L 4 KA 38/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 136/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 38/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 20/22 R
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 15. Februar 2022 wird zurückgewiesen. 

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 15. Februar 2022 geändert, der Bescheid der Beklagten vom 9. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2021 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger nicht zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten verpflichtet ist.

Im Übrigen wird die Anschlussberufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Befreiung des Klägers von dem organisierten Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Beklagten. 

Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie und mit Praxissitz in A-Stadt seit 2015 niedergelassen. Er ist ausschließlich privatärztlich tätig. Nach Mitteilung seines Steuerberaters vom 1. Oktober 2020 betrugen seine Umsätze im Jahr 2017 101.862,00 Euro und im Jahr 2018 87.320,00 Euro. 

Die Beklagte informierte – wie schon zuvor mit einem gemeinsamen Schreiben mit der Landesärztekammer vom 20. März 2019 – mit Schreiben vom 15. Mai 2019 die ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzte in Hessen, darunter auch den Kläger, über die Einbeziehung der Privatärzte in ihren ÄBD. Sie erläuterte die näheren Umstände der Teilnahme am ÄBD, u.a., dass eine Berücksichtigung in den Dienstplänen erst ab 1. Januar 2020 erfolgen solle. 

Der Kläger beanstandete mit Schreiben vom 10. März 2020 die Anzahl der ihm zugeteilten Dienste im ÄBD der Beklagten, da diese unangemessen sei. Die ihm bereits für das Jahr 2020 zugewiesenen acht Dienste habe er an einen kompetenteren Kollegen abgetreten. Er arbeite als Arzt lediglich noch an zwei halben Tagen und einem ganzen Tag pro Woche mit insgesamt 14 Stunden. Die restliche Arbeitszeit sei er als Unternehmer berufsfremd an anderer Stelle tätig. Auch verbringe er den Rest der Woche bei seiner Familie in C-Stadt. Die Fahrzeit zwischen A-Stadt und dem Wohnort der Familie betrage in der Regel 2,5 Stunden in einfacher Richtung. Daher bitte er um vollständige Entbindung von der Teilnahme am ÄBD bzw. Reduzierung der Dienststunden. 

Die Beklagte wertete das Schreiben als Antrag auf vollständige Befreiung von der Dienstteilnahme bzw. Reduzierung der Dienststunden, den sie mit Bescheid vom 9. April 2020 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, nach den strikten Bestimmungen ihrer Bereitschaftsdienstordnung (BDO) könne der Teilnahmeumfang nur bei Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung reduziert werden. Eine Reduzierung des Teilnahmeumfanges aufgrund eines geringen Praxisumfanges sei hingegen nicht vorgesehen, weshalb eine Ausnahme nach § 3 Abs. 3 BDO nicht möglich sei. Die Reduzierung des Teilnahmeumfangs aufgrund geringeren Praxisumfanges sei für Niedergelassene vorgesehen. Diese Voraussetzungen erfülle er aufgrund der Tätigkeit als Privatarzt ohne Zulassung als Vertragsarzt nicht. Eine Einteilung zu acht Diensten sei nicht unverhältnismäßig. 

Gegen den Bescheid vom 9. April 2020 legte der Kläger am 12. Mai 2020 Widerspruch ein. Er trug vor, das Abstellen auf das Fehlen eines parallelen Anstellungsverhältnisses verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Wenn bei reduziertem Umfang der privatärztlichen Praxis aufgrund einer Anstellung eine Reduktion der Teilnahme am ÄBD erfolge, müsse dies unabhängig von einer etwaigen Anstellung sein. § 3 Abs. 7 BDO sei auch auf Privatärzte anwendbar. § 3 Abs. 3 BDO verweise auf die nachfolgenden Bestimmungen. Andernfalls würden Privatärzte erheblich gegenüber Vertragsärzten benachteiligt werden. 

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2021 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, Vertragsärzte und Privatärzte hätten grundsätzlich die Möglichkeit, unter Bezug auf § 3 Abs. 7 BDO eine Reduzierung bzw. Befreiung von der Teilnahme am ÄBD zu beantragen. Am ÄBD nähmen grundsätzlich, im Umfang ihres Versorgungsauftrages, alle Arztsitze in einer ÄBD-Gemeinschaft teil. Die Einteilung eines Privatarztes erfolge in der Regel im gleichen Umfang wie die eines Inhabers eines Arztsitzes mit einem vollen Versorgungsauftrag (Faktor 1,0). Auf Antrag könne der Teilnahmeumfang bis auf den Faktor 0,25 reduziert werden, sofern eine abhängige Beschäftigung in Voll- oder Teilzeit neben einer privatärztlichen Niederlassung durch den Privatarzt nachgewiesen werde. Der Teilnahmeumfang im ÄBD könne wegen eines geringfügigen Umfangs (14 Wochenstunden) in privatärztlicher Tätigkeit aufgrund der verbindlichen Grundlage von § 3 Abs. 3 Satz 2 BDO nicht reduziert werden. Nach Entscheidung des Vorstandes vom 26. August 2019 werde eine Reduzierung der Dienstverpflichtung nur aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses berücksichtigt. Dabei erfolge die Dienstverpflichtung gestaffelt in Bezug zum zeitlichen Umfang der abhängigen Beschäftigung. Eine Ungleichbehandlung zwischen Vertragsärzten und Privatärzten sei nicht zu erkennen, soweit die Praxisausübung des Privatarztes mit der eines Vertragsarztes nachweislich vergleichbar sei. Sie habe keine Möglichkeit, den tatsächlichen Tätigkeitsumfang eines hauptberuflich Selbständigen zu überprüfen. Den Tätigkeitsumfang eines Vertragsarztes könne sie hinsichtlich des Versorgungsumfangs gemäß Zulassungsstatus und bei der Feststellung des Honoraranspruchs überprüfen bzw. die Honoraranforderungen mit der Honorarabrechnung der Kollegen der gleichen Facharztgruppe vergleichen. Selbst bei Kenntnis des jährlichen Bruttoeinkommens aus einer privatärztlichen Tätigkeit, z. B. bei Offenlegung der Bezüge im Rahmen eines Antrages auf Beitragsreduzierung, lasse sich daraus nur bedingt auf den zeitlichen Umfang der privatärztlichen Praxistätigkeit schließen. Die Einnahmen der Hauptbeschäftigung seien ihr außerdem nicht bekannt, um daraus eine Verhältnismäßigkeit zwischen Haupt- und Nebenerwerb ableiten zu können. Selbst bei einer Antragsprüfung nach § 3 Abs. 7 Sätze 2. 3 Buchstabe e) BDO sei vorrangig vor einer Entscheidung über eine vollständige oder teilweise, ggf. auch zeitlich begrenzte Freistellung zu prüfen, ob dem Arzt auferlegt werden könne, Dienste auf eigene Kosten von einem eigenständig gesuchten Vertreter wahrnehmen zu lassen. Dies sei bei dem Kläger der Fall. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die von dem Kläger vorgetragenen Gründe keine wesentlichen Auswirkungen auf seine privatärztliche Tätigkeit zu haben scheine. Damit stelle sie bei der Prüfung der Antragsgründe als Privatarzt einem vertragsärztlichen Kollegen gleich. Eine Einteilung zu 60 Dienststunden für ein Kalenderjahr sei durchaus überschaubar. Für das Jahr 2021 werde er voraussichtlich mit 54 Dienststunden berücksichtigt. 

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten nach dessen Angaben am 6. April 2021 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 28. April 2021 Klage zum Sozialgericht Marburg mit dem Begehren erhoben, ihn von der Teilnahme am ÄBD zu befreien.

Der Kläger hat vorgetragen, die grundsätzliche Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD werde nicht in Frage gestellt. Nicht durchgängig, sondern an ca. 36 Wochen jährlich fänden bei ihm Sprechstunden montags und dienstags von 13.00 bis 17.30 Uhr und mittwochs von 8.00 bis 11.30 Uhr sowie 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Sein privater Lebensmittelpunkt liege in C-Stadt. In A-Stadt habe er lediglich eine kleine Wohnung angemietet, in der er sich nur aufhalte, wenn dies aufgrund der Sprechzeiten in A-Stadt notwendig sei. Neben seiner Praxistätigkeit betreibe er ein Unternehmen, welches Weiterbildungen anbiete. Hier übe er eine umfangreiche Referententätigkeit aus. § 3 Abs. 1 BDO regele, dass Vertragsärzte in dem Umfang am ÄBD teilnähmen, indem sie zugelassen seien. Die privatärztliche Tätigkeit spiele bei diesen mithin überhaupt keine Rolle. Ein Vertragsarzt mit hälftigen Versorgungsauftrag und einer erheblichen Privatpraxis nehme am ÄBD mithin teil, als wenn dieser überhaupt keine privatärztlichen Leistungen erbringen würde. Die Beklagte gehe von einer abstrakten Annahme einer Unmöglichkeit der Überprüfung aus, ohne in eine Überprüfung einzutreten. Ungeachtet der Härtefallregelung in § 3 Abs. 7 BDO sei § 3 Abs. 1 BDO grundrechtskonform dahingehend auszulegen, dass bei einem Privatarzt, der am ÄBD teilnehme, der Umfang der privatärztlichen Praxis maßgeblich für den Umfang der Teilnahme am Bereitschaftsdienst sein müsse. Anderenfalls verstieße die Regelung gegen den durch Art. 3 Abs. 1 GG geregelten Gleichheitsgrundsatz. Aus dem Umstand einer fehlenden Anstellung abzuleiten, dass eine Reduktion ausgeschlossen sei, widerspreche dem Sinn und Zweck der gesamten BDO, die letztlich gewährleisten wolle, dass Ärzte in dem Umfang an dem ÄBD teilnähmen, indem sie an der ärztlichen Versorgung ebenfalls eingebunden würden. Wenn mit der Regelung in § 3 Abs. 2 BDO lediglich erreicht werden sollte, dass Krankenhausärzte generell nicht am ÄBD teilnehmen müssten, hätte man dies in der Regelung aufnehmen müssen. § 3 Abs. 7 BDO gelte auch für Privatärzte. Sowohl die persönliche als auch die zeitliche und im Vergleich zu seinem aus der Tätigkeit resultierenden Einkommen finanzielle Belastung stünden nicht im Verhältnis, sodass ein Befreiungsgrund vorliege. Die Dienste stellten eine zusätzliche Belastung dar, die für ihn nur sehr schwer mit seiner beruflichen Tätigkeit und der Tatsache, dass sein Hauptwohnsitz sich in C-Stadt befinde, vereinbar sei. 60 Stunden seien mehr als die durchschnittliche Anzahl der Stunden, die er im Monat als Privatarzt erbringe. Dies wäre bei einem in Vollzeit tätigen angestellten Vertragsarzt so, als würde er Bereitschaftsdienste im Umfang von 160 Stunden leisten müssen. 

Die Beklagte hat aus den Gründen des angefochtenen Widerspruchsbescheides weiterhin der Auffassung vertreten, die BDO sehe eine derartige vollständige Befreiung aus den vom Kläger genannten Gründen nicht vor. Es liege mit § 23 Nr. 2 des Hessischen Heilberufsgesetzes (HeilBG) i. V. m. § 3 BDO eine wirksame Rechtsgrundlage vor. Eine Reduzierung der Dienstverpflichtung setze ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus. Mit der Regelung des § 3 Abs. 3 BDO werde dem Umstand Rechnung getragen, dass sich ein Arzt bei einer unabhängigen privaten Beschäftigung den Umfang und den Zeitraum seiner oder ihrer Praxistätigkeit selbst einteilen könne und nicht von den Dienstvorgaben eines Vorgesetzten abhängig sei. Auch aus § 3 Abs. 7 Satz 2 und 3 BDO lasse sich kein Anspruch auf vollständige oder teilweise Befreiung des Klägers entnehmen. Die vom Kläger vorgetragenen Gründe reichten nicht aus, um eine Unzumutbarkeit der vorrangigen Vertreterregelung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 BDO anzunehmen. Der Kläger trage vielmehr selbst vor, dass er sämtliche Dienste unproblematisch auf einen stellvertretenden Kollegen habe abtreten können. Sie habe keine Kenntnis und keinerlei rechtliche und technische Möglichkeiten der Kenntniserlangung über die erzielten Umsätze oder Fallzahlen der niedergelassenen Ärzte aus ihrer jeweiligen privatärztlichen Tätigkeit. Auch könnten aus Umsätzen und Fallzahlen keine Rückschlüsse auf den Zeitfaktor der ärztlichen Tätigkeit gezogen werden. Während im Falle eines Vertragsarztes dessen Teilnahmeumfang am ÄBD anhand des Umfanges seines Versorgungsauftrages ermittelt werden könne, habe sie im Falle eines Privatarztes keine Mittel, den tatsächlichen zeitlichen Umfang der privatärztlichen Tätigkeit festzustellen und zur Grundlage des Teilnahmeumfanges am ÄBD zu machen. Grundsätzlich erfolge nach den Vorgaben der BDO die Einteilung eines Privatarztes im gleichen zeitlichen Umfang wie die eines Inhabers eines Arztsitzes mit einem vollen Versorgungsauftrag. Wenn demzufolge ein Privatarzt keiner anderweitigen Tätigkeit nachgehe, deren zeitlicher Umfang mithilfe eines Arbeitsvertrages nachweisbar sei, sei davon auszugehen, dass er zumindest in vollem Umfang privatärztlich tätig werden könne. Demgegenüber stehe der vertragsärztliche Versorgungsauftrag in seinem Umfang fest, sodass der Vertragsarzt in dessen Rahmen vertragsärztlich tätig sein müsse. Die beiden Gruppen der Vertragsärzte und der Privatärzte seien vor diesem Hintergrund nicht vergleichbar. Erst im Rückschluss aus dem nachweisbaren Umfang einer anderweitigen Beschäftigung des Privatarztes könnten vergleichbare Verhältnisse zwischen dem jeweiligen Versorgungsauftrag eines Vertragsarztes und der privatärztlichen Tätigkeit eines Privatarztes als dessen Pendant geschaffen werden. Bestehe kein Versorgungsauftrag, müsse der zeitliche Umfang der ärztlichen Tätigkeit auf anderem Wege nachweisbar ermittelt werden. Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf vollständige Befreiung. Eine solche sehe die BDO aufgrund geringfügiger privatärztlicher Tätigkeit nicht vor. Die Anzahl der Dienste - acht im Jahr 2020 -, für die der Kläger eingeteilt worden sei, sei nicht als unangemessen hoch anzusehen. 

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2022 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2021 verpflichtet, den Kläger neu zu bescheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2021 sei rechtswidrig und daher aufzuheben. Der Kläger habe aber keinen Anspruch auf vollständige Befreiung von der Teilnahme am ÄBD der Beklagten, sondern nur auf Neubescheidung seines Antrags. Die Beklagte sei grundsätzlich berechtigt, Privatärzte zur Teilnahme am ÄBD heranzuziehen. Der Umfang der Verpflichtung zur Teilnahme am ÄBD habe sich dabei aber am Umfang der privatärztlichen Tätigkeit auszurichten. Insofern sei die Vorschrift zur Reduzierung des Teilnahmeumfangs nach § 3 Abs. 3 Satz 3 der maßgeblichen Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen wegen Verstoßes gegen den Grundsatz zur Gleichbehandlung rechtswidrig. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme am ÄBD der Beklagten seit § 23 Nr. 2 HeilbG i. V. m. § 9 Abs. 3 Satz 1 und 2 BDO. § 23 Nr. 2 HeilbG verpflichte die Ärzte in eigener Praxis, was beim Antragsteller der Fall ist, am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zu beteiligen. § 24 HeilbG gestalte den verbliebenen Satzungsspielraum der Landesärztekammer weiter aus. Danach regele das Nähere zu § 23 die Berufsordnung. Sie habe insbesondere zu § 23 Nr. 2 vorzusehen, dass die Teilnahmeverpflichtung nur für einen bestimmten regionalen Bereich gelte und von ihr aus wichtigem Grund, insbesondere wegen körperlicher Behinderung oder außergewöhnlicher familiärer Belastung sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung, auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden könne. § 26 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer Hessen wieserhole die gesetzliche Verpflichtung. § 26 Abs. 1 Satz 2 BO sehe eine Befreiung von der Teilnahme vor. § 26 Abs. 1 Satz 3 BO übertrage die Entscheidungsbefugnis zur Befreiung auf die Kassenärztliche Vereinigung Hessen. § 26 Abs. 2 Satz 1 BO sehe die Geltung der BDO in einer bestimmten Fassung ausdrücklich vor. In Ausführung zu § 24 Satz 2 HeilbG gelte nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BO die Verpflichtung zur Teilnahme am ÄBD für die von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen festgelegten Bezirke des ÄBD. Von daher bedürfe es nicht zwingend einer Regelung der Landesärztekammer zur Umsetzung der Teilnahmeverpflichtung, sondern könne im Rahmen der landesgesetzlichen Vorgaben ein Privatarzt den Regelungen der BDO und der Zuständigkeit der Beklagten unterstellt werden. Mit der Änderung des § 23 HeilbG und deren Umsetzung durch § 26 BO die Organisation (auch) der Mitwirkung von Nichtvertragsärzten am Bereitschaftsdienst vollständig zu einer Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung gemacht worden. 

Der einzelne niedergelassene Arzt sei grundsätzlich verpflichtet, für die Betreuung seiner Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert (vgl. § 26 Abs. 3 BO). Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung sei nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern müsse auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein („rund um die Uhr“). Die Erfüllung dieser Aufgabe mache es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insbesondere für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Hierbei handele es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Ärzte, weshalb § 23 Nr. 2 HeilbG und § 26 Abs. 1 Satz 1 BO alle niedergelassenen Ärzte verpflichteten, am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen. 

§ 24 Abs. 1 Satz 2 HeilbG sehe eine Befreiung eines Arztes vom ÄBD nur aus wichtigem Grund bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 BO nur aus schwerwiegenden Gründen vor. Dies schütze den einzelnen Arzt, wenn schwerwiegende Gründe einer Teilnahme am ÄBD entgegenstünden, er aber dennoch seine Praxis versehen könne. Die Befreiung von der Teilnahme am ÄBD führe aber nur dazu, dass der befreite Arzt nicht selbst am ÄBD teilnehmen müsse. Der ÄBD bleibe weiterhin Aufgabe aller niedergelassenen Ärzte, so dass auch der befreite Arzt zur Finanzierung herangezogen werden könne. Die Beklagte ziehe den Kläger zum Notfalldienst nicht „als Vertragsarzt“ heran, sondern als Privatarzt, verbunden mit der Besonderheit, dass die Heranziehung formell nicht durch die insoweit eigentlich zuständige Landesärztekammer Hessen erfolgt sei, sondern auf Grundlage des Hessischen Heilberufsgesetzes durch die beklagte Kassenärztliche Vereinigung als der für die Bearbeitung des Notfalldienstes organisatorisch zuständigen Stelle. Kraft Bundesrechts obliege der Kassenärztlichen Vereinigung die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten auch zu den sprechstundenfreien Zeiten (§ 75b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V) und dürften die Versicherten in Notfällen auch Nichtvertragsärzte in Anspruch nehmen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die in Notfällen von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbrachten Notfallleistungen gälten, was das Bundessozialgericht aus dem Zusammenhang der beiden genannten Vorschriften herleitee, als im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und seien aus der Gesamtvergütung (vgl. § 85 Abs. 1 SGB V) zu honorieren. § 75 Abs. 1b Satz 3 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) v. 16.07.2015, BGBl I 2015, 1211 habe die Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung nunmehr kodifiziert. 
Die Heranziehung auch von Privatärzten durch die genannte Vorschrift und die weitergehenden Konkretisierungen durch Berufsordnung und Bereitschaftsdienstordnung sei mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar und deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Privatärzte von der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten auszunehmen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn sämtliche niedergelassene Ärzte am allgemeinen Notfalldienst teilzunehmen hätten. Auf dieser Grundlage bestimme § 3 Abs. 3 Satz 1 BDO, dass am ÄBD grundsätzlich die privat niedergelassenen Ärzte (Privatarzt) am Ort ihres Praxissitzes entsprechend ihrer Verpflichtung aus dem Hessischen Heilberufsgesetz teilnehmen. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 BDO erfolge die Einteilung eines Privatarztes in der Regel im gleichen Umfang wie die eines Inhabers eines Arztsitzes mit einem vollen Versorgungsauftrag. § 3 Abs. 3 Satz 3 BDO regele aber nur unzureichend die Möglichkeit zur Reduzierung der Teilnahmeverpflichtung bei einer bloß geringen privatärztlichen Tätigkeit. So könne nach § 3 Abs. 3 Satz 3 BDO auf Antrag der Teilnahmeumfang bis auf den Faktor 0,25 reduziert werden, sofern eine abhängige Beschäftigung in Voll- oder Teilzeit neben einer privatärztlichen Niederlassung durch den Privatarzt nachgewiesen werde. Das Absehen vom tatsächlichen Umfang der privatärztlichen Tätigkeit und das alleinige Abstellen auf das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Bezogen auf die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst sei zu berücksichtigen, dass damit die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung des Arztes - in verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässiger Weise - beschränkt werde. Soweit die Nichtvertragsärzte sich dem Regime der für die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen bestehenden Regelungen unterstellten - oder wie hier unterstellt seien -, gälten für belastende Regelungen dieselben materiell-rechtlichen Maßstäbe. Auch die Tätigkeit des Nichtvertragsarztes im organisierten Notfalldienst genieße den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG. Es bestehe die Verpflichtung der Beklagten, alle Ärzte gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen. Der einzelne Arzt habe einen Anspruch darauf, dass er, soweit es die Umstände - insbesondere die Sicherstellung der Notfallversorgung unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse - erlaubten, nicht in stärkerem Maße als andere Ärzte in gleicher Lage herangezogen werde. Insofern knüpfe § 3 Abs. 1 BDO für Vertragsärzte den Umfang der Teilnahmeverpflichtung grundsätzlich an Umfang des Versorgungsauftrags bzw. der Arztsitze. Dies ermögliche für Vertragsärzte nach dem Zulassungsrecht Differenzierungen nach einem hälftigen, dreiviertel und vollen Versorgungsauftrag, bei der Berücksichtigung von angestellten Ärzten nach Viertelversorgungsaufträgen. Bei Privatärzten werde eine entsprechende Differenzierung nur ermöglicht bei Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Im Übrigen sei der Umfang der Teilnahmeverpflichtung eines Privatarztes vollständig losgelöst vom Umfang seiner privatärztlichen Tätigkeit. Die Teilnahmeverpflichtung resultiere aber bei allen Ärzten ausschließlich aus ihrer Tätigkeit als niedergelassene Ärzte, sei es im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung oder als Privatarzt. Der Umfang einer privatärztlichen Tätigkeit könne dabei aus vielerlei Gründen sehr reduziert sein, nicht nur aus Gründen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. So könne, wie hier bei dem Kläger, eine selbständige Tätigkeit ausgeübt werden, oder es würden familiäre Aufgaben erfüllt, womit eine nur reduzierte privatärztliche Tätigkeit in Einklang stehe. Oder aber die privatärztliche Tätigkeit werde aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nur gering ausgeübt. Hinzu komme, dass bei Vertragsärzten eine weitere privatärztliche Tätigkeit ausgeübt werden könne und größtenteils werde. Insofern führten Vertragsärzte rechtlich neben der vertragsärztlichen Praxis eine privatärztliche Praxis. Während dies für die grundsätzliche Heranziehung zum ÄBD ohne Bedeutung sei, da bereits aus dem Status als Vertragsarzt diese Verpflichtung folge, führe dies aber zu einer Ungleichbehandlung, wenn der Vertragsarzt mit reduziertem Versorgungsauftrag zum ÄBD nur entsprechend in geringerem Umfang herangezogen werde, der Privatarzt aber in vollen Umfang, auch wenn der Umfang der privatärztlichen oder der ärztlichen Tätigkeit beider in gleichem Umfang stattfinde. Auch bestehe im Rahmen eines sog. Jobsharing-Verhältnisses die Möglichkeit, dass zwei Vertragsärzte mit einem Versorgungsauftrag des weiteren eine volle privatärztliche Praxis betreiben. Für ermächtigte Krankenhausärzte habe das Bundessozialgericht bereits drauf hingewiesen, dass sie durch die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst im Umfang von wenigstens 0,25 eines Versorgungsauftrages unverhältnismäßig belastet würden, wenn sie tatsächlich nur in sehr geringem Umfang als Ermächtigte tätig werden. Grundsätzlich sei einem Arzt (nur) ein Vertragsarztsitz und (nur) ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet. Für den Umfang der Heranziehung zum ÄBD seit deswegen der sich aus der Zulassung ergebende Umfang des Versorgungsauftrages maßgebend. Es würde der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtung der Beklagten, alle Ärzte gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen, widersprechen, wenn Praxen mit halbem Versorgungsauftrag und Praxen mit vollem Versorgungsauftrag in gleicher Weise zum ÄBD herangezogen würden. Aus einer Ermächtigung könne im Einzelfall auch eine ambulante Tätigkeit in sehr geringem Umfang folgen. Erziele ein Arzt aus seiner Ermächtigung weniger als 1/10 des Durchschnittsumsatzes eines Vertragsarztes, müsste er aber ein Viertel der Belastung des Bereitschaftsdienstes eines solchen Arztes auf sich nehmen, so sei es wenig naheliegend, dass ein solches Missverhältnis auch unter Berücksichtigung der Befugnis zur Pauschalierung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Soweit die Beklagte auf die Schwierigkeiten eines Vergleichs beider ärztlicher Tätigkeiten bzw. die Schwierigkeiten zur Ermittlung des Umfangs privatärztlicher Tätigkeiten hinweise, so vermöge dies nicht die dargestellte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Der Aspekt der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens könne einen solchen Gleichheitsverstoß nicht rechtfertigen. Die Beklagte habe daher den Antrag des Klägers auf Teilnahmereduzierung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Sie habe zunächst § 3 Abs. 3 Satz 3 BDO dahingehend zu korrigieren, dass eine Reduzierung der Teilnahmeverpflichtung nicht allein vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses abhänge. Maßgebend für den Umfang der Teilnahmeverpflichtung sei der Umfang der ärztlichen Tätigkeit in niedergelassener Praxis. Wie dies ermittelt werde und in welchem Umfang die Tätigkeit zur Teilnahmeverpflichtung führe, unterliege der Satzungsautonomie der Beklagten. Anhaltspunkte hierfür könnten der Umsatz und die Fallzahl bilden. Ermittlungen hierzu seien der Beklagten ohne weiteres möglich. Bereits nach geltendem Recht bestehe die Möglichkeit einer Beitragsreduzierung bei Nachweis der erzielten Gewinne vor Steuern. Auch im Rahmen der Erweiterten Honorarverteilung erfasse die Beklagte Honorarzuflüsse, die nicht im Rahmen der Gesamtvergütung an sie, sondern unmittelbar an die Vertragsärzte gezahlt würden. Hinzu komme, dass auch Vertragsärzte und in einer Berufsausübungsgemeinschaft oder einem MVZ angestellte Ärzte privatärztlich tätig sein könnten. Insbesondere soweit sie einen geringeren Versorgungsauftrag als einen vollen Versorgungsauftrag ausfüllten, werde dies zu berücksichtigen sein.

Die Klage sei aber im Übrigen abzuweisen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf vollständige Freistellung vom ÄBD der Beklagten. Er erziele erhebliche Umsätze aus seiner privatärztlicher Tätigkeit. Die Befreiungsgründe aus § 3 Abs. 7 BDO lägen nicht vor. Ausnahmen von der Teilnahmeverpflichtung könnten als Ermessensvorschrift ausgestaltet werden. Das BSG habe eine Bestimmung, nach der bei der Entscheidung über eine völlige, teilweise und zeitweilige Freistellung vom Notfallvertretungsdienst u. a. stets zu prüfen ist, ob dem Arzt aufgegeben werden kann, den Notfallvertretungsdienst auf eigene Kosten von einem geeigneten Vertreter wahrnehmen zu lassen, mit höherem Recht als vereinbar angesehen. Aus übergeordnetem Recht ergebe sich nicht, dass auf diese Prüfung zu verzichten sei, wenn der persönlichen Teilnahme am Notfallvertretungsdienst gesundheitliche Gründe entgegenstünden. Vielmehr lasse sich mit dem übergeordneten Recht vereinbaren, die Freistellung vom Notfallvertretungsdienst zusätzlich von beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Arztes, insbesondere von seinem Honorarumsatz abhängig zu machen. Das Vertragsarztrecht übertrage die ärztliche Versorgung der Versicherten denjenigen freiberuflich tätigen Ärzten, die dazu bereit seien. Mit der auf ihren Antrag hin ausgesprochenen Zulassung übernähmen die Ärzte die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung. Die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung sei nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern müsse auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein („rund um die Uhr“). Die Erfüllung dieser Aufgabe mache es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insbesondere für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Da es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Kassenärzte handelt, seien auch alle Kassenärzte zur Mitwirkung heranzuziehen, und zwar in einer alle gleichmäßig belastenden Weise. Persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes blieben dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Ein Vertragsarzt habe den Notfallvertretungsdienst, der für ihn auch eine Entlastung darstellt, zumindest solange gleichwertig mitzutragen, wie er in vollem Umfange kassenärztlich tätig sei. Die bundesrechtliche Verpflichtung aller Vertragsärzte zu einem gleichwertigen Mittragen der Belastungen infolge des ärztlichen Notfalldienstes bestehe auch für den Fall, dass einer persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gesundheitliche Gründe entgegenstünden. Eine vollständige (ersatzlose) Befreiung komme unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung (Art 3 Abs. 1 GG) nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in Frage, wenn nämlich gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem aufgrund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Habe mithin der aus gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen an der persönlichen Notdienstleistung gehinderte Arzt primär einen Vertreter zur Ableistung der ihm obliegenden Notfalldienste zu stellen, so müsse unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots dasselbe erst recht gelten, wenn ein Arzt aus anderen Gründen - wie z. B. wegen fehlender aktueller Kenntnisse und Fähigkeiten für den Notdienst - den Notfalldienst nicht persönlich erbringen dürfe. Verfüge die Kassenärztliche Vereinigung den Ausschluss eines Arztes vom Notfalldienst wegen solcher Ungeeignetheit, so enthalte dies lediglich das Verbot, den Notfalldienst persönlich zu erbringen. Seine Pflicht zum Mittragen der Belastungen des Notfalldienstes bleibe davon unberührt; deshalb müsse er auf eigene Kosten einen geeigneten Vertreter für die Durchführung der ihm obliegenden Notdienste stellen. Ausgehend von diesen Vorgaben, die aufgrund der verpflichtenden Einbeziehung in den ÄBD auch für niedergelassene Privatärzte gälten, seien die genannten Satzungsbestimmungen der Beklagten, insbesondere. § 3 Abs. 7 Satz 3 Buchst. e BDO, der allein als Befreiungstatbestand in Betracht komme, da andere Gründe nicht vorgetragen würden und auch nicht ersichtlich seien, nicht zu beanstanden. Es liege in der Sphäre des Klägers, wenn er neben seiner privatärztlichen Tätigkeit selbständig tätig sei und die Privatarztpraxis getrennt von seinem Wohnsitz betreibe. Dies müsse er sich zurechnen lassen. Besondere Härtegründe i. S. d. BDO würden in diesen Umständen nicht ersichtlich. Auch sei es ihm zumutbar, für seine Teilnahme am ÄBD ggf. einen Vertreter zu bestellen.

Gegen den den Beteiligten am 17. Februar 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 17. März 2022 Berufung eingelegt. Am 17. Juni 2022 hat der Kläger Anschlussberufung erhoben.

Die Beklagte verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und macht diesen zum Gegenstand des Berufungsverfahrens. Der Landesgesetzgeber habe mit § 23 Nr. 2 HeilbG die Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte zur Teilnahme am ÄBD und zur Kostenbeteiligung unter Beachtung verfassungsrechtlicher Grundsätze geschaffen, ihm stehe hinsichtlich des betroffenen Organisationsrecht ein weiter Gestaltungsspielraum zu. § 23 Nr. 2 HeilbG erfasse nach seiner insoweit eindeutigen Formulierung auch Privatärzte, die bereits nach der ehemaligen Notfalldienstsatzung sowie der alten Fassung der Berufsordnung der Landesärztekammer zur Teilnahme am Notdienst der Beklagten einbezogen worden seien. Die grundsätzliche Berechtigung zur Heranziehung der Privatärzte zum ÄBD sei in der ersten Instanz klägerseits auch nicht in Frage gestellt worden. 
§ 23 Nr. 2 HeilbG stelle entgegen der Auffassung des Senats eine taugliche Rechtsgrundlage dar. Bei der Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes handele es sich um Berufsausübungsregelungen, die als Teil des ärztlichen Berufsrechts grundsätzlich in die alleinige Gesetzgebungskompetenz des Landes fielen, in diesem Zusammenhang stünden die Regelung eines privatärztlichen Bereitschaftsdienstes als Teil des ärztlichen Berufsrechts. Dass der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Regelungen zur Sozialversicherung geschaffen habe, stehe dem nicht entgegen. Vielmehr stünden die bundesrechtlichen Regelungen zur Sozialversicherung neben den landesrechtlichen zum ärztlichen Berufsrecht, so dass sie sich gegenseitig ergänzten, jedoch nicht ausschlössen. Der Landesgesetzgeber sollte damit nicht in seiner Gesetzgebungskompetenz für Regelungen zum ärztlichen Berufsrechts beschränkt werden, es liege daher auch keine Kollision gemäß Art. 31 GG vor. Durch die Regelungen zur kassenärztlichen Versorgung und der Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Bezug auf die Organisation eines Bereitschaftsdienstes in § 75 SGB V sollte das ärztliche Berufsrecht nicht beregelt und die Gesetzgebungskompetenz den Ländern nicht entzogen werden. Dem Bund stünden Gesetzgebungskompetenzen für das Gesundheitswesen nur in eingeschränktem Maße zu. Auch bei weiter Auslegung des Begriffs der öffentlichen Fürsorge sei Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG nicht im Sinne einer umfassenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Gesundheitswesens zu verstehen. Vielmehr werde die Zuständigkeit des Bundes im Bereich des Gesundheitswesens in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 und Nr. 19a GG ausdrücklich eingegrenzt; hiervon abgesehen stünden den Ländern die Gesetzgebungskompetenz im Gesundheitswesen zu. Der Begriff der Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 2 GG und die Regelungen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im SGB V seien nicht allumfassend unter vollständiger Einbeziehung des ärztlichen Berufsrechts im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung zu verstehen, auch wenn eine Verschmelzung von Vertragsarztrecht und ärztlichem Berufsrecht in der praktischen Umsetzung nicht von der Hand zu weisen sei. Die Auffassung des erkennenden Senats würde dem Bundesgesetzgeber hinsichtlich des ärztlichen Berufsrechts im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung umfassende Gesetzgebungskompetenzen einräumen, was sich mit dem Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nicht vereinbaren lasse. 

§§ 23, 24 HeilbG genügten auch den Vorgaben der Wesentlichkeitstheorie, beachteten das Demokratieprinzip und griffen nicht ungerechtfertigt in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG ein. Die Vorschriften verfolgten mit der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung außerhalb der regulären Sprechzeiten einen legitimen Zweck. Die Beteiligung aller niedergelassenen Ärzte am allgemeinen Notdienst sei berufsrechtlich anerkannt. Legitimer Zweck der §§ 23, 24 HeilbG sei insbesondere die Konzentration des ÄBD und die Nutzung bereits bestehender Strukturen bei der Beklagten (vor allem auch hinsichtlich der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs als auch der weiteren Verwaltungstätigkeit). Zwar ließe sich argumentieren, dass anstelle der Regelungen in §§ 23, 24 HeilbG eine alternativ ins Leben gerufene gemeinsame Notdienstordnung von Kassenärztlicher Vereinigung und Landesärztekammer auf Satzungsebene und ohne Einführung einer entsprechenden landesgesetzlichen Regelung ein milderes Mittel darstellen würde. Allerdings würde dies die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung außerhalb der Sprechzeiten auf eine rein freiwillige Kooperation zwischen zwei Körperschaften herabsetzen. Mithilfe der §§ 23, 24 HeilbG werde die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung außerhalb der Sprechstundenzeiten auch gefördert, da die zentrale Steuerung des ÄBD durch eine Institution und die bereits vorhandenen Strukturen sowie bekannten Verwaltungswege eine verbesserte Übersicht über die landesweite Versorgung schafften, als es bei zwei parallel nebeneinander herlaufenden Bereitschaftsdiensten ohne Absprachen und Zusammenarbeit zwischen den beiden Körperschaften der Fall wäre. Demnach seien die §§ 23, 24 HeilbG auch zur flächendeckenden Sicherstellung der ärztlichen Versorgung außerhalb der Sprechzeiten geeignet. Die Regelungen der §§ 23, 24 HeilbG seien auch angemessen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen. Privatärzte seien auch ohne Änderung des HeilbG bereits berufsrechtlich zur Teilnahme am Notdienst verpflichtet gewesen. Der aus §§ 23, 24 HeilbG folgende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Privatärzte, welche ohnehin berufsrechtlich zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet seien, sei vor dem Interesse des Gemeinwohls an der Sicherstellung der ärztlichen Notversorgung außerhalb der Sprechstundenzeiten zu rechtfertigen. Es werde damit maßgeblich zum Erhalt des landesweit etablierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes beigetragen.

Das Sozialgericht gehe unzutreffend davon aus, dass die satzungsrechtliche Umsetzung hinsichtlich der Möglichkeit zur Reduzierung der Teilnahmeverpflichtung bei lediglich geringer privatärztlicher Beschäftigung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Es liege keine rechtlich relevante Ungleichbehandlung vor. Bei Privatärzten und Vertragsärzten handele es sich um unterschiedliche Gruppen, weshalb der Teilnahmeumfang am ÄBD nach unterschiedlichen Kriterien zu ermitteln sei. Mangels dem vertragsärztlichen Versorgungsauftrag entsprechenden Kriterien bei Privatärzten erfolge deren Einteilung prinzipiell im gleichen zeitlichen Umfang wie die eines Vertragsarztes mit vollem Versorgungsauftrag, denn es liege kein dem Versorgungsauftrag vergleichbarer Nachweis über den zeitlichen Umfang der privatärztlichen Tätigkeit vor. Einer zusätzlichen nebenberuflichen Tätigkeit eines Privatarztes trage § 3 Abs. 3 Satz 3 BDO Rechnung, wenn anhand des nachweisbaren Umfanges der Nebentätigkeit der tatsächliche Zeitaufwand für die privatärztliche Tätigkeit nachgewiesen werden könne. Könne die anderweitige Tätigkeit nicht durch einen Arbeitsvertrag nachgewiesen werden, da kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestehe, sei davon auszugehen, dass der Privatarzt zumindest in vollem Umfang privatärztlich tätig werden könne. Aus der Offenlegung der Bezüge der selbständigen Nebentätigkeit lasse sich nur bedingt auf den zeitlichen Umfang der privatärztlichen Nebentätigkeit schließen. Eine Ermittlung anhand der Fallzahl oder es erzielten Umsatzes hätte zur Folge, dass zum Zwecke der Gleichbehandlung auch alle Vertragsärzte Nachweise zum Umfang ihrer privatärztlichen Tätigkeit zu führen hätten. Dies würde zu immensem Verwaltungsaufwand führen und keine Garantie für verlässliche Auskünfte geben, da insoweit keine disziplinarisch verfolgbare Pflicht von Privat- und Vertragsärzten gegenüber der Beklagten bestehe. 

Entgegen der Auffassung des Klägers stelle sie – die Beklagte - bei der Unterscheidung von Privatärzten und Vertragsärzten nicht ausschließlich auf das ungleiche Element der Messbarkeit ab, sondern verweise vielmehr auf die bestehenden Unterschiede der beiden Gruppen im Rahmen ihrer Berufsausübung und der damit im Zusammenhang stehenden unterschiedlichen Kostenbelastung niedergelassener Kassenärzte einerseits und nicht niedergelassener Nichtkassenärzte andererseits. Für die Auffassung, wonach es sich bei Vertragsärzten und Privatärzten um unterschiedliche Gruppen handelte, weshalb der Umfang der Teilnahmepflicht am ÄBD nach unterschiedlichen Kriterien zu bemessen sei, spreche auch der Aspekt, dass im ÄBD der Status eines Leistungserbringers im Rahmen des Versorgungsgeschehens ein sachgerechtes Differenzierungskriterium darstelle. Dies ergebe sich auch aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018, Az. B 6 K A 50/17 R; Urteil vom 12. Mai 1993, Az. 6 RKA 33/92). Privatärzte und Vertragsärzte seien in einem ganz unterschiedlichen Umfang an der Aufbringung der Mittel zur Finanzierung für den ärztlichen Bereitschaftsdienst beteiligt, wobei die vertragsärztlichen Leistungserbringer den Großteil des Finanzbedarfs des ÄBD abdeckten. Des Weiteren betone das Bundessozialgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung den weiten Gestaltungsspielraum, der den Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Ausgestaltung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zukomme (Hinweis auf: BSG Urteil vom 6. September 2006, Az. B 6 KA 43/05 R, juris, Rn. 12 ff.). Es sei daher gerechtfertigt, den Umfang der Einbeziehung zum ÄBD von Vertragsärzte und Privatärzte nach unterschiedlichen Kriterien zu bemessen. Schließlich sei eine Teilnahmereduktion bei Vorliegen einer nicht-abhängigen Nebenbeschäftigung für Privatärzte auch nach der Gemeinsamen Notdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und der Ärztekammer Nordrhein nicht vorgesehen.
Die Beklagte regt ferner die Beiladung des Landes Hessen sowie der Landesärztekammer Hessen zum Verfahren an.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 15. Februar 2022 insoweit aufzuheben, als dass das Sozialgericht Marburg die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2021 verpflichtet hat, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag neu zu bescheiden, und die Klage insgesamt abzuweisen, 
und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen

und im Wege der Anschlussberufung, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 15. Februar 2022 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von der Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten zu befreien, hilfsweise festzustellen, dass der Kläger nicht zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten verpflichtet ist.

Der Kläger trägt vor, er wende sich mit der Anschlussberufung gegen die Verurteilung zur Neubescheidung durch das Sozialgericht, welches seiner Klage vollumfänglich hätte stattgeben müssen, weil die Beklagte grundsätzlich nicht berechtigt sei, Privatärzte zur Teilnahme am ÄBD heranzuziehen. Hierfür fehle es nach der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts an einer mit höherrangigem Recht vereinbaren Rechtsgrundlage (Hinweis auf Senatsbeschluss vom 17. März 2022 – L 4 KA 3/22 B ER). Dessen ungeachtet gehe das Sozialgericht zur Recht davon aus, dass § 3 Abs. 2 Satz 3 BDO nur unzureichend die Möglichkeit zur Reduzierung der Teilnahmeverpflichtung bei einer bloß geringen privatärztlichen Tätigkeit regele und das Abstellen auf das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstelle. Art. 3 Abs. 1 GG verlange bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart vom Gesetzgeber einen vernünftigen und einleuchtenden Grund dafür, dass er gerade auf die ungleichen Elemente eines Sachverhalts entscheidend abstelle. Es müsse ein Legitimationszusammenhang zwischen den ungleichen Elementen und der ungleichen Regelung vorhanden sein (Hinweis auf BVerfGE 83, 89, 107f). Die Beklagte stelle auf das ungleiche Element der „Messbarkeit“ des Umfangs der ärztlichen Tätigkeit ab, es sei jedoch kein vernünftiger, einleuchtender Grund erkennbar, warum gerade hierauf entscheidend abgestellt werden sollte, da die ärztliche Tätigkeit als solches im Vordergrund stehe und es nicht darauf ankommen könne, ob der Umfang der Tätigkeit messbar sei. Die nach Ansicht der Beklagten fehlenden Instrumente für die Feststellung des Tätigkeitsumfangs bei Privatärzten vermöchten jedenfalls keinen solchen Grund darzustellen, der einen Grundrechtseingriff rechtfertigen könne. Nur die fehlende Lösung für eine Ungleichbehandlung könne diese nicht rechtfertigen. Der Kläger verweist weiterhin vollumfänglich auf seinen bisherigen Vortrag.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig und hinsichtlich des Hilfsantrags begründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht erkannt, dass der Bescheid der Beklagten vom Bescheid vom 9. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2021 rechtswidrig ist, den Kläger in seinen Rechten verletzt und deshalb aufzuheben war. Der Kläger hat indessen keinen Anspruch auf die Befreiung von der Teilnahme an dem Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Beklagten, denn dies würde seine rechtswirksame Einbeziehung in den ÄBD der Beklagten voraussetzen, an der es fehlt. Es war indessen auf den Hilfsantrag des Klägers auf seine Anschlussberufung festzustellen, dass er zur Teilnahme am ÄBD nicht verpflichtet ist.

Der Zulässigkeit der Anschlussberufung steht die Rechtskraft des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Marburg vom 15. Februar 2022, welches die Verpflichtungsklage des Klägers abgewiesen hat, wogegen der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt hat, nicht entgegen, denn die im Wege der Anschlussberufung des Klägers erfolgte Erweiterung der kombinierten Anfechtungs- und Bescheidungsklage (§ 54 Abs. 1 i. V. m. § 131 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG) auf die – bereits erstinstanzlich und nunmehr im Hauptantrag verfolgte – kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist zulässig und führt zur Ausschaltung des Verbots der reformatio in peius zu Gunsten des Klägers (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 143 SGG [Stand: 15. Juni 2022], Rn. 23). Die auch im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nach § 202 SGG i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung (ZPO) mögliche Anschlussberufung (allg. M. vgl. insoweit ausführlich: BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017, B 8 SO 12/16 R m.w.N., zitiert nach juris) ist kein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner (hier: der Kläger) innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers (hier: der Beklagten) an dessen Rechtsmittel anschließt. Sie bietet die Möglichkeit, die vom Berufungskläger angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts auch zu seinen, des sich Anschließenden, Gunsten ändern zu lassen, ohne dass insoweit eine Beschwer vorliegen müsste (stRspr. BSG, vgl. grundlegend: Urteil vom 26. Oktober 2017, B 8 SO 12/16 R m.w.N., zitiert nach juris und Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, Stand: 13. Mai 2019, § 143 SGG Rdnr. 22). Mit ihr können aber nicht Ansprüche zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt werden, die von der Berufung gar nicht erfasst werden. Anderenfalls liegt kein Fall einer „Anschließung“ an das eingelegte Rechtsmittel vor. Für die Zulässigkeit der Anschlussberufung ist es deshalb erforderlich, dass sie den gleichen prozessualen Anspruch wie die Hauptberufung betrifft (stRspr. BSG, vgl. Urteile vom 10. Februar 2005, B 4 RA 48/04 R, zitiert nach juris und vom 23. Juni 1998, B 4 RA 33/97 R, zitiert nach juris; s. auch Senatsurteil vom 16. Februar 2022 – L 4 KA 59/19 –, Rn. 47, juris).

Der Maßstab für die Beurteilung, ob der gleiche prozessuale Anspruch betroffen ist, ergibt sich in Anwendung von § 99 Abs. 3 SGG. In Fallkonstellationen, in denen eine Änderung des Klageantrags denselben Klagegrund betrifft, eine der in § 99 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 SGG genannten Voraussetzungen vorliegt und deshalb die Antragsänderung im Sinne dieser Vorschrift nicht als Klageänderung anzusehen ist, führt die Anschlussberufung keinen im genannten Sinne neuen Streitgegenstand in das Verfahren ein (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017, B 8 SO 12/16 R m.w.N., zitiert nach juris; Senatsurteil vom 16. Februar 2022 – L 4 KA 59/19 –, Rn. 48, juris). Vorliegend verbleibt die Anschlussberufung innerhalb des der Berufung der Beklagten zugrunde liegenden Sachverhalts (Klagegrund) und stellt der hiermit erfolgte Übergang von einer Bescheidungs- zu einer Verpflichtungsklage keine Klageänderung i. S. v. § 99 Abs. 1 SGG dar (vgl. Braun in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 40 [Anfechtungs- und Verpflichtungsklage], Rn. 78). Dies ergibt sich schon daraus, dass der Bescheidungsantrag regelmäßig in der in dieselbe Richtung weisenden Verpflichtungsklage als Minus enthalten ist (BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 6 B 47/06 –, Rn. 13, juris; vgl. auch Clemens in: juris-PK SGB V, 2. Auflage 2012, § 95 Rn. 375). Ebenso privilegiert ist der ohne Änderung des Klagegrundes hilfsweise erhobene Feststellungsantrag nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1998 – B 1 A 1/96 R –, BSGE 83, 118f, Rn. 17 juris, s. auch Schmidt in: Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 13. Aufl. 2020, § 99 Rn. 4, 4a).

Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und insbesondere fristgerecht am 28. April 2021 innerhalb eines Monats nach dem Zugang des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2021 am 6. April 2021 beim Sozialgericht Marburg erhoben worden.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet, der Bescheid vom 9. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil ihm eine Rechtsgrundlage fehlt. Das von der Beklagten als Rechtsgrundlage herangezogene Normgeflecht aus Landesberufsrecht und Vertragsarztrecht auf Bundesebene – § 23 Nr. 2 Gesetz über die Berufsvertretungen, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jubendlichenpsychtherapeuten (Heiberufsgesetz – HeilbG) i. d. F. vom 7. Febraur 2002 (GVBl I 2003, 66, 242), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 3. Mai 2018 (GVBl I 2018, 82) i.V.m. § 26 Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) i.V.m. § 3 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (BDO) – ermächtigt die Beklagte nach Wortlaut und Systematik bereits nicht zum Erlass belastender Satzungsregelungen gegenüber Privatärzten (1.). Die vertragsarztrechtliche Ermächtigungsgrundlage ist hierfür nicht hinreichend (2.). Zudem entfalten Umfang und Regelungsdichte des Vertragsarztrechts insoweit eine Sperrwirkung, die keinen Raum für landesrechtliche Regelungen ohne bundesrechtliche Öffnungsklausel haben (3.). Schließlich hegt der Senat weiterhin Bedenken an der Vereinbarkeit von §§ 23, 24 HeilbG mit Art. 12 Abs. 1 GG und den aus Art. 20 Abs. 2 GG folgenden Grenzen zur Ermächtigung von Selbstverwaltungskörperschaften zum Erlass von belastenden Verwaltungsakten gegenüber Nichtmitgliedern (4.).

1. a) Der streitgegenständliche Verwaltungsakt der Beklagten wird auf § 3 Abs. 3 S. 1, Abs. 7 BDO in der von der Vertreterversammlung am 25. Mai 2013 beschlossenen Fassung und durch den Beschluss der Vertreterversammlung vom 30. März 2019 (a. F.) geänderten Fassung gestützt, wobei der Regelungsgehalt von § 3 Abs. 7 BDO in der aktuellen Fassung der BDO vom 11. Dezember 2021 (n. F.) nunmehr wort- und inhaltsgleich in § 3 Abs. 8 BDO gregelt ist.
§ 3 Abs. 3 S. 1 BDO (Überschrift: Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst) hat folgenden Wortlaut: „Am ÄBD nehmen grundsätzlich die privat niedergelassenen Ärzte (Privatärzte) am Ort ihres Praxissitzes entsprechend ihrer Verpflichtung aus dem hessischen Heilberufsgesetz teil.“
§ 3 Abs. 7 BDO a. F. bzw. § 3 Abs. 8 n. F. lautet:
„Vorrangig vor einer Befreiung von der Teilnahme am ÄBD hat sich ein Arzt eigenständig und zu eigenen Lasten einen geeigneten Vertreter zu suchen. Eine ggf. befristete, teilweise bzw. vollständige Befreiung von der Teilnahme am ÄBD kann auf schriftlichen Antrag von der KVH ausgesprochen werden. Befreiungsgründe können sein:
a) gesundheitliche Gründe (Krankheit oder Behinderung), so dass der Arzt nicht zur Teilnahme am ÄBD in der Lage ist, und dies wesentliche Auswirkungen auf seine sonstige tägliche vertragsärztliche Tätigkeit hat
b) die Vollendung des 65. Lebensjahres
c) Schwangerschaft für Ärztinnen ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft und bis zu 12 Monate nach der Entbindung sowie für weitere 24 Monate, soweit nicht der andere Elternteil die Versorgung des Kindes gewährleistet
d) Elternzeit für Ärztinnen und Ärzte ab dem Tag der Geburt des Kindes für einen Zeitraum von 36 Monaten, soweit nicht der andere Elternteil die Versorgung des Kindes gewährleistet
e) sonstige im Einzelfall darzulegende, schwerwiegende Gründe, aufgrund deren eine Teilnahme am ÄBD auf Zeit oder dauernd nicht zugemutet werden kann“
Soweit § 3 Abs. 3 S. 1 BDO auf das HeilbG Bezug nimmt, bestimmt zunächst § 2 Abs. 1 Nr. 1 HeilbG, dass den Kammern als Berufsangehörige alle Ärztinnen und Ärzte, die in Hessen ihren Beruf ausüben, angehören. Sodann heißt es in § 23 Nr. 2 HeilbG in der Fassung vom 19. Dezember 2016 (GVBl. 2016, 329):
„Die Kammerangehörigen, die ihren Beruf ausüben, haben insbesondere die Pflicht, (…)
2. soweit sie als Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in eigener Praxis tätig sind, am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung zu beteiligen, (…).“
§ 24 HeilbG bestimmt weiter, dass das Nähere zu § 23 HeilbG die Berufsordnung regelt. Diese hat gemäß § 24 S. 2 HeilbG insbesondere zu § 23 Nr. 2 HeilbG vorzusehen, dass die Teilnahmeverpflichtung nur für einen bestimmten regionalen Bereich gilt und von ihr aus wichtigem Grund, insbesondere wegen körperlicher Behinderung oder außergewöhnlicher familiärer Belastung sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung, auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden kann.
Die hierzu als Satzung ergangene Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 26. März 2019 (HÄBL 6/2019, Seite 396) sieht zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst in § 26 folgende Regelungen vor:
Abs. 1: „Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, am ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen. Auf Antrag einer Ärztin oder eines Arztes kann aus schwerwiegenden Gründen eine Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ganz, teilweise oder vorübergehend erteilt werden. Die Befreiung wird, bei Vorliegen eines Befreiungsgrundes auch für die nicht vertragsärztlich tätigen Mitglieder der Landesärztekammer Hessen auf Antrag von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen erteilt.“
Abs. 2: „Für die Einrichtung und Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Einzelnen ist für alle nach § 23 des Heilberufsgesetzes verpflichteten Berufsangehörigen die Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der von der Vertreterversammlung am 25. Mai 2013 beschlossenen Fassung, in Kraft getreten am 1. Oktober 2013, zuletzt geändert am 27. Oktober 2018, maßgebend. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst gilt für die von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen festgelegten Bezirke des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes.“ (…)
b) §§ 23, 24 HeilbG und § 26 BO regeln nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut zwar eine Pflichtenstellung der Privatärzte zur Teilnahme am ÄBD und zu einer entsprechenden Kostenbeteiligung, nicht aber eine Satzungsbefugnis der Beklagten zum Erlass belastender Regelungen zur Ausgestaltung der Teilnahmepflicht und zur Erhebung von Beiträgen gegenüber Nichtmitgliedern.
§ 23 Nr. 2 HeilbG i.V.m. § 26 BO i.V.m. der Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten sollen ersichtlich bewirken, dass die Beklagte und nicht die Landesärztekammer Privatärzte zum Bereitschaftsdienst und seiner Finanzierung heranziehen kann. Durch die landesgesetzliche Regelung soll die Landesärztekammer ermächtigt und verpflichtet werden, ihre ihr kraft § 23 Nr. 2 HeilbG zugewiesene berufsrechtliche Zuständigkeit zur Verpflichtung der Ärzte zum Bereitschaftsdienst nicht selbst auszufüllen (vgl. im Unterschied dazu § 26 Musterberufsordnung), sondern vielmehr in der Berufsordnung eine verpflichtende Einbeziehung in den Bereitschaftsdienst der Beklagten zu regeln. Wenngleich klärungsbedürftig erscheint, ob hiermit Zuständigkeiten, Aufgaben oder Befugnissen delegiert werden sollen, so soll mit der Neuregelung doch ein mehrseitiges Rechtsverhältnis geschaffen werden, in dem Befugnisse und Pflichten jeweils der Ärztekammer gegen über den (Privat-)Ärzten und der Beklagten gegenüber Privatärzten zu unterscheiden sind. Daher folgt allein aus der Pflicht der Ärzte zur Teilnahme und Kostentragung nicht eine Rechtssetzungsbefugnis der Beklagten zur Konkretisierung dieser Pflichten.
Offenbleiben kann, ob die Regelungen zu einer Delegation im verwaltungsorganisationsrechtlichen Sinne führen, nämlich der Übertragung einer Zuständigkeit oder Befugnis von einem an sich zuständigen Rechtsträger (Delegant) auf einen anderen Rechtsträger (Delegatar) zur Ausübung in eigenem Namen (Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts I, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 48; im Einzelnen auch zu den Unschärfen des Begriffs: Reinhardt, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 2006, S. 20 ff.). Denn welche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit und den Inhalt der Delegation oder an jede andere Übertragung bzw. Zuweisung von Zuständigkeiten oder Befugnissen zu stellen sind, folgt nicht aus der verwaltungsorganisationsdogmatischen Zuordnung, sondern allein aus dem positiven Recht (Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (119)). Aus einem möglichen Regelungswillen zur Delegation folgt mithin nichts für die Auslegung von § 23 Nr. 2 HeilbG i.V.m. § 26 BO, was die Übertragung von Befugnissen anbelangt. Auch die Anforderungen des höherrangigen Rechts (dazu I.3. und 4.) müssen sowohl die Normen erfüllen, mit denen die berufsausübungsrechtliche Pflichtenstellung verlagert werden soll, als auch die Normen, mit denen die „neue“ Pflichtenstellung der Privatärzte gegenüber der Beklagten ausgefüllt werden soll.
Die genannten Vorschriften regeln allein Pflichtenstellungen zur Teilnahme und zur Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten. Es fehlen aber korrespondierende Ermächtigungen zum Erlass entsprechenden Satzungsrechts oder sonstiger autonomer Rechtsnormen der Beklagten. So erklärt § 26 Abs. 2 BO die Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten für „maßgebend“ und setzt damit eine Rechtssetzungsbefugnis der Beklagten auf anderer Grundlage voraus.

2. Die vertragsarztrechtlichen Rechtssetzungskompetenzen der Beklagten ermächtigen nicht zum Erlass von Regelungen einer Bereitschaftsdienstordnung, die an Privatärzte adressiert sind.
Bei der Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes handelt es sich um Berufsausübungsregelungen, die im Unterschied zum Berufszulassungsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) grundsätzlich in die alleinige Zuständigkeit der Länder fallen. Allerdings wird aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Sozialversicherung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu Recht abgeleitet, dass dem Bund die Kompetenz zur Regelung eines Bereitschaftsdienstes für den Bereich der Vertragsärzte als spezielle vertragsarztrechtliche Berufsausübungsregel eingeräumt ist (BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 40/07 RNZS 2009, 338, Rn. 27; Sachs/Degenhart, GG, 9. Aufl. 2021, Art 74 Rn. 58; Schnapp/Nolden, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017, § 4 Rn. 2; Rixen, VSSR 2007, 213 (225); differenzierend Sodan, NZS 2001, 169 (171)). Das hat zur Folge, dass bezüglich der Einrichtung eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes zunächst eine überwiegend deckungsgleiche Bundes- und Länderkompetenz besteht. Die Kompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bezieht sich indes allein auf die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen und damit auf diejenigen Ärzte beschränkt, die nach den §§ 95 ff SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Demgegenüber erstreckt sich die Länderkompetenz auf alle niedergelassenen Ärzte und damit auch die von der Bundeskompetenz erfassten Vertragsärzte, die zahlenmäßig den weit überwiegenden Anteil der in Deutschland niedergelassenen Ärzte ausmachen. Trotz der weitflächigen Überschneidung beim Adressatenkreis handelt es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Materien, nämlich einmal um den Bereitschaftsdienst als Teil der Sozialversicherung, für den der Bund die Gesetzeskompetenz hat, und zum anderen den Bereitschaftsdienst als Teil des ärztlichen Berufsrechts, der in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt (vgl. hierzu Rink, Die Pflicht zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst, 2020, S. 64 ff, 82, 83; vgl. auch BSG, Beschlüsse vom 5. Mai 2021 – B 6 SF 3/20 R – u.a., juris Rn. 38 f). 
Die Ermächtigung zur Heranziehung zum Bereitschaftsdienst der Beklagten folgt für Vertragsärzte im Wege des Satzungsrechts oder sonst autonomer Grundlage aus § 75 Abs. 1b Satz 1 SGB V (zuvor § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F.). Teil des Sicherstellungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ist die Versorgung auch zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst). Die Rechtssetzungsautonomie der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts folgt aus §§ 77 Abs. 5, 81 SGB V. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgt die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst allerdings nicht aus der Satzungsgewalt der KÄV, sondern aus dem Zulassungsstatus des Arztes (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R –, juris Rn. 29 m.w.N.) Die Zulassung ist ein statusbegründender Akt, der eine höchstpersönliche Rechtsposition des Vertragsarztes schafft. Mit der Zuteilung dieses Status ist die Berechtigung und Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie die Teilnahme an der Honorarverteilung notwendig verbunden. Mit der Zulassung als Vertragsarzt hat sich der Arzt freiwillig einer Reihe von Einschränkungen seiner ärztlichen Berufsausübung unterworfen, die mit der Einbeziehung in ein öffentlich-rechtliches Versorgungssystem notwendig verbunden sind. Zu diesen der Berufsausübung im vertragsärztlichen Bereich immanenten Einschränkungen gehört auch die Pflicht zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst, ohne den eine ausreichende Versorgung der Versicherten nicht gewährleistet ist. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst hat der Gesetzgeber als Annex zur Niederlassung in freier Praxis ausgestaltet. Der auf Antrag verliehene Status der Zulassung bedingt grundsätzlich, in zeitlicher Hinsicht umfassend – d.h. auch in Zeiten außerhalb der Sprechstunden – für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Durch den von der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten Bereitschaftsdienst wird der Arzt in die Lage versetzt, dieser Verpflichtung nachzukommen, ohne „rund um die Uhr“ persönlich verfügbar zu sein. Mit der Ausgestaltung und Organisation dieses Bereitschaftsdienstes wird die Kassenärztliche Vereinigung ihrer Verpflichtung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch zu den sprechstundenfreien Zeiten gerecht. Dem entspricht die Pflicht der in freier Praxis tätigen zugelassenen Ärzte und zugelassenen medizinischen Versorgungszentren (nicht aber unmittelbar der dort angestellten Ärzte) zur Teilnahme an diesem Bereitschaftsdienst (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12 R – juris Rn. 14 m.w.N.; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R – juris Rn. 29 mwN). Erst die Anknüpfung an den Status als Bündel von gesetzlich genau geregelten Verpflichtungen aus dem Sicherstellungsauftrag rechtfertigt es zudem, aufgrund der sonst eher unbestimmten Regelungen zur Rechtssetzungskompetenz der Beklagten im Bereich der Regelung des Bereitschaftsdienstes, die Vertragsärzte (zu den Anforderungen an eine berufsrechtliche Regelung des Bereitschaftsdienstes siehe nachfolgend unter 3. und 4.) einer derart in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG eingreifenden Pflicht zu unterwerfen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R –, juris Rn. 29-32; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1982 – 3 C 21/81 –, juris Rn. 25 f.; a.A. Rink, a.a.O: S. 116 ff.; ders. SGb 2020, 290 (291 f.) bezüglich der Verpflichtung des Vertragsarztes). Infolge dieser Konstruktion ist die Satzungsgewalt oder Rechtssetzungskompetenz der Beklagten von vornherein auf die Konkretisierung der Rechte und Pflichten des Bereitschaftsdienstes bezüglich der Vertragsärzte beschränkt (vgl. im Umkehrschluss BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R –, juris Rn. 28 und 33). Eine allein von der Beklagten ohne Beteiligung der Landesärztekammer erlassene Bereitschaftsdienstordnung kann Privatärzte nicht verpflichten (zum beim MVZ angestellten Arzt ausdrücklich BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12 R – juris Rn. 13).
Aufgrund Bundesrechts ist eine Kassenärztliche Vereinigung mithin nicht berechtigt, über Satzungsrecht den Kreis der zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichteten Ärzte zu erweitern, vielmehr bedürfte es hierfür einer bundesrechtlichen Öffnung auf sozialversicherungsrechtlicher Kompetenzgrundlage, um das in §§ 95, 75 SGB V angelegte Junktim mit dem Zulassungsstatus aufzulösen und gerade der Beklagten die Möglichkeit zu geben, Nichtvertragsärzte heranzuziehen. Anderenfalls würde die Satzung einen Personenkreis in den Bereitschaftsdienst einbeziehen, der gesetzlich nicht zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung verpflichtet ist. Damit würde die Kassenärztliche Vereinigung aus bundesrechtlicher Perspektive den Rahmen einer zulässigen Ausgestaltung überschreiten (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12 R – juris Rn. 21, für den Bereich eines in einem medizinischen Versorgungszentrum angestellten Arztes). In diesem Zusammenhang hat das BSG auch einen intensiven Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Arztes sowie mit Art. 3 Abs. 1 GG diskutiert (BSG, a.a.O., juris Rn. 22, 23).

3. Der Umfang und die Regelungsdichte, mit der der Bundesgesetzgeber im Vertragsarztrecht von seiner Gesetzgebungskompetenz aus § 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Gebrauch gemacht hat, sperren eine einseitige landesrechtliche Erweiterung der Aufgaben und Befugnisse der Kassenärztlichen Vereinigung um den privatärztlichen Bereitschaftsdienst.
a) Eine solche Sperrwirkung folgt nach Art. 72 Abs. 1 GG für den Bereitschaftsdienst aus dem abschließenden Gebrauchmachen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund im Bereich des Vertragsarztrechts (so Bayerischer VGH, Urteil vom 6. Juli 1978 – Nr. 171 XI/76, NJW 1979, 614 (615)). 
Die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 – 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20 –, juris, „Berliner Mietendeckel“) betont, dass das Grundgesetz – von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen – eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder enthält. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Hat der Bund einen Gegenstand nach seinem Willen abschließend geregelt, tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung der Länder in diesem Sachbereich unabhängig davon ein, ob diese den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreitet, sie ergänzt oder lediglich (deklaratorisch) wiederholt (BVerfG a.a.O., Rn. 89). Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder zur Gesetzgebung somit nur befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat. Zur Bestimmung des abschließenden Charakters sind nicht nur der Wortlaut des Bundesgesetzes selbst zu würdigen, sondern auch der dahinterstehende Regelungszweck, die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien; ob die bundesgesetzliche Regelung abschließend ist, ist materien- und nicht zielbezogen zu bestimmen (BVerfG a.a.O., Rn. 92). Den Ländern verbleibt trotz der vom Grundgesetz verwandten Regelungstechnik eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses zugunsten der Länder (lediglich) eine sog. Residualkompetenz (BVerfG a.a.O, Rn. 97), deren konkrete Reichweite sich nach der Subtraktionsmethode bemisst.
Hiernach erfährt die von der Beklagten in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gestellte Doppelnatur des Bereitschaftsdiensts als Berufsausübungsregelung aus Sicht der Privatärzte und vertragsarztrechtliche Statuspflicht aus Sicht der Vertragsärzte eine hier bedeutsame Begrenzung:

Zwar sind aus rein historischen Gründen die Kassenärztliche Vereinigungen nicht zuletzt wegen ihres vorherigen Bestehens als landesunmittelbare Körperschaften des Öffentlichen Rechts errichtet worden (Schiller, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017, Rn. 10 ff.), so dass sie als behördliche Adressatin eines berufsrechtlichen oder gefahrenabwehrrechtlichen Notdienstes der Privatärzte nicht von vornherein ausscheiden. Bezüglich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist aber hinreichend geklärt, dass das Vertragsarztrecht des SGB V sowie davon abgeleitetes Recht ihre Aufgaben und Befugnisse bundesrechtlich grundsätzlich abschließend regelt; der Bereich möglicher landesrechtlicher Aufgabenzuweisungen verbleibt allein im Rahmen des Art. 4 § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) vom 17. August 1955 (BGBl I 513; dazu BSG, Urteil vom 16. Juli 2008 – B 6 KA 38/07 R –, BSGE 101, 106-130, SozR 4-2500 § 85 Nr. 43, juris Rn. 35 zur Honorarverteilung; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 30. Januar 2019 – L 4 KA 86/14 – juris, Rn. 58). Hiernach bleiben nur landesrechtliche Regelungen über die Altersversorgung der Kassenärzte unberührt. Dieser Bereich ist hier eindeutig nicht eröffnet.

Aus dem eindeutigen Wortlaut von Art. 4 § 1 Abs. 2 GKAR, insbesondere der Komplettaufhebung des vorherigen Bundes- und Landeskassenarztrechts im Übrigen folgt der Charakter des Vertragsarztrechts als abschließend geregelter Materie, mit Ausnahme des Rechts der Altersversorgung. Dieser grundsätzlich abschließende Charakter wird durch § 69 SGB V hinsichtlich der materiell-rechtlichen Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten bestätigt. Konsequent fordert § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Bildung der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Erfüllung „der ihnen durch dieses Buch übertragenen Aufgaben der vertragsärztlichen Versorgung“ (Hervorhebung des Senats). Diese Formulierung spricht für eine Erstreckung der Sperrwirkung dergestalt, dass gerade die Aufgaben- und Befugnisverleihung an die Kassenärztliche Vereinigung durch das Sozialgesetzbuch abschließend ist. 

Diese Sperrwirkung erfasst auch den Regelungsbereich von §§ 23, 24 HeilbG. Das mit §§ 23, 24 HeilbG etablierte Regelungskonzept stellt sich nicht als Befugnisübertragung innerhalb der Selbstverwaltung der freien Berufe oder als landesrechtliche Regelung der Gesundheitsfürsorge dar, sondern – ungeachtet der Ausführungen unter 1. – gerade als Erstreckung der Aufgaben und Befugnisse der Kassenärztlichen Vereinigung auf Nichtmitglieder dergestalt, dass sie in den Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung verpflichtend einbezogen werden sollen. Begründet wird kein Kooperationsverhältnis von Landesärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung, sondern die Einbeziehung der Privatärzte in Pflichtenstellungen, die durch die Kassenärztliche Vereinigung begründet werden sollen. Die durch §§ 23, 24 HeilbG und § 26 BO begründete Pflichtenstellung der Privatärzte stellt sich auch nicht als eigenständiges Berufsrecht unter dem Dach der Kassenärztlichen Vereinigung dar, sondern als Teilnahme- und Kostenbeteiligungspflicht „am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen“ der als solcher von den Regelungen der §§ 23, 24 HeilbG und § 26 BO vorausgesetzt, aber gerade nicht geregelt wird. Dies hat zur Folge, dass sich der Vollzug des Bereitschaftsdienstes gemäß § 75 Abs. 1b SGB V nach Einbindung der Privatärzte als deutlich verändert darstellt, allein dadurch, dass Nichtvertragsärzte organisatorisch einzubinden sind (zum Indiziencharakter einer modifizierenden Wirkung des Landesgesetzes auf den Vollzug des Bundesgesetzes hinsichtlich der Sperrwirkung siehe BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 – 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20 –, juris Rn 90, „Berliner Mietendeckel“). Das mit Ausnahme der Erweiterten Honorarverteilung abschließend bundesgesetzlich geregelte Vertragsarztrecht sperrt also ein einseitig landesrechtliches Aufdrängen von Aufgaben und Befugnissen auf eine Selbstverwaltungskörperschaft, die ihre Daseinsberechtigung allein aus dem Vertragsarztrecht begründet. Die Erstreckung der Sperrwirkung auf die hiesige Materie ist also auch vor dem Hintergrund der Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse von Landesärztekammer und Kassenärztlichen Vereinigung als Selbstverwaltungskörperschaften konsequent. 

Dem hessischen Landesgesetzgeber ist es mithin verwehrt, unter Berufung auf eine Landesgesetzgebungskompetenz für die Berufsausübungsregelungen der freien Berufe oder die öffentliche Gesundheitsfürsorge implizit Aufgaben und Befugnisse der Kassenärztlichen Vereinigung zu regeln (so wohl auch VG Gießen, Urteil vom 20. Oktober 2010 – 21 K 3235/09BeckRS 2010, 56305; Lippert, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, 6. Aufl. 2015, § 26 Rn. 10). Hiervon ging auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 9. Juni 1982 – 3 C 21/81 – juris Rn. 27, zur Gemeinsamen Notdienstordnung durch Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung in Nordrhein-Westfalen aus: „An den Zuständigkeiten will und kann die gemeinsame Notfalldienstordnung nichts ändern, so daß rechtsstaatliche Bedenken auch unter diesem Gesichtspunkt nicht bestehen.“ 
Ermöglicht werden kann eine Delegation oder jede andere Aufgaben- und Befugnisübertragung allenfalls dann, wenn das Gesetz, das kompetenzgerecht die Aufgaben und Befugnisse der aufnehmenden Körperschaft, also der Kassenärztlichen Vereinigung regelt, eine entsprechende Öffnungsklausel vorsieht. So ermöglicht beispielsweise § 1 Abs. 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) eine Übertragung von Aufgaben auf die Industrie- und Handelskammern durch Landesgesetz. Eine solche Regelung im Vertragsarztrecht fehlt hier. 
b) Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Oktober 1992 – 6 RKa 2/92SozR 3-2500 § 75 Nr. 2, zitiert nach juris, kann unter einem organisationsrechtlichen Blickwinkel kein großzügigerer Maßstab herausgelesen werden. Eine Aufteilung der Zuständigkeit für die Entscheidung über Anträge niedergelassener Kassenärzte auf Befreiung vom Notfalldienst dahingehend, dass über den Antrag die Ärztekammer und über den Widerspruch die Kassenärztliche Vereinigung entschieden, sei hiernach zulässig. Dortige Rechtsgrundlage war indes eine gemeinsame Notdienstordnung von Ärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung; das Bundessozialgericht betonte ausdrücklich, dass in der o. g. Regelung gerade keine Zuständigkeitsübertragung oder Zuständigkeitsbegründung enthalten gewesen sei (a.a.O., Rn. 17).
c) Selbst wenn dem Senat nicht in den Ausführungen unter 1. gefolgt werden sollte, so wäre jede erweiternde Auslegung oder auch eine alleinige Nachbesserung des Landesgesetzgebers im Sinne einer Satzungsermächtigung der Beklagten im Ergebnis gesetzgebungskompetenzwidrig.

4. Darüber hinaus stellen §§ 23, 24 HeilbG auch keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die von der Beklagten erlassenen Regelungen in § 3 Abs. 1 BDO dar, soweit sie die Landesärztekammer verpflichten sollen, ihrerseits eine Verpflichtung der Nichtvertragsärzte zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst der Beklagten auszusprechen. Der hessische Gesetzgeber hat mit § 23 Nr. 2 HeilbG eine eigenständige, über das allgemeine ärztliche Berufsrecht hinausgehende Regelung getroffen. Er hat die seit Jahrzehnten normierte generelle Verpflichtung aller in niedergelassener Praxis tätigen Ärzte zur Mitwirkung an der Notfallversorgung in dreifacher Hinsicht konkretisiert und erweitert. Zunächst dadurch, dass sich auch die niedergelassenen Ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, an dem von der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten Bereitschaftsdienst beteiligen müssen. Weiter ist der Landesärztekammer in der Berufsordnung die Möglichkeit genommen worden, einen eigenen Dienst zu organisieren, mit der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Verabschiedung einer BDO zusammenzuwirken und auf die einzelfallbezogene Einteilung von Ärzten – etwa durch das Erfordernis eines Einvernehmens bei Privatärzten – Einfluss zu nehmen (vgl. BSG, Beschlüsse vom 5. Mai 2021 – B 6 SF 3/20 R u.a. –, juris Rn 36). Drittens zielt die Regelung – wenn auch nicht durchgreifend (siehe I.1. und II.2.) – darauf ab, auch Nichtvertragsärzte im Rahmen einer Abgabe zur Finanzierung des Dienstes verpflichtend heranzuziehen.
a) Im Hinblick auf die am Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zu messende Eingriffsintensität erfüllt die Regelung in § 23 HeilbG nicht die notwendigen Mindestanforderungen für eine Einbindung von Privatärzten in den Bereitschaftsdienst der Antragsgegnerin. Die Berufspflicht, an einem Notdienst teilzunehmen, stellt für den Arzt einen erheblichen Eingriff in seine berufliche Betätigung dar. Neben der eigentlichen Dienstzeit an den Abenden, an den Wochenenden und an Feiertagen wird dem Arzt auch die Verpflichtung auferlegt, sich laufend so fortzubilden, dass er auch den Dienst als Notarzt ausüben kann. Diese erhebliche Bedeutung der Notdienstpflicht erfordert es unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, dass der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen für die Pflichtteilnahme sowie die Bedingungen, unter denen Befreiung zu erteilen ist, zumindest in den Grundzügen festlegt. Die notwendige Tiefe einer gesetzlichen Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 12. Dezember 1972 – I C 30.69NJW 1973, 576 (577) näher konkretisiert: 
„Einer gesetzlichen Regelung bedarf zunächst die Bestimmung des teilnahmepflichtigen Personenkreises, also die Regelung darüber, welche Arztgruppen grundsätzlich heranzuziehen sind. Herkömmlicherweise wird der ambulante Notfalldienst nur von den niedergelassenen, freipraktizierenden Ärzten versehen, während die in den Krankenanstalten tätigen Ärzte im Rahmen der Notfallversorgung der Bevölkerung andere Aufgaben erfüllen.
Für die nähere Abgrenzung des dienstpflichtigen Personenkreises bieten sich verschiedene Kriterien an: Denkbar wäre z.B. eine Differenzierung nach bestimmten Facharztgruppen unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen generellen Eignung für den Notfalldienst. Ärzte bestimmter Fachrichtungen, wie etwa Augenärzte, Hals-Nasen-Ohrenärzte, Hautärzte, Röntgenologen, sind schon nach den gegenwärtig bestehenden Regelungen vielfach generell ausgenommen (…). Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal für die Heranziehung von Fachärzten zum allgemeinen Notfalldienst könnte etwa in der Dauer ihrer fachärztlichen Tätigkeit gefunden werden. Erfahrungsgemäß sind das allgemeine medizinische Grundwissen und die Praxis auf allgemein-medizinischem Gebiet nach längerer fachärztlicher Tätigkeit nicht mehr so nahe und gegenwärtig wie in den ersten Berufsjahren. 
Diese oder andere Kriterien, von denen die Teilnahmepflichtigkeit von Fachärzten am allgemeinen Notfalldienst abhängig gemacht werden könnte, muß der Gesetzgeber selbst auswählen. Dabei kann er dem Satzungsgeber innerhalb hinreichend deutlich zu bestimmender Grenzen einen Ermessensbereich für eigene nähere Ausgestaltung überlassen, insbesondere auch um die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten in dem gebotenen Umfange angemessen berücksichtigen zu können. Er kann es dem Regelungsermessen der Ärztekammer anheimgeben, ob Fachärzte am allgemeinen Notfalldienst zu beteiligen sind oder ob für sie, je nach den örtlichen Gegebenheiten, besondere Fachnotfalldienste eingerichtet werden sollen oder können. 
Dem Regelungsauftrag des Gesetzgebers ist ferner die Bestimmung vorbehalten, unter welchen Voraussetzungen ein teilnahmepflichtiger Arzt ausnahmsweise Befreiung beanspruchen oder nach Ermessen der Ärztekammer erhalten kann. Auch insoweit ist es ausreichend, aber auch erforderlich, daß der Gesetzgeber selbst die Richtlinien für eine nähere Regelung des Satzungsgebers festlegt. Auf diese Weise wird dem Gesetzesvorbehalt Genüge getan, gleichzeitig bleibt aber die Flexibilität erhalten, ohne die eine sinnvolle, die sehr unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse (…) berücksichtigende Organisation des Notfalldienstes nicht möglich wäre.“

Derartige Vorgaben hat der hessische Gesetzgeber vorliegend nicht beachtet. Er hat in Bezug auf Finanzierung des ÄBD keinerlei Regelungen getroffen. Dies wäre notwendig gewesen, denn dadurch wird der Personenkreis der Privatärzte ohne jegliche Rechtskontrolle den Regelungen einer Körperschaft ausgesetzt, auf die der hessische Gesetzgeber keinen rechtlichen Einfluss ausüben kann. Zunächst ist bereits nicht ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber sich eine Meinung gebildet hat, ob und dass wirklich alle Privatärzte herangezogen werden. Vielmehr überantwortet er diese Frage offenbar der – hier streitgegenständlichen - Befreiungsentscheidung. Auch soweit der Gesetzgeber hierfür in § 24 S. 2 HeilbG Vorgaben macht, sind diese völlig unpräzise und lassen nahezu jeglichen Regelungswillen des Gesetzgebers in der Sache vermissen. Was etwa unter einem „bestimmten regionalen Bereich“ zu verstehen ist, lässt die Vorschrift offen. Nach dem Wortlaut könnte der regionale Bereich auch das gesamte Land Hessen sein. Auch die übrigen Vorgaben bezüglich einer Befreiung erschöpfen sich in einer nicht abschließenden Aufzählung unbestimmter Rechtsbegriffe, mit lediglich drei Regelbeispielen, die im Ergebnis jede Regelung rechtfertigen könnten. Es wären beispielsweise Regelungen in Bezug auf das Verhältnis zwischen Umfang der die Befreiung rechtfertigenden Tätigkeit in einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung und Umfang der Befreiung (ganz oder teilweise) sinnvoll gewesen. 
b) Zudem unterliegt die landesberufsrechtliche Delegation besonderen Rechtfertigungsanforderungen, da eine der funktionalen Selbstverwaltung zugewiesene Aufgabe an einen anderen Träger funktionaler Selbstverwaltung delegiert werden soll. Dadurch sollen Mitglieder einer Selbstverwaltungskörperschaft als Nichtmitglieder der Regelungskompetenz einer anderen Selbstverwaltungskörperschaft unterworfen werden, was nach bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung besonderes strengen Wesentlichkeits- und Bestimmtheitsanforderungen unterliegt.
Außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der sachlich-gegenständlich nicht beschränkten gemeindlichen Selbstverwaltung ist das Demokratiegebot aus Art. 20 Abs. 2 GG zwar grundsätzlich offen für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichenden Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt (zum Folgenden BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 1 BvR 2222/12 –, BVerfGE 146, 164-216, juris Rn. 114). Demokratisches Prinzip und Selbstverwaltung stehen unter dem Grundgesetz nicht im Gegensatz zueinander (BVerfGE 107, 59 (92) m.w.N.). Dementsprechend sind für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung von dem Erfordernis lückenloser personeller Legitimation abweichende Formen der Beteiligung von Betroffenen an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gebilligt worden, wenn dies ausgeglichen wurde durch eine stärkere Geltung der gleichfalls im Gedanken der Selbstbestimmung und damit im demokratischen Prinzip wurzelnden Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie (vgl. BVerfGE 135, 155 (222 f. Rn. 158); 136, 194 (262 f. Rn. 169)). Eine gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit dahingehend, einen Selbstverwaltungsträger zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter gegenüber Nichtmitgliedern zu ermächtigen, besteht, ist aber nicht grenzenlos. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der der Senat folgt, ist bereits der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum am Maßstab des Demokratieprinzips begrenzt, wenn ein Selbstverwaltungsträger (hier: die Beklagte) zum Erlass belastende Satzungsregelungen und Verwaltungsakten gegenüber einem Nichtmitglied (hier: Privatarzt) ermächtigt werden soll. Das erfordert, dass die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrung der Aufsicht personell demokratisch legitimierte Amtswalter unterliegt (BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 – „Emscher- und Lippeverband“, zitiert nach juris Rn. 148 m.w.N).
Gemessen an diesem Maßstab wäre zwar zuvörderst der Bundesgesetzgeber berufen, Grund und Grenzen der Heranziehung von Nichtmitgliedern durch die Kassenärztliche Vereinigung gesetzlich zu regeln. Dies hat er nicht getan (siehe dazu bereits unter 3.). Ungeachtet dessen genügt die landesrechtliche Delegation nicht den gesteigerten, o.g. Bestimmtheitsanforderungen und Wesentlichkeitsanforderungen, soweit in §§ 23, 24 HeilbG die mit einer Regelungskompetenz der Beklagten spiegelbildlich korrespondierende berufsrechtliche Verpflichtung zur Teilnahme am ÄBD gesehen werden soll. Jegliche Vorgaben zur Finanzierung und bezüglich der Beiträge zum ärztlichen Bereitschaftsdienst fehlen. Es finden sich keinerlei Berichts-, Kontroll- oder Eingriffsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers oder seiner Organe, die allerdings bei der Wahl eines solchen Organisationsmodells auch kaum vorstellbar sein würden. Vielmehr wird die Gruppe der Privatärzte den Vorgaben und Regeln der Antragsgegnerin „ausgesetzt“, auf die sie weder mittelbar noch unmittelbar irgendwelche Einflussmöglichkeiten haben und die – was die Kosten und Beitragsseite anbelangt – in irgendeiner Weise voraussehbar oder vorgegeben sind. Die Regelungen führen nicht dazu, dass sich die Ärztekammer nur eines Organs zur eigenen Aufgabenerfüllung bedienen würde, vielmehr muss die Ärztekammer jegliche Macht und die Möglichkeit eines Einflusses auf die Antragsgegnerin, die außerhalb seines Verwaltungsapparates steht, abgeben, wobei der Landesgesetzgeber noch nicht einmal gewisse Leitplanken setzt, sondern gewissermaßen eine Blankettermächtigung gibt und darüber hinaus der Landesärztekammer die Möglichkeit nimmt, einen eigenen oder zusammen mit der Antragsgegnerin einen gemeinsamen ärztlichen Notdienst zu errichten.

Nach alledem ist der hessische Landesgesetzgeber jedenfalls nicht ohne korrespondierende bundesgesetzliche Regelungen berechtigt, Aufgaben, die der Ärztekammer obliegen, vollständig an die Beklagte zu delegieren oder die Ärztekammer hierzu zu ermächtigen. Die unter 1. und 2. genannten Gründe sprechen selbständig gegen die Annahme einer Rechtssetzungsbefugnis der Beklagten, ungeachtet der Frage, ob §§ 23, 24 HeilbG mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Daher musste der Senat auch nicht wegen der unter 3. und 4. genannten Gründe das Verfahren aussetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG das Bundesverfassungsgericht um Entscheidung im Wege der konkreten Normenkontrolle ersuchen.

Als Folge der fehlenden Ermächtigung der Beklagten als Satzungsgeberin war der streitgegenständliche Verwaltungsakt aufzuheben.  
Als weitere Folge war auch die Verpflichtungsklage unbegründet, da eine wirksame (satzungsrechtliche) Ermächtigungsgrundlage der Beklagten für den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts über die Befreiung von der Teilnahmeverpflichtung in § 3 Abs. 7 BDO a. F. (bzw. § 3 Abs. 8 BDO n. F) aus den unter 1. bis 4. genannten Gründen nicht gegeben ist.
Allerdings ist die im Hilfsantrag verfolgte Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) des Klägers zulässig und begründet. Insbesondere hat der Kläger ein berechtiges Intersse an der begehrten Feststellung, nachdem sich die Beklagte mit ihren satzungsrechtlichen Regelungen in der BDO ebenso wie mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom vom 9. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2021 der Rechtsmacht berühmt, den Kläger zur Teilnahme am ÄBD heranzuziehen. Die Feststellungsklage ist weiterhin nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG begründet, weil das streitgegenständliche Rechtsverhältnis – aus den unter 1. bis 4 genannten Gründen – nicht besteht. Es fehlt der Beklagten an einer Ermächtigungsgrundlage, den Kläger zur Teilnahme an ihrem ÄBD heranzuziehen.

Der Anregung der Beiladung des Landes Hessen und der Landesärztekammer wurde nicht gefolgt. So werden die Interessen des Gesetzgebers durch verfassungsrechtliche Würdigungen eines Gerichts immer berührt, ohne dass dies ein Grund für eine Beiladung sein könnte (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl, 2020, § 75 Rn. 8a m.w.N.). Zudem ist eine etwaige Verfassungswidrigkeit der §§ 23, 24 HeilbG wegen der unter 1. und 2. genannten Gründe hier nicht allein entscheidungserheblich. Gründe für eine notwendige Beiladung der Landesärztekammer sind nicht erkennbar; streitgegenständlich ist kein Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Landesärztekammer. Soweit es um die Auslegung von §§ 23, 24 HeilbG oder § 26 BO geht, dürfte eine Beiladung ohnehin keine Rechtskraftwirkung des hiesigen Urteils hinsichtlich der inzidenten Auslegung rechtswegfremder Normen herbeiführen (vgl. auch Baden, NVwZ 1984, 142; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. Dezember 2019 – L 8 SO 94/19 B ER –, juris Rn. 18). 

Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt, dass der Kläger trotz seines Unterliegens in Bezug auf die Verpflichtungsklage sein Rechtsschutzziel – nicht zu Diensten im ÄBD der Beklagten herangezogen zu werden – mit der (hilfsweisen) Feststellungsklage erreicht hat.

Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Jedenfalls die Frage, inwieweit die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einer erweiternden Auslegung der Rechtssetzungskompetenzen der Beklagten entgegensteht (2.), ist eine Frage des Bundesrechts von grundsätzlicher Bedeutung für eine Vielzahl von Parallelverfahren.
 

Rechtskraft
Aus
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