L 3 AS 2890/22 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 1357/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2890/22 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ein tragender Rechtssatz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nur bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf die Würdigung des Einzelfalls bezogenen rechtlichen Aussage vor (Anschluss an BSG, Beschluss vom 01.12.2017 – B 11 AL 66/17 B, juris).
2. Für die Annahme einer Divergenz genügt es nicht, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die die in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte aufgestellt haben oder wenn das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, die Rechtsprechung der genannten Gerichte nicht gekannt hat, übersehen oder verkannt hat.
3. Erforderlich ist vielmehr, dass das Gericht bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Die Begründung des Gerichts muss erkennen lassen, dass es den in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichten widersprochen und von deren rechtlichen Aussagen abweichende, das heißt mit diesen unvereinbare, rechtliche Maßstäbe aufgestellt hat (Anschluss an BSG, Beschluss vom 23.06.2015 – B 14 AS 345/14 B, juris Rn. 3, 5).

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem
Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.09.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.




Gründe

I.


Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Aufwendungen für ein durchgeführtes Widerspruchsverfahren streitig.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bewilligungsbescheid vom 17.05.2020 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.06.2020 bis zum 31.05.2021 und mit Änderungsbescheid vom 04.06.2020 höhere Leistungen für die Zeit vom 01.06.2020 bis zum 31.01.2021 sowie mit Änderungsbescheid vom 21.11.2020 höhere Leistungen für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.05.2021, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2020. Hiergegen erhob die Klägerin die unter dem Aktenzeichen S 14 AS 4125/20 geführte Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn. Sodann bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 05.02.2021 höhere Leistungen für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.03.2021.

Am 16.02.2021 gingen beim Beklagten von der Klägerin eingereichte Verbrauchsabrechnungen für Strom ein.

In dem im Erörterungstermin vom 17.02.2021 vor dem SG Heilbronn in dem unter dem Aktenzeichen S 14 AS 4125/20 anhängig gewesenen Verfahren geschlossenen Vergleich einigten sich die Beteiligten darauf, dass der Beklagte der Klägerin unter Abänderung der Bescheide vom 17.05.2020, 04.06.2020 sowie 21.11.2020 und des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2020 höhere Kosten der Unterkunft in Form von Heizkosten unter Berücksichtigung eines monatlichen Abschlages in Höhe von 160,00 € unter anderem für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.05.2021 bewillige. In dem Vergleich wurde ferner ausgeführt, dass die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärten und der Beklagte das Recht habe, diesen Vergleich bis zum 03.03.2021 schriftlich gegenüber dem Gericht zu widerrufen. Anschließend erklärte die Klägerin im Rahmen dieses Erörterungstermins alle Widerspruchsverfahren betreffend die streitgegenständlichen Zeiträume für erledigt.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 19.02.2021 in Abänderung der Bescheide vom 17.05.2020 und 05.02.2021 um 112,11 € monatlich höhere Leistungen für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.05.2021. Er führte zur Begründung aus, der Heizkostenabschlag sei in angemessener Höhe in die Berechnung aufgenommen worden. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde ausgeführt, gegen diesen Bescheid könne Widerspruch erhoben werden.

Hiergegen legte die Klägerin am 16.03.2021 mit der Begründung Widerspruch ein, der Beklagte habe sich am 17.02.2021 verpflichtet, Heizkosten in Höhe von monatlich 160,00 € zu gewähren.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 18.03.2021 in Abänderung der Bescheide vom 17.05.2020, 21.11.2020, 05.02.2021 und 19.02.2021 um 47,89 € monatlich höhere Leistungen für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.05.2021. Er führte zur Begründung aus, es würden Heizkosten in Höhe von 160,00 € monatlich berücksichtigt. Dieser Bescheid ergehe in Ausführung des Vergleichs vom 17.02.2021.

Sodann führte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 08.04.2021 aus, sie gehe davon aus, dass dem Widerspruch abgeholfen worden sei, weswegen sie ihre Kostennote über 380,80 € beifügte.

Der Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2021 als unzulässig. Die im Widerspruchsverfahren gegebenenfalls entstandenen notwendigen Aufwendungen inklusive der durch die Bevollmächtigung entstandenen würden nicht erstattet. Er führte zur Begründung aus, die Klägerin habe am 17.02.2021 alle Widerspruchsverfahren für die streitgegenständlichen Zeiträume für erledigt erklärt. Davon seien natürlich nicht nur bereits bei Vergleichsformulierung erhobene, sondern auch künftig erhobene erfasst. Im Übrigen sei die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid auch nicht beschwert. An der Kostenentscheidung ändere auch die etwaig fehlerhafte „normale“ Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid jedenfalls nichts. Denn die Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X, wonach auch ein Widerspruch, der nur deshalb keinen Erfolg habe, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich sei, die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X nach sich ziehe, finde weder direkt noch analog auf den Mangel einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung Anwendung.

Hiergegen hat die Klägerin am 12.05.2021 Klage zum SG Heilbronn erhoben und beantragt, den Bescheid vom 19.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2021 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr die außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren zu erstatten.

Das SG Heilbronn hat mit Urteil vom
08.09.2022 den Beklagten unter Abänderung der Kostentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 12.04.2021 verurteilt, der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens hinsichtlich des Widerspruchs vom 16.03.2021 gegen den Bescheid vom 19.02.2021 zu erstatten und die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten in diesem Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Ein Widerspruch habe im Grundsatz dann Erfolg im Sinne des Gesetzes, wenn die Behörde ihm stattgebe beziehungsweise abhelfe. Dies sei der Fall, wenn die Behörde dem Widerspruch abhelfe und der Widerspruch für die Abhilfe kausal sei. Die Abhilfeentscheidung im Änderungsbescheid vom 18.03.2021 habe nicht auf anderen, kausalitätsausschließenden Umständen beruht. Für eine Kausalität zwischen Widerspruch und Abhilfeentscheidung genüge grundsätzlich auch eine Mitursächlichkeit des Widerspruchs (neben weiteren Ursachen) für die Abhilfeentscheidung. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung des Beklagten zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides und zur Bewilligung der höheren Heizkosten nicht auch aufgrund des erhobenen Widerspruches und nicht nur alleine aufgrund der Umsetzung des Vergleiches ergangen sei. An der notwendigen Kausalität scheitere die Kostenerstattung auch nicht aus dem Grund, dass der Bescheid vom 19.02.2021 nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens gewesen sei, da zu diesem Zeitpunkt die Widerrufsfrist des Vergleiches noch nicht abgelaufen gewesen sei. Denn der Bescheid habe eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, dass hiergegen ein Widerspruchsverfahren statthaft sei, weshalb in erweiterter Auslegung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine Kostenentscheidung habe vorgenommen werden müssen, weil die Behörde den daher unzulässigen Widerspruch provoziert habe.

Das SG Heilbronn hat die Berufung nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe.

Der Beklagte hat gegen die Nichtzulassung der Berufung am 07.10.2022 Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben.

Die urteilstragende Ausführung des Sozialgerichts, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass seine Entscheidung zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides und zur Bewilligung der höheren Heizkosten nicht auch aufgrund des erhobenen Widerspruches und nicht nur alleine aufgrund der Umsetzung des Vergleiches ergangen sei, missachte die über rein chronologische Komponenten hinausgehenden Kausalitätsanforderungen der Rechtsprechung (auch) des Bundessozialgerichts (BSG), wonach ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich sei, wenn zeitlich nach der Einlegung des Widerspruchs eine dem Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergehe, sondern er sei nur dann erfolgreich im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde auch eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe. Ein Beitrag gerade des Widerspruchs zum Erlass der Zugunstenänderung müsse also nachweislich gegeben sein, nicht nur „nicht ausgeschlossen werden“ können. Dies sei hier eben nicht erfüllt, da die Änderung in Umsetzung des Gerichtsvergleichs ergangen sei.

Auch die weiteren urteilstragenden Ausführungen des SG Heilbronn, an der notwendigen Kausalität scheitere die Kostenerstattung auch nicht aus dem Grund, dass der Bescheid vom 19.02.2021 nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens gewesen sei, da in erweiterter Auslegung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine Kostenentscheidung habe vorgenommen werden müssen, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG, wonach die Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X weder direkt noch analog auf den Mangel einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung Anwendung finde.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.09.2022 zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

            die Beschwerde des Beklagten zurückzuweisen.

II.


Die gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG Heilbronn vom 08.09.2022, über die der Senat nach § 145 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Beklagte eine Aufhebung des Urteils des SG Heilbronn, mit dem er unter Abänderung der Kostentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 12.04.2021 verurteilt worden ist, der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens hinsichtlich des Widerspruchs vom 16.03.2021 gegen den Bescheid vom 19.02.2021 zu erstatten und die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten in diesem Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären, begehrt, sich seine Berufung damit letztlich gegen eine Verurteilung, einen Betrag in Höhe der von der Klägerin geltend gemachten außergerichtlichen Kosten von 380,80 € zu übernehmen, richtet und dieser Betrag 750,00 € nicht übersteigt (Sächsisches LSG, Beschluss vom 06.01.2021 – L 6 R 197/19 KN NZB, juris Rn. 14).

Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG bei dem zuständigen LSG Baden-Württemberg eingelegt worden.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keiner der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Gründe für die Zulassung der Berufung liegt vor.

Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch ist ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht.

Auch beruht das Urteil des SG Heilbronn vom 08.09.2022 nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg, des BSG, des GmS-OGB oder des BVerfG.

Eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG setzt voraus, dass ein SG in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg, des BSG, des GmS-OGB oder des BVerfG aufgestellt hat.

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das Urteil des SG Heilbronn vom 08.09.2022 weicht nicht bewusst von der Rechtsprechung des BSG ab.

Dies betrifft die Ausführungen des SG Heilbronn sowohl in Bezug auf die Kausalität zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung (siehe dazu unter 1.) als auch auf die Frage der Anwendbarkeit des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X bei falscher Rechtsbehelfsbelehrung (siehe dazu unter 2.).

1. Das BSG hat ausgeführt, ein Widerspruch sei nur dann erfolgreich im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe (BSG, Urteil vom 21.07.1992 – 4 RA 20/91, juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 29.01.1998 – B 12 KR 18/97 R, juris Rn. 23; BSG, Urteil vom 18.12.2001 – B 12 KR 42/00 R, juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 25.03.2004 – B 12 KR 1/03 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 31.05.2006 – B 6 KA 78/04 R, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 17.10.2006 – B 5 RJ 66/04 R, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 17.10.2006 – B 5 RJ 66/04 R, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 13.10.2010 – B 6 KA 29/09 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 20.10.2010 – B 13 R 15/10 R, juris Rn. 31).

Das SG Heilbronn hat den Rechtssatz aufgestellt, e
in Widerspruch habe im Grundsatz dann Erfolg im Sinne des Gesetzes, wenn die Behörde ihm stattgebe beziehungsweise abhelfe. Dies sei der Fall, wenn die Behörde dem Widerspruch abhelfe und der Widerspruch für die Abhilfe kausal sei. Für eine Kausalität zwischen Widerspruch und Abhilfeentscheidung genüge grundsätzlich auch eine Mitursächlichkeit des Widerspruchs (neben weiteren Ursachen) für die Abhilfeentscheidung.

Damit stimmt das SG Heilbronn mit dem vom BSG aufgestellten Rechtssatz überein.

Indem das SG Heilbronn sodann ausgeführt hat, es könne vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung des Beklagten zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides und zur Bewilligung der höheren Heizkosten nicht auch aufgrund des erhobenen Widerspruchs und nicht nur alleine aufgrund der Umsetzung des Vergleichs ergangen sei, hat es keinen weiteren Rechtssatz aufgestellt, sondern lediglich den ihm zur Beurteilung vorliegenden Sachverhalt unter dem von ihm in Übereinstimmung mit dem BSG aufgestellten Rechtssatz subsumiert.
Ein tragender Rechtssatz liegt aber nur bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf die Würdigung des Einzelfalls bezogenen rechtlichen Aussage vor (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 160 Rn. 13; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, § 144 SGG, Stand: 15.06.2022, Rn. 40; BSG, Beschluss vom 14.12.2016 – B 14 AS 251/16 B, juris; BSG, Beschluss vom 01.12.2017 – B 11 AL 66/17 B, juris). Darauf, ob die vom SG Heilbronn vorgenommene Subsumtion zutreffend erfolgt ist oder nicht, ob es also für die Bejahung der Kausalität – wie der Beklagte möglicherweise zu Recht meint – nicht genügt, dass diese nur nicht ausgeschlossen werden kann, sondern erforderlich ist, dass diese nachgewiesen ist, kommt es im Rahmen der Prüfung, ob ein Fall der Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegt, nicht an. Denn nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung wegen Divergenz (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 160 Rn. 14; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, § 144 SGG, Stand: 15.06.2022, Rn. 39; BSG, Urteil vom 29.11.1989 – 7 BAr 130/88, juris Rn. 7; BSG, Beschluss vom 09.02.2016 – B 3 KR 46/15 B, juris Rn. 11). In einem gegen die Nichtzulassung der Berufung gerichteten Verfahren ist es nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu überprüfen, sondern lediglich zu prüfen, ob eine Abweichung von einem von den oben genannten Gerichten aufgestellten Rechtssatz vorliegt.

2. Das BSG hat ferner ausgeführt, eine Kausalität zwischen Widerspruch und Abhilfeentscheidung liege nicht vor, wenn der mit dem Widerspruch angegriffene Bescheid gemäß § 96 Abs. 1 SGG automatisch Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens geworden sei, so dass es des Widerspruchs nicht bedurft habe; ihm sei daher der sich aus dem nachfolgend ergangenen Bescheid ergebende Erfolg rechtlich nicht zuzurechnen (BSG, Urteil vom 20.10.2010 – B 13 R 15/10 R, juris Rn. 31). Ebenso wenig lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor. Danach gelte die Rechtsfolge des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren) auch, wenn der Widerspruch „nur“ deshalb keinen Erfolg habe, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich sei. Einer der Anwendungsfälle des § 41 SGB X sei nicht gegeben. Der Mangel einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung (§ 36 SGB X) werde von § 41 SGB X nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht erfasst (BSG, Urteil vom 20.10.2010 – B 13 R 15/10 R, juris Rn. 32). Die Ansicht, § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X sei in erweiternder Auslegung bei einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung mit der Folge anzuwenden, dass ein Kostenerstattungsanspruch auch bei einem wegen der Rechtsfolge des § 96 Abs. 1 SGG unzulässigen Widerspruch gegen einen bereits in einem Gerichtsverfahren einbezogenen Verwaltungsakt zu bejahen sei, werde nicht geteilt. Vielmehr komme eine Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Regelung auf den Fall einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 20.10.2010 – B 13 R 15/10 R, juris Rn. 33).
 
Demgegenüber hat das SG Heilbronn ausgeführt, an der notwendigen Kausalität scheitere die Kostenerstattung auch nicht aus dem Grund, dass der Bescheid vom 19.02.2021 nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens gewesen sei, da zu diesem Zeitpunkt die Widerrufsfrist des Vergleichs noch nicht abgelaufen gewesen sei. Denn der Bescheid habe eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, dass hiergegen ein Widerspruchsverfahren statthaft sei, weshalb in erweiterter Auslegung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine Kostenentscheidung habe vorgenommen werden müssen, weil die Behörde den daher unzulässigen Widerspruch provoziert habe.

Damit hat zwar das SG Heilbronn eine andere Ansicht als das BSG vertreten.
Für die Annahme einer Divergenz genügt es aber nicht, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die das LSG Baden-Württemberg, das BSG, der GmS-OGB oder das BVerfG aufgestellt haben oder wenn das SG die Rechtsprechung der genannten Gerichte nicht gekannt, übersehen oder verkannt hat (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 160 Rn. 14). Die Begründung des Gerichts muss vielmehr erkennen lassen, dass es den in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichten widersprochen und von deren rechtlichen Aussagen abweichende, das heißt mit diesen unvereinbare, rechtliche Maßstäbe aufgestellt hat (BSG, Beschluss vom 23.06.2015 – B 14 AS 345/14 B, juris Rn. 3). Erforderlich ist also, dass das SG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich das Recht fehlerhaft angewendet hat (Fichte in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage 2020, § 160 Rn. 40; Littmann in Berchtold, SGG, 6. Auflage 2021, § 144 Rn. 17; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, § 144 SGG, Stand: 15.06.2022, Rn. 39; BSG, Beschluss vom 01.07.2014 – B 1 KR 99/13 B, juris Rn. 6; BSG, Beschluss vom 19.12.2016 – B 9 SB 73/16 B, juris Rn. 8). Vorliegend hat aber das SG Heilbronn nicht erkennen lassen, dass es dem BSG widerspricht. Es hat sich vielmehr lediglich auf eine andere Literaturmeinung (Roos in von Wulffen/Schütze SGB X Kommentar, § 63 Rn. 22) gestützt. Darauf, ob die vom SG Heilbronn vertretene Rechtsansicht zutreffend erfolgt ist oder nicht, ob also eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auf den Fall einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung in Betracht kommt oder – wie der Beklagte ebenfalls möglicherweise zu Recht meint – nicht in Betracht kommt, kommt es im Rahmen der Prüfung, ob ein Fall der Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegt, nicht an.

Nach alledem ist die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Mit seinem Erlass wird die angegriffene Entscheidung gemäß § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG rechtskräftig.



 

Rechtskraft
Aus
Saved