1. Nutzt ein Beteiligter den sicheren Übermittlungsweg eines De-Mail-Kontos (§ 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGG) und beim Versand des elektronischen Dokumentes eine einfache Signatur, ist Voraussetzung für die Wahrung der Schriftform, dass die als Nutzer des sicheren Übermittlungsweges ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, die die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt, sie also einfach signiert hat. Da dem Nutzer eines De-Mail-Kontos gemäß § 5 Abs. 1 De-Mail-Gesetz eine De-Mail-Adresse für elektronische Post zugewiesen ist, welche bei natürlichen Personen im lokalen Teil deren Nachnamen und einen oder mehrere Vornamen oder einen Teil des oder der Vornamen ausweist, muss sich der Name der natürlichen Person, die die inhaltliche Verantwortung für das elektronisch übermittelte Dokument übernimmt, regelmäßig in der De-Mail-Adresse widerspiegeln.
- Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 28. Juli 2022 wird verworfen.
- Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen eines behaupteten Mehrbedarfs aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten.
Der 1971 geborene, alleinstehende Antragsteller steht beim Antragsgegner in laufendem Leistungsbezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 05.10.2021 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 09.11.2021 wurden ihm für die Zeit vom 01.12.2021 bis 31.05.2022 wegen schwankender Einkommensverhältnisse vorläufig Leistungen bewilligt.
Mit E-Mail vom 21.03.2022 beantragte unter anderem der Antragsteller wegen gestiegener Preise die Anerkennung eines Mehrbedarfs zu den laufenden Leistungen. Mit Bescheid vom 30.03.2022 lehnte der Antragsgegner die Anerkennung eines solchen Mehrbedarfs ab, da ein solcher Bedarf wegen gestiegener Lebenshaltungskosten im SGB II nicht vorgesehen sei. Dagegen erhob der Antragsteller am 01.04.2022 Widerspruch.
Auf Antrag vom 11.03.2022 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 02.05.2022 für die Zeit vom 01.06.2022 bis 30.11.2022 wiederum vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, wobei er neben dem Regelleistungsbedarf i.H.v. 449,00 EUR keinen Mehrbedarf berücksichtigte.
Mit Bescheid vom 16.05.2022 wies der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurück, da weder ein einmaliger zusätzlicher Bedarf i.S.d. § 24 Abs. 1 SGB II noch ein laufender Mehrbedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II vorliege. Eine Änderung des Regelsatzes sei der gesetzesgebundenen Verwaltung nicht möglich.
Mit Bescheid vom 18.05.2022 setzte der Antragsgegner den Anspruch des Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2021 bis 31.05.2022 endgültig fest, wiederum ohne einen Mehrbedarf anzuerkennen.
Am 19.05.2022 ist beim Sozialgericht Leipzig eine elektronische Nachricht eingegangen, die von der Adresse Z…. abgesandt worden ist. Das Schreiben im Anhang führt unter anderem aus:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
Kläger.: A....
Beklagten.: Kommunales Jobcenter 04416 Markkleeberg Hauptstraße 101
Hiermit stelle ich den Eilantrag, den Widerspruchsbescheid vom 28.04.2022 durch das Kommunale Jobcenter aufzuheben und dieses für Recht zu erkennen.“
Es endete mit:
„Mit freundlichen Grüßen
A....“
Zur Begründung hat der Verfasser unter Hinweis auf verschiedene, in den Medien verbreitete Zitate im Wesentlichen ausgeführt, infolge der enormen Preissteigerungen im Bereich der Lebensmittel und einer Inflation von 7,3 Prozent reiche der Regelsatz nicht mehr aus. Insofern müsse eine Anhebung erfolgen. Die Begründung schließt mit der Aussage:
„Allgemein: Im Vergleich zum Vorjahr verteuerten sich Nahrungsmittel im März um 6,2 Prozent und bezogen auf den Februar 2022 um 5,3 Prozent. Ein Ende der Spirale ist nicht in Sicht. Da braucht es keine höhere Mathematik, um festzustellen, dass die Harz IV Anpassung zum Jahreswechsel von weniger als einem Prozentpunkt die höheren Lebensmittelpreise nicht auffangen kann.“
Mit weiterem, am 01.06.2022 zugegangenem, elektronischen Schreiben, ausgehend von der Adresse Z…., hat der Antragsteller erklärt:
„Hiermit beantrage ich die Klageabweisung der Gegenseite im Schreiben vom 31.05.2022 abzuweisen und auf die Fortdauer der Klage wie eingereicht fortzusetzen.“
Das Schreiben endete wiederum mit der vorgenannten Grußformel. Weitere konkrete Anträge wurden nicht gestellt.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat mit Schriftsatz vom 31.05.2022 ausgeführt, der Antragsteller habe gegen die laufenden Bewilligungsbescheide vom 02.05.2022 und 18.05.2022 keine Rechtsbehelfe erhoben. Sie seien demnach in Bestandskraft erwachsen. Zudem fehle es sowohl an einem glaubhaft gemachten Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch i.S.d. § 86b Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Antragsgegner hat insbesondere auf die gemäß § 73 SGB II im Juli 2022 zu gewährende Einmalzahlung von 200,00 EUR für erwachsene Hilfebedürftige verwiesen. Die Preissteigerungen rechtfertigten keine Abweichungen von den Regelungen zur Festsetzung des Regelbedarfs, auch nicht im Wege der Zuerkennung eines Mehrbedarfs.
Mit Beschluss vom 28.07.2022 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag sei bereits unzulässig. Der Antragsteller habe neben dem einstweiligen Rechtsschutzantrag keine Klage erhoben. Demnach seien die streitgegenständlichen Bescheide in Bestandskraft erwachsen. Dasselbe gelte für die laufenden Leistungsbescheide, die der Antragsteller ebenfalls nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen habe. Folglich liege kein streitiges Rechtsverhältnis vor. Nach der angefügten Rechtsmittelbelehrung sei die Beschwerde zulässig. Der Beschluss ist dem Antragsteller vom Sozialgericht am 29.07.2022 elektronisch an die Adresse Z…. zugestellt worden.
Noch am selben Tag ist beim Sächsischen Landessozialgericht ein elektronisches Schreiben zugegangen, das wiederum über die Adresse Z…. versandt worden ist. Ausweislich des De-Mail-Prüfprotokolls war der Absender der De-Mail bei Versand der Nachricht sicher i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet. Die sichere Anmeldung sei bestätigt worden. Im Schreiben wird Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts erhoben sowie dessen Aufhebung verlangt. Das Schreiben endet wiederum mit:
„Mit freundlichen Grüßen
A....“
Der Antragsteller wiederholt im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem verwaltungs- und dem erstinstanzlichen Verfahren. Einen konkreten Antrag enthält das Beschwerdeschreiben nicht.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde des Antragstellers zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, der Beschwerdewert sei nicht erreicht. Das Rechtsmittel sei deshalb schon nicht statthaft. Der Antragsteller habe seinen Antrag zwar nicht beziffert, ihm gehe es aber im Wesentlichen um die Steigerung der Lebensmittelpreise. Bei einer vom Antragsteller behaupteten Verteuerung von bislang höchstens 6,2 Prozent und einem Anteil von 155,82 EUR im Regelbedarf von 449,00 EUR, ergäbe sich eine Beschwer von monatlich 9,66 EUR. Auch bei Annahme einer allgemeinen Inflationsrate von 7,3% und einem streitigen Zeitraum bis 30.11.2022 sei rechnerisch der Beschwerdewert nicht erreicht. Im Übrigen verteidigt der Antragsgegner die Ausführungen des Sozialgerichts und verweist zudem inhaltlich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie im erstinstanzlichen, gerichtlichen Verfahren.
Der Senat hat mit Verfügung vom 07.10.2022 auf Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Beschwerdeerhebung hingewiesen. Ferner wurde der Antragsteller ausdrücklich auf die geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Daraufhin ist am 13.10.2022 das vom Antragsteller unterzeichnete Beschwerdeschreiben nochmals per Post eingegangen. Der Antragsteller hat des Weiteren mitgeteilt, dass er noch kein De-Mail besitze und deshalb seinen Bruder um Versand gebeten habe.
Im Übrigen wird hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakten sowie den beigezogenen Vorgang des Antragsgegners (Auszug aus Band V Blätter 1182 bis 1239 d. A.) verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 28.07.2022 ist schon nicht statthaft.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG sind Beschwerden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nach Satz 2 nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Maßgeblich sind die Verhältnisse, die im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels vorliegen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 08.05.2019 – B 14 AS 86/18 B – juris Rn. 3 unter Hinweis auf Urteil vom 17.11.2005 – B 11a/11 AL 57/04 R – SozR 4-1500 § 96 Nr. 4). Dies bedeutet, dass nicht zu fragen ist, welcher Anspruch vor dem Rechtsmittelgericht erhoben wird, sondern – da eine Änderung zwischen den Instanzen nicht in Frage steht – welche Beschwer sich in Ansehung des im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrages ergibt.
Das Verfahren betrifft keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr. Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner bei Auslegung seiner Antragsschrift vom 19.05.2022 die Zuerkennung eines, von ihm nicht näher bestimmten Mehrbedarfs zusätzlich zum Regelbedarf zeitigstens ab dem Zeitpunkt seiner Antragstellung im März 2022 und damit zusätzliche Leistungen für den Zeitraum vom 01.03.2022 (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II) bis 31.05.2022 sowie für den aktuellen Bewilligungszeitraum vom 01.06.2022 bis 30.11.2022. Ein laufender Mehrbedarf wegen Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten kann stets nur im Zusammenhang mit den jeweiligen Bewilligungszeiträumen in Betracht gezogen werden. Mit der lediglich fiktiven Möglichkeit, auch noch über den Bewilligungszeitraum hinaus Leistungen nach dem SGB II zu beziehen, kann die Berufungsfähigkeit nicht hergestellt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 22.07.2010 – B 4 AS 77/10 B – juris Rn. 7). Gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Regel für ein Jahr zu entscheiden. Der Bewilligungszeitraum soll nach Satz 2 insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen – wie hier – über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a SGB II). Der Antragsgegner hat dem Antragsteller wegen schwankender Einkommensverhältnisse zuletzt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2022 bis zum 30.11.2022 bewilligt, sodass nur Leistungen für diesen Zeitraum und gegebenenfalls noch für den vorhergehenden Zeitraum vom 01.03.2022 bis 31.05.2022 streitig sind.
Es werden vorliegend keine Geldleistungen beansprucht werden, die den Betrag von 750,00 EUR übersteigen. Da der Antragsteller keinen bezifferten Antrag gestellt und das Sozialgericht auch nicht auf eine Konkretisierung hingewirkt hat (vgl. § 106 Abs. 1 SGG), ist es Sache des Rechtsmittelgerichts, den Wert festzustellen (vgl. Sächsisches Landessozialgericht [SächsLSG], Beschluss vom 01.07.2014 – L 7 AS 62/14 B PKH – juris Rn. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.08.2008 – B 5 R 39/07 R Rn. 11 ff. und Urteil vom 02.06.2004 – B 7 AS 38/03 R – sowie SächsLSG, Beschluss vom 15.01.2014 – L 2 AS 2080/13 B PKH und Beschluss vom 05.03.2014 – L 8 AS 1557/13 B PKH, jeweils juris). Diese Berechnung kann, soweit sich die Beteiligten nachgehend zum konkreten Umfang der Beschwer geäußert haben, von diesen Angaben der Beteiligten (oder eines Beteiligten) ausgehen, sofern Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit oder für einen Widerspruch zu eindeutigen gesetzlichen Regelungen nicht bestehen, d.h. soweit solche Ausführungen als akzeptable und nachvollziehbare Darlegungen zur Auslegung des Prozessantrages erster Instanz gelten können (vgl. BSG, Beschluss vom 21.09.2017 – B 8 SO 32/17 B – juris Rn. 9, SächsLSG, Beschluss vom 12.02.2019 – L 3 AS 405/16 NZB – juris Rn. 21). Angaben, die unrealistisch sind und/oder ungeeignete Gesichtspunkte berücksichtigen, sowie Bestimmungen, die willkürlich überhöht erscheinen, bleiben hingegen außer Betracht. Dies gilt nicht nur, weil sie zu einer sachgerechten Auslegung/Bestimmung des in erster Instanz erhobenen Anspruchs ungeeignet sind, sondern folgt auch daraus, dass die Zulässigkeit des Rechtsmittels generell nicht von willkürlichen oder rechtsmissbräuchlichen Handlungen der Beteiligten abhängen soll (vgl. Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2010, L 10 AS 334/10 – L 10 AS 340/10 B PKH – juris Rn. 2 m.w.N.).
Der Antragsgegner hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es dem Antragsteller um die Anpassung des Regelsatzes bzw. eine damit korrespondierende Anerkennung eines Mehrbedarfs aus Anlass der Teuerung im Bereich der Lebensmittelbeschaffung geht. Bei der vom Antragsteller selbst vorgetragenen Preissteigerung um 6,2 Prozent und einem Anteil von derzeit 155,99 EUR für Lebensmittel im Regelbedarf (§ 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab dem Jahr 2021 (RBEG) sowie § 1 Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a und des Teilbetrags nach § 34 Abs. 3a Satz 1 SGB XII maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlagen zu §§ 28 und 34 SGB XII für das Jahr 2022 (RBSFV 2022), ergibt sich eine Beschwer von monatlich lediglich 9,67 EUR. Selbst bei Annahme einer so vom Antragsteller ebenfalls vorgetragenen allgemeinen Inflationsrate von 7,3 Prozent und der Notwendigkeit einer Anpassung des gesamten Regelbedarfs in Höhe von derzeit 449,00 EUR (§ 2 RBSFV 2022) ergäbe sich ein monatlicher Mehrbedarf von 32,78 EUR. Da der Antragsteller hier nur Leistungen für den Bewilligungszeitraum bis zum 30.11.2022 begehren kann, ergibt sich ein Beschwerdewert von maximal 295,02 EUR (März bis November 2022). Damit wird der Beschwerdewert für eine zulassungsfreie Berufung bei Weitem nicht erreicht.
Die dem Beschluss des Sozialgerichts beigefügte Rechtsmittelbelehrung, wonach die Beschwerde statthaft sei, eröffnet im Übrigen die Beschwerde nicht, da diese gesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 16.01.2009 – L 5 B 1136/08 ER AS – juris Rn. 11), sodass das Rechtsmittel unstatthaft und damit zu verwerfen ist.
Ohne dass es darauf noch streitentscheidend ankommt, ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller erst nach Ablauf der Beschwerdefrist wirksam Beschwerde erhoben hat.
Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist nach Satz 2 auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Das Schriftformerfordernis wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokumentes i.S.d. § 65a SGG gewahrt. Dieses muss gemäß § 65a Abs. 3 Satz 1 SGG entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Sichere Übermittlungswege sind gemäß § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGG der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes vom 28.04.2011 (BGBl. I S. 666) angemeldet ist, das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 10.08.2021 (BGBl. I S. 3436) geändert worden ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz bestätigen lässt.
Der am 29.07.2022 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangene elektronische Beschwerdeschriftsatz erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Zwar weist das aktenkundige De-Mail-Prüfprotokoll aus, dass der Absender der De-Mail bei Versand der Nachricht sicher i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 De-Mail-Gesetz angemeldet war. Die sichere Anmeldung ist auch vom Anbieter bestätigt worden. Unstreitig ist die Beschwerdeschrift aber nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen. Nutzt der Erklärende eine einfache Signatur, also wie hier einen maschinenschriftlichen Namenszug am Ende des Dokumentes, ist Voraussetzung, dass die als Nutzer des sicheren Übermittlungsweges ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, die die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt, sie also einfach signiert hat (vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 16.02.2022 – B 5 R 198/21 B – juris und Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 05.06.2020 – 10 AZN 53/20 – juris in Bezug auf das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 02.06.2021 – L 5 KR 230/20 – juris hinsichtlich der Nutzung von De-Mail). Dies war hier nicht der Fall.
Das De-Mail-Prüfprotokoll weist als Absender Z.... aus. Gemäß § 5 Abs. 1 De-Mail-Gesetz umfasst die Bereitstellung eines De-Mail-Kontos die Nutzung eines sicheren elektronischen Postfach- und Versanddienstes für elektronische Nachrichten. Hierzu wird dem Nutzer eine De-Mail-Adresse für elektronische Post zugewiesen, welche folgende Angaben enthalten muss:
1. im Domänenteil der De-Mail-Adresse eine Kennzeichnung, die ausschließlich für De-Mail-Dienste genutzt werden darf;
2. bei natürlichen Personen im lokalen Teil deren Nachnamen und einen oder mehrere Vornamen oder einen Teil des oder der Vornamen (Hauptadresse)
Mithin folgte unmittelbar aus der Adresse, dass Inhaber des De-Mail-Kontos nicht der Antragsteller ist, sondern eine Person, deren Name und Vorname „Y....“ enthält. Wie der Antragsteller im Übrigen einräumt, handelt es sich um das De-Mail-Konto seines Bruders. Dieser hat nach Angaben des Antragstellers den Versand vorgenommen, sodass der Nutzer des sicheren Übermittlungsweges und die verantwortende Person nicht – wie gefordert – identisch sind.
Erstmals hat der Antragsteller damit am 13.10.2022 durch Einreichung einer von ihm eigenhändig unterschriebenen Beschwerdeschrift das Rechtsmittel wirksam erhoben. Die Beschwerdefrist lief jedoch bereits am 29.08.2022 ab (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil der Beschluss des Sozialgerichts als am 29.07.2022 zugestellt gilt und damit an diesem Tag der Fristlauf des § 173 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG begann (§ 64 Abs. 1 SGG).
Die nach § 133 Satz 1 SGG notwendige Zustellung des streitgegenständlichen Beschlusses vom 28.07.2022 durch das Sozialgericht erfolgte zwar fehlerhaft. Der Zustellungsmangel ist jedoch geheilt.
Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 173 Zivilprozessordnung (ZPO) kann grundsätzlich ein elektronisches Dokument elektronisch zugestellt werden. Gemäß § 173 Abs. 1 ZPO hat die Zustellung auf einem sicheren Übermittlungsweg zu erfolgen. Einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments haben nach Absatz 2 Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher sowie Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts zu eröffnen. Zudem sollen Steuerberater und sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eröffnen. An andere als die in Absatz 2 Genannten kann gemäß § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO ein elektronisches Dokument elektronisch nur zugestellt werden, wenn sie der Zustellung elektronischer Dokumente für das jeweilige Verfahren zugestimmt haben. Die Zustimmung gilt nach Satz 2 mit der Einreichung eines elektronischen Dokuments im jeweiligen Verfahren auf einem sicheren Übermittlungsweg als erteilt.
Es kann vorliegend dahinstehen, ob eine wirksame Zustimmung des Antragstellers zur elektronischen Zustellung eines elektronischen Dokumentes darin zu sehen ist, dass der Antragsschriftsatz mittels eines fremden De-Mail-Kontos an das Sozialgericht übersandt wurde. Jedenfalls erfolgte die Zustellung durch das Sozialgericht nicht an den Antragsteller als Beteiligten des Antragsverfahrens. Durch Übersendung an das De-Mail-Postfach Z.... wurde der angegriffene Beschluss vielmehr objektiv erkennbar an das elektronische Postfach des Herrn Y.... zugestellt. Dieser war weder als Prozessbevollmächtigter noch als Zustellungsbevollmächtigter des Antragstellers bestellt. Allein die Übersendung über den eigenen Zugang im Auftrag des Antragstellers begründet keine solche Bevollmächtigung. Es liegt auch nicht die Fallkonstellation vor, bei der der Antragsteller schuldhaft eine falsche Adresse angegeben hat. Anhand der standardisierten De-Mail-Adresse war vielmehr erkennbar, dass diese einer anderen Person zuzuordnen ist. Die zutreffende postalische Anschrift des Antragstellers war im Übrigen bekannt und stand für die Zustellung zur Verfügung.
Gleichwohl gilt der Beschluss am 29.07.2022 als zugestellt. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Die Vorschrift findet auch bei der Übermittlung elektronischer Dokumente Anwendung (LSG Hamburg, Urteil vom 24.03.2021 – L 2 U 12/20 – juris Rn. 30; Oberlandesgericht [OLG] Braunschweig, Beschluss vom 30.06.2020 – 8 U 116/19 – juris Rn. 19). Nach eigenem Vortrag des Antragstellers hatte er bereits am 29.07.2022 Kenntnis vom Inhalt des Beschlusses. Noch am selben Tag wurde das Rechtsmittel erhoben.
Ob dem Antragsteller von Amtswegen gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren wäre, muss infolge des festgestellten gesetzlichen Ausschlusses der Beschwerde nicht abschließend entschieden werden.
In selber Weise muss nicht weiter erörtert werden, ob der Antragsteller tatsächlich wie vom Sozialgericht inzident dargelegt, mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht zugleich Klage in der Hauptsache erhoben hat, sodass Bestandskraft aller hier relevanten Bescheide eingetreten wäre. Mit den Ausführungen des Senats spricht aber alles dafür, dass weder die elektronische Nachricht vom 19.05.2022 noch die weitere Stellungnahme vom 01.06.2022 dem Formerfordernis des § 90 SGG entsprach, der auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gilt (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 8b).
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Der Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.