Die Berechtigung zur Festsetzung von Arzneikostenregressen knüpft daran an, dass Vertragsärzte Arzneimittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Durch den Tod endet die Mitgliedschaft des Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 190 Abs. 1, § 191 Nr. 1, § 189 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Mit dem Ende der Mitgliedschaft besteht auch kein Leistungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenversicherung mehr. Zwar enthält § 19 SGB V kein absolutes Verbot der Vergütungen von erbrachten Leistungen nach Ende der Mitgliedschaft. Allerdings existiert umgekehrt auch keine Regelung im Vertragsarztrecht, die die Ausstellung von Verordnungen für einen bereits verstorbenen Versicherten für einen Übergangszeitraum als zulässig anerkennt oder die Krankenkassen in diesen Fällen zur (abschließenden) Kostentragung verpflichtet.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen. Diese haben ihre Kosten selbst zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen einer Arzneimittelverordnung für einen bereits zuvor verstorbenen Versicherten.
Der Kläger ist Facharzt für Onkologie und zur vertragsärztlichen Versorgung mit Sitz in J. zugelassen. Er verordnete zugunsten des Versicherten der Beigeladenen zu 2) Herrn K. am 20. August 2018 Fluorouracil 3350 mg ad 96 ml isoton. NaCl 0,9 % in Medac Pumpe, Oncofolic 560 mg i.v. Inf. In 500 ml isoton. NaCl 0,9%, Irinotecan, pegyliert-liposomal 112 mg i.v. Inf. In 500 ml isoton. NaCl 0,9 % und Granisetron 1 mg Amp 1 St. Der Versicherte war bereits zuvor am 15. August 2018 verstorben.
Die Beigeladene zu 2) beantragte gegenüber der Prüfungsstelle L. (Prüfungsstelle) am 18. März 2019 die Festsetzung eines Regresses in Höhe von 3.102,66 EUR. Nach dem Tod bestehe keine Leistungspflicht mehr.
Diesen Antrag leitete die Prüfungsstelle am 20. März 2019 an den Kläger mit der Bitte um Stellungnahme weiter. Der Kläger machte geltend, dass ihm die Ausstellung der Verordnung nicht vorzuwerfen sei. Der Patient habe sich in regelmäßiger Behandlung aufgrund eines Pankreaskarzinoms befunden. Die hier betroffene Verordnung seien im Rahmen eines festen Infusions-Therapieplans mit einer geplanten Behandlung am 21. August 2018 ausgestellt worden. Der Termin am 21. August 2018 sei mit dem Patienten am 9. August 2018 vereinbart worden. Dabei musste die Infusionszubereitung jeweils am Vortag angefordert werden. In J. und Umgebung biete keine Apotheke die Herstellung von Chemotherapeutika an, so dass eine ad hoc-Bestellung und Lieferung nicht möglich gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Ausstellung der Verordnungen habe er keine Kenntnis vom Versterben gehabt. Im Rahmen des Erstgesprächs würden Patienten und – soweit dort anwesend – deren Angehörige ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Umstände, die die geplante Chemotherapie-Applikation unmöglich machten, unverzüglich anzuzeigen seien. Zudem habe der Versicherte in der Vergangenheit zuverlässig die vereinbarten Infusionstermine wahrgenommen. Auch habe es keine Hinweise auf ein plötzliches Versterben gegeben. Eine Kontaktaufnahme vor Ausstellung der Verordnung könne von ihm nicht verlangt werden. Es sei organisatorisch nicht umsetzbar und zudem unklar, welche Schlüsse er aus einer Nichterreichbarkeit des Versicherten ziehen könne.
Die Beigeladene zu 2) hat ihren Antrag aufrechterhalten. Es bestünden erhöhte Sorgfaltspflichten aufgrund der Schwere der Erkrankung und der Wahrscheinlichkeit einer dauernden Verschlechterung.
Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 18. Juni 2019 gegenüber dem Kläger einen Regress in Höhe von 3.102,66 EUR fest.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Widerspruch. Der Beschwerdeausschuss habe bereits in einem anderen Fall entschieden, dass von einem Vertragsarzt nicht erwartet werden könne, vor jeder Verordnung Kontakt mit dem betreffenden Versicherten aufzunehmen, insbesondere, wenn dieser zuvor immer zuverlässig Termine eingehalten hat. Weder dem schwerkranken Patienten noch dem behandelnden Arzt sei es zumutbar, den Patienten am Tag vor der Infusion zwecks Prüfung des Gesundheitszustandes einzubestellen. Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 2 BMV-Ä sei nicht festzustellen. Der Patient sei aus einer laufenden Behandlung bekannt. Im Übrigen wiederholt er seinen Vortrag aus dem Anhörungsverfahren.
Die Beigeladene zu 2) beantragt die Zurückweisung des Widerspruchs. Ihr seien aus dem Postleitzahlengebiet M. zwei Apotheken mit „Zyto-Abrechnungen“ bekannt.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2020 (Beschluss vom 4. Februar 2020) als unbegründet zurück. Der Kläger habe für einen sonstigen Schaden im Sinne des § 48 Abs. 1 BMV-Ä einzustehen. Der Kläger habe bei seinen Verordnungen die Vorgaben des § 15 Abs. 2 BMV-Ä grob fahrlässig verletzt. Verordnungen dürften danach nur ausgestellt werden, wenn sich der Vertragsarzt zuvor persönlich vom Krankheitszustand des Patienten überzeugt habe oder der Zustand aus einer laufenden Behandlung bekannt sei. Vor Ausstellung der Verordnung habe er sich nicht vom Zustand des Patienten überzeugt. Die laufende Behandlung endete mit dem Tod des Versicherten. Der letzte Kontakt mit dem Versicherten habe am 9. August 2018 stattgefunden. Zur Überzeugung des Ausschusses sei die Prognose bei einem Pankreaskarzinom infaust. Der Kläger habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der Patient 12 Tage nach dem letzten Kontakt noch behandlungsfähig seien werde. Der Kläger hätte vielmehr den Patienten am Vortrag kontaktieren und sich nach dem Gesundheitszustand erkundigen müssen. In diesem Fall hätte er auch Kenntnis vom Versterben erlangen können. Seit dem Tod seien hier fünf Tage vergangen, so dass hier auch nicht mehr von einem unbeachtlichen Zeitraum zwischen dem Erlöschen der Mitgliedschaft in der GKV und der vertragsärztlichen Leistung auszugehen sei. Es sei auch ein Schaden entstanden, da die Beigeladene zu 2) die verordneten Präparate gezahlt habe, obwohl ein Behandlungsanspruch mit dem Tod endete.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 28. Mai 2020 Klage. Der Gesundheitszustand des Versicherten sei aus der laufenden Behandlung bekannt gewesen. Die Annahme des Beklagten von einer infausten Erkrankungssituation sei unzutreffend. Der Patient habe an einer üblichen Krebserkrankung gelitten, die in der Praxis des Klägers vielfach behandelt werde. Es sei nach einem typischen Therapieschema behandelt worden. Die Erkrankungssituation habe keine Erkenntnisse für ein baldiges Versterben zugelassen. Auch die Zeitspanne zwischen der letzten Konsultation und der Ausstellung der Verordnungen sei nicht derart lang gewesen, dass er davon ausgehen musste, das Krankheitsbild müsse sich wesentlich geändert haben. Insoweit könne in Übertragung der Rechtsprechung des BSG zu einer (verneinten) Nachfragepflicht bei stationären Krankenhausaufenthalten (BSG, Beschluss vom 28. September 2016 – B 6 KA 27/16 B) von einer Nachfragepflicht nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für ein Versterben ausgegangen werden. In onkologischen Praxen würden regelhaft tödlich verlaufende Erkrankungen behandelt. Das insoweit erhöhte Risiko des Verwurfs von Zubereitungen sei bekannt. Gleichwohl gebe es keine spezielle gesetzliche Verpflichtung zur „Lebendkontrolle“ im Rahmen einer Chemotherapiebehandlung. Es bestehe auch kein Raum für eine verschuldensabhängige Haftung. Der Beklagte habe hier zu Recht den Fall als „sonstigen Schaden“ geprüft.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Widerspruchsbegründung. Bei einem Pankreaskarzinom sei die Prognose grundsätzlich schlecht, da eine vollständige Entfernung des Tumors nur selten möglich sei und dieser aggressiv wachse. Zudem werde das Karzinom oft erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt. Die Zeitspanne zwischen dem letzten persönlichen Kontakt und dem geplanten Behandlungstermin sei daher durchaus als lang zu bezeichnen. Es habe daher im konkreten Einzelfall eine Nachfragepflicht aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Verschlechterung sowie der hohen Therapiekosten bestanden.
Die Beigeladenen zu 2) geht unter Berufung auf eine Entscheidung des Hess. LSG vom 15. Mai 2014 (Aktenzeichen: L 1 KR 372/11) davon aus, dass unmittelbar vor Therapiebeginn in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand eine Freigabe der Herstellung durch die Praxis zu erfolgen habe. Im Jahr 2018 habe eine Apotheke im Postleitzahl M. Antineoplastika-Zubereitungen abgerechnet. Das Risiko bei der Wahl entfernter Vertragspartner liege beim Kläger.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang und den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem Vertreter der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG -).
Der Beklagte hat gegenüber dem Kläger im Ergebnis zu Recht einen Regress wegen der Verordnungen von Fluorouracil 3350 mg ad 96 ml isoton. NaCl 0,9 % in Medac Pumpe, Oncofolic 560 mg i.v. Inf. In 500 ml isoton. NaCl 0,9%, Irinotecan, pegyliert-liposomal 112 mg i.v. Inf. In 500 ml isoton. NaCl 0,9 % und Granisetron 1 mg Amp 1 St festgesetzt.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Regressen in Bezug auf Arzneimittel ist hier § 106 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 106b SGB V i.V.m. § 6 Abs. 1j, § 30 der Vereinbarung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 106 SGB V ab dem Jahr 2017 (Prüfvereinbarung). Nach § 106b Abs. 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung mit ärztlich verordneten Leistungen ab dem 1. Januar 2017 anhand von Vereinbarungen geprüft, die von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen zu treffen sind. Auf Grundlage dieser Vereinbarungen können Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise nach § 106 Absatz 3 festgelegt werden. Die Partner der Gesamtverträge in Niedersachsen haben in der Prüfvereinbarung u.a. Einzelfallprüfungen wegen unzulässiger Verordnungen aufgrund von Verstößen gegen Richtlinien des Bundesausschusses gemäß § 92 SGB V sowie Prüfungen in Fällen des „sonstigen Schadens“ nach § 48 BMV-Ä vorgesehen.
Das Gericht geht hier – anders als der Beklagte – nicht davon aus, dass der zur Prüfung gestellte Sachverhalt nach den Vorgaben des sonstigen Schadens im Sinne des § 48 BMV-Ä zu beurteilen ist. Gleichwohl besteht hier eine Regresspflicht, da der Kläger eine unzulässige Verordnung ausgestellt hat.
Der Beklagte hat den zur Prüfung gestellten Sachverhalt zu Unrecht nach den Vorgaben des sonstigen Schadens beurteilt. Nach § 48 Abs. 1 BMV-Ä obliegt den Prüfgremien die Feststellung des sonstigen durch einen Vertragsarzt verursachten Schadens, der einer Krankenkasse "aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen" entsteht. Zu diesem sonstigen Schaden zählen unter anderem Folgekosten der Krankenkassen in anderen Bereichen, die durch das Verhalten des Arztes (z.B. ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) ausgelöst werden. Ein solcher Fall steht hier nicht zur Beurteilung. Denn die antragstellende Krankenkasse macht nicht geltend, dass ihr durch die streitigen Verordnungen Folgekosten entstanden sind. Vielmehr verlangt sie die unmittelbar durch die Verordnung entstandenen Kosten als Schadensersatz.
Indes ist der sonstige Schaden nicht auf die o.g. typischen Fälle beschränkt. Vielmehr kann es auch außerhalb der typischen Konstellationen Fallgestaltungen geben, die dem sonstigen Schaden nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften zuzuordnen sind. Abzugrenzen sind diese insbesondere von den Fällen der unzulässigen Verordnungen. Dazu zählen Verordnungen von Leistungen, die durch das Gesetz oder Richtlinien aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind. Unter den sonstigen Schaden fallen hingegen Verordnungen, bei denen Fehler in Frage stehen, welche die Art und Weise ihrer Ausstellung betreffen (dazu insgesamt: BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 16/10 R). Hier streiten die Beteiligten nicht über die Art und Weise der Ausstellung. Vielmehr wird dem Kläger vorgeworfen, eine Verordnung ausgestellt zu haben, die aufgrund des zwischenzeitlichen Versterbens und dem Ende des Sachleistungsanspruchs von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen ist.
Die hier streitige Verordnung war unzulässig. Der Kläger hat der betroffenen Krankenkasse die aus dieser unzulässigen Verordnung entstandenen Kosten in der vom Beklagten festgesetzten Höhe zu erstatten.
Dabei kommt es für die Entscheidung des Gerichts hier nicht entscheidend darauf an, dass die geschädigte Krankenkasse den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt als sonstigen Schaden bewertet und ihren Antrag gegenüber der Prüfungsstelle entsprechend überschrieben hat (vgl. etwa: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. August 2019 – L 3 KA 110/16). Auch steht der Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht entgegen, dass der Beklagte seine Regressfestsetzung auf eine unzutreffende rechtliche Grundlage gestützt hat. Zwar sind im Rahmen der Begründungspflicht (§ 35 SGB X) die wesentlichen Gründe für die getroffene Entscheidung anzugeben. Maßgeblich sind aber hier allein die Gründe, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Auf die inhaltliche Richtigkeit der gegebenen Begründung kommt es im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen § 35 SGB X nicht an (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 35 SGB X Rn. 13 (Stand: 21. Mai 2021)). Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus der unzutreffenden Abgrenzung von Verordnungsregress und sonstigen Schaden keine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung. Insoweit handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG lediglich um eine unzutreffende Wertung, die rechtlich folgenlos bleibt (BSG, Urteil vom 25. Januar 2017 – B 6 KA 7/16 R, Rn. 19; BSG, Urteil vom 21. März 2018 – B 6 KA 31/17 R, Rn. 33).
Die Berechtigung zur Festsetzung von Arzneikostenregressen knüpft daran an, dass Vertragsärzte Arzneimittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind (BSG, Urteil vom 14. März 2001 – B 6 KA 19/00 R; Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 6/09 R, Rn. 32 mwN). Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind die Sachleistungsansprüche der Versicherten gegenüber ihrer gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 73 Abs. 2 iVm § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Durch den Tod endet die Mitgliedschaft des Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 190 Abs. 1, § 191 Nr. 1, § 189 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Mit dem Ende der Mitgliedschaft besteht auch kein Leistungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenversicherung mehr (§ 19 Abs. 1 SGB V „Versicherungsprinzip“). Gegenstand des gesetzlichen Sachleistungsanspruches ist auch die Verordnung von Arzneimitteln. Für sie gilt zudem das Gebot der persönlichen Leistungserbringung (BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 6 KA 17/12 R Rn. 43 mwN). Insoweit besteht kein Unterschied, ob der Kläger nach dem Tod des Versicherten ärztliche Leistungen erbringt (dazu: SG Marburg, Urteil vom 25. September 2013 – S 12 KA 395/13) oder Arzneimittelverordnungen ausstellt. Der Versicherte ist bereits am 15. August 2018 verstorben, so dass zum Zeitpunkt der Ausstellung der hier streitigen Verordnung am 20. August 2018 bereits kein Anspruch auf die verordneten Präparate mehr bestand.
Nicht entscheidend ist, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Ausstellung der hier streitigen Verordnung das Versterben des Versicherten bekannt war bzw. aufgrund fahrlässigem Verhaltens unbekannt war. Denn Regresse wegen solcher unzulässiger Arzneimittelverordnungen setzen kein Verschulden des Vertragsarztes voraus (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 6/09 R).
Der Verweis auf die Unkenntnis vom Versterben begründet auch keinen Vertrauensschutz. Zwar enthält § 19 SGB V kein absolutes Verbot der Vergütungen von erbrachten Leistungen nach Ende der Mitgliedschaft (BSG, Urteil vom 17. April 1996 – 3 RK 19/95). Allerdings existiert umgekehrt auch keine Regelung im Vertragsarztrecht, die die Ausstellung von Verordnungen für einen bereits verstorbenen Versicherten für einen Übergangszeitraum als zulässig anerkennt oder die Krankenkassen in diesen Fällen zur (abschließenden) Kostentragung verpflichtet. Insbesondere enthält § 15 Abs. 2 BMV-Ä keine abschließende Normierung des Sorgfaltsmaßstabes für die Ausstellung ärztlicher Verordnungen. Im Kern geht es dort um einen Teilaspekt der persönlichen Leistungserbringung (siehe Überschrift des § 15 BMV-Ä), also eine Einschränkung der Möglichkeiten zur Delegierung. Die Verwurfsgefahr gehört damit grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko des Vertragsarztes. Dieser kann das Verwurfsrisiko zwar nicht vollständig ausschließen, durch die konkrete Planung der Abläufe in seiner Praxis darauf aber wesentlich Einfluss nehmen (vgl. Terminbericht Nr. 23/22 zum Revisionsverfahren B 6 KA 14/21 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 155 Abs. 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren auch nicht dem Kläger oder der Staatskasse aufzuerlegen. Gründe für eine solche Billigkeitsentscheidung (§ 162 Abs. 3 VwGO) waren weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.