L 1 SV 1119/20 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
13 AS 388/20
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SV 1119/20 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

§ 73a SGG, § 115 ZPO, § 127 ZPO

Kostenerstattungsanspruch, Bedürftigkeit, Prozesskostenhilfeverfahren, Beschränktes Beschwerderecht der Staatskasse, Einmalzahlung aus dem Vermögen

1. Die Beschwerde der Staatskasse nach Maßgabe des § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann nicht gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Grunde nach, sondern nur darauf gerichtet werden, der Antragsteller sei unzutreffend nicht an den Kosten der Verfahrensführung durch Zahlung von Raten oder einer Einmalzahlung beteiligt worden.

2. Ein durchsetzbarer Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner ist Vermögen im Sinne von §115 Abs.3 S.1 ZPO und führt im Beschwerdeverfahren der Staatskasse dazu, dass eine Einmalzahlung aus dem Vermögen anzuordnen ist.

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 28. September 2020 wie folgt abgeändert:

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N aus S gewährt.

Es wird angeordnet, dass der Kläger eine Einmalzahlung in Höhe von 400,00 Euro leistet.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Dem Kläger wurde durch Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 28. September 2020 - nach gleichzeitiger Hinzuverbindung weiterer Verfahren - Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt. Durch Beschluss vom 7. Oktober 2020 hat das Sozialgericht den Beschluss dahingehend erweitert, dass dem Kläger ab 5. Oktober 2020 Rechtsanwalt N aus S beigeordnet wurde. Durch rechtskräftiges Urteil vom 13. Oktober 2020 hat das Sozialgericht Nordhausen der Klage stattgegeben und dem beklagten Jobcenter die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang auferlegt. Durch Kostenerstattungsantrag vom 21. Oktober 2020 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Kosten auf 363,96 Euro beziffert. Gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat die Bezirksrevisorin beim Thüringer Landessozialgericht mit am 2. Dezember 2020 beim Sozialgericht Nordhausen eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass in dem PKH-Antrag eine Erklärung des Klägers über seinen Grundbesitz und insbesondere den Wert des Grundeigentums fehle. Mit Beschluss vom 29. Juni 2021 hat das Sozialgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 23. Februar 2022 darauf hingewiesen, dass aufgrund besonderer Umstände im Hinblick auf das vom Kläger genutzte Grundstück nicht von einsetzbarem Vermögen auszugehen sei. Allerdings habe der Kläger durch Urteil vom 13. Oktober 2020 einen fälligen und durchsetzbaren Kostenerstattungsanspruch gegen das Jobcenter erlangt. Dieser stelle einsetzbares Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO dar. Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Gebühren und Auslagen im Vergütungsfestsetzungsantrag auf 363,96 Euro beziffert habe, sei beabsichtigt, eine entsprechende Einmalzahlung aus dem Vermögen anzuordnen.

Die Bezirksrevisorin hat sich hierzu insoweit geäußert, dass sie am Einsatz des Grundvermögens für die Prozesskosten nicht mehr festhalte. Hinsichtlich der Anordnung einer Einmalzahlung sei zu prüfen, ob im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte die für PKH bestimmten Schongrenzen Anwendung fänden.

Der Kläger hat sich zum Verfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde ist sowohl statthaft als auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt (vgl. § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] i. V. m. §§ 572 Abs. 2 und 4, 127 Abs. 3 der Zivilprozessordnung [ZPO]).

Gemäß § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine derartige andere Bestimmung ist für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch die Kammervorsitzenden der Sozialgerichte geregelt. So findet gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO die Beschwerde (nur) der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Danach ist aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschluss vom 28. September 2020 ohne Festsetzung von Zahlungen die Beschwerde statthaft. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann die Beschwerde ferner nur darauf gestützt werden, dass der oder die Beteiligte nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Auch dies ist vorliegend erfüllt, denn die Staatskasse als Beschwerdeführerin macht geltend, dass Raten zu leisten sind. Die Beschwerde ist auch nicht nach § 73a Abs. 8 SGG ausgeschlossen, weil vorliegend nicht der Urkundsbeamte, sondern der Kammervorsitzende entschieden hat.

Die Beschwerde ist durch den Beschwerdeführer, die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse, auch fristgerecht am 2. Dezember 2020 beim Sozialgericht Nordhausen eingelegt worden. Die Frist hierzu beträgt gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 3, 6 ZPO einen Monat ab Kenntnisnahme durch den Bezirksrevisor. Es liegt auch keine Unstatthaftigkeit der Beschwerde gemäß § 127 Abs. 3 Satz 4 ZPO wegen Ablaufs von drei Monaten seit Erlass des Bewilligungsbeschlusses vor. Die erforderliche Abhilfeentscheidung durch das Sozialgericht liegt vor.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss vom 28. September 2020 war insoweit abzuändern, als eine Einmalzahlung aus dem Vermögen anzuordnen war. Da die Beschwerde der Staatskasse nach Maßgabe des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht gegen die Bewilligung von PKH dem Grunde nach, sondern nur darauf gerichtet sein kann, der Kläger sei unzutreffend nicht an den Kosten des Verfahrens durch Raten oder Zahlung eines Einmalbetrages beteiligt worden, besteht für den Senat keine Möglichkeit, eine wegen fehlender Bedürftigkeit von Anfang an fehlerhafte Entscheidung über die Bewilligung von PKH aufzuheben (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Januar 2015, 1 WF 46/15, zitiert nach juris). Zulässig und geboten ist allerdings, angemessene Raten zum Ausgleich der unzutreffenden PKH-Bewilligung ohne Zahlungsbestimmung mit dem Ziel vollständiger Selbstbeteiligung an den Kosten erster Instanz festzusetzen.

Der Kläger verfügt über Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO, weshalb er nicht bedürftig im Sinne des Gesetzes ist. Denn der Kläger hat eine Forderung auf Übernahme seiner erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten gegen das Jobcenter aus dem rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts vom 13. Oktober 2020. Auch Forderungen gehören zum Vermögen, und zwar unabhängig davon, ob sie tituliert sind oder nicht. Sie müssen allerdings verwertbar sein. Dies setzt Fälligkeit, einen rechtlich nicht zweifelhaften Anspruch sowie Leistungsfähigkeit des Schuldners voraus. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch, der daraus resultiert, dass das Gericht den Gegner des Prozesskostenhilfe begehrenden  Klägers dazu verurteilt hat, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, stellt einsetzbares Vermögen i. S. v. § 115 ZPO dar (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 1990, 2 W 191/89, FamRZ 1990, S. 642). Zumutbar verwertbare Forderungen hat ein Antragsteller einzusetzen, anderenfalls werden diese gleichwohl dem einzusetzenden Vermögen hinzugerechnet (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – L 5 B 9/07 AS –, juris). Diese Forderung ist fällig, das Jobcenter ist auch leistungsfähig und gesetzlich zur Zahlung verpflichtet.

Der Anordnung der Einmalzahlung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich auf die Schonvermögensgrenze berufen könnte. Die Vorschriften zum Schonvermögen sollen gewährleisten, dass die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen führt. Dem Sozialhilfeempfänger bzw. hier dem Bezieher von PKH soll ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erhalten bleiben. Insoweit darf nach § 115 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII die Gewährung von PKH nicht von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Welche Barbeträge in diesem Sinne als klein anzusehen sind, bestimmt die auf der Grundlage des § 96 Abs. 2 SGB XII erlassene Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (DVO). Der Verordnungsgeber hat durch § 1 Satz 1 DVO in seiner seit 1. April 2017 geltenden Fassung kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII angehoben und für jede Person einheitlich geregelt: 1. für jede in § 19 Abs. 3, § 27 Abs. 1 und 2, § 41 und § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII genannte volljährige Person sowie für jede alleinstehende minderjährige Person, 5.000 Euro, 2. für jede Person, die von einer Person nach Nummer 1 überwiegend unterhalten wird, 500 Euro. Der sich hiernach für den Kläger ergebende Freibetrag beläuft sich auf 5.000 Euro. Der Kostenerstattungsanspruch gegen das Jobcenter würde damit rein wertmäßig unter diese Vorschrift fallen, vorausgesetzt, dass der Kläger nicht noch über sonstige Vermögenswerte verfügt, die zum Übersteigen des Betrages von 5.000,00 Euro führen. Dies braucht vom Senat jedoch nicht weiter aufgeklärt zu werden, da die Vorschriften im Hinblick auf das Schonvermögen auf einen Kostenerstattungsanspruch jedenfalls in dem Fall keine Anwendung finden, in dem der Vergütungsanspruch des vom Kläger beauftragten Rechtsanwaltes noch nicht erfüllt worden ist. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass Sinn und Zweck des Behaltens von Schonvermögen - die Wahrung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit eines PKH-Antragstellers in einem gewissen Umfang - in dieser Konstellation ersichtlich nicht gegeben ist. Denn der aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichts Nordhausen gegenüber dem Jobcenter bestehende Kostenerstattungsanspruch ist von vornherein damit belastet, dass der Kläger damit die Kosten für seinen Prozessbevollmächtigten zu decken hat. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass der Staatskasse nach § 59 RVG ein Erstattungsanspruch wegen der aufgrund der PKH–Bewilligung verauslagten Rechtsanwaltsgebühren gegen das unterlegene Jobcenter zustehen würde, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Gebühren nur über PKH abrechnet und der Kläger keinen Kostenantrag gegen das Jobcenter stellt.

Kosten sind gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Rechtskraft
Aus
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