Der Übergang von einer Berufsausübungsgemeinschaft auf Einzelpraxen stellt i.S. der Regelung des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 452. Sitzung und i.S. der "jeweiligen Arztpraxis" des § 87a Abs. 3 Nr. 5 SGB V eine Praxisneugründung dar, weshalb auf der Grundlage des Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung in den ersten acht Quartalen keine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung erfolgen kann.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit
Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst tragen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die extrabudgetäre Vergütung der Behandlung von Patienten durch den Kläger aufgrund des „Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) im Quartal 3/2019 in Streit.
Der Kläger ist als Facharzt für Kardiologie zur vertragsärztlichen Versorgung in V zugelassen. Er übte seine Tätigkeit bis zum 30.06.2018 in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit zwei anderen Vertragsärzten und seit dem 01.07.2018 im Rahmen einer Einzelpraxis am selben Standort aus.
Mit nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Bescheid vom 11.06.2019 wies die Beklagte dem Kläger ein Regelleistungsvolumen (RLV) und qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) für das Quartal 3/2019 in Höhe von insgesamt 69.180,90 € zu. Mit Honorarbescheid vom 15.01.2020 für das Quartal 3/2019 setzte die Beklagte sodann das Honorar des Klägers auf insgesamt 79.348,71 € fest. Mit Richtigstellungsbescheid vom selben Datum (Anlage 6 zum Honorarbescheid) teilte die Beklagte zudem mit, dass die TSVG-Kennzeichnung 99873E bei Neupatienten erst ab dem 01.09.2019 berechnungsfähig und nur bei Patienten anzusetzen sei, die noch nie oder seit mindestens acht Quartalen nicht mehr in der Praxis behandelt worden seien. Von dieser Regelung seien neue Praxen jedoch ausgenommen; die extrabudgetäre Vergütung werde erst nach acht vollen Quartalen nach Praxisgründung bzw. Praxisübernahme geleistet. Daher sei der Ansatz der TSVG-Kennzeichnung 99873E im Fall des Klägers noch nicht möglich. Die Beklagte strich die angesetzte Kennziffer in allen 60 Abrechnungsfällen.
Gegen den Honorarbescheid für das Quartal 3/2019 sowie gegen die Zuweisung des RLV und des QZV für das Quartal 3/2019 legte der Kläger mit Schreiben vom 17.02.2020 am 19.02.2020 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er wende sich gegen die Streichung der TSVG-Kennzeichnung 99873E in den in der Anlage 6 zum Honorarbescheid aufgeführten Fällen. Für Einschränkungen dergestalt, dass Neupraxen von der Ziffer ausgenommen seien, ergebe sich keine Rechtsgrundlage. § 87a Abs. 3 Satz 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ermächtige den Bewertungsausschuss (BA) lediglich zur Auswahl derjenigen Arztgruppen, die von der Regelung nach § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V profitieren sollten, nicht aber zur Einschränkung des Vergütungsanspruches für bestimmte Fälle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2020 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Zuweisung des RLV und QZV und gegen den Honorarbescheid für das Quartal 3/2019 zurück und gab zur Begründung an, die Honorarverteilungsregelungen basierten auf den Vorgaben des Gesetzgebers und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gemäß den §§ 85 ff. SGB V. Demnach orientiere sich die Vergütungshöhe der vertragsärztlichen Leistungen hauptsächlich an der Bewertung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und dem jeweils maßgeblichen Honorarverteilungsmaßstab (HVM). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie die KBV vereinbarten durch den BA alle erforderlichen Regelungen zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben. Gemäß dem am 11.05.2019 in Kraft getretenen TSVG seien in § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 bis 6 SGB V fünf unterschiedliche Konstellationen aufgeführt, für die eine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) vorgesehen sei („TSVG-Konstellationen“). Im Zuge der Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben habe der BA mit seinem Beschluss vom 19.06.2019 in der 439. Sitzung, Teil B, den Umfang der extrabudgetären Vergütung in den TSVG-Konstellationen konkretisiert. Eine solche Konkretisierung sei unter der Vorgabe einer angemessenen Vergütung aller vertragsärztlichen Leistungen im Rahmen der Sicherstellung des vertragsärztlichen Versorgungssystems gemäß § 72 Abs. 2 SGB V notwendig. In dem genannten Beschluss des BA seien auch für die TSVG-Konstellation „Neupatient“ (TSVG-Kennzeichnung 99873E: Noch nie oder seit mindestens zwei Jahren nicht mehr behandelter Patient in einer Praxis) gemäß § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V Ausnahmen von einer extrabudgetären Vergütung definiert worden. In Teil B unter Nr. 8 „Praxiskonstellationen, für die die Regelung der extrabudgetären Vergütung von Neupatienten nicht gilt“ sei festgelegt: „In der TSVG-Konstellation gemäß § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V erfolgt innerhalb von zwei Jahren keine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, wenn es sich um eine Behandlung in einer Praxis innerhalb der ersten zwei Jahre nach Gründung (‚Neupraxis‘) handelt oder ein Gesellschafterwechsel in einer Arztpraxis vorliegt.“ Die Auflösung der BAG des Klägers zum 30.06.2018 und die Gründung von drei Einzelpraxen durch die bisherigen Gesellschafter falle als zulassungsrechtliche Zäsur unter diese Regelung. Insofern bestehe für die Einzelpraxis des Klägers ab dem Quartal 3/2018 eine Sperrfrist von acht Quartalen in Bezug auf die TSVG-Kennzeichnung von Neupatienten, sodass deren extrabudgetäre Vergütung in diesem Zeitraum nicht möglich sei. Die Streichung der Pseudo-GOP 99873E in 60 Behandlungsfällen im Quartal 3/2019 sei daher rechtmäßig. Einem Honorarvergleich der Quartale 3/2018 und 3/2019 sei zudem zu entnehmen, dass sich das GKV-Honorar wie auch der GKV-Fallwert im Quartal 3/2019 im Vergleich zum maßgeblichen Bezugsquartal des Vorjahres erhöht hätten.
Dagegen hat der Kläger am 14.08.2020 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, entgegen der Auffassung der Beklagten habe er Anspruch auf die extrabudgetäre Vergütung der betreffenden Leistungen zu den Preisen des EBM. Nach § 87b Abs. 5 Satz 13 SGB V in der im Quartal 3/2019 geltenden Fassung habe der BA „Vorgaben zu beschließen, bei welchen Arztgruppen, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, eine Vergütung nach Absatz 3 Satz 5 Nr. 5 vorzusehen ist.“ Auf dieser Basis habe der BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 in Teil B.2 auch die Arztgruppe der fachärztlichen Internisten, zu welcher der Kläger gehöre, in die extrabudgetäre Vergütung bestimmter Fälle einbezogen. Darunter falle in § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V auch die sogenannte TSVG-Konstellation. Diese Norm spreche nicht davon, dass die betreffende Arztpraxis bereits seit zwei Jahren bestehen müsse. Allerdings habe der BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 unter Teil B.8 eine entsprechende Einschränkung beschlossen. Für eine solche Einschränkung für Neupraxen gebe es jedoch keine Rechtsgrundlage, so dass der Beschluss des BA nichtig sei. § 87a Abs. 5 Satz 3 SGB V ermächtige den BA nämlich lediglich zur Auswahl derjenigen Arztgruppen, die von der Regelung nach § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V profitieren sollten, nicht aber zu Einschränkungen des Vergütungsanspruches für bestimmte Fälle. Auch andere Ermächtigungsgrundlagen seien nicht ersichtlich. Schließlich sei auch § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V nicht in einer Weise gefasst, die eine nähere Bestimmung des Norminhaltes durch den BA in der hier stattgefundenen Weise rechtfertigen würde. Auch wenn der BA berechtigt sei, zu definieren, was unter einer Arztpraxis im Sinne des § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V zu verstehen sei, so reiche die Kompetenz des BA doch nicht, um - hinter dem Wortlaut der Norm zurückbleibend - junge Praxen innerhalb der ersten acht Quartale nicht als Arztpraxis in diesem Sinne anzusehen. Für eine solche einschränkende Auslegung gäben weder Wortlaut noch Sinn der Norm etwas her. Sofern § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung überhaupt einer Konkretisierung durch den BA zugänglich gewesen sei, verstoße der Beschluss des BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 unter Teil B.8 jedenfalls gegen den aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleiteten Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, weil die Praxis des Klägers mit diesem Beschluss ohne sachlichen Grund schlechter behandelt werde als eine Praxis, die bereits mehr als acht Quartale existiere. Es sei nicht ersichtlich, warum eine Praxis, die noch keine acht Quartale bestehe, für dieselbe Vergütung keine extrabudgetäre, sondern bei Überschreitung des RLV wie hier nur eine geschmälerte Vergütung erhalten solle. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte den Kläger im Rahmen der Honorarverteilung im Übrigen nicht als Jungpraxis anerkenne, sodass der Kläger für das Quartal 3/2019 keine Möglichkeit gehabt habe, anstelle der gemäß § 9 Abs. 1 HVM für das RLV zu berücksichtigenden Fallzahlen des Vorjahresquartales etwa gestiegene Fallzahlen des Abrechnungsquartals für die Ermittlung des RLV zu beanspruchen (vgl. § 12 Abs. 4 HVM). Wenn aber die Praxis des Klägers im Rahmen des § 12 HVM nicht als Jungpraxis, sondern als Bestandspraxis gelte, müsse dies erst recht im Rahmen des § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V gelten. Wenn die Beklagte die Praxis des Klägers als Jungpraxis einstufe, ergebe sich ein Anspruch auf extrabudgetäre Vergütung aus § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 SGB V 1. Alternative (Patienten erstmals untersucht oder behandelt); bei Einstufung als Bestandspraxis ergebe sich der Anspruch aus § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V 2. Alternative (Patienten mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt).
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Kläger sei bis zum 30.06.2018 in einer BAG tätig gewesen und nehme seit dem 01.07.2018 mit einer Einzelpraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Durch die Auflösung der BAG und die Gründung der Einzelpraxis und die zulassungsrechtliche Zäsur unterfalle der Kläger der zweijährigen Sperrfrist. Entgegen der Ausführungen des Klägers beruhe der Beschluss des BA auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage und sei nicht nichtig. Der BA habe gemäß § 87a Abs. 5 Satz 13 SGB V „Vorgaben zu beschließen“. Er sei damit nicht nur ermächtigt, die entsprechenden Arztgruppen auszuwählen. Darunter fielen auch weitergehende, in unmittelbarem Zusammenhang stehende und dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechende Vorgaben. Unabhängig davon habe der Gesetzgeber in § 87a Abs. 5 Nr. 5 SGB V bereits selbst geregelt, dass Neupatienten nur solche seien, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt würden oder die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt worden seien. Bereits aus diesem Wortlaut ergebe sich, dass mit der Arztpraxis nur etablierte Praxen gemeint sein könnten. Denn in einer Neupraxis oder in einer Praxis mit Gesellschafterwechsel würden alle Patienten erstmalig untersucht und behandelt und könnten nicht mindestens zwei Jahre nicht untersucht oder behandelt worden sein. Insoweit habe der BA unter Nr. 8 des angeführten Beschlusses lediglich eine Klarstellung vorgenommen. Im Übrigen stehe dem BA ein Gestaltungsspielraum zu, in dessen Rahmen er auch berechtigt sei, Detailfragen zu regeln. Dies beinhalte insbesondere auch die Möglichkeit, in besonders gelagerten Konstellationen von einer extrabudgetären Vergütung von Neupatienten abzusehen. Der Beschluss des BA verstoße nicht gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Für die unterschiedliche Behandlung von Neupraxen oder Praxen mit Gesellschafterwechsel und etablierten Praxen bestehe ein sachlicher Grund. Die vom BA ausgeschlossenen Neupraxen oder Praxen mit Gesellschafterwechsel wollten und müssten sich zunächst etablieren und sich einen entsprechend guten Ruf erarbeiten. Um dies zu erreichen, könnten sie es sich nicht leisten, Neupatienten in dem Maße abzulehnen wie bereits ausreichend am Markt etablierte Praxen. Durch Neupraxen und Praxen mit Gesellschafterwechsel könne das vom Gesetzgeber des TSVG angestrebte Ziel, nämlich die schnellere Bereitstellung von Arztterminen für gesetzlich Versicherte durch Zusatzangebote, nicht oder nur äußerst bedingt erreicht werden. Damit sei ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung gegeben. Die Ausführungen des Klägers zur HVM-Regelung spielten vorliegend keine Rolle. Es gehe ausschließlich um die bundeseinheitliche Regelung des BA und deren Rechtmäßigkeit. Unabhängig davon könnten in verschiedenen Regelungsbereichen gleiche Begrifflichkeiten unterschiedlich zu bewerten sein.
Das SG hat die KBV sowie den GKV-Spitzenverband zum Rechtsstreit beigeladen.
Die KBV (Beigeladene zu 1) hat ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung und Neubescheidung seines Honorars für das Quartal 3/2019 bestehe nicht. Insbesondere sei auf Grundlage der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien die vom BA getroffene Regelung zur Vergütung von Leistungen der Neupraxen innerhalb der MGV von § 87a Abs. 5 Satz 13 SGB V gedeckt und setze den Regelungsgehalt von § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V um. Es handele sich bei den vom BA getroffenen Regelungen um untergesetzliche Normen mit Rechtsnormcharakter. Die hier maßgebliche Regelung für das Quartal 3/2019 in Teil B.8 des Beschlusses des BA in seiner 439. Sitzung habe der BA in seiner 452. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) neu gefasst. Zur Begründung der ursprünglichen Formulierung von Teil B.8 enthielten die entscheidungserheblichen Gründe zum Beschluss des BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 folgende Ausführungen: „Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe in § 87a Abs. 5 Satz 13 SGB V werden für die TSVG-Konstellation Neupatient mit diesem Beschluss die Arztgruppen, für die eine extrabudgetäre Vergütung in diesen Fällen ... vorzusehen ist, benannt. Zudem werden ... Ausnahmen für den Fall, dass eine Praxis neu ist oder ein Gesellschafterwechsel vorliegt, vorgegeben.“ Der BA habe mit dieser Regelung den gesetzgeberischen Auftrag erfüllt und sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung gehalten. Die Ermächtigung räume dem BA auch die Befugnis ein, Voraussetzungen für die Abrechnung der Leistungen außerhalb der MGV für die ausgewählten Arztgruppen festzulegen und Abrechnungsausschlüsse für bestimmte Praxen vorzusehen. Dies ergebe sich daraus, dass im Gesetz ausdrücklich von der „Festlegung von Vorgaben“ die Rede sei. Dies sei mehr als die bloße Bestimmung der an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmenden Arztgruppen. Auf Grundlage der Rechtsauffassung des Klägers ergebe die Verwendung des Wortes „Vorgaben“ keinen Sinn. Wenn der Ausschuss Vorgaben zu den Arztgruppen zu beschließen habe, die auch zeitlich begrenzte Abrechnungsausschlüsse umfassen könnten, sei es zwangsläufig so, dass hiervon bestimmte Arztpraxen betroffen seien. Im Übrigen stelle sich die Frage der ausreichenden Ermächtigungsgrundlage insofern nicht, als sich der Ausschluss der extrabudgetären Vergütung für Neupraxen innerhalb der ersten acht Quartale bereits unmittelbar aus § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V ergebe und der Beschluss des BA diese Regelung lediglich umsetze. Dass die Förderung in TSVG-Konstellationen ausschließlich bei mindestens acht Quartalen bestehenden Arztpraxen erfolgen könne, ergebe sich aus der Gleichstellung von zwei Jahren in dieser Arztpraxis nicht mehr behandelten Patienten mit dort erstmals behandelten Patienten. Solche Patienten könne es in einer neu gegründeten Einzelpraxis aber von vornherein nicht geben. Sie setzten die Existenz einer seit mindestens zwei Jahren bestehenden Praxis voraus. Deshalb spreche der Gesetzgeber in § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V von Leistungen im „Behandlungsfall" und verwende sowohl bei der erstmaligen Vorstellung des Patienten als auch nach der nach zwei Jahren die Formulierung der „jeweiligen Arztpraxis“. Es müsse sich hierbei um dieselbe Arztpraxis im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV- Ä) handeln. Nachdem ein Vertragsarzt aus einer BAG ausgeschieden sei und seine Tätigkeit in einer Einzelpraxis ausübe, habe er zunächst ausschließlich „neue“ Patienten, die diesen Leistungserbringer erstmals aufsuchten. Wenn die Konstellation § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V greifen würde, erhielte der Arzt zu Beginn seiner Tätigkeit sämtliche Behandlungsleistungen extrabudgetär vergütet. Der mit der extrabudgetären Vergütung in TSVG-Konstellation verfolgte Zweck würde damit ad absurdum geführt. Sinn und Zweck des § 87a Abs. 3 Satz 5 SGB V sei die weitere Verbesserung und Förderung des Zuganges zur ambulanten ärztlichen Versorgung sowie der Abbau von Wartezeiten. Dies stehe im Einklang mit dem mit sämtlichen nach § 87a Abs. 3 Satz 5 SGB V extrabudgetär zur vergütenden Leistungen verfolgten Ziel, den Zugang der Patienten zur vertragsärztlichen Versorgung zu verbessern. Damit zeige sich deutlich, dass es sich bei § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V um ein TSVG-Instrument handele, das den Ärzten Vergütungsanreize setze, um ihren Patientenstamm zu erweitern und auch Neupatienten den Praxiszugang zu ermöglichen. Eine solche Anreizwirkung gehe von einer Bestandspraxis aus. Eine neu zugelassene Praxis habe regelmäßig keine derart hohe Auslastung, dass sie in Betracht ziehen würde, Patienten abzuweisen. Es müsse deshalb kein derartiger Anreiz gesetzt werden. Auch sei der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit durch den Beschluss des BA nicht verletzt. Sinn und Zweck des § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V sei die Verbesserung und Förderung des Zugangs zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung und der Abbau von Wartezeiten. Dafür sollten Vergütungsanreize gesetzt werden. Diese Situation sei mit der Lage einer Neupraxis nicht vergleichbar. Diese habe bei einer zulässigen typisierenden Betrachtung nicht dieselbe Auslastung und müsse sich in der Versorgungslandschaft etablieren, so dass sie keine zusätzlichen finanziellen Anreize zur Aufnahme von Patienten in den Patientenstamm benötige und die Aufnahme von Patienten für die Neupraxis regelmäßig auch einfacher umzusetzen sei als bei einer etablierten Praxis. Dazu komme, dass eine Praxis nach der Neugründung zunächst ausschließlich neue Patienten habe. Würde sie in den Genuss einer extrabudgetären Vergütung kommen, würden anfänglich sämtliche Leistungen extrabudgetär vergütet werden, und die Praxis deutlich besser als eine etablierte Praxis stehen. Dies sei offensichtlich verfehlt und nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar. Damit liege offensichtlich eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen vor. Art. 3 Abs. 1 GG enthalte auch das Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentlicher Unterschiede.
Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23.11.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Streichung der abgerechneten extrabudgetären Leistungen unter der TSVG-Kennzeichnung 99873E sei nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die von der Beklagten durchgeführte sachlich-rechnerische Berichtigung von Vertragsarztabrechnungen sei § 106d SGB V in der Fassung vom 16.07.2015. Ergänzende Regelungen enthielten § 45 BMV-Ä und § 34 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä). Die KV berichtige die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Vorliegend handle es sich um einen Fall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Honorarbescheid für das Quartal 3/2019, in der Weise, dass das Honorar von Vornherein nur unter Streichung der abgerechneten Leistungen unter der Pseudo-GOP 99873E ausbezahlt werde (sog. quartalsgleiche Richtigstellung). Die vom Kläger im Quartal 3/2019 abgerechneten Leistungen unter der Pseudo-GOP 99873E, mit der Neupatienten in der Honorarabrechnung nach den Hinweisen der Beklagten zu kennzeichnen gewesen seien, seien in allen 60 Fällen zu Recht gestrichen worden, weil die klägerische Praxis als Neupraxis im Quartal 3/2019 von der extrabudgetären Vergütung insoweit ausgeschlossen gewesen sei. Jede Vergütung vertragsärztlicher Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung erfordere eine gesonderte gesetzliche Ermächtigung. Hier komme insoweit nur § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V in Betracht; danach seien Leistungen im Behandlungsfall gegenüber Patienten, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt würden (sog. Neupatienten), von den Krankenkassen außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 zu vergüten. Gleichgestellt seien Patienten, die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt worden seien. Begünstigt würden Ärztinnen und Ärzte, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnähmen. Der BA habe nach § 87a Abs. 5 Satz 13 SGB V Vorgaben zu beschließen, bei welchen Arztgruppen eine Vergütung nach Nr. 5 vorzusehen sei. Nach dem Beschluss des BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 in der Fassung der 452. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) laute Teil B.8 mit Wirkung ab dem 01.05.2019 wie folgt: „In der TSVG-Konstellation gemäß § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V erfolgt keine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, wenn es sich um eine Behandlung in einer Praxis (Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder MVZ) innerhalb der ersten vollen acht Quartale nach deren Gründung handelt. Eine Praxisgründung liegt auch dann vor, wenn eine Einzelpraxis - auch im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens - übernommen wird.“ Bei den Behandlungen der Patienten in der klägerischen Praxis im Quartal 3/2019 handle es sich um die dort ausgeschlossenen Behandlungen innerhalb der ersten vollen acht Quartale nach deren Gründung. Denn die Einzelpraxis des Klägers sei nach Auflösung der vorigen BAG zum 30.06.2018 am 01.07.2018 (Quartal 3/2018) gegründet worden, sodass die Sperrfrist von acht Quartalen noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Regelung im Beschluss des BA sei auch sowohl für den Kläger als auch für die Beklagte verbindlich gewesen; es handle sich (auch nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts <BSG>) bei den Beschlüssen des BA um Normsetzung durch Vertrag. Der Beschluss des BA sei auch entgegen der klägerischen Ansicht nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig. Weder fehle es an der Ermächtigungsgrundlage des BA, noch ergebe sich durch den Ausschluss von Neupraxen in den ersten acht Quartalen von der extrabudgetären Vergütung bei Behandlung von Neupatienten ein Verstoß gegen die aus Art. 12 Abs. 1 i. V m. Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Honorarverteilungsgerechtigkeit. Ob der Kläger im Rahmen des HVM der Beklagten als Neupraxis geführt werde, sei in diesem Zusammenhang unerheblich.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 29.11.2021 zugestellte Urteil hat dieser am 21.12.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Der Kläger vertieft sein Vorbringen im Klageverfahren. Insbesondere führt er aus, er habe Anspruch auf extrabudgetäre Vergütung der im streitgegenständlichen Quartal 3/2019 unter der Pseudo-GOP 99873E zur Abrechnung eingereichten Leistungen. Nach den Vorgaben des BA im Beschluss der 452. Sitzung ergebe sich, dass bei ihm entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG keine Praxisgründung innerhalb der letzten acht Quartale vorliege, sondern er seine Praxis bereits seit mehr als acht Quartalen führe, sodass er Anspruch auf die extrabudgetäre Vergütung der streitgegenständlichen Leistungen habe. Nach dem Beschluss des BA sei die „Änderung der Anzahl … der Gesellschafter“ – also auch deren Reduktion – ausdrücklich kein Fall einer Praxisgründung. Zwar sei der Fall der Auflösung einer BAG nicht ausdrücklich genannt; aus dem Beschluss ergebe sich aber, dass eine Praxisgründung auch dann vorliegen solle, wenn eine Praxis im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens mit einem neuen Arzt besetzt werde. Das sei hier aber nicht geschehen; vielmehr habe sich die Anzahl der Gesellschafter der BAG des Klägers durch deren Auflösung auf Null reduziert, sodass keine Praxisgründung im Sinne des § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V i.V.m. dem Beschluss des BA vorliege, sondern er durchgängig mehr als zwei Jahre tätig gewesen sei. Die Auflösung einer BAG sei – jedenfalls, wenn deren Gesellschafter wie hier im Übrigen mit unveränderten Zulassungen am selben Standort dieselben Patienten weiter versorgten – der Änderung der Anzahl oder Personen der Gesellschafter einer BAG erheblich ähnlicher als einer Praxisübernahme oder Praxisgründung. Für dieses Ergebnis spreche auch, dass er auch im Rahmen der Honorarverteilung nicht als Neupraxis gegolten habe, sondern unstreitig als Bestandspraxis. Der BA sei nicht berechtigt gewesen, seine Praxis wegen der Auflösung seiner BAG von der Regelung des § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V auszunehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.11.2021 aufzuheben, den Honorarbescheid vom 15.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.08.2020 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über das Honorar des Klägers für das Quartal 3/2018 unter extrabudgetärer Vergütung derjenigen Patienten, die im Richtigstellungsbescheid Anlage 6 unter Streichung der TSVG-Kennzeichnung 99873E nicht extrabudgetär vergütet wurden, neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe. Die Auflösung der BAG und die Gründung der Einzelpraxis fielen als zulassungsrechtliche Zäsur unter die 2-jährige Sperrfrist. Insoweit könnten auch die Ausführungen des Klägers, es sei keine Praxisneugründung erfolgt, vielmehr habe er seine Praxis seit mehr als acht Quartalen geführt, nicht verfangen. Der Kläger übersehe bei seiner Argumentation, dass entsprechend des Beschlusses des BA lediglich dann keine Praxisgründung vorliege, wenn sich die Anzahl oder Personen der Gesellschafter einer bestehenden BAG geändert habe. Eine bestehende BAG existiere jedoch gerade nicht. Die BAG sei aufgelöst und die Einzelpraxis des Klägers gegründet worden. Insbesondere könnten die Ausführungen des Klägers zu HVM-Regelungen der Beklagten vorliegend keine Rolle spielen. Es gehe im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich um die bundeseinheitliche Regelung des BA. Nur die Rechtmäßigkeit dieser sei zu beurteilen. Nicht zu bewerten sei hingegen, ob die klägerische Praxis im Rahmen der Honorarverteilung als Neupraxis einzustufen sei oder nicht. Unabhängig davon könnten in verschiedenen Regelungsbereichen gleiche oder ähnliche Begrifflichkeiten unterschiedlich zu bewerten sein. Dies habe das BSG bereits hinsichtlich der Praxisbesonderheiten in der Wirtschaftlichkeitsprüfung und in der Honorarverteilung so entschieden. Zudem dürften Ziel und Zweck der jeweiligen Regelung nicht aus dem Blick verloren werden. Im Rahmen der Honorarverteilung gehe es darum, neuen Praxen ein Wachstum ihrer Fallzahlen mindestens bis zum Fachgruppendurchschnitt zu gewähren. Bei der vorliegend umstrittenen Regelung gehe es jedoch um die Aufnahme neuer Patienten. Darüber hinaus komme insoweit, wie das SG richtig entschieden habe, ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG von vornherein nicht in Betracht, da es sich nicht um den gleichen Normgeber handle.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die Beigeladene zu 1) hat mit Schreiben vom 20.09.2022 zur Berufung Stellung genommen. Entgegen der Auffassung des Klägers handle es sich bei der zum 01.07.2018 gegründeten klägerischen Praxis um eine „Neupraxis" im Sinne des Beschlusses des BA in seiner 452. Sitzung. Dieser Beschluss zur Vergütung von Leistungen innerhalb der MGV bei der Behandlung von Patienten in Neupraxen setze nur das um, was ohnehin im SGB V vorgesehen sei; jedenfalls halte er sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Auch die Differenzierung bei der Vergütung der Leistungen zwischen neu gegründeten und bereits bestehenden Praxen sei unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat entscheidet über die Berufung in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
II. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Streitgegenstand ist der Honorarbescheid der Beklagten vom 15.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.08.2020.
Das SG hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen. Die als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form einer Neubescheidungsklage (§ 54 Abs. 1, § 131 Abs. 3 SGG) statthafte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Honorarbescheid der Beklagten vom 15.01.2020 für das Quartal 3/2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.08.2020 ist hinsichtlich der alleine streitigen Richtigstellung/Streichung von Positionen bzgl. der extrabudgetären Vergütung (TSVG-Kennzeichnung 99873E) in 60 Abrechnungsfällen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der abgerechneten Leistungen unter der Pseudo-GOP 99873E im Quartal 3/2019 und damit keinen Anspruch auf Neubescheidung seiner Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Nur Ergänzend wird im Hinblick auf die Berufungsbegründung auf Folgendes hingewiesen:
Nach § 87a Abs. 3 Satz 5 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung vom 06.05.2019 sind von den Krankenkassen folgende Leistungen und Zuschläge außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 zu vergüten: (5.) Leistungen im Behandlungsfall, die von Ärzten, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, gegenüber Patienten erbracht werden, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt werden oder die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt wurden.
Nach § 87a Abs. 5 Satz 13 SGB V hatte der BA bis zum 01.09.2019 Vorgaben zu beschließen, bei welchen Arztgruppen, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, eine Vergütung nach Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 vorzusehen ist. Der BA hat dazu mit Beschluss in seiner 452. Sitzung die betreffende Regelung wie folgt beschlossen:
„In der TSVG-Konstellation gemäß § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V erfolgt keine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, wenn es sich um eine Behandlung in einer Praxis (Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder MVZ) innerhalb der ersten vollen acht Quartale nach deren Gründung handelt. Eine Praxisgründung liegt auch dann vor, wenn eine Einzelpraxis - auch im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens - übernommen wird. Keine Praxisgründung im Sinne von Satz 1 liegt bei einer Änderung der Anzahl oder der Personen der Gesellschafter einer bestehenden Berufsausübungsgemeinschaft oder eines bestehenden MVZs vor. Gleiches gilt für Veränderungen bei angestellten Ärzten in bestehenden Praxen, Berufsausübungsgemeinschaften oder MVZ.“
Der Beschluss des BA ist von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Anders als der Kläger meint, liegt bei ihm auch eine Praxisneugründung im Sinne der Regelung des Beschlusses und im Sinne der „jeweiligen Arztpraxis“ des § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V vor, weshalb in den ersten acht Quartalen keine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung erfolgen kann. Insoweit stellt der Übergang von der BAG auf drei Einzelpraxen zum 01.07.2018 für den Kläger (und die anderen zwei Ärzte) eine Praxisneugründung im Sinne der hier maßgeblichen Vorschriften dar. Es handelt sich nicht nur um eine Reduzierung der Anzahl der Gesellschafter einer bestehenden BAG (auf Null). Vielmehr handelt es sich um drei neue Praxen. Dass die Praxis des Klägers nicht identisch mit der ehemaligen Praxis der BAG ist und daher eine andere Praxis vorliegt, folgt schon aus dem Umstand, dass eine Aufsplittung auf drei voneinander unabhängige Praxen erfolgt ist. Damit scheidet auch eine Fortführung des Patientenstamms von vorneherein aus. Vielmehr muss jede Praxis für sich neue Patienten gewinnen.
Der Beschluss des BA macht in der Klammer von Satz 1 explizit einen Unterschied zwischen einer Einzelpraxis, einer BAG und einem MVZ. Die Regelung in Satz 3, unter welchen Voraussetzungen keine Praxisgründung vorliegt, behandelt explizit nur die BAG und das MVZ. Damit sieht der BA gerade für die Einzelpraxis keine Ausnahme vor. Das wird noch dadurch bestätigt, dass sogar bei der Übernahme einer Einzelpraxis durch einen anderen Arzt – nicht nur im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens – explizit eine Praxisgründung vorliegt (Satz 2). Es ist deshalb das Argument des Klägers, die Regelung enthalte eine im Wege der Auslegung zu schließende ergänzungsbedürftige Lücke für die Konstellation der „Umwandlung“ einer BAG in Einzelpraxen, nicht überzeugend. Vielmehr muss im Umkehrschluss gerade in dieser Konstellation eine Gleichbehandlung mit der Übernahme einer Einzelpraxis erfolgen.
Dass die Praxis des Klägers im Rahmen der Honorarverteilung nicht als Neupraxis galt, sondern als Bestandspraxis, ist für die Beurteilung im Rahmen der Regelung nach § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 i.V.m. dem Beschluss des BA irrelevant. Auch wenn § 12 Abs. 4 des HVM für das Quartal 3/2019 vorsieht, dass bei der Auflösung einer BAG, einem MVZ oder einer Praxis mit angestelltem Arzt (ohne Leistungsbeschränkung) die Fallzahlen im entsprechenden Vorjahresquartal gem. § 8 Abs. 2b des HVM auf die Vertragsärzte aufgeteilt werden und die Weiterführung der Arztpraxis ohne eine Praxisverlegung nicht als Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit gilt, war der BA frei, eine eigenständige Regelung zur extrabudgetären Vergütung gemäß § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V zu treffen. Das hat er – auch aufgrund der diesbezüglichen Vorgaben in der gesetzlichen Ermächtigungsnorm – getan.
Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Auf die Ausführungen des SG wird verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keine Sachanträge gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
V. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz (GKG).