Auf die Beschwerde des Erinnerungsführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 23.06.2022 geändert.
Die dem Rechtsanwalt zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 373,07 € festgesetzt.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Berichterstatter entscheidet über die Beschwerde gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG als Einzelrichter, da die Angelegenheit keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € und die Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist gewahrt. Antragsteller und Beschwerdeführer ist in Verfahren, die - wie hier - die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei bewilligter Prozesskostenhilfe betreffen, der Rechtsanwalt selbst. Beschwerdegegner ist in diesen Verfahren die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Partei ist am Verfahren nicht beteiligt (Beschlüsse des Senats vom 28.04.2022 – L 9 SO 101/22 B und vom 30.04.2018 – L 9 AL 223/16 B mwN).
Die Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht von der beantragten Gebührenfestsetzung nicht nur den gezahlten Vorschuss iHv 714 €, sondern auch die im Parallelverfahren S 29 SO 432/17 gezahlte Gebühr angerechnet.
Bei den vom Sozialgericht verbundenen Verfahren S 29 SO 432/17 und S 29 SO 426/16 handelte es sich nicht um „dieselbe Angelegenheit“ iSd § 15 Abs. 2 RVG.
Wann dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, ist im RVG nicht abschließend geregelt. Die Tätigkeitskataloge des § 16 RVG ("dieselbe Angelegenheit") und des § 17 RVG ("verschiedene Angelegenheiten") benennen nur Regelbeispiele. Der Gesetzgeber hat die abschließende Klärung des Begriffs "derselben Angelegenheit" iS des § 7 Abs. 1 RVG sowie des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen. Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff, der sich mit dem prozessrechtlichen Begriff des (Verfahrens-)Gegenstandes decken kann, aber nicht muss. Während die Angelegenheit den für den Einzelfall definierten Rahmen der konkreten Interessenvertretung bezeichnet, umschreibt der Begriff des Gegenstandes inhaltlich die Rechtsposition, für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen abgibt. Daher kommt es zur Bestimmung, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags an. Von derselben Angelegenheit iSd § 15 Abs. 2 RVG ist in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen, ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (BSG Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 27/13 R; LSG Hessen Beschluss vom 04.01.2021 – L 2 AS 507/20 B).
Vorliegend handelt es sich bei den verbunden Verfahren um Klagen, die zwar aufeinander folgende Zeiträume betrafen, bei denen der maßgebliche Lebenssachverhalt jedoch eine getrennte Prüfung verlangte. Nach dem Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts vom 13.10.2021 lag dem zweiten Antrag ein neuer individueller Hilfeplan zugrunde, der deutlich mehr Teilhabeeinschränkungen und Hilfebedarf als der vorangegangene aufwies. Auch fand erst am 18.10.2016 eine neue Hilfeplankonferenz statt, deren Ergebnis jedenfalls im Widerspruchsverfahren hätte berücksichtigt werden müssen und naturgemäß für das vorherige Klageverfahren noch keine Rolle spielen konnte. Der Umstand, dass der Beklagte für die beiden angefochtenen Ablehnungsentscheidungen jeweils identische Begründungen gab, ist für die gebührenrechtliche Bewertung iSd § 15 Abs. 2 RVG nicht relevant, solange der zu beurteilende Lebenssachverhalt nicht identisch ist. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt entscheidungserheblich von der Prüfung der Ansprüche mehrerer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft iSd SGB II, deren Ansprüche aufgrund eines „vollständig einheitlichen Lebenssachverhalts“ (dazu BSG Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 27/13 R) zu beurteilen sind. Grundsätzlich liegt bei unterschiedlichen Bewilligungszeiträumen eine einheitliche Angelegenheit iSd § 15 Abs. 2 RVG nicht vor, wenn aufgrund sich wandelnder Verhältnisse eine auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum bezogene Prüfung geboten ist (LSG Thüringen Beschluss vom 06.01.2021 – L 1 SF 739/20 B).
Hinsichtlich der Festsetzung der Gebühren und Auslagen im Übrigen wird auf die Ausführungen der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts im Festsetzungsbeschluss vom 29.04.2022 verwiesen. Hieraus ergibt sich nach Abzug des gezahlten Vorschusses iHv 714 € der noch festzusetzende Betrag von 373,07 €.
Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG; die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).