Prof. Dr. R. daran fest (Bl. 358 Verwaltungsakte), dass Belege für einen Zusammenhang der diffusen Beschwerdesymptomatik mit dem Unfallereignis nicht eindeutig seien. Auch der nach Entfernung der Zähne 21 bis 23 aufgetretene Verlust des Knochens und der natürlichen Papillen sei prothetisch versorgt worden. Auch wenn Prof. Dr. R. die kieferchirurgische Versorgung im Frontzahnbereich nicht als optimale Lösung bewertete, begründe es nach seiner Ansicht keine MdE. 

Die Klägerin wies mit Schreiben vom 15. November 2011 darauf hin, dass sie sehr wohl ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe. So sei im September 2010 ein MRT des Schädels angefertigt worden, wonach eine geringe narbige Veränderung frontal in der Galea festgestellt worden sei.

Prof. Dr. S. ging in einer ergänzenden Stellungnahme vom 28. November 2011 davon aus (Bl. 379 Verwaltungsakte), dass eine Druckschädigung des Nervus infraorbitalis auch ohne Hämatome, Prellmarken bzw. Schädel-Hirn-Traumata möglich sei.

Die Beklagte holte weitere Informationen der behandelnden Zahnärzte ein. Dr. G. teilte in diesem Zusammenhang mit, dass der Zahn 22 bereits vor dem Unfall an der Wurzel behandelt worden sei. Bei der Freilegung der Wurzel habe er bereits ein erheblicher Knochenabbau vorgelegen, welcher eindeutig nicht im Zusammenhang mit dem Unfall habe stehen können. Weitere Ermittlungen ergaben, dass die Zähne 21 und 22 bereits 1995 wurzelgefüllt worden waren.

In einer weiteren Stellungnahme von Prof. Dr. R. vom 13. August 2012 wies dieser darauf hin, dass die Lockerung der Zähne 21 und 22 auf den Unfall zurückgeführt werden können. Eine unfallbedingte Schädigung des Zahnes 23 sei jedoch nicht nachvollziehbar.

Mit Bescheid vom 8. November 2012 erkannte die Beklagte einen Arbeitsunfall an. Im Übrigen lehnte sie die Gewährung einer Rente ab, da die Gesundheitsschädigungen keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 von Hundert (v.H.) über die 26. Woche nach dem Ereignis hinaus bedinge. Als Unfallfolgen wurde die Lockerung der Zähne 21 und 22 mit nachfolgender Infektion und draus resultierendem Knochenverlust des Oberkiefers anerkannt, welcher letztlich den Verlust der Zähne 21 und 22 zur Folge hatte. Diesbezüglich sei eine prothetische Versorgung erfolgt. Als weitere Unfallfolgen seien die fortbestehenden chronischen Schmerzen im Bereich des Oberkiefers mit Ausstrahlung in die linke Gesichtshälfte, Taubheitsgefühl im Bereich der Oberlippe sowie Überempfindlichkeit der Haut des Nasenflügels anerkannt. Die Handgelenksprellung sei folgenlos ausgeheilt. Unfallunabhängig bestünde eine Paradintitis und der Verlust des Zahnes 23, ein nicht objektivierbarer Verlust des Geruchs- und Geschmacksinnes sowie Mundtrockenheit.

Die Klägerin legte Widerspruch ein. Im Schreiben vom 29. Januar 2012 führte die Klägerin aus, dass sie durch den Unfall nicht nur die Zähne 21 und 22 verloren habe, sondern auch einen Teil des Knochens und den Zahn 23. Ebenso sei der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes und die Schädigung des Trigeminusnerven auf den Unfall zurückzuführen. Dem Gutachten von Dr. J. sei insoweit nicht zu folgen, sondern vielmehr dem Gutachten von Prof. S.

Die Beklagte wies den Widerspruch schließlich mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2014 zurück. Der Knochenverlust sei bereits als Unfallfolge anerkannt worden. Da eine unfallbedingte Schädigung des Zahnes 23 den medizinischen Unterlagen nicht zu entnehmen sei, sei dessen Verlust nicht als unfallbedingt zu berücksichtigen. Dem Gutachten von Prof. S. sei hinsichtlich der chronischen Schmerzen gefolgt worden. Der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn sei nicht objektiviert worden. Laut der Literatur setze dies ein schweres Schädelhirntrauma voraus. Dies sei nicht ersichtlich. Auch die beklagte Schädigung des Nervus Trigeminus hätte zu einer isolierten beidseitigen Schädigung der Hauptäste zwischen Schädelgrube und Augenhöhle führen müssen. Dies liege nicht vor.

Dagegen richtet sich die zum 29. Februar 2014 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage.

Die Klägerin hält daran fest, dass die Infektionen im Oberkiefer sowohl ursächlich für den Knochenverlust als auch für den Verlust des Zahnes 23 gewesen seien. Konkurrierende Ursachen seien nicht festzustellen. Die Klägerin habe insbesondere 10 bis 15 Jahre zuvor keine Mittelgesichtsfraktur erlitten. Die Mundtrockenheit sei noch nachzuweisen. Auch der erhebliche Verlust des Geruchs- und Geschmacksinnes bestehe seit dem Unfall.

Die Klägerin beantragt, 

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 zu verurteilen, als Folge des Unfalles der Klägerin vom 3. Januar 2008 den Verlust des Zahnes 23, den Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes und das Bestehen einer Mundtrockenheit anzuerkennen und der Klägerin eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein Zusammenhang des Verlustes des Zahnes 23 mit dem Unfall sei nicht belegt. Vielmehr gebe es Anhaltspunkte für eine Vorschädigung. Die Beurteilung der beklagten Einschränkungen des Geruchs- und Geschmackssinnes falle nicht in das Fachgebiet von Prof. Dr. S.

Das Gericht hat von Amts wegen zunächst ein HNO-ärztliches Gutachten von Dr. M. eingeholt. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 24. April 2015 fest, dass ein Gesichtstrauma mit Ausnahme des Kieferbereichs nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei. Hinsichtlich des Nervus trigeminus sei lediglich von einer Schädigung einzelner Nervenanteile auszugehen, die zumindest mittelbar auf den Unfall zurückzuführen seien. Die von der Klägerin angegebene Mundtrockenheit sei weiterhin nicht objektivierbar. Soweit Geruchs- und Geschmacksstörungen gerügt werden, würden diese jedenfalls keine MdE begründen. Aufgrund der prothetischen Versorgung der Zahnverluste sei diesbezüglich ebenfalls keine MdE anzunehmen. Soweit chronische Schmerzen und ein Taubheitsgefühl beklagt würden, rechtfertige dies allenfalls eine MdE von 15 v.H.

Nach einer ersten mündlichen Verhandlung am 22. November 2016 wurden weitere ergänzende Stellungnahmen von Dr. M. und Prof. Dr. S. eingeholt. Dr. M. hält in seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2017 daran fest, dass ein kompletter Riechverlust nicht festgestellt werden und im Übrigen kein hinreichender Zusammenhang mit dem Unfallereignis hergestellt werden konnte. Prof. Dr. S. äußerte sich zuletzt mit Schreiben vom 31. August 2017 dahingehend, dass eine Schädigung des Zahnes 23 nicht ausgeschlossen sei. Ein zweifelsfreier sicherer ursächlicher Zusammenhang könne jedoch nicht hergestellt werden.

Schließlich hat das Gericht ein weiteres mund- und kieferorthopädisches Gutachten von Dr. N. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 30. Oktober 2018 und ergänzt mit der Stellungnahme vom 8. Februar 2019 neben den Implantaten der Zähne 21 bis 23 ein Taubheitsgefühl im Bereich der linken Oberlippe und der linken Gesichtshälfte sowie chronische Schmerzen im Bereich des linken Oberkiefers und Naseneingangs links als Unfallfolgen festgestellt. Aufgrund der Versorgung der Zähne sei diesbezüglich von einer MdE von 0 v.H. und bezüglich der Schmerzen von einer MdE von 15 v.H. auszugehen.

Im Rahmen der weiteren mündlichen Verhandlung am 14. November 2019 hatte die Klägerin erneut Gelegenheit zur Sache vorzutragen. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist zulässig, insbesondere auch soweit die Klägerin neben der Verpflichtung zur Gewährung einer Rente ebenfalls die Verpflichtung zur Anerkennung weiterer Unfallfolgen durch die Beklagte begehrt (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. April 2010 – B 2 U 23/09 R – juris; Hessisches Landessozialgericht  (LSG), Urteil vom 20. März 2017 – 9 U 108/12 – juris Rn. 24).  

Im Übrigen ist die Klage nur teilweise begründet. So ist der angegriffene Bescheid vom 8. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 lediglich dahingehend zu beanstanden, dass als weitere Unfallfolge der Verlust des Zahnes 23 anzuerkennen ist. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahmen, insbesondere durch Einholung weiterer Gutachten von Dr. M. und Dr. N. ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Folgen des Ereignisses vom 3. Januar 2008 nicht die Gewährung einer (Verletzten-) Rente (§ 56 Abs. 1 SGB VII) begründen.  

Nach § 26 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls, wie hier eines Arbeitsunfalls (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII), Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Form von Behandlungskosten (§ 27 SGB VII) oder in Form von Verletztenrente (§ 56 SGB VII). Unfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), dass die Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper wirkenden Ereignis dem Unfallereignis geführt hat (sog. Unfallkausalität) und letzteres einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (sog. haftungsbegründende Kausalität). Die Feststellung eines Versicherungsfalls und gegebenenfalls die Gewährung bestimmter Leistungen setzen voraus, dass der Vollbeweis über die anspruchsbegründenden Umstände und Ereignisse erbracht werden kann. Das bedeutet, das Gericht muss diese aufgrund seiner freien Überzeugungsbildung als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zutreffend feststellen können. Dies ist der Fall, wenn ihr Vorliegen in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass sämtliche Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R – juris, Rn. 33; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. August 2010 – L 3 U 138/07 – juris, Rn. 31; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. März 2011 – L 15 U 263/03 – juris, Rn. 33; Keller, in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 128 Rn. 3b m. w. N.). Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R – juris, Rn. 16 und vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R – juris, Rn. 17).

Vorliegend hat die Beklagte anerkannt, dass sich am 3. Januar 2008 ein Arbeitsunfall ereignet hat. Umstritten sind die auf den Unfall zurückzuführenden Unfallfolgen bzw. die Höhe der zu gewährenden MdE. Als auf den Unfall zurückzuführende Unfallfolgen hat die Beklagte neben dem Verlust der Zähne 21 und 22 bereits auch den Knochenverlust im Oberkieferbereich mit den angegriffenen Bescheiden anerkannt gehabt. Ebenso wurde das Fortbestehen von chronischen Schmerzen im Bereich des Oberkiefers mit Ausstrahlung in die linke Gesichtshälfte, ein Taubheitsgefühl im Bereich der Oberlippe sowie eine Überempfindlichkeit der Haut des Nasenflügels anerkannt.

Soweit es die weiteren von der Klägerin beklagten Gesundheitsschäden betrifft, muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt sein, dass die Gesundheitsschäden auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt daher nicht, wenn der Ursachenzusammenhang lediglich nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -; HessLSG, Urteil vom 30. März 2017 – L 9 U 108/12 – juris Rn. 28). Ebenso wenig gibt es einen Erfahrungssatz "post hoc, ergo propter hoc" (nach dem Unfall, also durch den Unfall - vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. März 2008 - L 6 U 161/02 – juris; HessLSG, a.a.O.).
Das Gericht ist danach zu der Überzeugung gelangt, dass der Verlust des Zahnes 23 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. So hat der Sachverständige Dr. N. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Februar 2019 nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund der Lockerung der Zähne 21 und 22 und der anschließenden Schädigung des umliegenden Knochens auch der Zahn 23 entfernt werden musste, da sich eine Entzündung des Zahnes gebildet hatte. Dass von dem Unfall auch der Zahn 23 betroffen war, hatte bereits Dr. K. im Zusammenhang mit der Beurteilung der Behandlungsbedürftigkeit der Zähne durchgehend angenommen, so dass seitens der Beklagten die Behandlungskosten für den Zahn 23 bereits übernommen wurden. Des Weiteren hatte auch Prof. Dr. S. einen Unfallzusammenhang angenommen. Aufgrund der umfassend aufgetretenen Entzündungen, die – wie auch von der Beklagten anerkannt wurde – zu erheblichen Schädigungen im Knochenbereich geführt haben, ist es plausibel und nachvollziehbar, dass ein zunächst gesunder Zahn von den Entzündungen erfasst wurde. Die Argumentation des Beklagten, dass der Zahn bereits 1995 behandelt worden sei, überzeugt nicht, insoweit auch der Zahn 21 und 22 vor dem Unfallereignis behandelt wurden und dies dem Unfallzusammenhang nicht entgegenstand. Sowohl der Zahn 22 als auch der Zahn 23 waren vor dem Unfall mit einer Krone versorgt wurden. Vor diesem Hintergrund erscheint eine abweichende Beurteilung des Unfallzusammenhangs im Hinblick auf den Zahn 23 wenig nachvollziehbar. 

Im Übrigen konnten weitere Gesundheitsschäden nicht zur Überzeugung des Gerichts mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückgeführt werden. 

Hinsichtlich der von der Klägerin benannten Riech- und Schmeckstörungen ist festzustellen, dass Prof. J. die Feststellung einer Riechstörung aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Klägerin nicht für beurteilbar hielt. Dr. M. stellte letztlich eine Riechstörung in Form einer deutlichen Einschränkung des Riechvermögens mit Fehlinterpretation der Gerüche fest. Dennoch lehnte er nachvollziehbar einen Ursachenzusammenhang ab. Die Klägerin hatte erstmals im Mai 2009 über ein Schreiben ihrer Anwältin auf die Riech- und Schmeckstörungen hingewiesen. In keinem der vorangegangenen ärztlichen Befundberichte wurde diese Beschwerdebild dokumentiert. Entsprechende Befunde wurden auch nicht ergänzt. Im Übrigen wurden die ersten Riechprüfungen erst 2010 und 2012 durchgeführt, wobei zunächst von einem Riechverlust ausgegangen wurde. Dr. M. geht aufgrund seiner Untersuchungen im Jahr 2015 davon aus, dass zumindest teilweise Gerüche wahrgenommen und auch im Alltag beschrieben wurden. Dr. M. weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Unfallhergang grundsätzlich geeignet sein könnte, die im oberen Nasengang verlaufenden Riechfasern abzureißen. Ein derartiger Abriss sei jedoch zu 80% irrreversibel, so dass sich nicht erklären lasse, dass teilweise Gerüche wieder wahrgenommen werden. Das Gericht hält die Ausführungen des Sachverständigen diesbezüglich für plausibel und nachvollziehbar. Für die Begründung eines hinreichenden Ursachenzusammenhangs fehlt es an ausreichend dokumentierten Brückensymptomen im Zeitraum zwischen dem Unfallereignis und der erstmaligen Behauptung des Bestehens dieser Beschwerden im Mai 2009. Vor diesem Hintergrund kann nicht mehr positiv festgestellt werden, ob die Riech- und Schmeckstörungen tatsächlich bereits zum Zeitpunkt des Unfalles vorlagen bzw. auf diesen zurückzuführen sind.

Auch soweit es das im Zusammenhang mit der Schmeckstörung diskutierte Schädel-Hirn-Trauma betrifft, kann den vorliegenden Unterlagen nicht im Vollbeweis entnommen werden, dass die Klägerin beim Aufprall mit dem Kopf auf den Straßenbahnschienen bzw. den Boden tatsächlich ein solches erlitten hat. So wurden im Rahmen der Erstuntersuchung lediglich eine Handprellung und die Lockerung der Zähen 21 und 22 festgestellt. Weitere relevante Verletzungen insbesondere im Bereich von Nase und Stirn wurden im Übrigen nicht dokumentiert. Hinzukommt, dass die bildgebenden Unterlagen vom Schädel (DVT des Gesichtsschädels durch Prof. S. vom 21. Juli 2010, MRT des Kopfes vom 10. September 2010 und MRT von 2011) nach Auswertung von Dr. M. jeweils keine Frakturzeichen im Bereich der Stirnhöhlenvorderwand zeigten. Erst die Aufnahmen von Dr. P. vom 11. Januar 2012 zeigten Zeichen eines Knochenbruches. Soweit mithin bei der Untersuchung durch Dr. M. im Jahr 2015 eine senkrechte 2 cm große Vertiefung im Bereich der Stirn festgestellt werden konnte, fehlt es ebenso wie im Fall der Riech- und Schmeckstörungen an der erforderlichen durchgehenden Dokumentation der Schädigung seit dem Unfallereignis im Januar 2008. Folglich können die 2012 bzw. 2015 festgestellten Frakturzeichen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. 

Die schließlich von der Klägerin behauptete Mundtrockenheit konnte letztlich zu keinem Zeitpunkt von einem der Gutachter positiv festgestellt werden. Weder in der zahnärztlichen Dokumentation, wie z.B. von Dr. G., noch in den Gutachten von Prof. J. oder Prof. S. wurde von der Klägerin eine Mundtrockenheit beschrieben. Prof. J. stellte ausdrücklich fest, dass ein verminderter Speichelfluss nicht erkennbar sei. Gegenüber Dr. M. gab die Klägerin 2015 ebenfalls nicht das Bestehen einer Mundtrockenheit an. Dieser stellte zudem keine Funktionseinschränkung der Speicheldrüsen fest. In diesem Sinne bestätigte letztlich Dr. N. in seinem Gutachten von 2018, dass die Mundschleimhäute der Klägerin unauffällig waren. Damit fehlt es durchgehend an hinreichenden, positiven Anhaltspunkten, die für das Bestehen der behaupteten Mundtrockenheit sprechen. Ungeachtet des zudem fraglichen Ursachenzusammenhangs müsste das Bestehen der Mundtrockenheit im Vollbeweis nachgewiesen werden. Daran fehlt es vorliegend.

Damit verbleibt es für die Feststellung der vorliegend relevanten MdE bei dem Verlust der Zähne 21 bis 23 einschließlich des daraus resultierenden Knochenverlusts im Bereich des linken Oberkiefers, der fortbestehenden chronischen Schmerzen mit Ausstrahlung in die linke Gesichtshälfte, Taubheitsgefühle im Bereich der Oberlippe sowie Überempfindlichkeit der Haut des Nasenflügels. Dabei ist das Gericht unter Berücksichtigung der vorliegenden Sachverständigengutachten zu der Überzeugung gelangt, dass die Gesundheitsstörungen der Klägerin keine MdE von 20 v.H. begründen.

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der Arbeitsunfall beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d. h. dem sogenannten allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R - juris; Ricke, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB VII, Stand März 2018, § 56 Rn. 16). Damit kommt es auf den bisherigen Beruf oder die bisher berufliche Tätigkeit - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII) abgesehen - nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 1988 – 2 RU 54/87 – juris, Rn. 18). Die Rente dient dabei dem Ausgleich des durch den Versicherungsfall bedingten abstrakten Schadens im Erwerbseinkommen. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Bei einem vollständigen Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Rente als Vollrente (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VII), bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit als Teilrente (§ 56 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VII) geleistet. Die Teilrente wird in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VII). 

Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 25/05 R – juris, Rn. 10; Urteil vom 2. Mai 2001 – B 2 U 24/00 – juris, Rn. 20 m. w. N.). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 a.a.O.). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 5. September 2006, a.a.O.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R - juris).
 
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes sind die sich aus den Unfallfolgen bei der Klägerin ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen allenfalls mit einer MdE von 15 v.H. zu bewerten. 

Im Anschluss an die diversen Sachverständigengutachten, ist hinsichtlich des Verlusts der Zähne 21 bis 23 und dem Knochenverlust die Annahme einer MdE nicht gerechtfertigt. Soweit die Klägerin diesbezüglich vorträgt, dass sie beim Essen eingeschränkt sei, ist aufgrund der zahlreichen Sachverständigengutachten nicht ersichtlich, dass dies auf den Verlust der Zähne zurückzuführen ist. So hat zuletzt Dr. N. bestätigt, dass durch die Prothetik ein vollständiger Funktionsausgleich erfolgt ist und die Implantate auch hinreichend festsitzen. Bereits dem Gutachten von Prof. Dr. S. kann die Annahme einer MdE aufgrund des Verlusts der Zähne und des Knochenverlusts im Bereich des Oberkiefers nicht entnommen werden. Diese Auffassung hat schließlich auch durchgehend Prof. Dr. R. in seinen Stellungnahmen vertreten. 

Im Übrigen sind die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung beschriebenen Beschwerden letztlich den weiteren anerkannten Unfallfolgen zuzuordnen. Die Funktionsbeeinträchtigungen, d.h. die chronischen Schmerzen mit Ausstrahlung in den Bereich der linken Gesichtshälfte, die Taubheit der Oberlippe und die Überempfindlichkeit der Haut des Nasenflügels sind dabei im Zusammenhang zu bewerten, da diese letztlich die beschriebenen Einschränkungen – wie die Schmerzen beim Essen bestimmter (härterer) Lebensmittel oder Einschränkungen beim Trinken aufgrund der Taubheit in der Oberlippe begründen. Für diese Einschränkungen hält das Gericht eine MdE von 15. v.H. für angemessen.

Alle Sachverständigen, d.h. sowohl Prof. Dr. S., Dr. M. und Dr. N. halten für die bestehenden chronischen Schmerzen einschließlich der Taubheit im Bereich der Oberlippe sowie der Überempfindlichkeit der Haut des Nasenflügels die Annahme einer MdE von 15 v.H. für angemessen. Selbst Prof. Dr. R., der bereits einen hinreichenden Ursachenzusammenhang zwischen diesen Schädigungen und dem Unfall in Abrede stellte, hält im Fall der Annahme dieser Beschwerden eine MdE von 15 v.H. für angemessen. Die Feststellungen der Sachverständigen sind konsistent und nachvollziehbar.

Ausweislich der einschlägigen unfallmedizinischen Literatur rechtfertigt regelmäßig nur der Totalausfall von Nerven eine MdE von über 20 v.H. (vgl. Schöneberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, 5.8.4, S. 253). Dabei ist ebenfalls maßgeblich, ob ein Hauptnerv oder lediglich einzelne Nervenäste bzw. Teilbereiche betroffen sind. Bei einem Vergleich der in der Literatur vertretenen Beurteilungen hält das Gericht bei partiell beschränkten und nur im Hautbereich betroffenen Schädigungen von Nerven grundsätzlich eine MdE von 0 bis 10 v.H. für angemessen.   
Neben die Taubheit und Überempfindlichkeit bestimmter Bereiche der linken Oberlippe und der Haut des Nasenflügels treten die von der Klägerin beklagten Schmerzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass üblicherweise mit einer strukturellen Verletzung verbundenen Schmerzen regelmäßig eine Begleiterscheinung der jeweiligen Verletzung darstellen und daher grundsätzlich in den einschlägigen MdE-Erfahrungswerten zu berücksichtigen sind (Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Mai 2010 – L 3 U 248/06; vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 244). Eine darüber hinausgehende erhebliche, „außergewöhnliche“ Schmerzsymptomatik mit eigenständigem Krankheitswert kann nur dann zusätzlich berücksichtigt werden, wenn sie als eigenständiges Krankheitsbild diagnostiziert und kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen ist und sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirkt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 244). Da der Verlust der Zähne 21 bis 23 selbst keine nennenswerte MdE begründet, hält es das Gericht für gerechtfertigt, die dennoch bleibende Schmerzsymptomatik separat zu betrachten. Ungeachtet dessen rechtfertigt die beschriebene Schmerzsymptomatik keine wesentliche Erhöhung der durch die Taubheitsgefühle und Missempfindungen begründete MdE. So hatte insbesondere der Sachverständige Dr. M. im Zusammenhang mit der Schmerzsymptomatik festgestellt, dass keine regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln berichtet wurde. Von einer außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik kann folglich nicht die Rede sein. Auch Prof. Dr. S. ging grundsätzlich davon aus, dass nach Durchführung einer Schmerztherapie keine weitere MdE zu erwarten sei. Vor diesem Hintergrund hält das Gericht eine Erhöhung der MdE auf 15 v.H. für die zuvor beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen für angemessen. 

Soweit die Klägerin die Annahme einer MdE von mindestens 20 v.H. in anderen sozialgerichtlichen Entscheidungen, wie etwa der Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts (L 2 U 324/13) begründet sieht, sind die Feststellungen dieser Rechtsprechung auf das vorliegende Verfahren nicht übertragbar. Abweichend von den Feststellungen in dem Verfahren bei dem Bayerischen LSG ist vorliegend eine Schädigung des Nervus infraorbitalis zwar diskutiert, aber von den Sachverständigen und Beratungsärzten im Ergebnis nicht angenommen worden. Diese Funktionsbeeinträchtigung war in dem Verfahren des Bayrischen LSG jedoch maßgeblich für die Annahme einer MdE von 20 v.H. Auch ist das Bayerische LSG bei seinen Feststellungen den zugrundeliegenden Sachverständigengutachten gefolgt. Insoweit ist vorliegend festzustellen, dass trotz wiederholter Begutachtung der Klägerin keiner der Sachverständigen eine MdE von 20 v.H: angenommen hat.

Nach alledem war der Klage nur im Umfang des Tenors stattzugeben und im Übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
 

Rechtskraft
Aus
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