L 14 R 28/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 23 R 407/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 28/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 5/21 C
Datum
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über die Rechtmäßigkeit des Rentenbescheides der Beklagten vom 08.04.2009 im Hinblick auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Klägerin die aufgrund eines Versorgungsausgleichs erhöhte Rente zu gewähren ist.

Die Klägerin heiratete am 00.08.1979. Am 00.04.2002 wurde der Scheidungsantrag und am 00.04.2002 der Antrag auf Versorgungsausgleich beim Amtsgericht B eingereicht. Mit Urteil des Amtsgerichts B vom 00.08.2008 wurde die am 00.08.1979 von der Klägerin geschlossene Ehe geschieden. In vorgenanntem Urteil ist unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Von dem Versicherungskonto Nr. XX des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen wird auf das Versicherungskonto Nr. XXX der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine monatliche Rentenanwartschaft von 187,91 € (...), bezogen auf den 31. März 2002, übertragen. Es wird angeordnet, dass der Monatsbetrag der übertragenen Rentenanwartschaft in Entgeltpunkte umzurechnen ist.“

Die Klägerin legte gegen das Urteil des Amtsgerichts B Berufung ein, die sie am 10.12.2008 zurücknahm.

Die Klägerin bezog ab dem 01.11.2000 eine zunächst bis zum 31.10.2006 befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 24.08.2006 wurde diese unbefristet gewährt.

Mit Rentenbescheid vom 08.04.2009 nahm die Beklagte eine Neuberechnung der der Klägerin gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.01.2009 vor. Die Rente werde neu berechnet, weil sich die persönlichen Entgeltpunkte aufgrund des Versorgungsausgleichs geändert hätten. Die Rente werde in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Änderung wirksam sei. Für die Zeit ab 01.01.2009 verändere sich die Summe der Entgeltpunkte zugunsten der Klägerin durch den Versorgungsausgleich.

Bereits in einer Verhandlungsniederschrift vom 03.03.2010 bat die Klägerin um höhere Rente seit März 2002 aufgrund der übertragenen Anwartschaft. Einen gleich gelagerten Antrag stellte die Klägerin auch durch ihren gerichtlich bestellten Betreuer am 12.10.2011. Mit weiterem Schreiben vom 26.03.2012, das die Beklagte als Überprüfungsantrag wertete, begehrte die Klägerin dann abermals, ihre Rente bereits mit Wirkung zum 01.04.2002 unter Berücksichtigung des durchgeführten Versorgungsausgleichs anzupassen.

Die Beklagte wies den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 13.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.04.2013 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin am 08.05.2013 Klage zum Sozialgericht Münster (Az.: S 17 R 342/13), die das Sozialgericht Münster durch Gerichtsbescheid vom 01.03.2016 abwies.

Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung wies der 21. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 28.10.2016 (Az.: L 21 R 316/16) zurück. Das LSG NRW führte hierzu im Wesentlichen aus, die Beklagte habe den Überprüfungsantrag der Klägerin zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen für eine Rücknahme nicht vorlägen. Der Ausgangsbescheid sei rechtmäßig. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Erhöhung der Rente sei die Vorschrift des § 100 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Änderten sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrem Beginn, werde die Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Änderung wirksam sei. Wirksam geworden sei der mit familiengerichtlichem Urteil ausgesprochene Versorgungsausgleich erst mit der Rechtskraft des Urteils am 10.12.2008. Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich beträfen, würden gemäß § 53g Abs. 1 Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) erst mit ihrer Rechtskraft wirksam. Diese Vorschrift sei weiterhin anzuwenden, denn nach der Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 1 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusgIG) sei in Verfahren über den Versorgungsausgleich, die vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden seien, das bis dahin geltende materielle Recht und Verfahrensrecht weiterhin anzuwenden. Die Ausnahmen des § 48 Abs. 2 und 3 VersAusgIG lägen nicht vor. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision ein (Az.: B 13 R 384/16 B), die das Bundessozialgerichts mit Beschluss vom 12.03.2018 als unzulässig verwarf.

Die Klägerin stellte am 05.04.2018 bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 08.04.2009. Nach Hinweisschreiben der Beklagten bekräftigte die Klägerin mit Schreiben vom 31.12.2018, bei der Beklagten eingegangen am 04.01.2019, ihr Überprüfungsbegehren.

Mit Bescheid vom 01.03.2019 teilte die Beklagte mit, dass die Überprüfung des Bescheides vom 08.04.2009 ergeben habe, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Rente der Klägerin sei zutreffend erst ab dem 01.01.2009 um den Bonus aus dem Versorgungsausgleich erhöht worden.

Hiergegen legte die Klägerin am 26.03.2019 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2019 zurückwies. Dem Begehren der Klägerin auf Zahlung der aufgrund des Versorgungsausgleichs erhöhten Rente ab dem 01.04.2002 statt ab dem 01.01.2009 könne nicht entsprochen werden. Der Bescheid vom 08.04.2009 könne nach § 44 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, weil weder das Recht unrichtig angewandt noch von einen unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Das Urteil des Amtsgerichts B vom 00.09.2008 sei seit dem 10.12.2008 rechtskräftig und wirksam. Gemäß § 100 Abs. 3 SGB VI sei die Erhöhung aufgrund des Versorgungsausgleichs somit ab dem 01.01.2009 zu berücksichtigen. Der in dem familiengerichtlichen Urteil genannte Zeitpunkt „31. März 2002“ stelle lediglich das Ende der Ehezeit dar und den Zeitpunkt, der für die Umrechnung der übertragenden Rentenanwartschaft in Entgeltpunkte maßgebend sei. Die Rechtmäßigkeit des Rentenbescheides vom 08.04.2009 sei mit den rechtskräftigen Entscheidungen des Sozialgerichts Münster (Gerichtsbescheid vom 01.03.2016, Az.: S 17 R 342/13) und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 28.10.2016, Az.: L 21 R 316/16) bestätigt worden. Insoweit hätten sich keine Änderungen ergeben. Die Klägerin habe im Überprüfungsverfahren auch keine neuen Tatsachen und Argumente vorgetragen.

Die Klägerin hat am 11.06.2019 Klage zum Sozialgericht Münster erhoben, mit der sie die Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs in ihrer Rentenzahlung für den Zeitraum März 2002 bis Dezember 2008 begehrt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 01.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 08.04.2009 eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs für den Zeitraum März 2002 bis Dezember 2008 nachzuzahlen und diese Summe zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 12.11.2019 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen und auf die Gründe im Widerspruchsbescheid vom 22.05.2019 nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen sowie auf die Ausführungen im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28.10.2016 zum Aktenzeichen L 21 R 316/16 Bezug genommen.

Gegen das am 04.12.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.01.2020 Berufung eingelegt.

Die Klägerin trägt vor, es müssten die in ihrem Schreiben vom 23.09.2019 benannten Zeugen gehört werden. Ihr stehe für die Zeit ab 01.04.2002 bis Dezember 2008 der Versorgungsausgleich zu, da sie schon Rentnerin gewesen sei. Sie sei für 6 Jahre im Nachteil. Dies hätten ihr auch Richter sowie eine Reihe von Rentenberatern bestätigt. Die Liste der Personen von Zeugen habe sie zusammengestellt. Das Schreiben vom 23.09.2019 überreiche sie nochmals zur Gerichtsakte. Keiner der von ihr angegebenen Zeugen sei geladen worden, sie habe sich am 12.11.2019 unter Druck gesetzt gefühlt. Dies könne sie nichtakzeptieren.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 12.11.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2019 zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 08.04.2009 eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuzuerkennen und Rente unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs für den Zeitraum März 2002 bis Dezember 2008 nachzuzahlen und diese Summe zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 03.03.2020 hat der Senat die Beteiligten zu einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 SGG angehört. Anschließend hat die Klägerin nochmals auf die von ihr genannten Zeugen hingewiesen und telefonisch mitgeteilt, sie wolle sich nicht weiter in der Sache äußern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Vorprozessakte S 17 R 342/13 (Sozialgericht Münster) Bezug genommen.

 

II.

Die Berufung konnte durch Beschluss zurückgewiesen werden, denn ein Fall des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG liegt nicht vor. Das Sozialgericht Münster hat aufgrund Verhandlungstermins am 12.11.2019 die Klage abgewiesen; zum Verhandlungstermin war die Klägerin persönlich erschienen. Zudem hält der erkennende Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. Die Klägerin ist über die Rechtslage durch gerichtliches Schreiben vom 03.03.2020 informiert worden. Die Beteiligten wurden mit diesem Schreiben zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 01.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.05.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Bescheid vom 08.04.2009 war nicht gem. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X zurückzunehmen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der aufgrund des Versorgungsausgleichs erhöhten Rente ab einem früheren Zeitpunkt als dem 01.01.2009. Der Ausgangsbescheid vom 08.04.2009 ist rechtmäßig. Daher scheidet auch der geltend gemachte Zinsanspruch aus.

Der Senat schließt sich den Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Münster vom 12.11.2019 an und macht diese auch zum Gegenstand dieser Entscheidung; § 153 Abs. 2 SGG.

Ergänzend ist klarstellend folgendes auszuführen:

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und somit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Vielmehr hat die Beklagte die Rente der Klägerin infolge des durchgeführten Versorgungsausgleichs zutreffend erst ab dem 01.01.2009 erhöht.

Gemäß § 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI wird die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, werden erst mit Rechtskraft wirksam; § 53g FGG und § 48 VersAusglG. Den gesetzlichen Vorschriften ist unmissverständlich zu entnehmen, dass es für die Frage, ab welchem Zeitpunkt die durch einen Versorgungsausgleich eingetretenen neuen Verhältnisse in Form eines Rentenzuschlags zu berücksichtigen sind, auf den Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich ankommt. Diese ist vorliegend am 10.12.2008 eingetreten; zu diesem Zeitpunkt ist das Urteil des Amtsgerichts B durch die Berufungsrücknahme der Klägerin rechtskräftig geworden. Dementsprechend war die Rente der Klägerin (erst) ab dem Folgemonat zu erhöhen. Dies hat die Beklagte getan, indem sie den Rentenanspruch der Klägerin mit Bescheid vom 08.04.2009 für die Zeit ab dem 01.01.2009 neu berechnet hat. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22.04.2008, B 5a R 72/07 R). Danach ist der Rentenversicherungsträger erst mit der Wirksamkeit, d.h. Rechtskraft, des Beschlusses über den Versorgungsausgleich verpflichtet, den Zuschlag an Entgeltpunkten bei der bereits bewilligten Rente zu berücksichtigen. Für die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, den durchgeführten Versorgungsausgleich rentenrechtlich umzusetzen, ist es grundsätzlich unerheblich, aus welchen Gründen es zu einer Verzögerung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich gekommen ist. Eine andere Betrachtung würde dazu führen, dass der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in eine entsprechende Prüfung eintreten müsste, aus welchen und von wem zu vertretenden Gründen es zu einer Verzögerung der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich gekommen ist. Dies würde dem Erfordernis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit über den Zeitpunkt der rechtsgestaltenden Wirkung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zuwiderlaufen. Es ist daher für den Beginn der - höheren - Rente unbeachtlich, ob der Ausgleichsberechtigte selbst zur Verzögerung des familiengerichtlichen Verfahrens beigetragen hat oder andere von ihm nicht zu vertretende Umstände hierfür verantwortlich waren (vgl. zu allem BSG, Urteil vom 22.04.2008, B 5aR 72/07 R).

Aufgrund der klaren Rechtslage sind auch keine weiteren Amtsermittlungen notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von §§ 160 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
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