Die Bestandskraft eines Honorarbescheides wird grundsätzlich nicht durch eine behördliche Sachentscheidung über eine honorarrechtliche Vorfrage beseitigt.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die vollständige Übertragung eines Laborindividualbudgets (LIB) im Fall eines Arztwechsels im MVZ zum Quartal III/2019.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in H. und Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums in I.. Dort beschäftigt sind im hier streitigen Zeitraum u.a. Fachärzte für Laboratoriumsmedizin J., K., L., M. und N. sowie die Fachärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie O. und Dr. P. Bis zum 30. April 2019 beschäftigte die Klägerin den Facharzt für Laboratoriumsmedizin Q. Nach dessen Ausscheiden wurde dessen Stelle mit R. besetzt. Diese hatte Herrn S. in der Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 2019 bereits vertreten.
Mit amtlicher Mitteilung von „Mai 2019“ teilte die Beklagte der Klägerin das vorgesehene Laborindividualbudget (LIB) mit. Für Herrn T. sah die Beklagten ein LIB in Höhe von 534.913,36 vor. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass die Berechnung des LIB Bestandteil des Honorarbescheides sei und die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Honorarbescheid genügt.
Am 9. Juli 2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übertragung des Laborindividualbudgets von Herrn T. auf Frau O.. Diese habe den Sitz von Herrn Dr. S. in direkter Nachfolge übernommen. Dies rechtfertige eine Ausnahme vom Laborindividualbudget.
Die Beklagte gab dem Antrag auf Anerkennung einer Ausnahme vom LIB mit Bescheid vom 16. August 2019 insofern statt, als dass Frau O. bei der Berechnung der Laborindividualbudgets ab dem Quartal III/2019 der auf Herrn T. entfallene Leistungsbedarf, der der Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie zuzurechnen ist, übertragen wird.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 26. August 2019 Widerspruch. Der Leistungsbedarf müsse ohne Einschränkungen auf Frau O., hilfsweise anteilig auf die übrigen Fachärzte für Laboratoriumsmedizin, übertragen werden. Frau O. sei zwar Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Ihre Anstellung sei jedoch für den Bereich der Laboratoriumsmedizin erfolgt. Sie erbringe nicht nur den auf Herrn T. entfallenen Leistungsbedarf der Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, sondern auch, soweit zulässig, den Leistungsbedarf des Kapitel 32 EBM. Die übrigen Leistungen des 32 Kapitels würden von anderen Laborärzten am Standort übernommen. Der bisherige Leistungsbedarf für Herrn T. liege bei 601.026,25 (III/2018) bzw. 640.796,15 EUR (IV/2018), die jetzt erfolgte Zuweisung für dessen Nachfolgerin bei lediglich 295.849,35 EUR.
Mit Bescheid vom 30. September 2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung einer Ausnahme vom LIB vom 26. August 2019 als unbegründet ab. Eine über den Bescheid vom 16. August 2019 hinausgehende Übertragung der restlichen Leistungsbedarfe sei mangels entsprechender Abrechnungsgenehmigung von Frau O. nicht möglich.
Mit Schreiben vom 20. November 2019 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend, dass diese noch nicht über den (Hilfs)Antrag auf anteilige Übertragung auf die übrigen Fachärzte für Laboratoriumsmedizin entschieden habe. Es sei nicht gerechtfertigt, dem MVZ das Budget von Herrn T. zu großen Teilen zu versagen, obwohl die Leistungen durch die übrigen Ärzte im MVZ nahtlos weiter erbracht würden.
Mit Bescheid vom 14. Januar 2020 setzte die Beklagten den Honoraranspruch der Klägerin für das Quartal III/2019 fest. Den dagegen am 17. Februar 2020 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2020 als unbegründet zurück.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2020 lehnte die Beklagte auch den Hilfsantrag der Klägerin ab. Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 6. Juli 2020 Widerspruch. Sie verweist auf ihre bisherige Begründung. Sie rügt, dass eine Ermessensausübung durch die Beklagte nicht stattgefunden habe. Die Ablehnung sei inhaltlich nicht begründet worden.
Den Widerspruch vom 6. Juli 2020 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2020 als unbegründet zurück. Das LIB werde arztbezogen berechnet. Durch die Nachbesetzung erfolgte ein Fachgruppenwechsel auf demselben Vertragsarztsitz. Die Nachfolgerin Frau O. verfüge als Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie jedoch über einen geringeren Abrechnungsumfang. Dies spiegele sich in den abrechenbaren GOP sowie in der Differenz der Fachgruppendurchschnitte wieder. Aus diesem Grund sei allein die Übertragung des mikrobiologischen Anteils des LIB und die damit verbundene Verringerung des Gesamtbudgets des MVZ gerechtfertigt. Demzufolge werde die Übertragung des restlichen LIB auf die anderen im MVZ tätigen Ärzte abgelehnt.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 23. Oktober 2020 Klage. Der Zulässigkeit der Klage könne nicht die Bestandskraft des Honorarbescheides entgegengehalten werden. Bestandskräftig könne der Honorarbescheid nur werden, wenn auch sämtliche Vorfragen abschließend beschieden werden sollten. Davon könne hier nicht die Rede sein. Auch bei unterstellter Bestandskraft des Honorarbescheides sei die Klage zulässig. Denn die Beklagte habe trotz dieser Bestandskraft über den Widerspruch betreffend die Erhöhung des LIB in der Sache entschieden und den Widerspruch nicht ausdrücklich als unzulässig zurückgewiesen. Sie habe damit den bestandskräftigen Honorarbescheid zum Gegenstand des hiesigen Widerspruchsverfahrens gemacht und damit eine inhaltliche Überprüfung durch das Gericht ermöglicht. In der Rechtsprechung sei zudem anerkannt, dass die Behörde über einen verfristet eingelegten Widerspruch inhaltlich entscheiden darf und das Gericht an diese Entscheidung gebunden sei. Die Beklagte könne sich insoweit nicht darauf berufen, dass eine inhaltliche Entscheidung möglicherweise für zukünftige Quartale noch Relevanz erhalten könne. In einem solchen Fall hätte der Widerspruch auch als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückgewiesen werden können. In der Sache habe sie einen Anspruch aus Ziffer 16.1 Teil B HVM auf eine weitergehende Anpassung des LIB. Die dortige Regelung verweist auf Ziffer 12 HVM. Dort ist eine Budgetanpassung u.a. vorgesehen, wenn eine Zulassung oder genehmigte Anstellung eines Arztes in der BAG oder die Zulassung eines benachbarten Kollegen mit vergleichbarer Fachrichtung (jeweils ohne Nachfolge) wegfällt und es zu einer außergewöhnlichen Erhöhung der Fallzahlen komme. In diesen Fallkonstellationen werde der Weggang des Arztes durch seine Kollegen aufgefangen. Dies sei auch hier durch die im MVZ der Kläger angestellten Fachärzte für Laboratoriumsmedizin der Fall gewesen (wird anhand der Abrechnungszahlen ausgeführt). Ziffer 13 HVM regele demgegenüber nur die Budgetübertragung bei einem Arztwechsel für das Regelleistungsvolumen. Zudem fehle ein Verweis in Ziffer 16 auf Ziffer 13. Erst ab dem Quartal II/2020 regele die Ziffer 13 auch die Übertragung von Laborbudgets bei einem Arztwechsel. Aber auch in der neuen Fassung fehle eine Aussage dazu, was mit dem „Restbudget“ eines ausscheidenden Arztes geschehen soll, sofern dieses nicht vollständig übertragen wird. Die Bescheidbegründung lasse zudem nicht erkennen, dass sich die Beklagte hier mit den Besonderheiten des Falls auseinandergesetzt habe. Es liege daher ein Ermessensausfall vor. Hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 12. Juni 2020 sowie des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2020. Den Hilfsantrag stützt sie darauf, dass die hier streitige Frage für zukünftige Honorarbescheide noch Relevanz erlangen könne. Es bestehe ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, da sich in den tatsächlichen und rechtlichen Umständen keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Die Änderung in Ziffer 13 HVM sei insoweit unbeachtlich, da die Beklagte ihre Entscheidung auch auf die Neufassung der Ziffer 13 HVM stütze.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Übertragung des LIB von Herrn T. auf die übrigen Fachärzte für Laboratoriumsmedizin im MVZ der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
hilfsweise, festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2020 rechtswidrig war und die Beklagte verpflichtet war, über die Übertragung des individuellen Leistungsbudgets von Herrn T. auf die übrigen Fachärzte für Laboratoriumsmedizin im MVZ der Klägerin erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die Klage mangels Rechtschutzbedürfnisses bereits für unzulässig, da der Honorarbescheid für das Quartal III/2019 bereits bestandskräftig sei. Auch nachfolgende Honorarbescheide seien nicht angegriffen worden. Für eine hier streitige Klärung von Teilelementen zur Honorarberechnung gebe es nach der Rechtsprechung des BSG dann aber keine Raum mehr. Die inhaltliche Entscheidung der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 23. September 2020 ändere nichts an der Bestandskraft des Honorarbescheides. Die Beklagte verhalte sich insoweit auch nicht widersprüchlich. Eine inhaltliche Entscheidung der honorarrechtlichen Vorfrage sei gerechtfertigt gewesen, da nicht auszuschließen war, dass die Klägerin zukünftig gegen Honorarbescheide vorgeht und die hier streitige Vorfrage dann relevant wird. Die Rechtsprechung zur Heilung der Widerspruchsfrist könne hier nicht herangezogen werden, da sie zu anderen Rechtsgebieten ergangen sei und aufgrund der Besonderheiten der vertragsärztlichen Honorarverteilung keine Vergleichbarkeit bestehe. Ein Feststellungsinteresse fehle, da auch für Folgezeiträume keine Widersprüche vorlägen. Die Klage sei aber auch in der Sache nicht begründet. Durch die sog. Laborreform solle mit Wirkung ab dem 1. April 2018 die steigende Zahl an Laborleistungen in der vertragsärztlichen Versorgung u.a. durch die LIB begrenzt werden. Bei wesentlichen Änderungen gegenüber dem Basiszeitraum werde über eine bedarfsgerechte Anpassung entschieden. Ein im HVM bzw. in den Durchführungsbestimmungen normierter Ausnahmefall sei nicht festzustellen. Es liege insbesondere keine in Ziffer 12 geregelte Aufgabe der Zulassung ohne Nachfolge vor, denn die Arztstelle sei von der Klägerin nachbesetzt worden. Maßgeblich sei daher als Spezialregelung Ziffer 13, die eine Übertragung nur bzgl. des vergleichbaren Leistungsspektrums vorsehe. Im Fall fehlender Vergleichbarkeit werde keine (weitergehende) Verteilung auf andere Kollegen vorgenommen. Zwar gelte Ziffer 13 im hier maßgeblichen Zeitraum nicht unmittelbar. Die Regelung können jedoch im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden. Es sei zudem die von der Klägerin zu verantwortende Entscheidung, statt eines Facharztes für Laboratoriumsmedizin eine Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie anzustellen.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bereits unzulässig.
Der Hauptantrag konnte hier mangels Rechtschutzinteresses keinen Erfolg haben. In der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass im Vertragsarztrecht Vorfragen, die Auswirkungen für mehrere Quartale haben, in einem eigenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren - losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheides - geklärt werden können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die betreffenden Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 31/08 R, Rn. 12). Gesonderte Feststellungen, Teilelemente und Vorfragen zur Bestimmung des vertragsärztlichen Honorars sind daher nur solange anfechtbar, wie die jeweiligen Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Dies gilt auch dann, wenn entsprechende Feststellungen durch gesonderten Verwaltungsakt erfolgen (BSG, Urteil vom 15. August 2012 – B 6 KA 38/11 R, Rn. 13).
Die Klägerin begehrt hier eine Anpassung der LIB ab dem Quartal III/2019. Der Honorarbescheid für das Quartal III/2019 ist bereits bestandskräftig geworden. Zwar hat die Klägerin gegen diesen Honorarbescheid Widerspruch erhoben. Die Beklagte hat diesen Widerspruch jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2020, der Kläger nach eigenen Angaben am 20. Juli 2020 bekanntgegeben wurde, zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen diesen Widerspruchsbescheid keine Klage erhoben. Damit ist der Honorarbescheid jedenfalls seit dem 20. August 2020 bestandskräftig und damit für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG).
Die Klägerin kann dem Honorarbescheid für das Quartal III/2019 auch nicht unter Verweis auf ein zu diesem Zeitpunkt noch laufendes Widerspruchsverfahrens bzgl der Erhöhung der LIB die Bindungswirkung absprechen. Denn nach der o.g. Rechtsprechung des BSG wird die Gewährleistungsfunktion des Honorarbescheides gerade nicht dadurch in Frage gestellt, dass parallel zum Verfahren der Honorarfestsetzung eine gesonderte Entscheidung zu Teilelementen der Honorarfestsetzung mittels Verwaltungsakt ergeht. Denn der Honorarbescheid würde seine Funktion einer abschließenden verbindlichen Regelung des Honoraranspruchs des Arztes verlieren, wenn er - trotz formeller Bestandskraft - und ohne ausdrückliche Kennzeichnung als vorläufig in der Sache kaum verlässlich Auskunft darüber gibt, wie hoch der Vergütungsanspruch des Arztes im jeweiligen Quartal ist. Es bestehen zudem keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit der Zurückweisung des Widerspruchs gegen den Honorarbescheid die Frage des LIB aussparen bzw. zurückstellen wollte. In diesem Fall hätte sie, was nach den Erfahrungen der Kammer in anderen Fällen durchaus der Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht, einen Teilwiderspruchsbescheid erlassen.
Der Bestandskraft des Honorarbescheides steht auch nicht entgegen, dass die Beklagten den Widerspruch der Klägerin bzgl. der Erhöhung des LIB als unbegründet zurückgewiesen hat. Gegenteiliges ergibt sich weder aus der o.g. Rechtsprechung des BSG noch aus der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zur „Heilung“ eines verfristeten Widerspruchs durch Sachentscheidung.
Zwar reicht es zur Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft nach der o.g. Rechtsprechung auch aus, wenn die KV gegenüber Vertragsärzten, deren RLV noch im Streit steht, die Verpflichtung übernimmt, den Honorarbescheid einer eventuell geänderten RLV-Festsetzung anzupassen oder generell verlautbart, dass sie neue Honorarbescheide erlassen wird, wenn sich beim einzelnen Arzt Änderungen bei RLV ergeben. Eine solche Verpflichtung hat die Beklagte hier jedoch nicht übernommen. Hätte sie von der grundsätzlich mit dem Honorarbescheid verbundenen Gewährleistungsfunktion abweichen wollen, wäre der Erlass eines Teilwiderspruchsbescheides, die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvorbehalts in den Honorarbescheid bzw. im Wege der Teilabhilfe die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvorbehalts im Rahmen des Widerspruchsbescheides zu erwarten gewesen. Der Verzicht auf eine Vorläufigkeitserklärung bei einem parallel noch laufenden Verfahren über Vorfragen bzw. Teilelemente der Honorarfestsetzung macht den Honorarbescheid zwar nach den Vorgaben des BSG (aaO Rn. 14) insoweit rechtswidrig. Er ist jedoch nicht nichtig im Sinne des § 39 Abs. 3 SGB X und damit nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist für die Beteiligten bindend.
Mit der Zurückweisung des Widerspruchs bzgl. der Neufestsetzung des LIB hat die Beklagte auch nicht nachträglich auf den Schutz der Bindungswirkung des Honorarbescheides verzichtet. Zwar ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass im Fall einer Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde ein verfristet eingelegter Widerspruch der Zulässigkeit der Klage nicht entgegensteht und zugleich der angefochtene Bescheid dann auch nicht als bindend anzusehen ist (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R, Rn 11; Urteil vom 14. April 2011 – B 8 SO 12/09, Rn. 17; Urteil vom 12. Oktober 1979, 12 RK 19/78). Zugleich geht die Rechtsprechung davon aus, dass bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung kein Raum für eine Wiedereröffnung des Rechtswegs durch behördliche Sachentscheidung besteht (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2012 – B 6 KA 42/11, Rn. 29 mwN). Im Grundsatz wird der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn gegen einen Verwaltungsakt der gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wurde (§ 77 SGG). Die Bindungswirkung trifft nach dem Wortlaut daher auch den Beklagten (vgl. § 69 Nr. 2 SGG). Die Durchbrechung Bindungswirkung des § 77 SGG wird von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung unter Rückgriff auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit der „Sachherrschaft der Behörde“ begründet. Die Rechtsbehelfsfristen dienten danach allein dem Schutz der Behörde. Diese könne daher im freien Ermessen auf den durch Rechtsbehelfsfristen vermittelten „Schutz“ verzichten. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat zwar die Frage aufgeworfen, ob die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vor dem Hintergrund des § 77 SGG ohne weiteres übernommen werden kann, dies aber u.a. mit Verweis auf die im Sozialrecht weitergehende Verpflichtung zur Korrektur rechtswidriger Bescheide bejaht (BSG, Urteil vom 12. Oktober 1979, 12 RK 19/78).
Für Entscheidungen über honorarrechtliche Vorfragen im Bereich der von Budgetierung betroffenen Gesamtvergütung lassen sich diese Erwägungen jedoch nicht heranziehen. Zwar ist die Festsetzung des vertragsärztlichen Honorars kein Verwaltungsakt mit Drittwirkungen. Die Festsetzung des Honorars der Klägerin begründet keine Anfechtungsberechtigung der übrigen vertragsärztlichen Leistungserbringer. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Korrektur bestandskräftiger Honorarbescheide völlig losgelöst von den Interessen anderer Leistungserbringer erfolgen kann. Zunächst besteht für die Honorarverteilung – anders als im Bereich der Sozialleistungen einschließlich Beiträge - keine gesetzliche Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Korrektur rechtswidriger Entscheidungen. Denn nach der Rechtsprechung des BSG sind Honoraransprüche der Vertragsärzte keine Sozialleistungen im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X (BSG, Urteil vom 18. März 1998 - B 6 KA 16/97 R, Rn. 13). Eine Korrektur rechtswidriger bestandskräftiger Honorarbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit ist daher nur eingeschränkt nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X möglich. Danach entscheidet die KV über eine Korrektur bestandskräftiger Honorarbescheide nach pflichtgemäßen Ermessen und berücksichtigt dabei auch die finanziellen Auswirkungen einer nachträglichen Korrektur für die Gesamtheit der übrigen Leistungserbringer (Rückgriff auf Rücklagen bzw. Belastungen für die aktuelle Honorarverteilung). Denn nach der Rechtsprechung besteht grundsätzlich ein Anspruch der Vertragsärzte sowie der Krankenkassen darauf, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung möglichst ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet wird (dazu: BSG, Urteil vom 18. März 1998 - B 6 KA 16/97 R; Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, Seite 279 f.). Daraus ergibt sich auch, dass die Rechtsbehelfsfristen im Rahmen der Honorarverteilung nicht allein dem Schutz der KV dienen. Die verbindliche Verteilung der (begrenzten) Gesamtvergütung ist damit nicht nur eine Frage zwischen dem jeweils betroffenen Leistungserbringer und der KV. Sie betrifft im weitesten Sinne auch die Interessen der übrigen vertragsärztlichen Leistungserbringer sowie die Interessen der Krankenkassen. Daher ist es letztlich nicht gerechtfertigt, allein aufgrund der getroffenen Sachentscheidung über eine honorarrechtliche Vorfrage und ohne konkrete objektive Anhaltspunkte eine Wiederaufnahmeentscheidung bzgl. des bestandskräftigen Honorarbescheides zu unterstellen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2020 allein die honorarrechtliche Vorfrage war. Die Rechtsprechung zur Wiedereröffnung des Rechtswegs durch behördliche Sachentscheidung bezieht sich demgegenüber aber auf Fälle, in denen die bestandskräftig gewordene Entscheidung unmittelbar Gegenstand des Widerspruchsverfahrens war.
Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig. Das geltend gemachte Feststellungsinteresse unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr besteht nicht. Dieses setzt voraus, dass eine hinreichend bestimmte konkrete Gefahr vorgetragen wird, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird (Keller in: Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl., § 131, Rn. 10b m.w.N). Insoweit genügt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfragen, etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann (BSG, Urteil vom 8 November 2011 – B 1 KR 19/10 R; Urteil vom 25. Oktober 2012 – B 9 SB 1/12 R m.w.N.). Die Rechtsprechung geht weiterhin davon aus, für jeden konkreten Rechtsverstoß bzw. jede Einwendung gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung gesondert ein Feststellungsinteresse zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegeben sein muss (BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 6 KA 6/15 R, Rn. 44; BSG, Urteil vom 15. März 1995 – 6 RKa 42/93, Rn. 15; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 2. Februar 2022 – L 3 KA 15/19). Die Klägerin macht hier geltend, dass für sämtliche noch nicht bestandskräftigen Honorarbescheide eine Erhöhung des LIB aufgrund des nicht übertragenen Budget-Rests noch möglich und aufgrund fortlaufender Budgetüberschreitung auch notwendig sei. Allerdings hat sich die Rechtslage durch die Neufassung der Ziffer 13 Teil B HVM zum Quartal II/2020 wesentlich geändert, da nunmehr im HVM eine ausdrückliche Regelung zum Übertragung des LIB aufgenommen wurde. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sich die Beklagte im gerichtlichen Verfahren bereits auf Neufassung der Ziffer 13 beruft. Auch begründet sich ein Feststellungsinteresse nicht damit, dass die Beklagte nach Aussagen im gerichtlichen Verfahren ihre Sachentscheidung im Widerspruchsverfahren aufgrund möglicher Auswirkungen für spätere Quartale getroffen hat. Zwar könnte man aus dem Vortrag der Beklagten im Klageverfahren den Schluss ziehen, dass diese von keiner wesentlichen Rechtsänderung ausgeht. Auf die subjektive Einschätzung der Rechtslage durch die Beteiligten kommt es bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr jedoch letztlich nicht an. Maßgeblich ist allein, ob sich die Sach- und Rechtslage objektiv im Wesentlichen unverändert geblieben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1, Satz 1 Sozialgerichtsgesetz i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).