S 12 KA 136/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 136/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 38/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 20/22 R
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

1.    Unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 09.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2021 wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag neu zu bescheiden. 

2.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.    Der Kläger und die Beklagte haben jeweils die Hälfte der Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 

4.    Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Befreiung des Klägers als Privatarzt vom von der Beklagten organisierten Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD). 

Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie und mit Praxissitz in A-Stadt seit 2015 niedergelassen. Er ist ausschließlich privatärztlich tätig. Nach Mitteilung seines Steuerberaters vom 01.10.2020 betrugen seine Umsätze im Jahr 2017 101.862,00 € und im Jahr 2018 87.320,00 €. 

Die Beklagte informierte mit Schreiben vom 15.05.2019 die ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzte, darunter auch den Kläger, über die Einbeziehung der Privatärzte in ihren ÄBD unter den Überschriften „Teilnahme am ÄBD entfällt bei Beendigung der Praxis“, „Procedere“, „Teilnahmevoraussetzungen/Nachweise“, „Befreiungsgründe, Altersgrenze“ und „Finanzielle Rahmenbedingungen“. 

Der Kläger beanstandete mit Schreiben vom 10.03.2020 die Anzahl der ihm zugeteilten Dienste im ÄBD der Beklagten, da diese unangemessen sei. Die ihm bereits für das Jahr 2020 zugewiesenen acht Dienste habe er an einen kompetenteren Kollegen abgetreten. Er arbeite als Arzt lediglich noch an zwei halben Tagen und einem ganzen Tag pro Woche mit insgesamt 14 Stunden. Die restliche Arbeitszeit sei er als Unternehmer berufsfremd an anderer Stelle tätig. Auch verbringe er den Rest der Woche bei seiner Familie in C-Stadt. Die Fahrzeit zwischen A-Stadt und dem Wohnort der Familie betrage in der Regel 2,5 Stunden in einfacher Richtung. Daher bitte er um vollständige Entbindung von der Teilnahme am ÄBD bzw. Reduzierung der Dienststunden. 

Die Beklagte wertete das Schreiben als Antrag auf vollständige Befreiung von der Dienstteilnahme bzw. Reduzierung der Dienststunden. 

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.04.2020 den Antrag auf Teilnahmereduzierung ab. Zur Begründung führte sie aus, nach den strikten Bestimmungen ihrer Bereitschaftsdienstordnung (BDO) könne der Teilnahmeumfang nur bei Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung reduziert werden. Eine Reduzierung des Teilnahmeumfanges aufgrund eines geringen Praxisumfanges sei hingegen nicht vorgesehen, weshalb eine Ausnahme nach § 3 Abs. 3 BDO nicht möglich sei. Die Reduzierung des Teilnahmeumfangs aufgrund geringeren Praxisumfanges sei für Niedergelassene vorgesehen. Diese Voraussetzungen erfülle er aufgrund der Tätigkeit als Privatarzt ohne Zulassung als Vertragsarzt nicht. Eine Einteilung zu acht Diensten sei nicht unverhältnismäßig. 

Hiergegen legte der Kläger am 12.05.2020 Widerspruch ein. Er trug vor, das Abstellen auf das Fehlen eines parallelen Anstellungsverhältnisses verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Wenn bei reduziertem Umfang der privatärztlichen Praxis aufgrund einer Anstellung eine Reduktion der Teilnahme am ÄBD erfolge, müsse dies unabhängig von einer etwaigen Anstellung sein. § 3 Abs. 7 BDO sei auch auf Privatärzte anwendbar. § 3 Abs. 3 BDO verweise auf die nachfolgenden Bestimmungen. Andernfalls würden Privatärzte erheblich gegenüber Vertragsärzten benachteiligt werden. 

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2021 den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, Vertragsärzte und Privatärzte hätten grundsätzlich die Möglichkeit, unter Bezug auf § 3 Abs. 7 BDO eine Reduzierung bzw. Befreiung von der Teilnahme am ÄBD zu beantragen. Am ÄBD nähmen grundsätzlich, im Umfang Ihres Versorgungsauftrages, alle Arztsitze in einer ÄBD-Gemeinschaft teil. Die Einteilung eines Privatarztes erfolge in der Regel im gleichen Umfang wie die eines Inhabers eines Arztsitzes mit einem vollen Versorgungsauftrag (Faktor 1,0). Auf Antrag könne der Teilnahmeumfang bis auf den Faktor 0,25 reduziert werden, sofern eine abhängige Beschäftigung in Voll- oder Teilzeit neben einer privatärztlichen Niederlassung durch den Privatarzt nachgewiesen werde. Der Teilnahmeumfang im ÄBD könne wegen eines geringfügigen Umfangs (14 Wochenstunden) in privatärztlicher Tätigkeit aufgrund der verbindlichen Grundlage von § 3 Abs. 3 Satz 2 BDO nicht reduziert werden. Nach Entscheidung des Vorstandes vom 26.08.2019 werde eine Reduzierung der Dienstverpflichtung nur aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses berücksichtigt. Dabei erfolge die Dienstverpflichtung gestapelt in Bezug zum zeitlichen Umfang der abhängigen Beschäftigung. Eine Ungleichbehandlung zwischen Vertragsärzten und Privatärzten sei nicht zu erkennen, soweit die Praxisausübung des Privatarztes mit der eines Vertragsarztes nachweislich vergleichbar sei. Sie habe keine Möglichkeit, den tatsächlichen Tätigkeitsumfang eines hauptberuflich Selbständigen zu überprüfen. Den Tätigkeitsumfang eines Vertragsarztes könne sie hinsichtlich des Versorgungsumfangs gemäß Zulassungsstatus und bei der Feststellung des Honoraranspruchs überprüfen bzw. die Honoraranforderungen mit der Honorarabrechnung der Kollegen der gleichen Facharztgruppe vergleichen. Selbst bei Kenntnis des jährlichen Bruttoeinkommens aus einer privatärztlichen Tätigkeit, z. B. bei Offenlegung der Bezüge im Rahmen eines Antrages auf Beitragsreduzierung, lasse sich daraus nur bedingt auf den zeitlichen Umfang der privatärztlichen Praxistätigkeit schließen. Die Einnahmen der Hauptbeschäftigung seien ihr außerdem nicht bekannt, um daraus eine Verhältnismäßigkeit zwischen Haupt- und Nebenerwerb ableiten zu können. Selbst bei einer Antragsprüfung nach § 3 Abs. 7 Sätze 2. 3 Buchstabe e) BDO sei vorrangig vor einer Entscheidung über eine vollständige oder teilweise, ggf. auch zeitlich begrenzte Freistellung zu prüfen, ob dem Arzt auferlegt werden könne, Dienste auf eigene Kosten von einem eigenständig gesuchten Vertreter wahrnehmen zu lassen. Dies sei bei dem Kläger der Fall. Es sei insb. zu berücksichtigen, dass die von dem Kläger vorgetragenen Gründe keine wesentlichen Auswirkungen auf seine privatärztliche Tätigkeit zu haben scheine. Damit stelle sie bei der Prüfung der Antragsgründe als Privatarzt einem vertragsärztlichen Kollegen gleich. Eine Einteilung zu 60 Dienststunden für ein Kalenderjahr sei durchaus überschaubar. Für das Jahr 2021 werde er voraussichtlich mit 54 Dienststunden berücksichtigt. 

Hiergegen hat der Kläger am 28.04.3021 die Klage erhoben. Er trägt vor, nicht durchgängig, sondern an ca. 36 Wochen jährlich fänden bei ihm die folgenden Sprechstunden statt: 

Montag: 13.00 -17.30 Uhr
Dienstag: 13.00 -17.30 Uhr
Mittwoch: 08.00 - 11.30 Uhr sowie 14.00 Uhr - 16.00 Uhr.


Sein privater Lebensmittelpunkt liege in C-Stadt. In A-Stadt habe er lediglich eine kleine Wohnung angemietet, in der er sich nur aufhalte, wenn dies aufgrund der Sprechzeiten in A-Stadt notwendig sei. Neben seiner Praxistätigkeit betreibe er ein Unternehmen, welches Weiterbildungen anbiete. Hier übe er eine umfangreiche Referententätigkeit aus. § 3 Abs. 1 BDO regele, dass Vertragsärzte in dem Umfang am ÄBD teilnähmen, indem sie zugelassen seien. Die privatärztliche Tätigkeit spiele bei diesen mithin überhaupt keine Rolle. Ein Vertragsarzt mit hälftigen Versorgungsauftrag und einer erheblichen Privatpraxis nehme am ÄBD mithin teil, als wenn dieser überhaupt keine privatärztlichen Leistungen erbringen würde. Die Beklagte gehe von einer abstrakten Annahme einer Unmöglichkeit der Überprüfung aus, ohne in eine Überprüfung einzutreten. Ungeachtet der Härtefallregelung in § 3 Abs. 7 BDO sei § 3 Abs. 1 BDO grundrechtskonform dahingehend auszulegen, dass bei einem Privatarzt, der am ÄBD teilnehme, der Umfang der privatärztlichen Praxis maßgeblich für den Umfang der Teilnahme am Bereitschaftsdienst sein müsse. Anderenfalls verstieße die Regelung gegen den durch Art. 3 Abs. 1 GG geregelten Gleichheitsgrundsatz. Aus dem Umstand einer fehlenden Anstellung abzuleiten, dass eine Reduktion ausgeschlossen sei, widerspreche dem Sinn und Zweck der gesamten BDO, die letztlich gewährleisten wolle, dass Ärzte in dem Umfang an dem ÄBD teilnähmen, indem sie an der ärztlichen Versorgung ebf. eingebunden würden. Wenn mit der Regelung in § 3 Abs. 2 BDO lediglich erreicht werden sollte, dass Krankenhausärzte generell nicht am ÄBD teilnehmen müssten, hätte man dies in der Regelung aufnehmen müssen. § 3 Abs. 7 BDO gelte auch für Privatärzte. Sowohl die persönliche als auch die zeitliche und im Vergleich zu seinem aus der Tätigkeit resultierenden Einkommen finanzielle Belastung stünden nicht im Verhältnis, sodass ein Befreiungsgrund vorliege. Die Dienste stellten eine zusätzliche Belastung dar, die für ihn nur sehr schwer mit seiner beruflichen Tätigkeit und der Tatsache, dass sein Hauptwohnsitz sich in C-Stadt befinde, vereinbar sei. 60 Stunden seien mehr als die durchschnittliche Anzahl der Stunden, die er im Monat als Privatarzt erbringe. Dies wäre bei einem in Vollzeit tätigen angestellten Vertragsarzt so, als würde er Bereitschaftsdienste im Umfang von 160 Stunden leisten müssen. 

Der Kläger beantragt, 

den Bescheid der Beklagten vom 09.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn von der Teilnahme am ÄBD der Beklagten zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist aus den Gründen des angefochtenen Widerspruchsbescheides weiterhin der Auffassung, die BDO sehe eine derartige vollständige Befreiung aus den vom Kläger genannten Gründen nicht vor. Eine Reduzierung der Dienstverpflichtung setze ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus. Mit der Regelung werde dem Umstand Rechnung getragen, dass sich ein Arzt bei einer unabhängigen privaten Beschäftigung den Umfang und den Zeitraum seiner oder ihrer Praxistätigkeit selbst einteilen könne und nicht von den Dienstvorgaben eines Vorgesetzten abhängig sei. Auch aus § 3 Abs. 7 Satz 2 und 3 BDO lasse sich kein Anspruch auf vollständige oder teilweise Befreiung des Klägers entnehmen. Die vom Kläger vorgetragenen Gründe reichten nicht aus, um eine Unzumutbarkeit der vorrangigen Vertreterregelung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 BDO anzunehmen. Der Kläger trage vielmehr selbst vor, dass er sämtliche Dienste unproblematisch auf einen stellvertretenden Kollegen habe abtreten können. Sie habe keine Kenntnis und keinerlei rechtliche und technische Möglichkeiten der Kenntniserlangung über die erzielten Umsätze oder Fallzahlen der niedergelassenen Ärzte aus ihrer jeweiligen privatärztlichen Tätigkeit. Auch könnten aus Umsätzen und Fallzahlen keine Rückschlüsse auf den Zeitfaktor der ärztlichen Tätigkeit gezogen werden. Während im Falle eines Vertragsarztes dessen Teilnahmeumfang am ÄBD anhand des Umfanges seines Versorgungsauftrages ermittelt werden könne, habe sie im Falle eines Privatarztes keine Mittel, den tatsächlichen zeitlichen Umfang der privatärztlichen Tätigkeit festzustellen und zur Grundlage des Teilnahmeumfanges am ÄBD zu machen. Grundsätzlich erfolge nach den Vorgaben der BDO die Einteilung eines Privatarztes im gleichen zeitlichen Umfang wie die eines Inhabers eines Arztsitzes mit einem vollen Versorgungsauftrag. Wenn demzufolge ein Privatarzt keiner anderweitigen Tätigkeit nachgehe, deren zeitlicher Umfang mithilfe eines Arbeitsvertrages nachweisbar sei, sei davon auszugehen, dass er zumindest in vollem Umfang privatärztlich tätig werden könne. Demgegenüber stehe der vertragsärztliche Versorgungsauftrag in seinem Umfang fest, sodass der Vertragsarzt in dessen Rahmen vertragsärztlich tätig sein müsse. Die beiden Gruppen der Vertragsärzte und der Privatärzte seien vor diesem Hintergrund nicht vergleichbar. Erst im Rückschluss aus dem nachweisbaren Umfang einer anderweitigen Beschäftigung des Privatarztes könnten vergleichbare Verhältnisse zwischen dem jeweiligen Versorgungsauftrag eines Vertragsarztes und der privatärztlichen Tätigkeit eines Privatarztes als dessen Pendant geschaffen werden. Bestehe kein Versorgungsauftrag, müsse der zeitliche Umfang der ärztlichen Tätigkeit auf anderem Wege nachweisbar ermittelt werden. Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf vollständige Befreiung. Eine solche sehe die BDO aufgrund geringfügiger privatärztlicher Tätigkeit nicht vor. Die Anzahl der Dienste - acht Dienste im Jahr 2020 -, für die der Kläger eingeteilt worden sei, sei nicht als unangemessen hoch anzusehen. 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 24.01.2022 angehört. Im Übrigen haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. 

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. 

Der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit ist für Streitigkeiten über die Teilnahme am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen einschließlich der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung aufgrund ausschließlich nichtvertragsärztlicher (privatärztlicher) Tätigkeit eröffnet. Mit der Änderung des § 23 hessisches Heilberufsgesetz und deren Umsetzung durch § 26 Berufsordnung ist die Organisation (auch) der Mitwirkung von Nichtvertragsärzten am Bereitschaftsdienst vollständig zu einer Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung gemacht worden (vgl. BSG, Beschl. v. 05.05.2021 - B 6 SF 1/20 R - juris sowie - B 6 SF 2 bis 12/20 R - juris). 

Die Klage ist auch z. T. begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2021 ist rechtswidrig. Er war daher aufzuheben. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf vollständige Befreiung von der Teilnahme am ÄBD der Beklagten, sondern nur auf Neubescheidung seines Antrags. Der Klage war daher nur im tenorierten Umfang stattzugeben, im Übrigen war sie abzuweisen. 

Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, Privatärzte zur Teilnahme am ÄBD heranzuziehen. Der Umfang der Verpflichtung zur Teilnahme am ÄBD hat sich dabei aber am Umfang der privatärztlichen Tätigkeit auszurichten. Insofern ist die Vorschrift zur Reduzierung des Teilnahmeumfangs nach § 3 Abs. 3 Satz 3 der maßgeblichen Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der von der Vertreterversammlung am 25.05.2013 beschlossenen Fassung, geändert durch die Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 14.12.2013, 17.05.2014, 11.10.2014, 13.12.2014, 10.10.2015, 12.12.2015, 02.07.2016, 03.12.2016, 11.03.2017, 02.12.2017, 27.10.2018 und 30.03.2019 (im Folgenden: BDO) wegen Verstoßes gegen den Grundsatz zur Gleichbehandlung rechtswidrig. 

Der ärztliche Bereitschaftsdienst der Beklagten ist grundsätzlich Aufgabe aller Ärzte, auch der nur privatärztlich niedergelassenen Ärzte. Dies gilt nicht nur für seine Finanzierung (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 08.06.2020 - S 12 KA 304/19 - juris Rdnr. 20 ff., Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 18/20 -), sondern auch für die Teilnahme am ÄBD. 

Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme am ÄBD der Beklagten ist § 23 Nr. 2 HessHeilberG i. V. m. § 9 Abs. 3 Satz 1 und 2 BDO. 

§ 23 Nr. 2 HessHeilberG verpflichtet die Ärzte in eigener Praxis, was beim Antragsteller der Fall ist, am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zu beteiligen. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 15 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes vom 19.12.2016 (GVBl. Nr. 23 vom 27.12.2016 S. 329) neu eingefügt und trat zum 28.12.2016 in Kraft (Art. 2 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes; ähnlich Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bayerisches Heilberufe-Kammergesetz in der ab 01.08.2020 geltenden Fassung). Nach der Entwurfsbegründung soll mit der Änderung die Möglichkeit eröffnet werden, dass auch ausschließlich privatärztlich niedergelassene Ärzte verpflichtend am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilnehmen und sich auch an den dabei entstehenden Kosten zu beteiligen haben (vgl. LTag-Drs. 19/3742, S. 5). 

Mit § 23 Nr. 2 HessHeilberG hat der hessische Landesgesetzgeber eine ausdrückliche Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte, auch soweit sie ausschließlich privatärztlich tätig sind, zur Teilnahme am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und zur Kostenbeteiligung geschaffen und insoweit die Satzungsbefugnis der Landesärztekammer eingeschränkt. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb dies vom Gestaltungsspielraum des hessischen Landesgesetzgebers nicht gedeckt sein sollte. Aufgrund der bereits bei der Beklagten bestehenden Strukturen, sowohl hinsichtlich der Organisation, der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs als auch der weiteren Verwaltungstätigkeiten sollte eine Konzentration des ÄBD bei ihr erfolgen. Verfassungsrechtliche Garantien sind für diese Bereiche nicht ersichtlich. Letztlich handelt es sich um Organisationsrecht, für die ein weiter Gestaltungsspielraum auch des Landesgesetzgebers besteht. 

§ 24 HessHeilberG gestaltet den verbliebenen Satzungsspielraum der Landesärztekammer weiter aus. Danach regelt das Nähere zu § 23 die Berufsordnung. Sie hat insbesondere zu § 23 Nr. 2 vorzusehen, dass die Teilnahmeverpflichtung nur für einen bestimmten regionalen Bereich gilt und von ihr aus wichtigem Grund, insb. wegen körperlicher Behinderung oder außergewöhnlicher familiärer Belastung sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung, auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden kann. 

§ 24 HessHeilberG ist offensichtlich nicht an die Änderung durch Art. 1 Nr. 15 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes angepasst worden und blieb unverändert. Der Verweis in § 24 Satz 2 HessHeilberG ist insofern unvollständig, als die alte Nr. 2 des § 23 HessHeilberG die Notdienstverpflichtung für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte vorsah. Demgegenüber wird die Notdienstverpflichtung der Ärzte nunmehr in Nr. 2 und die der Zahnärzte und Tierärzte in Nr. 3 geregelt. Es ist kein Grund ersichtlich, dass § 24 Satz 2 HessHeilberG nicht mehr für Zahnärzte und Tierärzte gelten soll. Als Folgeregelung hätte deshalb ein Verweis auch auf Nr. 3 des § 23 in § 24 Satz 2 HessHeilberG aufgenommen werden müssen. Möglicherweise wollte der Landesgesetzgeber die Teilnahmepflicht für Ärzte vollständig aus der weiteren Satzungsautonomie der Landesärztekammer herausnehmen. Dann hätte zumindest in § 24 Satz 2 HessHeilberG der Verweis nunmehr auf § 23 Nr. 3 HessHeilberG begrenzt werden müssen. Hiervon hat der Gesetzgeber aber abgesehen. Näher liegt daher die Annahme, dass es der Landesgesetzgeber aber wie zuvor bei der weiteren Zuständigkeit der Landesärztekammer für die Einteilung und Befreiung vom ÄBD belassen wollte, wovon nach dem Wortlaut der Vorschrift auszugehen ist. Dann würde § 23 Nr. 2 HessHeilberG zwingend nur die dort genannten Grundlagen vorgeben und § 24 HessHeilberG der Landesärztekammer die Befugnis zu Ausführungsvorschriften belassen. In diesem Sinn werden von den Körperschaften § 23 Nr. 2 und § 24 HessHeilberG offensichtlich verstanden. 

So wiederholt § 26 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer Hessen vom 26.03.2019, zuletzt geändert am 01.12.2020 (zit. nach www.laekh.de, im Folgenden: BO) die gesetzliche Verpflichtung. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen. § 26 Abs. 1 Satz 2 BO sieht eine Befreiung von der Teilnahme vor. § 26 Abs. 1 Satz 3 BO überträgt die Entscheidungsbefugnis zur Befreiung auf die Kassenärztliche Vereinigung Hessen. § 26 Abs. 2 Satz 1 BO sieht die Geltung der BDO in einer bestimmten Fassung ausdrücklich vor. Danach ist für die Einrichtung und Durchführung des ÄBD im Einzelnen für alle nach § 23 des Heilberufsgesetzes verpflichteten Berufsangehörigen die Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der von der Vertreterversammlung am 25.05.2013 beschlossenen Fassung, in Kraft getreten am 01.10.2013, zuletzt geändert am 27.10.2018, maßgebend. In Ausführung zu § 24 Satz 2 HessHeilberG gilt nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BO die Verpflichtung zur Teilnahme am ÄBD für die von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen festgelegten Bezirke des ÄBD. 

Von daher bedarf es nicht zwingend einer Regelung der Landesärztekammer zur Umsetzung der Teilnahmeverpflichtung, sondern kann im Rahmen der landesgesetzlichen Vorgaben ein Privatarzt den Regelungen der BDO und der Zuständigkeit der Beklagten unterstellt werden. Wie bereits ausgeführt, ist mit der Änderung des § 23 HessHeilberG und deren Umsetzung durch § 26 BO die Organisation (auch) der Mitwirkung von Nichtvertragsärzten am Bereitschaftsdienst vollständig zu einer Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung gemacht worden (vgl. BSG, Beschl. v. 05.05.2021 - B 6 SF 1/20 R - juris Rdnr. 38 sowie - B 6 SF 2 bis 12/20 R - juris). 

Der einzelne niedergelassene Arzt ist grundsätzlich verpflichtet, für die Betreuung seiner Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert (vgl. § 26 Abs. 3 BO). Der niedergelassene Arzt muss daher ggf. auch in den sprechstundenfreien Zeiten seine Patienten versorgen. Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung ist nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern muss auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein („rund um die Uhr“). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insb. für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Hierbei handelt es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Ärzte, weshalb § 23 Nr. 2 HessHeilberG und § 26 Abs. 1 Satz 1 BO alle niedergelassenen Ärzte verpflichten, am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen. Der ÄBD entlastet den einzelnen Arzt von der Versorgung seiner eigenen Patienten in den Zeiten, in denen er eingerichtet ist (vgl. VG Gelsenkirchen v. 20.11.2013 - 7 K 4877/11 - juris Rdnr. 51 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.06.2009 - 13 A 3775/06 - juris Rdnr. 37; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.1998 - 9 S 3399/96 - juris Rdnr. 20). Von daher ist der ÄBD grundsätzlich Aufgabe aller Ärzte. Die Nichtheranziehung der Privatärzte würde eine Besserstellung der Privatärzte bedeuten und die mit der Teilnahme am Notfalldienst verbundenen Lasten nur den Vertragsärzten auferlegen, was im Interesse einer ordnungsgemäßen Patientenversorgung in den sprechstundenfreien Zeiten und einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der Lasten auf alle beteiligten Arztgruppen sachlich nicht gerechtfertigt wäre (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.06.2009 - 13 A 3775/06 - juris Rdnr. 24). 

§ 24 Abs. 1 Satz 2 HessHeilberG sieht eine Befreiung eines Arztes vom ÄBD nur aus wichtigem Grund bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 BO nur aus schwerwiegenden Gründen vor. Dies schützt den einzelnen Arzt, wenn schwerwiegende Gründe einer Teilnahme am ÄBD entgegenstehen, er aber dennoch seine Praxis versehen kann. Die Befreiung von der Teilnahme am ÄBD führt aber nur dazu, dass der befreite Arzt nicht selbst am ÄBD teilnehmen muss. Der ÄBD bleibt weiterhin Aufgabe aller niedergelassenen Ärzte, so dass auch der befreite Arzt zur Finanzierung herangezogen werden kann. Die Umlage ist dazu bestimmt, die Kosten des Vorteils zu decken, den der einzelne Arzt aus der Durchführung des ÄBD hat (vgl. VG Gelsenkirchen v. 20.11.2013 - 7 K 4877/11 - juris Rdnr. 59 ff.).

Die Beklagte zieht den Kläger zum Notfalldienst nicht „als Vertragsarzt“ heran, sondern als Privatarzt, verbunden mit der Besonderheit, dass die Heranziehung formell nicht durch die insoweit eigentlich zuständige Landesärztekammer Hessen erfolgt ist, sondern auf Grundlage des hessischen Heilberufsgesetzes durch die beklagte Kassenärztliche Vereinigung als der für die Bearbeitung des Notfalldienstes organisatorisch zuständigen Stelle (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.06.2009 - 13 A 3775/06 - juris Rdnr. 28). Soweit dadurch Privatärzte verpflichtet werden, im Rahmen des organisierten ärztlichen Notfalldienstes auch Kassenpatienten zu behandeln, beruht dies letztlich ebf. auf gesetzlicher Grundlage und verstößt nicht gegen höherrangiges Bundesrecht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.1998 - 9 S 3399/96 - juris Rdnr. 22). Kraft Bundesrechts obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten auch zu den sprechstundenfreien Zeiten (§ 75b Abs. 1 SGB V) und dürfen die Versicherten in Notfällen auch Nichtvertragsärzte in Anspruch nehmen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die in Notfällen von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbrachten Notfallleistungen gelten, was das Bundessozialgericht aus dem Zusammenhang der beiden genannten Vorschriften herleitet, als im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und sind aus der Gesamtvergütung (vgl. § 85 Abs. 1 SGB V) zu honorieren (vgl. BSG, Urt. v. 11.09.2019 - B 6 KA 6/18 R - SozR 4-2500 § 76 Nr. 5, juris Rdnr. 17 m.w.N.; BSG, Urt. v. 13.05.2020 - B 6 KA 6/19 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 8, juris Rdnr. 21). § 75 Abs. 1b Satz 3 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) v. 16.07.2015, BGBl I 2015, 1211 hat die Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung nunmehr kodifiziert. 

Die Heranziehung auch von Privatärzten durch die genannte Vorschrift und die weitergehenden Konkretisierungen durch Berufsordnung und Bereitschaftsdienstordnung ist mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar und deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Privatärzte von der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten auszunehmen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sämtliche niedergelassene Ärzte am allgemeinen Notfalldienst teilzunehmen haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.2013 - 3 B 35.13 - juris Rdnr. 3; VG Düsseldorf, Gerichtsb. v. 21.11.2016 - 7 K 3288/16 - juris Rdnr. 24 jeweils m.w.N.). 

Auf dieser Grundlage bestimmt § 3 Abs. 3 Satz 1 BDO, dass am ÄBD grundsätzlich die privat niedergelassenen Ärzte (Privatarzt) am Ort ihres Praxissitzes entsprechend ihrer Verpflichtung aus dem Hessischen Heilberufsgesetz teilnehmen. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 BDO erfolgt die Einteilung eines Privatarztes in der Regel im gleichen Umfang wie die eines Inhabers eines Arztsitzes mit einem vollen Versorgungsauftrag.

§ 3 Abs. 3 Satz 3 BDO regelt aber nur unzureichend die Möglichkeit zur Reduzierung der Teilnahmeverpflichtung bei einer bloß geringen privatärztlichen Tätigkeit. So kann nach § 3 Abs. 3 Satz 3 BDO auf Antrag der Teilnahmeumfang bis auf den Faktor 0,25 reduziert werden, sofern eine abhängige Beschäftigung in Voll- oder Teilzeit neben einer privatärztlichen Niederlassung durch den Privatarzt nachgewiesen wird. Das Absehen vom tatsächlichen Umfang der privatärztlichen Tätigkeit und das alleinige Abstellen auf das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). 

Der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BSG, Urt. v. 04.11.2021 - B 6 KA 9/20 R - SozR 4 <vorgesehen>, juris Rdnr. 37 m.w.N.). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl. BSG, Urt. v. 13.02.2019 - B 6 KA 51/17 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 20, juris Rdnr. 21 m.w.N.). Bezogen auf die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst ist zu berücksichtigen, dass damit die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung des Arztes - in verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässiger Weise - beschränkt wird (vgl. BSG, Urt. v. 13.02.2019 - B 6 KA 51/17 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 20, juris Rdnr. 22 m.w.N.). Soweit die Nichtvertragsärzte sich dem Regime der für die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen bestehenden Regelungen unterstellen - oder wie hier unterstellt sind -, gelten für belastende Regelungen dieselben materiell-rechtlichen Maßstäbe. Auch die Tätigkeit des Nichtvertragsarztes im organisierten Notfalldienst genießt den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BSG, Urt. v. 17.07.2013 - B 6 KA 34/12 R - SozR 4-2500 § 81 Nr. 6, juris Rdnr. 20). Es besteht die Verpflichtung der Beklagten, alle Ärzte gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2018 - B 6 KA 50/17 R - BSGE 127, 109 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 35, juris Rdnr. 49; BSG, Urt. v. 06.09.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 5, juris Rdnr. 18). Der einzelne Arzt hat einen Anspruch darauf, dass er, soweit es die Umstände - insb. die Sicherstellung der Notfallversorgung unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse - erlauben, nicht in stärkerem Maße als andere Ärzte in gleicher Lage herangezogen wird (vgl. BSG, Urt. v. 13.02.2019 - B 6 KA 51/17 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 20, juris Rdnr. 23 m.w.N.).

Insofern knüpft § 3 Abs. 1 BDO für Vertragsärzte den Umfang der Teilnahmeverpflichtung grundsätzlich an Umfang des Versorgungsauftrags bzw. der Arztsitze. Dies ermöglicht für Vertragsärzte nach dem Zulassungsrecht Differenzierungen nach einem hälftigen, Dreiviertel und vollen Versorgungsauftrag, bei der Berücksichtigung von angestellten Ärzten nach Viertelversorgungsaufträgen. Bei Privatärzten wird eine entsprechende Differenzierung nur ermöglicht bei Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Im Übrigen ist der Umfang der Teilnahmeverpflichtung eines Privatarztes vollständig losgelöst vom Umfang seiner privatärztlichen Tätigkeit. Die Teilnahmeverpflichtung resultiert aber bei allen Ärzten ausschließlich aus ihrer Tätigkeit als niedergelassene Ärzte, sei es im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung oder als Privatarzt. Der Umfang einer privatärztlichen Tätigkeit kann dabei aus vielerlei Gründen sehr reduziert sein, nicht nur aus Gründen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. So kann, wie hier bei dem Kläger, eine selbständige Tätigkeit ausgeübt werden, oder es werden familiäre Aufgaben erfüllt, womit eine nur reduzierte privatärztliche Tätigkeit in Einklang steht. Oder aber die privatärztliche Tätigkeit wird aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nur gering ausgeübt. 

Hinzu kommt, dass bei Vertragsärzten eine weitere privatärztliche Tätigkeit ausgeübt werden kann und größtenteils wird. So lagen die Einnahmen der Arztpraxen, also einschließlich der Vertragsarztpraxen, im Jahr 2019 bei durchschnittlich 602.000 € je Praxis. Dies gilt für Praxen, die als Einzelpraxis oder als fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaft geführt wurden. Mit 71,2 % entfiel 2019 der überwiegende Teil der Einnahmen der Arztpraxen auf Kassenabrechnungen. Aus Privatabrechnungen resultierten 25,9 % der Einnahmen und 2,9 % aus sonstigen selbstständigen ärztlichen Tätigkeiten (vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, Reihe 1.6.1, 2019, S. 18, zit. nach https://www.destatis.de). Abhängig von der Organisationsform schwanken die Einnahmen aus Kassenabrechnung zwischen 64,6 % (Fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften) und 72,9 % (Einzelpraxen) bzw. die Einnahmen aus Privatabrechnung zwischen 32,2 % und 24,9 % (vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, Reihe 1.6.1, 2019, S. 37).

Insofern führen Vertragsärzte rechtlich neben der vertragsärztlichen Praxis eine privatärztliche Praxis (vgl. BSG, Urt. v. 28.05.2008 - B 6 KA 9/07 R - BSGE 100, 254 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42, juris Rdnr. 35 u. 46; BSG, Urt. v. 14.05.1997 - 6 RKa 25/96 - BSGE 80, 223 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 22, juris Rdnr. 33; BT-Drs. 15/1525, S. 112, zu Nr. 80 c <§ 103>). Während dies für die grundsätzliche Heranziehung zum ÄBD ohne Bedeutung ist, da bereits aus dem Status als Vertragsarzt diese Verpflichtung folgt, führt dies aber zu einer Ungleichbehandlung, wenn der Vertragsarzt mit reduziertem Versorgungsauftrag zum ÄBD nur entsprechend in geringerem Umfang herangezogen wird, der Privatarzt aber in vollen Umfang, auch wenn der Umfang der privatärztlichen oder der ärztlichen Tätigkeit beider in gleichem Umfang stattfindet. Auch besteht im Rahmen eines sog. Jobsharing-Verhältnisses die Möglichkeit, dass zwei Vertragsärzte mit einem Versorgungsauftrag des weiteren eine volle privatärztliche Praxis betreiben. 

Für ermächtige Krankenhausärzte hat das Bundessozialgericht bereits drauf hingewiesen, dass sie durch die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst im Umfang von wenigstens 0,25 eines Versorgungsauftrages unverhältnismäßig belastet würden, wenn sie tatsächlich nur in sehr geringem Umfang als Ermächtigte tätig werden. Grundsätzlich ist einem Arzt (nur) ein Vertragsarztsitz und (nur) ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet. Für den Umfang der Heranziehung zum ÄBD ist deswegen der sich aus der Zulassung ergebende Umfang des Versorgungsauftrages maßgebend. Es würde der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtung der Beklagten, alle Ärzte gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen, widersprechen, wenn Praxen mit halbem Versorgungsauftrag und Praxen mit vollem Versorgungsauftrag in gleicher Weise zum ÄBD herangezogen würden. Aus einer Ermächtigung kann im Einzelfall auch eine ambulante Tätigkeit in sehr geringem Umfang folgen. Erzielt ein Arzt aus seiner Ermächtigung weniger als 1/10 des Durchschnittsumsatzes eines Vertragsarztes, müsste er aber ein Viertel der Belastung des Bereitschaftsdienstes eines solchen Arztes auf sich nehmen, so ist es wenig naheliegend, dass ein solches Missverhältnis auch unter Berücksichtigung der Befugnis zur Pauschalierung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2018 - B 6 KA 50/17 R - BSGE 127, 109 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 35, juris Rdnr. 51).

Soweit die Beklagte auf die Schwierigkeiten eines Vergleichs beider ärztlicher Tätigkeiten bzw. die Schwierigkeiten zur Ermittlung des Umfangs privatärztlicher Tätigkeiten hinweist, so vermag dies nicht die dargestellte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Die 11. u 18. Kammer des Sozialgerichts Marburg bereits hinsichtlich der Ungleichbehandlung bei der Beitragserhebung darauf hingewiesen, dass der Aspekt der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens kann einen solchen Gleichheitsverstoß nicht rechtfertigen kann (vgl. (SG Marburg, Gerichtsb. v. 28.01.2022 - S 18 KA 464/20 - juris Rdnr. 61; SG Marburg, Gerichtsb. v. 28.01.2022 - S 11 KA 465/20 - juris Rdnr. 63). 

Die Beklagte hat daher den Antrag des Klägers auf Teilnahmereduzierung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Sie hat zunächst § 3 Abs. 3 Satz 3 BDO dahingehend zu korrigieren, dass eine Reduzierung der Teilnahmeverpflichtung nicht allein vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses abhängt. Maßgebend für den Umfang der Teilnahmeverpflichtung ist der Umfang der ärztlichen Tätigkeit in niedergelassener Praxis. Wie dies ermittelt wird und in welchem Umfang die Tätigkeit zur Teilnahmeverpflichtung führt, unterliegt der Satzungsautonomie der Beklagten. Anhaltspunkte hierfür können der Umsatz und die Fallzahl bilden. Ermittlungen hierzu sind der Beklagten ohne weiteres möglich. Bereits nach geltendem Recht besteht die Möglichkeit einer Beitragsreduzierung bei Nachweis der erzielten Gewinne vor Steuern. Auch im Rahmen der Erweiterten Honorarverteilung erfasst die Beklagte Honorarzuflüsse, die nicht im Rahmen der Gesamtvergütung an sie, sondern unmittelbar an die Vertragsärzte gezahlt werden (vgl. (§ 11 Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, gültig ab: 01.07.2006 und in der geänderten Fassung ab Juli 2011 <„Ergänzende Bestimmungen zur Einbeziehung von Vergütungen im Rahmen von Sonderverträgen außerhalb der Gesamtvergütung“> bzw. § 3 Abs. 4 GEHV in der ab 01.07.2017 geltenden Fassung mit der letzten Änderung v. 29.05.2021). Hinzu kommt, dass auch Vertragsärzte und in einer Berufsausübungsgemeinschaft oder einem MVZ angestellte Ärzte privatärztlich tätig sein können. Insb. soweit sie einen geringeren Versorgungsauftrag als einen vollen Versorgungsauftrag ausfüllen, wird dies zu berücksichtigen sein.

Von daher war der angefochtene Bescheid rechtswidrig und aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verurteilen.

Die Klage war aber im Übrigen abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf vollständige Freistellung vom ÄBD der Beklagten. Er erzielt erhebliche Umsätze aus seiner privatärztlicher Tätigkeit. Die Befreiungsgründe aus § 3 Abs. 7 BDO liegen nicht vor. 

Nach § 3 Abs. 7 ÄBDO hat sich vorrangig vor einer Befreiung von der Teilnahme am ÄBD ein Arzt eigenständig und zu eigenen Lasten einen geeigneten Vertreter zu suchen. Eine ggf. befristete, teilweise bzw. vollständige Befreiung von der Teilnahme am ÄBD kann auf schriftlichen Antrag von der KVH ausgesprochen werden. Befreiungsgründe können sein: 
a)     gesundheitliche Gründen (Krankheit oder Behinderung), so dass der Arzt nicht zur Teilnahme am ÄBD in der Lage ist, und dies wesentliche Auswirkungen auf seine sonstige tägliche vertragsärztliche Tätigkeit hat;
b)     die Vollendung des 65. Lebensjahres,
c)     Schwangerschaft für Ärztinnen ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft und bis zu 12 Monate nach der Entbindung sowie für weitere 24 Monate, soweit nicht der andere Elternteil die Versorgung des Kindes gewährleistet
d)     Elternzeit für Ärztinnen und Ärzte ab dem Tag der Geburt des Kindes für einen Zeitraum von 36 Monaten, soweit nicht der andere Elternteil die Versorgung des Kindes gewährleistet
e)     sonstige im Einzelfall darzulegende, schwerwiegende Gründe, aufgrund derer eine Teilnahme am ÄBD auf Zeit oder dauernd nicht zugemutet werden kann.

Grundsätzlich sind alle Vertragsärzte zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst geeignet. Der Anspruch eines Vertragsarztes beschränkt sich darauf, im Rahmen der Gleichbehandlung nicht öfters zum Notfalldienst herangezogen zu werden als die übrigen Ärzte.

Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe aller niedergelassener Ärzte, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit und sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (vgl. BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 - USK 95124, juris Rdnr. 15). Dabei ist die Mitwirkung aller zugelassenen Ärzte am Bereitschaftsdienst das Regelmodell, das seinerseits in der Umsetzung der Kassenärztlichen Vereinigung nicht begründungsbedürftig ist, gleichwohl aber durch die Vertreterversammlung als Normgeber modifiziert werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 41/14 R - BSGE 119, 248 = SozR 4-2500 § 75 Nr. 15, juris Rdnr. 15). 

Der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit ist auch dann hinzunehmen, wenn er für den einzelnen Vertragsarzt besondere, über das übliche Maß hinausgehende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt. Erst beim Vorliegen schwerwiegender Gründe kann die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und eine Befreiung des Betroffenen geboten sein (vgl. BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 - USK 95124, juris Rdnr. 15). Die Kassenärztliche Vereinigung muss auf Erfüllung der Verpflichtung nicht bestehen, wenn genügend Kassenärzte freiwillig teilnehmen, sie kann allerdings die nicht teilnehmenden Vertragsärzte zur Finanzierung heranziehen (vgl. BSG, Urt. v. 03.09.1987 - 6 RKa 1/87 - SozR 2200 § 368m Nr. 4, juris Rdnr. 17). Der Notdienst ist in gleicher Weise Bestandteil der hausärztlichen als auch der fachärztlichen Versorgung (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 5, juris Rdnr. 11). Auch Fachärzte sind einschließlich der ärztlichen Psychotherapeuten zur Teilnahme am Notfalldienst grundsätzlich geeignet (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 5, juris Rdnr. 20; BSG, Urt. v. 15.04.1980 - 6 RKa 8/78 - USK 8055, juris Rdnr. 12 m.w.N.; BSG, Urt. v. 15.09.1977 - 6 RKa 8/77 - BSGE 44, 252, 257 f. = SozR 2200 § 368n Nr. 12; BSG, Urt. v. 19.10.1971 - 6 RKa 24/70 - BSGE 33, 165, 167 = SozR Nr. 3 zu BMV-Ärzte); nicht herangezogen werden können lediglich die Psychologischen Psychotherapeuten (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.12.2004 - L 10 KA 5/04 - juris; LSG Niedersachsen, Urt. v. 25.04.2001 - L 3/5 KA 67/99 - juris). Beruft sich ein Facharzt auf einen Eignungsverlust, so trägt er hierfür die Feststellungslast (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - 6 RKa 8/78 - USK 8055, juris Rdnr. 12 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.12.2004 - L 10 KA 5/04 - juris). Es besteht auch eine Pflicht zur Fortbildung für eine Tätigkeit im Notdienst (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - 6 RKa 8/78 - USK 8055, juris Rdnr. 12 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.12.2004 - L 10 KA 5/04 - juris; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.07.2003 - L 5 KA 3081/02 - juris Rdnr. 22). Ein Anspruch des Vertragsarztes gegen eine KV, bestimmte Arztgruppen generell vom Notdienst zu befreien, besteht bundesrechtlich von vornherein nicht (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 5, juris Rdnr. 20). 

Ausnahmen von der Teilnahmeverpflichtung können als Ermessensvorschrift ausgestaltet werden (vgl. BSG, Urt. v. 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, juris Rdnr. 12). Das BSG hat eine Bestimmung, nach der bei der Entscheidung über eine völlige, teilweise und zeitweilige Freistellung vom Notfallvertretungsdienst u. a. stets zu prüfen ist, ob dem Arzt aufgegeben werden kann, den Notfallvertretungsdienst auf eigene Kosten von einem geeigneten Vertreter wahrnehmen zu lassen, mit höherem Recht als vereinbar angesehen. Aus übergeordnetem Recht ergibt sich nicht, dass auf diese Prüfung zu verzichten ist, wenn der persönlichen Teilnahme am Notfallvertretungsdienst gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Vielmehr lässt sich mit dem übergeordneten Recht vereinbaren, die Freistellung vom Notfallvertretungsdienst zusätzlich von beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Arztes, insb. von seinem Honorarumsatz abhängig zu machen. Das Vertragsarztrecht überträgt die ärztliche Versorgung der Versicherten denjenigen freiberuflich tätigen Ärzten, die dazu bereit sind. Mit der auf ihren Antrag hin ausgesprochenen Zulassung übernehmen die Ärzte die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung. Die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung ist nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern muss auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein („rund um die Uhr“). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insb. für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Da es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Kassenärzte handelt, sind auch alle Kassenärzte zur Mitwirkung heranzuziehen, und zwar in einer alle gleichmäßig belastenden Weise. Persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes bleiben dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Ein Vertragsarzt hat den Notfallvertretungsdienst, der für ihn auch eine Entlastung darstellt, zumindest solange gleichwertig mitzutragen, wie er in vollem Umfange kassenärztlich tätig ist. Es ist nicht geboten, einzelne Kassenärzte zu Lasten ihrer Kollegen von kassenärztlichen Pflichten freizustellen, wenn sie im Übrigen ihrer beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen, also die wirtschaftlichen Möglichkeiten des freien Berufes voll nutzen und deshalb wirtschaftlich nicht schlechter, eventuell sogar besser gestellt sind als ihre Kollegen, auf deren Kosten sie die Freistellung begehren. Es ist daher mit den Grundsätzen des Vertragsarztrechts vereinbar, wenn die Freistellung von der gemeinsamen Aufgabe des Notfallvertretungsdienst nicht allein von den gesundheitlichen Verhältnissen des Vertragsarztes, sondern auch davon abhängig gemacht wird, ob die gesundheitlichen Verhältnisse sich nachteilig auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Arztes auswirken, z. B. dass sie zu einer deutlichen Einschränkung der Praxisausübung geführt oder dem Vertragsarzt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse (des Honorarumsatzes) nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfallvertretungsdienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen (vgl. BSG, Urt. v. 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, juris Rdnr. 13).

An dieser Rechtsprechung hat das BSG festgehalten. Es hat betont, die bundesrechtliche Verpflichtung aller Vertragsärzte zu einem gleichwertigen Mittragen der Belastungen infolge des ärztlichen Notfalldienstes besteht auch für den Fall, dass einer persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Eine vollständige (ersatzlose) Befreiung kommt unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung (Art 3 Abs. 1 GG) nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in Frage, wenn nämlich gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem aufgrund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Hat mithin der aus gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen an der persönlichen Notdienstleistung gehinderte Arzt primär einen Vertreter zur Ableistung der ihm obliegenden Notfalldienste zu stellen, so muss unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots dasselbe erst recht gelten, wenn ein Arzt aus anderen Gründen - wie z. B. wegen fehlender aktueller Kenntnisse und Fähigkeiten für den Notdienst - den Notfalldienst nicht persönlich erbringen darf. Verfügt die Kassenärztliche Vereinigung den Ausschluss eines Arztes vom Notfalldienst wegen solcher Ungeeignetheit, so enthält dies lediglich das Verbot, den Notfalldienst persönlich zu erbringen. Seine Pflicht zum Mittragen der Belastungen des Notfalldienstes bleibt davon unberührt; deshalb muss er auf eigene Kosten einen geeigneten Vertreter für die Durchführung der ihm obliegenden Notdienste stellen (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 - B 6 KA 13/06 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 7, juris Rdnr. 14).

Ausgehend von diesen Vorgaben, die aufgrund der verpflichtenden Einbeziehung in den ÄBD auch für niedergelassene Privatärzte gelten, sind die genannten Satzungsbestimmungen der Beklagten, insb. § 3 Abs. 7 Satz 3 Buchst. e BDO, der allein als Befreiungstatbestand in Betracht kommt, da andere Gründe nicht vorgetragen werden und auch nicht ersichtlich sind, nicht zu beanstanden. Es liegt in der Sphäre des Klägers, wenn er neben seiner privatärztlichen Tätigkeit selbständig tätig ist und die Privatarztpraxis getrennt von seinem Wohnsitz betreibt. Dies muss er sich zurechnen lassen. Besondere Härtegründe i. S. d. BDO werden in diesen Umständen nicht ersichtlich. Auch ist es ihm zumutbar, für seine Teilnahme am ÄBD ggf. einen Vertreter zu bestellen. 

Nach allem war der Klage nur im tenorierten Umfang stattzugeben, war sie aber im Übrigen abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung ergeht als Beschluss. 

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts wie hier keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 € anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). 

 

Rechtskraft
Aus
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